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Müller-Broich - GRUR

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Folie 1<br />

Dr. Rolf Danckwerts, LL.M.<br />

Richter am Landgericht Berlin<br />

Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>, LL.M.<br />

Rechtsanwalt in Frankfurt am Main<br />

Die Folgen der TÜV-Entscheidungen<br />

des BGH für die Praxis<br />

Vortrag vor der <strong>GRUR</strong>-Bezirksgruppe Bayern am 14. Mai 2013<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 2<br />

Original Nachahmung<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2010, 80 ff. - LIKEaBIKE<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 3<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2010, 80 ff. – LIKEaBIKE<br />

Anspruchsgrundlagen:<br />

•§4 Nr. 9 lit. a, lit. b UWG<br />

•§38 GeschmMG<br />

Problem:<br />

Bil<br />

Int. GM DM 040 209 Tatsächl. vertriebenes Original Nachahmung<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 4<br />

Unterschiedlicher Bewertungsmaßstab:<br />

• Nachahmung im Sinne des§4 Nr. 9 UWG:<br />

• Maßgeblich ist die Gesamtwirkung der einander<br />

gegenüberstehenden Produkte. Der Verkehr nimmt ein Produkt<br />

in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne<br />

es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen.<br />

• Der Verkehr nimmt die in Rede stehenden Produkte regelmäßig<br />

nicht gleichzeitig wahr und vergleicht sie miteinander, sondern er<br />

gewinnt seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks,<br />

in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten<br />

als die unterscheidenden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, <strong>GRUR</strong> 2007,<br />

795, Tz. 34 - Handtaschen).<br />

• Verkehr = angesprochene Verkehrskreise.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 5<br />

Unterschiedlicher Bewertungsmaßstab:<br />

• Benutzung eines Geschmacksmusters i.S.v. § 38 Abs. 2<br />

GeschmMG bzw. Art. 10 Abs. 1 GGV:<br />

• Prüfung der Übereinstimmung des Gesamteindrucks des<br />

angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des<br />

eingetragenen Musters unter Berücksichtigung nicht nur der<br />

Übereinstimmungen, sondern auch der Unterschiede der Muster<br />

(BGH, <strong>GRUR</strong> 2011, 142, Tz. 20 – Untersetzer).<br />

• Bestimmung des Gestaltungsspielraums erforderlich.<br />

• Einzelvergleich.<br />

• Informierter Benutzer = fiktive Person, die über<br />

Designbewusstsein verfügt und die maßgeblichen Designs auf<br />

dem relevanten Markt kennt.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie 6<br />

BGH, Beschluss v. 24.03.2011, Az. I ZR 108/09 – TÜV I<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird<br />

der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den<br />

Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene<br />

Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund)<br />

bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet<br />

(Rn. 3).<br />

Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff: Streitgegenstand wird<br />

bestimmt durch Klageantrag und Klagegrund. Den Klagegrund<br />

bilden die wesentlichen Elemente des vorgetragenen<br />

Lebenssachverhalts.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 7<br />

§ 253 ZPO<br />

(1) […]<br />

(2) Die Klageschrift muss enthalten:<br />

[…]<br />

2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des<br />

erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 6<br />

BGH, Beschluss v. 24.03.2011, Az. I ZR 108/09 – TÜV I<br />

Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches<br />

Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen<br />

(Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl<br />

überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt,<br />

verstößt gegen das Gebot des §253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den<br />

Klagegrund bestimmt zu bezeichnen (Leitsatz).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie 9<br />

Örtliche Zuständigkeit und funktionale<br />

Zuständigkeit der Kammern<br />

• Unterschiedlicher örtlicher Gerichtsstand für Klage aus<br />

Schutzrecht und aus UWG<br />

• Aufspaltung der Kammern - Beispiel Düsseldorf:<br />

• Markensachen: 2a ZK<br />

• Geschmacksmustersachen: 14c ZK<br />

• UWG und UrheberR: 12 ZK<br />

• Patent: 4a, 4b, 4c ZK<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie<br />

10<br />

BGH, Urt. v. 12.05.2011, Az. I ZR 53/10 - Seilzirkus<br />

Ein Kläger, der ein einheitliches Klagebegehren - wie hier - aus<br />

mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen)<br />

herleitet,…<br />

Aus dem zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehenden<br />

Klagevorbringen ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Klägerin ihre<br />

