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Leseprobe: William S. Burroughs Naked Lunch - Fuxx

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<strong>Leseprobe</strong>:<br />

<strong>William</strong> S. <strong>Burroughs</strong><br />

<strong>Naked</strong> <strong>Lunch</strong><br />

(Seiten 49 - 50)<br />

© 1988 Limes Verlag GmbH, München.<br />

Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuchverlag.<br />

The Spirit of America<br />

www.amerikanische-literatur.de


Eine heulende Meute von Simopathen schwingt sich von Kronleuchtern, Balkons und<br />

Bäumen. Sie scheißen und pissen auf die Vorübergehenden. (Ein Simopath – der Terminus<br />

technicus dieser Krankheit ist mir entfallen – ist jemand, der davon überzeugt ist, ein<br />

Menschenaffe oder ein anderer Simia zu sein. Es ist eine Krankheit, die besonders in der Armee<br />

auftritt. Die Entlassung heilt sie.) Amokläufer trotten umher und schneiden Köpfe ab; sanfte<br />

Gesichter mi t einem verlorenen, träumerischen Lächeln ... Bürger mit beginnender Bang-utot<br />

umklammern krampfhaft ihren Penis und rufen Touristen zu Hilfe ... Aufrührerische Araber<br />

heulen und brüllen, kastrieren, schlitzen Bäuche auf und werfen brennendes Benzin ... Tanzende<br />

Jungen zeigen Eingeweide-Striptease, Frauen stecken sich abgeschnittene Genitalien in die<br />

Löcher, sie reiben, stoßen und klatschen sie gegen den Mann ihrer Wahl ... Aus Helikoptern<br />

halten religiöse Fanatiker feierliche Ansprachen an die Menge und lassen Steintafeln, auf denen<br />

bedeutungslose Botschaften eingemeißelt sind, auf ihre Köpfe regnen ... Hustend und grunzend<br />

reißen Leopardenmänner mit eisernen Klauen Menschen in Stücke ... Mitglieder der Kwakintl-<br />

Kannibalen-Gesellschaft beißen Nasen und Ohren ab ...<br />

Ein Bataillon ausgelassener Langweiler lungert auf der Suche nach Opfern in den Straßen<br />

und Hotelhallen umher. Ein intellektueller Avantgardist – „natürlich findet man die einzige<br />

Literatur, die wert ist, beachtet zu werden, in Zeitschriften und wirtschaftlichen Abhandlungen“ –<br />

hat jemandem eine Bulbokapnin-Injektion gegeben und bereitet sich darauf vor, ihm eine<br />

Abhandlung über „Die Anwendung des Neo-Hämoglobins bei der Kontrolle des multiplen<br />

degenerierten Granuloms vorzulesen. (Selbstverständlich sind die Abhandlungen, die er<br />

zusammenstellte und drucken ließ, nichts als Geschwätz.)<br />

Seine einleitenden Worte: „Sie scheinen mir ein intelligenter Mensch zu sein.“ (Immer<br />

ominöse Worte, mein Junge ... Wenn du sie hörst, bereite dich nicht darauf vor, zu gehen, geh<br />

sofort.)<br />

Ein Engländer aus den Kolonien, den fünf eingeborene Polizisten begleiten, hat ein<br />

Individuum in der Club-Bar arretiert: „Sagen Sie, kennen sie Mozambique?“ und verliert sich in<br />

der endlosen Saga seiner Malaria. „Und der Doktor sagte zu mir, ‚Ich kann Ihnen nur empfehlen,<br />

dieses Land zu verlassen. Sonst werde ich Sie noch begraben.’ Dieser Rezeptschmierer hatte<br />

nämlich nebenbei noch ein kleines Beerdigungsunternehmen. Nimmt alle Chancen wahr, könnte<br />

man sagen, und schiebt sich selbst hin und wieder ein kleines Geschäft zu.“ Nach dem dritten<br />

Glas roten Gins, wenn er dich ein bißchen besser kennt, wechselt er zur Dysenterie über.<br />

„Außerordentliche Entleerung. Mehr oder weniger gelblich-weiß gefärbt wie ranziges Sperma<br />

und faserig.“<br />

Ein Forscher mit Tropenhelm hat einen Bürger mit Blasrohr und Curare-Pfeil erlegt. Mit<br />

einem Fuß wendet er künstliche Atmung an. (Curare tötet durch Lähmung der Lungen. Es hat<br />

keine andere toxische Wirkung, streng genommen ist es kein Gift. Wenn künstliche Atmung<br />

angewendet wird, braucht der Mensch nicht zu sterben. Es wird innerhalb kurzer Zeit von den<br />

Nieren absorbiert.) „Das was das Jahr der Rinderpest, als alles krepierte, sogar die Hyänen ...<br />

Damals hatte ich an der Mündung von Pavians-Arsch kein Vaselin mehr. Meine Dankbarkeit war<br />

unbeschreiblich, als es endlich von einem Flugzeug abgeworfen wurde ... Tatsächlich, und nie<br />

zuvor habe ich das einer lebenden Seele erzählt, sind sie undefinierbare Scheißkerle“ – das Echo<br />

seiner Stimme hallt durch eine weite leere Hotelhalle im Stil der neunziger Jahre, roter Plüsch,<br />

Gummibäume, Vergoldungen und Statuen – „ich war der einzige Weiße, der jemals von dieser<br />

berüchtigten Agouti-Gesellschaft initiiert wurde, ich war Zeuge ihrer unbeschreiblichen Riten<br />

und nahm an ihnen teil.“<br />

Ein anderer Langweiler trägt einen Koffer mit Trophäen, Medaillen, Pokalen und<br />

Ordensverbänden umher: „Dies hier habe ich im Wettbewerb für die kunstvollste sexuelle


Hilfsapparatur in Yokohama gewonnen. (Halten Sie ihn fest, er ist verzweifelt.) Der Kaiser<br />

selbst überreichte ihn mir mit Tränen in den Augen, und alle Zuschauer kastrierten sich mit ihren<br />

Harakiri-Schwertern. Und dieses Band gewann ich beim Erniedrigungswettbewerb auf der<br />

Konferenz der Gesellschaft zur Rettung anonymer Süchtiger in Teheran.“

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