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Guido Mingels Reportagen aus der Schweiz Reisen ins Landesinnere

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und er liebt, wen immer ihn lieben mag, doch nie für lang. Es geht ihm,<br />

sagt er, mit den Frauen wie mit den Län<strong>der</strong>n, ist er da, will er dorthin, ist<br />

er dort, will er dahin. In Zürich lässt er sich einen Skorpion auf die linke<br />

Brust tätowieren, er ist ein Frem<strong>der</strong> im Dorf und in sich selbst. Er ist bereit<br />

und weiss nicht, wofür.<br />

Bald wirst du die schönen Muster tragen, aber noch sind sie Stückwerk, unverbunden,<br />

dein Schmuck nicht vollendet. Schlag weiter, Meister, schlag zu.<br />

Dann also, 2001, „bin ich auf das Samoa!“, spricht Willi im Dialekt. Er will<br />

segeln in <strong>der</strong> Südsee, es ist zu früh, die Winde sind schlecht, er wartet und<br />

macht Sightseeing. Von den Männern hier sind viele verziert, fällt ihm auf,<br />

es sieht <strong>aus</strong> wie gemusterte Shorts, von Hüfte bis Knie ornamentiert, sie<br />

nennen es tatau. Sein Herbergsvater hat einen Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> trägt das tatau,<br />

und <strong>der</strong> fragt: Gefällt dir das? Willi nickt, sie hocken in einer Hütte am<br />

Strand, Bier in <strong>der</strong> Hand und Joints zwischen den Lippen, und Willi hört<br />

sich sagen: „Very much. Very, very much.“ Der an<strong>der</strong>e fragt: Willst du das<br />

auch?<br />

„„Willst du das auch?“, hat <strong>der</strong> mich gefragt!“ Willi zieht an seiner Parisienne,<br />

Arvenstube vom Restaurant Pöstli in Tannenboden, Pommes Chips und Biberli<br />

auf dem Tisch. Willi sagt: „Wieso hat <strong>der</strong> mich das gefragt? Sie bieten<br />

es eigentlich niemandem an. Ein tatau ist nicht für Fremde gedacht. Und<br />

ich frage mich bis heute: Wieso wusste <strong>der</strong>, dass ich das will?“<br />

Kind werde, wenn er es tue, dass sein alter Körper verfaule, dass er das<br />

Gehen neu lernen müsse, dass er vielleicht nicht stark genug sei. Von Geheimnis<br />

reden sie und von zweiter Geburt und von grossem Schmerz. Willi<br />

hört zu und begreift nicht. So schlimm kann das alles nicht sein, denkt er<br />

sich. Das tatau gefällt ihm, er sieht es als Zierde, als Schmuck, <strong>der</strong> zu ihm<br />

passt. Ist ja auch nicht sein erstes Tattoo, <strong>der</strong> Indianer auf <strong>der</strong> Schulter, <strong>der</strong><br />

Skorpion auf <strong>der</strong> Brust.<br />

Ein Mann <strong>aus</strong> dem Dorf geht nach Manono, einer kleinen Insel vor Upolu,<br />

wo <strong>der</strong> Meister wohnt, um ihn zu fragen, ob er bereit sei, einen palagi, einen<br />

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