Klage in erster Linie mit Ansprüchen aus Urheberrecht und nur<br />

hilfsweise mit Ansprüchen aus ergänzendem<br />

wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz begründet (Tz. 14).<br />

Folgerung: Anspruch aus Geschmacksmuster und § 4 Nr. 9 UWG<br />

stellt ebenfalls zwei Streitgegenstände dar (vgl. Ausgangsfall<br />

„LIKEaBIKE“, jetzt bestätigt durch BGH, <strong>GRUR</strong> 2013, 285, Tz. 19<br />

– Kinderwagen II).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie<br />

11<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2012, 621, Tz. 32 - OSCAR<br />

Im Verhältnis zum Verwechslungsschutz stellt die Geltendmachung<br />

einer identischen Verletzung der Marke im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr.<br />

1 MarkenG denselben Streitgegenstand dar. Werden aus einem<br />

Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutz nach<br />

§ 14 Abs. 2 Nr. 2 als auch wegen Bekanntheitsschutz nach § 14<br />

Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geltend gemacht, handelt es sich ebenfalls um<br />

einen einheitlichen Streitgegenstand.<br />

Folgerung: Nur ein Streitgegenstand, wenn Anspruch gestützt auf<br />

§ 4 Nr. 9 lit. a UWG (Herkunftstäuschung) und § 4 Nr. 9 lit. b<br />

UWG (Rufausbeutung, -beeinträchtigung), so jetzt auch<br />

ausdrücklich BGH, Biomineralwasser, Tz. 23.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie<br />

12<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2011, 1117 - ICE<br />

Wird ein Anspruch auf mehrere Schutzrechte gestützt, begründet<br />

jedes Schutzrecht einen eigenen Streitgegenstand. Das<br />

Feststellungsinteresse ist für jeden einzelnen Streitgegenstand<br />

gesondert zu beurteilen (Tz. 16).<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2012, 630, Tz. 14 - CONVERSE II<br />

Es bestehen insoweit unterschiedliche Streitgegenstände, als die<br />

Klägerin das Unterlassungsbegehren auf zwei Klagezeichen gestützt<br />

hat (so auch BGH, <strong>GRUR</strong> 2012, 1145, Tz. 18 – Pelikan).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie<br />

13<br />

BGH, <strong>GRUR</strong> 2012, 630, Tz. 17 - CONVERSE II<br />

Die drei vor Klageerhebung durchgeführten Verkaufsaktionen stellen<br />

lediglich einen Streitgegenstand dar. Mehrere mit der Klage<br />

vorgetragene gleichartige Verletzungshandlungen, auf die ein<br />

Unterlassungsantrag mit einem bestimmten Klageziel gestützt wird,<br />

bilden einen einheitlichen Klagegrund.<br />

Davon ist vorliegend bei den drei Verkaufsaktionen von "Converse"-<br />

Schuhen durch die Beklagte in den Jahren 2006 und 2007<br />

auszugehen, die sämtlich gleichartige Verletzungshandlungen bilden<br />

und die den Kern der mit der Klage geltend gemachten<br />

Verletzungsform unberührt lassen.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

14<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

F<br />

Von der Beklagten verwendete Zeichen<br />

gesetzl. geschützte<br />

Öko-Kennzeichnung<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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Folie<br />

15<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

• Klageantrag zu a): …es zu unterlassen, natürliches Mineralwasser<br />

unter der Bezeichnung „Biomineralwasser“ zu bewerben und/oder<br />

in den Verkehr zu bringen (+ zwei Hilfsanträge).<br />

Angriffe der Klägerin:<br />

• Werbung mit Selbstverständlichkeiten;<br />

• Irreführung, weil Verkehr bei „Bio“ ein staatliches<br />

Zulassungsverfahren erwarte;<br />

• § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. LMKV, weil „Biomineralwasser“<br />

unzulässige Verkehrsbezeichnung.<br />

• Klageantrag zu b): …es zu unterlassen, nachfolgend dargestelltes<br />

BiO-Zeichen zu verwenden:<br />

• Irreführende Nachahmung des gesetzlich geschützten<br />

Öko-Kennzeichens.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

16<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

Handelt es sich bei dem ersten Streitgegenstand um einen<br />

Streitgegenstand oder handelt es sich um drei Streitgegenstände?<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

