30.10.2013 Aufrufe

Knochen-Nekrosen - Rheuma Schweiz

Knochen-Nekrosen - Rheuma Schweiz

Knochen-Nekrosen - Rheuma Schweiz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

8<br />

KASUISTIK<br />

<strong>Knochen</strong>-<strong>Nekrosen</strong><br />

Ostenekrosen können häufig ätiologisch zugeordnet werden. Neben geläufigen Ursachen wie Steroidtherapie, HAART (antiretrovirale<br />

Therapie) und Alkohol ist die Liste weiterer Ursachen/Differenzialdiagnosen lang. Immer wieder trifft man aber<br />

auf die Diagnose einer «idiopathischen» Osteonekrose. Hier sollte an seltene Ursachen gedacht werden. Der vorliegende Fall<br />

illustriert eine solche seltene aber therapeutisch wichtige Differenzialdiagnose bei Osteonekrose.<br />

Fallbeschreibung<br />

Seit zwei Wochen klagt ein bislang gesunder Büroangestellter<br />

über belastungsabhängige Schmerzen in der rechten Hüfte.<br />

Die Familienanamnese des gebürtigen Österreichers ist unauffällig<br />

und, wie oben erwähnt, sind keine nennenswerten<br />

Vorerkrankungen bekannt. Er unternahm vor fünf Jahren<br />

mehrere Tauchgänge bis zu 30 Meter Tiefe. Medikamente<br />

oder ein Trauma werden verneint. Klinisch findet sich ein<br />

gesund wirkender, 173 cm grosser, afebriler Patient ohne<br />

palpierbare Lymphadenopathie oder Organomegalie.<br />

Radiologisch imponiert das rechte Hemipelvis inhomogen.<br />

Ein MRI des rechten Hüftgelenkes (Abb. 1) zeigt eine inhomogene,<br />

eher benigne imponierende Signalalteration, welche<br />

das gesamte rechte Os ilium, Os pubis und Os ischii sowie<br />

den rechten proximalen Femurschaft einnimmt, jedoch ohne<br />

Zeichen einer <strong>Knochen</strong>destruktion ist. In der Skelettszintigrafie<br />

(Abb. 2) findet sich eine vermehrte Anreicherung im<br />

Bereich des Azetabulum sowie im Os ilium rechts. Eine inhomogene<br />

Anreicherung findet sich auch im rechten Sakroiliakalgelenk.<br />

Im CT stellen sich Hals und Thorax regelrecht dar.<br />

Die Milz ist homogen und mit 13 x9,5 cm etwas vergrößert.<br />

Die übrigen Oberbauchorgane, beide Nieren, das Retroperitoneum<br />

und das kleine Becken sind unauffällig.<br />

Abb. 1: MRI Becken<br />

(A. Zöchbauer, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />

MICHAEL ANDOR<br />

Abb. 2: Szintigrafie<br />

(A. Zöchbauer, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />

Labormässig Leukozyten 7,1 x 10 3 /µl, Hb 14,0 g/dl, MCV 78 fl,<br />

Thrombozyten 99(!) 10 3 /µl. Das Differenzialblutbild ist ebenso<br />

unauffällig wie die Immunfixation von Serum und Urin.<br />

Im Normbereich liegen BSG, CRP, Na, K, Ca, P, Harnstoff,<br />

Kreatinin, Harnsäure, GOT, GPT, gGT, AP, Bilirubin, LDH,<br />

PSA, Gesamteiweiss, Elektrophorese, PTZ, PTT, Cholesterin<br />

und Triglyzeride. Eisen 64 µg/dl (normal 59 bis 158), Transferrin<br />

202 mg/dl (normal 200 bis 360), Ferritin 724(!) ng/ml<br />

(normal 20 bis 450). Anti-HCV, -HBV und -HIV, ANA, Anticardiolipid-Antikörper,<br />

Lupusantikoagulans und HIV-Test<br />

normal.<br />

Eine Biopsie an der Spina iliaca posterior superior dextra<br />

(Abb. 3) zeigt einen repräsentativen <strong>Knochen</strong>zylinder mit<br />

schmalen, teilweise fragmentierten Spongiosabälkchen, welche<br />

überwiegend leere Osteolakunen zeigen. In den Markräumen<br />

sieht man flächenhaft nekrotisches, eosinophiles und<br />

amorphes Gewebsmaterial. In einzelnen subkortikalen<br />

Markräumen hat es reichlich Makrophagen. Es ist keinerlei<br />

Hämatopoese abgrenzbar. Insgesamt handelt es sich um den<br />

Aspekt einer <strong>Knochen</strong>mark- und <strong>Knochen</strong>nekrose.


