Knochen-Nekrosen - Rheuma Schweiz
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KASUISTIK<br />
<strong>Knochen</strong>-<strong>Nekrosen</strong><br />
Ostenekrosen können häufig ätiologisch zugeordnet werden. Neben geläufigen Ursachen wie Steroidtherapie, HAART (antiretrovirale<br />
Therapie) und Alkohol ist die Liste weiterer Ursachen/Differenzialdiagnosen lang. Immer wieder trifft man aber<br />
auf die Diagnose einer «idiopathischen» Osteonekrose. Hier sollte an seltene Ursachen gedacht werden. Der vorliegende Fall<br />
illustriert eine solche seltene aber therapeutisch wichtige Differenzialdiagnose bei Osteonekrose.<br />
Fallbeschreibung<br />
Seit zwei Wochen klagt ein bislang gesunder Büroangestellter<br />
über belastungsabhängige Schmerzen in der rechten Hüfte.<br />
Die Familienanamnese des gebürtigen Österreichers ist unauffällig<br />
und, wie oben erwähnt, sind keine nennenswerten<br />
Vorerkrankungen bekannt. Er unternahm vor fünf Jahren<br />
mehrere Tauchgänge bis zu 30 Meter Tiefe. Medikamente<br />
oder ein Trauma werden verneint. Klinisch findet sich ein<br />
gesund wirkender, 173 cm grosser, afebriler Patient ohne<br />
palpierbare Lymphadenopathie oder Organomegalie.<br />
Radiologisch imponiert das rechte Hemipelvis inhomogen.<br />
Ein MRI des rechten Hüftgelenkes (Abb. 1) zeigt eine inhomogene,<br />
eher benigne imponierende Signalalteration, welche<br />
das gesamte rechte Os ilium, Os pubis und Os ischii sowie<br />
den rechten proximalen Femurschaft einnimmt, jedoch ohne<br />
Zeichen einer <strong>Knochen</strong>destruktion ist. In der Skelettszintigrafie<br />
(Abb. 2) findet sich eine vermehrte Anreicherung im<br />
Bereich des Azetabulum sowie im Os ilium rechts. Eine inhomogene<br />
Anreicherung findet sich auch im rechten Sakroiliakalgelenk.<br />
Im CT stellen sich Hals und Thorax regelrecht dar.<br />
Die Milz ist homogen und mit 13 x9,5 cm etwas vergrößert.<br />
Die übrigen Oberbauchorgane, beide Nieren, das Retroperitoneum<br />
und das kleine Becken sind unauffällig.<br />
Abb. 1: MRI Becken<br />
(A. Zöchbauer, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />
MICHAEL ANDOR<br />
Abb. 2: Szintigrafie<br />
(A. Zöchbauer, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />
Labormässig Leukozyten 7,1 x 10 3 /µl, Hb 14,0 g/dl, MCV 78 fl,<br />
Thrombozyten 99(!) 10 3 /µl. Das Differenzialblutbild ist ebenso<br />
unauffällig wie die Immunfixation von Serum und Urin.<br />
Im Normbereich liegen BSG, CRP, Na, K, Ca, P, Harnstoff,<br />
Kreatinin, Harnsäure, GOT, GPT, gGT, AP, Bilirubin, LDH,<br />
PSA, Gesamteiweiss, Elektrophorese, PTZ, PTT, Cholesterin<br />
und Triglyzeride. Eisen 64 µg/dl (normal 59 bis 158), Transferrin<br />
202 mg/dl (normal 200 bis 360), Ferritin 724(!) ng/ml<br />
(normal 20 bis 450). Anti-HCV, -HBV und -HIV, ANA, Anticardiolipid-Antikörper,<br />
Lupusantikoagulans und HIV-Test<br />
normal.<br />
Eine Biopsie an der Spina iliaca posterior superior dextra<br />
(Abb. 3) zeigt einen repräsentativen <strong>Knochen</strong>zylinder mit<br />
schmalen, teilweise fragmentierten Spongiosabälkchen, welche<br />
überwiegend leere Osteolakunen zeigen. In den Markräumen<br />
sieht man flächenhaft nekrotisches, eosinophiles und<br />
amorphes Gewebsmaterial. In einzelnen subkortikalen<br />
Markräumen hat es reichlich Makrophagen. Es ist keinerlei<br />
Hämatopoese abgrenzbar. Insgesamt handelt es sich um den<br />
Aspekt einer <strong>Knochen</strong>mark- und <strong>Knochen</strong>nekrose.