17<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

• Zum Lebenssachverhalt, der die Grundlage der<br />

Streitgegenstandsbestimmung bildet, rechnen alle Tatsachen, die<br />

bei einer von Standpunkt der Parteien natürlichen<br />

Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur<br />

Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören.<br />

• Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf<br />

verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem<br />

Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden<br />

kann, selbst wenn dieser einer eigenständigen rechtlichen<br />

Bewertung zugänglich sind.<br />

• Der Streitgegenstand wird damit durch den gesamten historischen<br />

Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das<br />

Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig<br />

davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den<br />

Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch<br />

unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgtragenen<br />

Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen<br />

können.(Tz. 19).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

18<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

• Weiter Streitgegenstandsbegriff läuft dem Ziel zuwider, die<br />

Möglichkeiten des Klägers zu begrenzen, die Richtung der mit<br />

seiner Klage verfolgten Angriffe zu ändern (Tz. 22).<br />

• Aber, Beklagter ist auch im Falle des weit gefassten<br />

Streitgegenstandsbegriffs nicht schutzlos gestellt, vgl. §§296,<br />

296a, 531 ZPO (Tz. 22).<br />

• Zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff entspräche nicht der<br />

gebotenen natürlichen Betrachtungsweise und führt zu<br />

erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten (Tz. 23).<br />

• Praktikabilitätserwägungen (Tz. 23).<br />

Ausdrückliche Aufgabe von „dentalästhetika I +II“<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

19<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

Daher gilt: In Fallen, in denen sich die Klage gegen die konkrete<br />

Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der<br />

Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt<br />

(Tz. 24).<br />

Entsprechendes gilt im Streitfall, da sinnvoller Weise keine<br />

Aufspaltung des Sachverhalts in seinem Kerngehalt verändernde<br />

Geschehensabläufe möglich (Tz. 26). Kläger möchte Bezeichnung<br />

„Biomineralwasser“ verboten wissen, egal aus welchem<br />

Gesichtspunkt (Tz. 27).<br />

Ergebnis: Klageantrag zu a) stellt einen Streitgegenstand dar.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

20<br />

BGH, Urt. v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser<br />

Folge: Entscheidung liegt beim Gericht, auf welchen Gesichtspunkt<br />

es Verurteilung stützt (= alter Zustand).<br />

Aber: Kläger kann Gericht zwingen, durch Stellung verschiedener<br />

Klageanträge über alle Gesichtspunkte zu entscheiden (Tz. 25).<br />

Dann allerdings kumulative Klagehäufung mit entsprechendem<br />

Kostenrisiko.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

21<br />

BGH, Urt. v. 30.06.2011, Az. I ZR 157/10 - Branchenbuch Berg<br />

„Die Klägerin hat beantragt,<br />

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen<br />

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für bezahlte<br />

Einträge in einem Adressen-Sammelwerk mit einem Formular zu<br />

werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der<br />

Anlage K 1 (es folgt die Einblendung der Vorderseite des<br />

streitgegenständlichen Anschreibens).“<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

22<br />

BGH<br />

Urt. v. 30.06.2011<br />

Az. I ZR 157/10<br />

Branchenbuch Berg<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

23<br />

BGH, Urt. v. 30.06.2011, Az. I ZR 157/10 - Branchenbuch Berg<br />

• LG Frankfurt: Verurteilung wegen Angabe des Monatspreis.<br />

• OLG Frankfurt: Verurteilung wegen Irreführung des<br />

Angebotscharakters (Neuabschluss).<br />

Zwei Streitgegenstände?<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

24<br />

BGH, Urt. v. 30.06.2011, Az. I ZR 157/10 - Branchenbuch Berg<br />

Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist<br />

gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 [Verschleierung des Werbecharakters],<br />

