Siebzig Jahre nach gründung der iV. internationale - Revolutionäre ...
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16 RIO-Rea<strong>der</strong> Nr. 3 – www.revolution.de.com<br />
an<strong>der</strong>e Sektionen folgen<br />
cannon: nationalismus<br />
bei den französischen<br />
trotzkisten<br />
In <strong>der</strong> Kriegsgeschichte <strong>der</strong> IV. Internationale<br />
drifteten neben <strong>der</strong> SWP auch eine Reihe<br />
von an<strong>der</strong>en Sektionen von einer konsequent<br />
revolutionären Linie zum Krieg ab. In Frankreich<br />
gab es zu Kriegsbeginn keine offizielle<br />
Sektion <strong>der</strong> Vierten Internationale. Ehemalige<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> POI, <strong>der</strong> im Juni 1939 vom <strong>internationale</strong>n<br />
Exekutivausschuß aufgelösten<br />
Sektion, formierten sich unter dem Namen<br />
„Französische Komitees für die Vierte Internationale“<br />
und übernahmen sozialpatriotische<br />
Positionen und nationalistische For<strong>der</strong>ungen<br />
angesichts <strong>der</strong> deutschen Besetzung<br />
Frankreichs. Sie betrachteten den nationalen<br />
Kampf eines Teils <strong>der</strong> eigenen imperialistischen<br />
Bourgeoisie als fortschrittlich. Diese<br />
Zugeständnisse <strong>der</strong> POI an den kleinbürgerlichen<br />
Nationalismus waren beson<strong>der</strong>s bemerkenswert,<br />
weil die französische Arbeiterklasse<br />
bei Kriegsausbruch noch nicht mit dem chauvinistischen<br />
anti-boche-Gift verseucht war,<br />
das die PCF später propagierte. Die an<strong>der</strong>e<br />
Hauptgruppe war die CCI, die großenteils aus<br />
<strong>der</strong> Vorkriegs-PCI um Molinier/Frank stammte.<br />
Diese Formation wi<strong>der</strong>stand zwar <strong>der</strong> Flut des<br />
kleinbürgerlichen Nationalismus und versagte<br />
dem Kampf <strong>der</strong> gaullistischen Fraktion <strong>der</strong><br />
französischen Bourgeoisie die Gefolgschaft,<br />
verfiel aber in abstrakten Propagandismus<br />
und sektiererische Haltung gegenüber jenen<br />
Kämpfen <strong>der</strong> französischen Arbeiter und Bauern,<br />
die sie in Konfrontation mit den Truppen<br />
des deutschen Imperialismus brachten.<br />
In Frankreich wurde 1943 ein vorläufiges<br />
europäisches Sekretariat <strong>der</strong> IV. Internationale<br />
unter Pablos Führung eingerichtet. Es organisierte<br />
im Februar 1944 eine Konferenz <strong>der</strong><br />
europäischen Sektionen. Eines <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong><br />
Konferenz war die Vereinigung <strong>der</strong> beiden<br />
französischen Hauptgruppen. Die Konferenz<br />
kritisierte die nationalistische Abweichung<br />
<strong>der</strong> POI, ließ aber <strong>der</strong>en fälschliche Behauptung<br />
durchgehen, sie sei bei Kriegsausbruch<br />
vom Nationalismus <strong>der</strong> Massen angesteckt<br />
worden. Die Konferenz bezichtigte aber auch<br />
die CCI <strong>der</strong> sektiererischen Haltung gegen die<br />
Partisanenbewegung und stellte sie auf eine<br />
Stufe mit dem nationalistischen Opportunismus<br />
<strong>der</strong> POI. Zentristen wie Mandel behaupten<br />
ja heute noch, es wäre ein grundlegen<strong>der</strong><br />
Fehler gewesen, sich nicht voll an dem gaullistisch/stalinistisch<br />
geführten Wi<strong>der</strong>stand<br />
gegen den deutschen Imperialismus beteiligt<br />
zu haben. Kein Versuch wurde jedoch unternommen,<br />
die wahren Wurzeln des Sektierertums<br />
<strong>der</strong> CCI aufzudecken. Beseelt von dem<br />
Wunsch <strong>nach</strong> Vereinigung kamen z.B. we<strong>der</strong><br />
die falschen Perspektiven <strong>der</strong> CCI noch ihre<br />
Fehldiagnose zum Verhältnis von Partei und<br />
Klasse zur Sprache. Ihr Bemühen, „Arbeitergruppen“<br />
als Keimform von Sowjets zu errichten,<br />