Abb. 3: <strong>Knochen</strong>marksbiopsie<br />
(Pathologie, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />
Zusammengefasst finden sich bei dem 35-jährigen Patienten<br />
die drei folgenden Leitbefunde:<br />
❙ Ostenekrosen<br />
❙ Thrombozytopenie<br />
❙ Splenomegalie<br />
Als Zusatzbefund liegt ein erhöhtes Ferritin vor. Differenzialdiagnostisch<br />
kommen für diese Trias neben einem schädlichen<br />
Alkoholkonsum ein systemischer Lupus erythematodes<br />
(SLE), eine HIV-Infektion oder ein M. Gaucher in<br />
Frage. Bei oben aufgeführten Zusatzuntersuchungen kommt<br />
aber praktisch nur noch ein M. Gaucher in Frage.<br />
Die Verdachtsdiagnose eines M. Gaucher konnte dann mittels<br />
Bestimmung der Aktivität der -Glucocerebrosidase in<br />
den peripheren Leukozyten gestellt werden: 0,49 nmol/mg<br />
(0,7 bis 3,99). Zusätzlich erfolgte eine zweite <strong>Knochen</strong>marksbiopsie<br />
auf der Gegenseite mit nun Nachweis von typischen<br />
«Gaucher-Zellen» (Abb. 4).<br />
Kommentar<br />
Der M. Gaucher ist zwar eine sehr seltene Ursache für<br />
Osteonekrosen (Tabelle 1), zeigt aber die Wichtigkeit der<br />
Ursachenabklärung bei «idiopathischer» Osteonekrose auf,<br />
da dies Manifestation einer behandelbaren Grunderkrankung<br />
sein kann. Mit der Behandlung derselben kann Einfluss<br />
sowohl auf Rezidive wie auch Befall anderer Organe genommen<br />
werden.<br />
Abb. 4: Gaucher-Zellen<br />
(Pathologie, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />
Der M. Gaucher ist die häufigste lysosomale Speichererkrankung<br />
überhaupt, gefolgt vom M. Fabry. Die Prävalenz liegt<br />
etwa bei 1 :40 000 bis 100000 in Zentraleuropa, ist in der<br />
jüdischen Bevölkerung aber deutlich häufiger (1:2000 in<br />
Israel und 1 : 850 bei Ashkenazi Juden) 1,2 . In der <strong>Schweiz</strong><br />
sind aktuell 26 von etwa 150 anzunehmenden Fällen mit<br />
M. Gaucher diagnostiziert. Die neuronopathischen Formen<br />
(Typ 2+3) mit ZNS-Beteiligung sind noch seltener, treten bei<br />
jüngeren Patienten auf und sind für den <strong>Rheuma</strong>tologen von<br />
geringer Bedeutung.<br />
Tabelle 1<br />
Mögliche Ursachen einer Osteonekrose<br />
❙ Steroide, seltener Cushing<br />
❙ Alkohol<br />
❙ Sichelzellanämie<br />
❙ Caisson Erkrankung<br />
(Kampf-/Tiefseetaucher/Stollenarbeiter)<br />
❙ SLE, insbesondere unter Steroidtherapie<br />
❙ Anti-Phospholipid Syndrom<br />
❙ Pankreatitis<br />
❙ Schwangerschaft<br />
❙ Hyperlipidämie / Diabetes<br />
❙ Hyperurikämie / Gicht<br />
❙ Radiotherapie<br />
❙ Organtransplantation (insbesondere Nieren-Tx)<br />
❙ Intravascular coagulation (DIC)<br />
❙ Nikotinabusus<br />
❙ M. Gaucher<br />
47–2008<br />
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Pathophysiologisch liegt allen lysosomalen Speichererkrankungen<br />
ein Enzymmangel in den Lysosomen zu Grunde. Die<br />
Folge ist ein Anstau von Substraten in den Lysosomen.<br />
Dadurch entstehen zum Beispiel die typischen Gaucher-Zellen<br />
(Abb. 4). Beim M. Gaucher führt ein Mangel der Glucocerebrosidase<br />