§ 5 Abs. 1 UWG begründet…<br />

Auch wenn die Kl. das Werbeschreiben unter zwei unterschiedlichen<br />

tatsächlichen Gesichtspunkten als irreführend beanstandet hat, hat<br />

sie damit nicht mehrere Streitgegenstände in den Rechtsstreit<br />

eingeführt. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf eine<br />

konkrete Verletzungshandlung gestützt. Sie hat nur einen einzigen<br />

Lebenssachverhalt zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens<br />

vorgetragen und damit auch nur einen Streitgegenstand in den<br />

Rechtsstreit eingeführt. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt<br />

zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist für<br />

die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere<br />

Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche<br />

Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung<br />

Sache des Gerichts ist (Rn. 15).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

25<br />

Streitgegenstand: Verschiedene Rechtsgebiete<br />

• § 5 II UWG eigenständig zu §§ 14, 15 MarkenG: BGH, <strong>GRUR</strong> 2009, 672, Tz. 57<br />

- Ostsee-Post.<br />

• UWG eigenes „Schutzrecht“? So OLG Frankfurt, Urt. v. 1.11.2011 – 11 U 75/06, Rn.<br />

164 (vorangehend BGH, <strong>GRUR</strong> 2011, 134 - Perlentaucher; neben UrhR an<br />

Rezensionen auch § 4 Nr. 10 UWG).<br />

• Nach MarkenG: Löschungsansprüche wegen bösgläubiger Markenanmeldung<br />

(§8 Nr. 10), Verfalls (§ 49) und älterer Rechte (§ 51) jeweils unterschiedlich<br />

(BGH „Werbegeschenke“ Rn. 20).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

26<br />

Aufspaltung von Klageverfahren vor verschiedenen<br />

Gerichten<br />

• Wenn unterschiedliche Streitgegenstände, grundsätzlich möglich.<br />

• Aber Vorsicht, eventuell rechtsmissbräuchlich ( vgl. KG, WRP 2012, 1140, Tz. 4 ff.).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

27<br />

Zeitpunkt der Bestimmung der<br />

Reihenfolge<br />

BGH, Urt. v. 24.03.2011, Az. I ZR 108/09, Rn. 13 – TÜV I:<br />

Eine entsprechende Klarstellung wäre bereits in der Klage geboten<br />

gewesen (vgl. auch BGH, <strong>GRUR</strong> 2012, 1145, Tz. 23 – Pelikan)<br />

Problem: Darf Gericht eine bestimmte Reihenfolge anregen?<br />

Grundsatz der Neutralität und der Gleichbehandlung der Parteien.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

28<br />

Zeitpunkt der Bestimmung der<br />

Reihenfolge<br />

• Falls nicht erfolgt, Hinweis durch Gericht geboten, § 139 ZPO.<br />

• Taktik aus Sicht des Klägers: Erst einmal keine Bestimmung<br />

(Vorsicht im e.V.-Verfahren). Problem: Was, wenn Hinweis durch<br />

Gericht erst in der mündlichen Verhandlung? - evt. zu spät, um<br />

Waffengleichheit herzustellen.<br />

• Taktik aus Sicht des Beklagten: Schriftsätzlich anregen, dass<br />

Gericht den Kläger zur Bestimmung der Reihenfolge anhält.<br />

• Änderung der Reihenfolge ist Klageänderung.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

29<br />

§ 45 GKG<br />

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte<br />

Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden,<br />

werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter<br />

Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit<br />

eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall<br />

des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des<br />

höheren Anspruchs maßgebend.<br />

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten<br />

Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3<br />

entsprechend anzuwenden.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

30<br />

§ 45 Abs. 1 S.2 GKG: Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch<br />

wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine<br />

Entscheidung über ihn ergeht.<br />

Fallbeispiel: OLG Frankfurt a.M. (<strong>GRUR</strong>-RR 2012, 367 f.)<br />

Nachahmung eines Fahrradmodells –<br />

Streitwertvorschlag Klägerin: € 200.000,00<br />

Klägerin geht vor aus:<br />

• 7 Gemeinschaftsgeschmacksmustern (à € 100.000,00)<br />

• 1 nichteingetragenes GGM (€ 50.000,00)<br />

• §4 Nr. 9 UWG (€ 50.000,00)<br />

Gesamtstreitwert gemäß OLG Frankfurt: € 800.000,00!<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