entsprach <strong>der</strong> zentristischen Position von<br />
Molinier/Frank 1936/1937, die mit sogenann-<br />
ten revolutionären Aktionsgruppen embryonale<br />
Sowjets schaffen wollten (siehe Braun<br />
„Die Massenzeitung“, in: „Die Krise <strong>der</strong> französischen<br />
Sektion“). Deshalb kam in Frankreich<br />
keine umfassende und ehrliche Bilanz <strong>der</strong><br />
Kriegsperiode zustande.<br />
Die deutsche Sektion IKD schlingerte in<br />
menschewistisches Fahrwasser. Als sie <strong>der</strong><br />
Meinung war, <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Nazis hätte statt<br />
<strong>der</strong> proletarischen die „demokratische Revolution“<br />
wie<strong>der</strong> auf die Tagesordnung gesetzt.<br />
In Britannien begingen die beiden trotzkistischen<br />
Gruppen ähnliche Irrtümer. Die „Workers‘<br />
International League“ (WIL), die ansonsten<br />
gute Arbeit in den Fabriken leistete und<br />
auch Streiks leitete, schloß sich letzten Endes<br />
<strong>der</strong> Cannon-Linie an. Vor dem Fall Frankreichs<br />
nahm die WIL eine klar defätistische Position<br />
ein. Im Dezember 1938 führte sie aus: „Der<br />
einzige Weg des Handelns ist, <strong>der</strong> deutschen<br />
Arbeiterklasse zu zeigen, daß wir gegen unsere<br />
eigene Bosse kämpfen und sie durch unser<br />
Beispiel ermuntern, Hitler zu stürzen.“<br />
Unter Vorwegnahme <strong>der</strong> späteren Fehler<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en britischen Trotzkistengruppe<br />
Revolutionary Socialist League (RSL) reagierte<br />
die WIL sektiererisch auf die praktischen<br />
Probleme bei Kriegsausbruch. Sie vertrat die<br />
Ansicht, daß For<strong>der</strong>ungen <strong>nach</strong> geeigneten<br />
Luftschutzbunkern für Arbeiter gleichbedeutend<br />
sei mit <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Kriegshandlungen.<br />
Nach <strong>der</strong> Kapitulation Frankreichs<br />
1940 än<strong>der</strong>te sich jedoch ihre Linie.<br />
Als <strong>der</strong> „Feind vor <strong>der</strong> Tür stand“, begann die<br />
WIL, dem chauvinistischen Druck zu erliegen.<br />
Die Nie<strong>der</strong>lage war nicht länger das kleinere<br />
Übel, son<strong>der</strong>n eine reale Möglichkeit.<br />
Die WIL erklärte im Februar 1941 die „Umwandlung<br />
des <strong>der</strong>zeitigen imperialistischen<br />
Krieges in einen wirklichen Kampf <strong>der</strong> Arbeiter<br />
gegen den Nazismus“ zur Aufgabe. Die<br />
WIL verband dies ausdrücklicher als die SWP<br />
mit einer Kampfansage an die britischen Kapitalisten.<br />
Trotzdem war ihre Losung keine<br />
konsequent revolutionär defätistische. Die<br />
kleinere offizielle Sektion <strong>der</strong> Vierten Internationale<br />
RSL versteifte sich auf eine strenger<br />
defätistische Haltung. Wie die CCI offenbarte<br />
sie definitiv sektiererische Abgleitflächen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e im taktischen Anwendungsbereich.<br />
Es wäre falsch, Sektierertum und Opportunismus<br />
während eines imperialistischen<br />
Krieges als gleich einzustufen. Lenin war im<br />
Ersten Weltkrieg bereit, mit den Sektierern einen<br />
Block zu bilden, ohne dabei ihre Politik zu<br />
unterstützen, in <strong>der</strong> Absicht, die konsequentesten<br />
Kräfte um das Banner des Internationalismus<br />
zu scharen. Wir glauben, daß die<br />
Vierte Internationale schlecht beraten war,<br />
bei ihren Nachkriegsfusionen in Britannien<br />
und Frankreich beide Fehler als gleichrangig<br />
zu verurteilen. Der Opportunismus <strong>der</strong> POI,<br />
<strong>der</strong> SWP und <strong>der</strong> WIL spiegelte den Druck des<br />
Sozialchauvinismus wi<strong>der</strong>. Wo <strong>der</strong> sektiererische<br />
Trend nicht in passives Fernbleiben von<br />
den Kämpfen umschlug (was in Frankreich<br />