Abb. 3: <strong>Knochen</strong>marksbiopsie<br />

(Pathologie, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />

Zusammengefasst finden sich bei dem 35-jährigen Patienten<br />

die drei folgenden Leitbefunde:<br />

❙ Ostenekrosen<br />

❙ Thrombozytopenie<br />

❙ Splenomegalie<br />

Als Zusatzbefund liegt ein erhöhtes Ferritin vor. Differenzialdiagnostisch<br />

kommen für diese Trias neben einem schädlichen<br />

Alkoholkonsum ein systemischer Lupus erythematodes<br />

(SLE), eine HIV-Infektion oder ein M. Gaucher in<br />

Frage. Bei oben aufgeführten Zusatzuntersuchungen kommt<br />

aber praktisch nur noch ein M. Gaucher in Frage.<br />

Die Verdachtsdiagnose eines M. Gaucher konnte dann mittels<br />

Bestimmung der Aktivität der -Glucocerebrosidase in<br />

den peripheren Leukozyten gestellt werden: 0,49 nmol/mg<br />

(0,7 bis 3,99). Zusätzlich erfolgte eine zweite <strong>Knochen</strong>marksbiopsie<br />

auf der Gegenseite mit nun Nachweis von typischen<br />

«Gaucher-Zellen» (Abb. 4).<br />

Kommentar<br />

Der M. Gaucher ist zwar eine sehr seltene Ursache für<br />

Osteonekrosen (Tabelle 1), zeigt aber die Wichtigkeit der<br />

Ursachenabklärung bei «idiopathischer» Osteonekrose auf,<br />

da dies Manifestation einer behandelbaren Grunderkrankung<br />

sein kann. Mit der Behandlung derselben kann Einfluss<br />

sowohl auf Rezidive wie auch Befall anderer Organe genommen<br />

werden.<br />

Abb. 4: Gaucher-Zellen<br />

(Pathologie, KH Barmherzige Schwestern, Linz)<br />

Der M. Gaucher ist die häufigste lysosomale Speichererkrankung<br />

überhaupt, gefolgt vom M. Fabry. Die Prävalenz liegt<br />

etwa bei 1 :40 000 bis 100000 in Zentraleuropa, ist in der<br />

jüdischen Bevölkerung aber deutlich häufiger (1:2000 in<br />

Israel und 1 : 850 bei Ashkenazi Juden) 1,2 . In der <strong>Schweiz</strong><br />