zu einer Hepato-/Splenomegalie, Anämie,<br />
Thrombozytopenie sowie ossären Beteiligung mit Osteonekrosen,<br />
pathologischen Frakturen und Deformationen<br />
(Abb. 5). Viele der Symptome können den Patienten früh in<br />
eine rheumatologische Sprechstunde führen. Neben den<br />
Osteonekrosen sind dabei insbesondere die stark schmerzhaften<br />
<strong>Knochen</strong>krisen (teils mit Fieber und humoraler Entzündungsaktivität)<br />
oder pathologische Frakturen an Extremitäten<br />
wie auch am Achsenskelett zu nennen. Neben einer<br />
Verminderung der Lebensqualität durch Leistungsknick,<br />
Schmerzen und Funktionseinschränkungen besteht ein<br />
erhöhtes Malignomrisiko, und die Lebenserwartung ist gegenüber<br />
der Normalbevölkerung um zirka zehn Jahre vermindert.<br />
Pathological<br />
Fracture<br />
Colllapsed<br />
Vertebrae<br />
Erlenmeyer Flask<br />
Deformity<br />
Abb. 5: Organbefall bei M. Gaucher<br />
Bone Crisis<br />
Hepatomegaly<br />
Splenomegaly<br />
Osteonecrosis<br />
Osteopenia<br />
Thrombocytopenia<br />
Anemia<br />
Spleen Volume (Multiples of Normal)<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
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––– –<br />
0<br />
0 6 12 24<br />
Months on Enzyme Replacement Therapy<br />
Abb. 6: Milzvolumen unter Imiglucerase<br />
Die Diagnose kann einfach und nicht-invasiv durch die<br />
Bestimmung der -Glucocerebrosidase-Aktivität in peripheren<br />
Leukozyten gestellt werden. Das Kinderspital Zürich<br />
führt diese Untersuchung durch und gibt Auskünfte bezüglich<br />
der an sich unkomplizierten Präanalytik. Eine Biopsie mit<br />
Nachweis von Gaucher-Zellen ist für die Diagnose nicht notwendig<br />
und ersetzt nie die Bestimmung der Enzymaktivität.<br />
Therapeutisch steht die sehr teure (zirka CHF 65 000.– pro<br />
Monat), aber effektive Enzymersatztherapie mit Imiglucerase<br />
(Cerezyme ® ) zur Verfügung. Neben einer Symptomlinderung/-befreiung<br />
können damit irreversible Schäden verhindert<br />
und schliesslich die Lebensqualität verbessert werden.<br />
Unter der Therapie kommt es zu einer langsamen aber stetigen<br />
Besserung der Anämie, Thrombozytopenie, Spleno-/<br />
Hepatomegalie (Abb. 6), Skelettbeteiligung sowie einer möglichen<br />
Lungenbeteiligung 3,4 .<br />
Literatur<br />
N=53<br />
N=43<br />
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> 5–15 MIN<br />
> 15 MIN<br />
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1 Niederau C; Häussinger D. Gaucher’s disease:<br />
a review for the internist and hepatologist.<br />
Hepatogastroenterology 47: 984-997, 2000.<br />
2 Beutler E, Grabowski G. Gaucher disease.<br />
In: Scriver C, Beaudet A, Sly W, Valle D. The metabolic<br />
and molecular bases of inherited disease,<br />
8th Ed. McGraw-Hill; 3635-3668, 2001.<br />
3 Weinreb N, et al. Imiglucerase improves qualitiy of<br />
life in patients with skeletal manifestatons of Gaucher<br />
disease. Clin Genet 71(6):576-588, 2007.<br />
4 Pastores GM, et al. Therapeutic goals in the treatment<br />
of Gaucher disease. Semin Hematol 41:44, 2004.