31<br />

Wirtschaftliche Betrachtung § 45 I 3<br />

GKG<br />

• Wirtschaftliche Einheit: Wenn Ansprüche nicht in der Weise<br />

nebeneinander bestehen können, dass das Gericht beiden<br />

Ansprüchen stattgeben könnte (BGH NJW-RR 2003, 713).<br />

• Bei Fällen aus dem Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes<br />

regelmäßig nicht der Fall; vielmehr wirtschaftliche Wertehäufung.<br />

• Zweck § 45 I 3 GKG: Wert niedrig, wenn gemeinschaftliche<br />

Behandlung der Streitgegenstände Arbeit des Gerichts vereinfacht<br />

(BGH, NJW-RR 2005, 506).<br />

• So Büscher, <strong>GRUR</strong> 2012, 16, 22; Ahrens, WRP 2013, 129, 135.<br />

• Gegenmeinungen (Stieper, <strong>GRUR</strong> 2012, 5, 12 Leistung kann nur<br />

einmal beansprucht werden; Engels, <strong>GRUR</strong>Prax 2011, 523 f:<br />

Analogie) überzeugen nicht.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

32<br />

Besonderheiten im Verfügungsverfahren<br />

• Risiko, wenn Antragsschrift ohne Bestimmung:<br />

• Zurückweisung wegen Unzulässigkeit oder Terminierung<br />

(<strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>, <strong>GRUR</strong>-Prax 2012, 399, 401)<br />

• Klarstellung im Termin unzulässig wegen Waffengleichheit?<br />

So Ahrens, WRP 2013, 129, 133 f<br />

→ Jedenfalls nach Ablauf Dringlichkeitsfrist problematisch!<br />

• Risiko, wenn in Antragsschrift neben Haupt- auch Hilfsanträge<br />

Könnte schon per se dringlichkeitsschädlich sein<br />

(so wohl Schmidt, <strong>GRUR</strong>-Prax 2012, 179, 180).<br />

Jedenfalls nach Ablauf Dringlichkeitsfrist bei neuem Antrag, wenn<br />

in zunächst eingereichtem Antrag Hilfsanträge nicht beschieden.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

33<br />

Besonderheiten im Verfügungsverfahren<br />

• Sonderproblem Dringlichkeit: Nachschieben weiterer Irreführungsvorwürfe bei<br />

Beanstandung einer konkreten Verletzungshandlung schädlich?<br />

Bejaht von OLG Hamburg 13.09.2012 - 3 U 107/11 (vgl. auch Schmidt, <strong>GRUR</strong>-Prax<br />

2012, 179, 180).<br />

→ Aber Widerspruch zu BGH „Biomineralwasser“ und Grundsatz iura<br />

novit curia (so auch Krüger WRP 2013, 140, 142 f).<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

34<br />

Besonderheiten im Verfügungsverfahren<br />

• Sonderproblem Dringlichkeit:<br />

Die Weiterverfolgung von zurückgewiesenen Anspruchsteilen lediglich mit der<br />

Anspruchsberufung ist dringlichkeitsschädlich, da der Antragsteller die<br />

Durchsetzung damit auch in die Hand des Gegners gibt (OLG Frankfurt, Urt. v.<br />

17.01.2012 – 6 U 159/11 = <strong>GRUR</strong>-Prax 2012, 197 [Danckwerts].<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

35<br />

Besonderheiten im Verfügungsverfahren<br />

• Sonderproblem stattgebender Beschluss ohne Gründe:<br />

Wenn Bestimmung in Antragsschrift: Zur Auslegung hinzuziehen<br />

Angesichts früherer Praxis im Zweifel keine kumulative Klagehäufung<br />

(BGH „Pelikan“ Tz. 20)<br />

Wenn Hauptantrag nicht ausdrücklich abgewiesen:<br />

→ Vermutung, das dieser erfolgreich war?<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

36<br />

Berufung<br />

• Bei Verurteilung nach Hilfsantrag:<br />

→ Wenn Antragssteller keine Anschlussberufung: Hauptantrag nicht in II. Instanz<br />

• Berufung bei Verurteilung nach Hauptantrag:<br />

→ Keine Anschlussberufung wegen Hilfsanträgen, da keine Beschwer<br />

(§ 511 ZPO).<br />

→ Hilfsanträge gleichwohl „automatisch“ in II. Instanz.<br />

• Wenn 1. Instanz noch nach alter Praxis: Sämtliche Streitgegenstände in 2. Instanz?<br />

