Oldenburger Turnerbund
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Wandern<br />
1500 Wanderungen des<br />
WGC in knapp 60 Jahren<br />
Eintausendfünfhundert Wanderungen in<br />
knapp 60 Jahren. Das sind 1500 unterschiedliche<br />
Wetterlagen, 1500 verschiedene<br />
Gruppierungen der Wanderer, 1500 unterschiedliche<br />
Esserlebnisse und vor allem: auf<br />
Grund der sich ständig ändernden politischen<br />
Situation völlig unterschiedliche Gesprächshintergründe.<br />
Aber besonders interessant<br />
scheint mir das wirtschaftliche Umfeld<br />
zu sein, das sich in einem rasanten Wandel<br />
befand und noch befindet. Und doch gibt es<br />
eine faszinierende Kontinuität, denn wir alle<br />
sind noch Zeitgenossen der Gründerväter.<br />
Doch lesen wir zunächst einmal das Protokoll<br />
der 1. Wanderung vom 16. November<br />
1948:<br />
1. Wanderung: Bahnfahrt bis Hude. Fußwanderung<br />
von Hude über Vielstedt (Frühstückspause<br />
bei Strackerjan), durch den<br />
Hasbruch zu Belte (hier Mittagessen), dann<br />
nach Stenum (Kaffeerast bei Backenköhler),<br />
weiter durch das Stenumer Holz nach Bookholzberg.<br />
Die Wanderung war durch schönstes<br />
Wetter begünstigt; die Bäume prangten<br />
noch in vollem Schmuck ihrer wundervoll<br />
herbstlich gefärbten und von der Sonne beschienenen<br />
Blätter, namentlich das Stenumer<br />
Holz bot einen Anblick, der uns unvergesslich<br />
bleiben wird. Länge der Wanderung:<br />
ca. 30 Km.<br />
Kurz und nüchtern beschreibt Wilhelm<br />
Sandstede, wo die beiden WGC-Gründer<br />
gewesen sind und wo sie Esspausen gemacht<br />
haben.<br />
Man bedenke: Im November 1948 war die<br />
DM gerade mal knapp sechs Monate im Amt.<br />
Es gab noch Lebensmittelmarken und am<br />
12. November einen Protest in den Westzonen<br />
wegen der hohen Preise. Ich habe<br />
keine Hintergrundforschung betrieben, aber<br />
es würde mich interessieren, was die beiden<br />
im Vielstedter Bauernhaus und später bei<br />
Backenköhler gegessen und wie sie bezahlt<br />
haben. Und beide wussten sicher nicht, dass<br />
eben an jenem Tag der heutige Bundestagspräsident<br />
Norbert Lammert geboren wurde.<br />
Aber sie wussten von der Berliner Blockade,<br />
der Luftbrücke, den Flüchtlingsproblemen,<br />
dem Wohnraummangel und der Tatsache,<br />
dass noch Tausende von Kriegsgefangenen<br />
in Lagern fern der Heimat auf die Heimkehr<br />
warteten.<br />
Wilhelm Sandstede wurde 1869 geboren. Als<br />
Kleinkind war er Zeitzeuge des Deutsch-<br />
Französischen Krieges von 1870/71 und der<br />
Reichsgründung. Er starb am Tag des<br />
Mauerbaus 1961. Welch eine Spanne, welch<br />
eine aufregende Begegnung mit der<br />
Geschichte. Er war Zeuge des wohl widersprüchlichsten<br />
Jahrhunderts der europäischen<br />
Geschichte. Als der Hauptmann von<br />
Köpenick am 16.10.1906 seine Tat vollbrachte,<br />
war Wilhelm Sandstede bereits 37 Jahre<br />
alt, sein Bruder 28. Beide hatten wahrscheinlich<br />
das Glück, sowohl für den 1. als<br />
auch für den 2. Weltkrieg zu alt zu sein, um<br />
als Soldaten ihr Leben einsetzen zu müssen.<br />
Vielleicht ist das der Schlüssel dafür, dass in<br />
den Gründungsakten des WGC das Wort<br />
„Humor" so betont wird, wo doch die meisten<br />
Menschen damals wahrlich nichts zu<br />
lachen hatten.<br />
Ich glaube, wir, die wir hier jetzt so fröhlich<br />
und humorvoll mit einander umgehen, haben<br />
unsere WGC-Wanderexistenz zwei Glückspilzen<br />
zu verdanken, die im dunklen Schatten<br />
der Zeit die Sonnenstrahlen gefunden<br />
haben, die die Herzen erwärmten. Dafür wollen<br />
wir dankbar sein.<br />
Vieles hat sich in den Jahren entwickelt und<br />
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