sind aktuell 26 von etwa 150 anzunehmenden Fällen mit<br />

M. Gaucher diagnostiziert. Die neuronopathischen Formen<br />

(Typ 2+3) mit ZNS-Beteiligung sind noch seltener, treten bei<br />

jüngeren Patienten auf und sind für den <strong>Rheuma</strong>tologen von<br />

geringer Bedeutung.<br />

Tabelle 1<br />

Mögliche Ursachen einer Osteonekrose<br />

❙ Steroide, seltener Cushing<br />

❙ Alkohol<br />

❙ Sichelzellanämie<br />

❙ Caisson Erkrankung<br />

(Kampf-/Tiefseetaucher/Stollenarbeiter)<br />

❙ SLE, insbesondere unter Steroidtherapie<br />

❙ Anti-Phospholipid Syndrom<br />

❙ Pankreatitis<br />

❙ Schwangerschaft<br />

❙ Hyperlipidämie / Diabetes<br />

❙ Hyperurikämie / Gicht<br />

❙ Radiotherapie<br />

❙ Organtransplantation (insbesondere Nieren-Tx)<br />

❙ Intravascular coagulation (DIC)<br />

❙ Nikotinabusus<br />

❙ M. Gaucher<br />

47–2008<br />

9


10<br />

Pathophysiologisch liegt allen lysosomalen Speichererkrankungen<br />

ein Enzymmangel in den Lysosomen zu Grunde. Die<br />

Folge ist ein Anstau von Substraten in den Lysosomen.<br />

Dadurch entstehen zum Beispiel die typischen Gaucher-Zellen<br />

(Abb. 4). Beim M. Gaucher führt ein Mangel der Glucocerebrosidase<br />

zu einer Hepato-/Splenomegalie, Anämie,<br />

Thrombozytopenie sowie ossären Beteiligung mit Osteonekrosen,<br />

pathologischen Frakturen und Deformationen<br />

(Abb. 5). Viele der Symptome können den Patienten früh in<br />

eine rheumatologische Sprechstunde führen. Neben den<br />

Osteonekrosen sind dabei insbesondere die stark schmerzhaften<br />

<strong>Knochen</strong>krisen (teils mit Fieber und humoraler Entzündungsaktivität)<br />

oder pathologische Frakturen an Extremitäten<br />

wie auch am Achsenskelett zu nennen. Neben einer<br />

Verminderung der Lebensqualität durch Leistungsknick,<br />

Schmerzen und Funktionseinschränkungen besteht ein<br />

erhöhtes Malignomrisiko, und die Lebenserwartung ist gegenüber<br />

der Normalbevölkerung um zirka zehn Jahre vermindert.<br />

Pathological<br />

Fracture<br />

Colllapsed<br />

Vertebrae<br />

Erlenmeyer Flask<br />

Deformity<br />

Abb. 5: Organbefall bei M. Gaucher<br />

Bone Crisis<br />

Hepatomegaly<br />

Splenomegaly<br />

Osteonecrosis<br />

Osteopenia<br />

Thrombocytopenia<br />

Anemia<br />

Spleen Volume (Multiples of Normal)<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

–––––––––––––––––––––––<br />

––– –<br />

0<br />

0 6 12 24<br />

Months on Enzyme Replacement Therapy<br />

Abb. 6: Milzvolumen unter Imiglucerase<br />

Die Diagnose kann einfach und nicht-invasiv durch die<br />

Bestimmung der -Glucocerebrosidase-Aktivität in peripheren<br />

Leukozyten gestellt werden. Das Kinderspital Zürich<br />

führt diese Untersuchung durch und gibt Auskünfte bezüglich<br />

der an sich unkomplizierten Präanalytik. Eine Biopsie mit<br />

Nachweis von Gaucher-Zellen ist für die Diagnose nicht notwendig<br />

und ersetzt nie die Bestimmung der Enzymaktivität.<br />

Therapeutisch steht die sehr teure (zirka CHF 65 000.– pro<br />

Monat), aber effektive Enzymersatztherapie mit Imiglucerase<br />

(Cerezyme ® ) zur Verfügung. Neben einer Symptomlinderung/-befreiung<br />

können damit irreversible Schäden verhindert<br />

und schliesslich die Lebensqualität verbessert werden.<br />

Unter der Therapie kommt es zu einer langsamen aber stetigen<br />

Besserung der Anämie, Thrombozytopenie, Spleno-/<br />

Hepatomegalie (Abb. 6), Skelettbeteiligung sowie einer möglichen<br />

Lungenbeteiligung 3,4 .<br />

Literatur<br />

N=53<br />

N=43<br />

––– – –––––––––––––––––<br />

–––– ––––––––––––––<br />

> 5–15 MIN<br />

> 15 MIN<br />

––––––––––<br />

––––<br />

1 Niederau C; Häussinger D. Gaucher’s disease:<br />

a review for the internist and hepatologist.<br />

Hepatogastroenterology 47: 984-997, 2000.<br />

2 Beutler E, Grabowski G. Gaucher disease.<br />

In: Scriver C, Beaudet A, Sly W, Valle D. The metabolic<br />

and molecular bases of inherited disease,<br />

8th Ed. McGraw-Hill; 3635-3668, 2001.<br />

3 Weinreb N, et al. Imiglucerase improves qualitiy of<br />

life in patients with skeletal manifestatons of Gaucher<br />

disease. Clin Genet 71(6):576-588, 2007.<br />

4 Pastores GM, et al. Therapeutic goals in the treatment<br />

of Gaucher disease. Semin Hematol 41:44, 2004.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!