eindeutig nicht geschah), mußte er klar den<br />
Vorzug erhalten. Bezeichnend war auch, daß<br />
we<strong>der</strong> die Vierte Internationale noch die SWP<br />
eine ehrliche Bilanz vorlegten, wie die Fehler<br />
<strong>der</strong> SWP während des Krieges verantwortet<br />
und korrigiert wurden.<br />
wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Vierten<br />
1944 formierten sich mehrere europäische<br />
Sektionen aufs Neue bei einer Konferenz auf<br />
von den Nazis besetztem Territorium. Sie verabschiedeten<br />
die „Thesen zur Liquidierung<br />
des Zweiten Weltkrieges und zum revolutionären<br />
Aufschwung“. Diese Thesen bezeugten<br />
das revolutionäre Potential <strong>der</strong> Sektionen<br />
<strong>der</strong> Vierten Internationale. Sie sprachen sich<br />
für eine defätistische Position im Krieg aus,<br />
als sich <strong>der</strong> antideutsche Chauvinismus und<br />
die Sympathie für die Alliierten in Europa<br />
rasch ausbreiteten. Die Thesen zeigten, daß<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Vierten Internationale<br />
auf revolutionärer Grundlage im Bereich des<br />
Möglichen lag. Eine gravierende Desorientierung<br />
über die entscheidende Frage <strong>der</strong> Perspektive<br />
verhin<strong>der</strong>te indes ihre Realisierung.<br />
Die Nachkriegszeit verlief an<strong>der</strong>s, als sie<br />
Trotzki vorausgesagt hatte. Zur Entstehungszeit<br />
des Übergangsprogramms waren die<br />
Kernelemente seiner Perspektive für die kommende<br />
Periode: a) eine massive revolutionäre<br />
Welle, beson<strong>der</strong>s in Deutschland, Italien,<br />
Frankreich, Britannien und den USA; b) die<br />
qualitative Verwandlung <strong>der</strong> Vierten Internationale<br />
in eine Massenkraft, die imstande ist,<br />
das Übergangsprogramm für den Bezug auf<br />
und die Durchsetzung als Führerin im revolutionären<br />
Aufschwung zu nutzen; c) <strong>der</strong> Todeskampf<br />
des Kapitalismus bzw. sein Überleben<br />
nur auf totalitärer Basis; d) die Zerstörung <strong>der</strong><br />
stalinistischen Bürokratie in <strong>der</strong> UdSSR entwe<strong>der</strong><br />
durch die politische Revolution o<strong>der</strong> den<br />
siegreichen Imperialismus; e) die Auflösung<br />
<strong>der</strong> alten Arbeiterführungen, <strong>der</strong> Sozialdemokraten<br />
und Stalinisten, da ihre materiellen<br />
Grundlagen verschwinden, Krümel vom Tisch<br />
des Imperialismus und bürokratische Privilegien<br />
in <strong>der</strong> UdSSR.<br />
Das Übergangsprogramm war keine Ansammlung<br />
von zeitlosen marxistischen Weisheiten,<br />
son<strong>der</strong>n ein „Handbuch <strong>der</strong> Aktion“. Es<br />
war notwendig, seine For<strong>der</strong>ungen, Taktiken<br />
und Perspektiven ständig anhand <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />
zu überprüfen und das Programm<br />
entsprechend weiterzuentwickeln. Trotzkis<br />
Nachfolger haben das <strong>nach</strong> dem Krieg wie<strong>der</strong>holt<br />
unterlassen. Nach Trotzkis Perspektive<br />
würde <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg ähnlich große<br />
o<strong>der</strong> noch größere revolutionäre Aufschwünge<br />
hervorbringen als die Periode <strong>nach</strong> dem<br />
Ersten Weltkrieg. Die kapitalistische Ökonomie,<br />
die bürgerliche Gesellschaft und ihre<br />
reformistischen Schmarotzer würden in eine<br />
Todeskrise gestürzt. Die stalinistische Bürokratie<br />
würde, wenn sie einem militärischen<br />
Menetekel durch die Imperialisten entgehen<br />
könnte, <strong>der</strong> politisch proletarischen Revolution<br />
unterliegen, die von den revolutionären<br />
Geschehnissen im Westen angefacht werden<br />
würden. An Trotzkis hergeholtem Zeitplan<br />
<strong>der</strong> historischen Erschöpfung des US-Monopolkapitalismus<br />
kann sicher Kritik geübt