(So Büscher <strong>GRUR</strong> 2012, 16, 21; aA OLG Düsseldorf v. 5.8.2008 – 20 U 175/07):<br />

→ Vorsichtshalber also Anschlussberufung.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

37<br />

Vollstreckung<br />

• Aus (Alt-)titel gem. § 890 ZPO, dem alternative Klagehäufung zu<br />

Grunde lag. Problem: Urteil od. Beschluss, die gegen § 253 Abs. 2<br />

Nr. 2 ZPO verstoßen, haben keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Der<br />

Vollstreckung zugänglich ist nur, was bereits Gegenstand der<br />

Prüfung im Erkenntnisverfahren war (Teplitzky, <strong>GRUR</strong> 2011, 1095).<br />

→ Solange Titel ohne Gründe: Nicht vollstreckbar, da<br />

Bestimmtheit des Titels erforderlich (zB Zöller/Stöber, § 704 ZPO,<br />

Rn. 4)?<br />

•Ordnungsmittelverfahren bei Verstoß gegen Beschlussverfügung:<br />

Verstoß erfolgt vor Klarstellung:<br />

•→ Wenn tragende Streitgegenstände nicht ermittelbar, nicht<br />

vollstreckbar, da Bestimmtheit des Titels erforderlich.<br />

• Exkurs: Vorgehen aus Unterlassungserklärung<br />

• „Rettung“ durch Rückgriff auf Antragsschrift bzw. Abmahnung?<br />

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Folie<br />

38<br />

Probleme beim Abmahnschreiben<br />

Festlegung bezüglich Streitgegenstände schon in der Abmahnung<br />

erforderlich?<br />

Grundsätzlich nein, weil:<br />

• Funktion der Abmahnung: Warnung und Aufforderung zur<br />

außergerichtlichen Streitbeilegung.<br />

• § 253 ZPO findet außergerichtlich keine Anwendung.<br />

• Keine bestimmte Form erforderlich. Zwingender Inhalt lediglich a)<br />

Darstellung des Gegenstands der Beanstandung, b) Androhung<br />

gerichtlicher Schritte, nur ungefähre Grundlage der rechtl.<br />

Würdigung.<br />

• Rechtliche Fehler (falsche Einordnung des<br />

Schutzrechtsverstoßes, zu weite SU, zu hohe Vertragsstrafe)<br />

machen Abmahnung nicht unwirksam.<br />

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RA Dr. Jan D. <strong>Müller</strong>-<strong>Broich</strong>


Folie<br />

39<br />

Probleme beim Abmahnschreiben<br />

Festlegung bezüglich Streitgegenstände schon in der Abmahnung<br />

erforderlich?<br />

Grundsätzlich nein.<br />

• Aber: Teilweise unberechtigte Abmahnung kann<br />

Erstattungsanspruch bezüglich der Abmahnkosten teilweise<br />

entfallen lassen (vgl. BGH, <strong>GRUR</strong> 2010, 744, Tz. 52 –<br />

Sondernewsletter; BGH, <strong>GRUR</strong> 2010, 939, Tz. 41 –<br />

Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; anders<br />

(möglicherweise) BGH, Biomineralwasser, Tz. 72).<br />

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Probleme bei der Unterwerfung<br />

• Hat der Antragsteller seinen auf das Verbot einer konkreten<br />

Verletzungshandlung gerichteten Antrag alternativ mit mehreren<br />

tatsächlichen Irreführungsgesichtspunkten begründet und<br />

verpflichtet sich der Antragsgegner strafbewehrt zur Unterlassung,<br />

wobei er auf einen der geltendgemachten<br />

Irreführungsgesichtspunkte Bezug nimmt, einen anderen ebenfalls<br />

geltendgemachten jedoch in Abrede stellt, so ist die Unterwerfung<br />

gleichwohl geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen<br />

(OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2012 – 3 W 72/12).<br />

• Wenn keine Rücknahme (evt. auch konkludent) der mit<br />

Abmahnschreiben geltend gemachten<br />

Irreführungsgesichtspunkte, evt. Risiko der negativen<br />

Feststellungsklage.<br />

RiLG Dr. Rolf Danckwerts<br />

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