Der Entenschnabel, Ausgabe 169 [Web-Auflösung] - cebra[•]media
Der Entenschnabel, Ausgabe 169 [Web-Auflösung] - cebra[•]media
Der Entenschnabel, Ausgabe 169 [Web-Auflösung] - cebra[•]media
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DER ENTEN<br />
ABEL<br />
Kein Zweifel, die meisten von euch haben die<br />
letzte Kreation von Andy Saunders sicher im<br />
Internet gesehen. Man könnte glauben, es handele<br />
sich um einen Scherz, der dank ge-schickter<br />
Computertechnologie entstanden ist, aber weit<br />
gefehlt, den 2CV Picasso gibt es wirklich. Ich bin<br />
ihm begegnet!<br />
Andy Saunders ist Engländer und lebt in Poole<br />
an der Südküste der britischen Insel in der<br />
Grafschaft Dorset. Ich treffe ihn in seiner<br />
Werkstatt eines Donnerstags morgen im<br />
Oktober, der unglaublich sonnig ist. Während<br />
ich noch hoffe, bei der angegebenen Adresse<br />
einen auf mich wartenden unglaublichen 2CV zu<br />
finden, gibt es stattdessen eine Reihe von<br />
Wohnmobilen, die mich empfangen. Ich bin<br />
nicht ganz sicher, bei der richtigen Adresse angekommen<br />
zu sein, denn inmitten der geschäftigen<br />
Mechaniker sind eigentlich nur zwei<br />
Autos, die mein Interesse wecken: Ein<br />
Wohnmobil auf der Basis eines Plymouth 1936<br />
und ein VW-Bus Split mit 16 Fenstern (Samba-<br />
Bus?). Das fängt nicht schlecht an, aber kein<br />
2CV!<br />
<strong>Der</strong> Funke des Genies im Auge<br />
<strong>Der</strong> Mensch, der mich begrüßt, ist groß, scheint<br />
sehr sympathisch zu sein und vor allem spricht<br />
22<br />
<strong>Der</strong> PiCARsso<br />
2CV PiCARsso<br />
Ein einzigartiges Werk – von Meisterhand verwirklicht<br />
er mit einem Akzent, der mich ernsthaft daran<br />
zweifeln lässt, die Sprache Shake-speares zu<br />
verstehen. Andy Saunders, er ist es tatsächlich,<br />
entspricht doch dem, was ich mir vorstellte. Die<br />
Art von Typ, hypersympathisch, der gerne erzählt,<br />
doch nicht auf Kosten anderer. Und vor<br />
allem, wenn man ihm begegnet, versteht man<br />
sofort, dass da noch etwas ist, etwas, das ihn<br />
vom normalen Werkstattbesitzer deutlich unterscheidet.<br />
Andy ähnelt mehr einem wirklichen Künstler,<br />
einem mit dem Funken des Genies im Blick. Er<br />
erklärt mir, dass sein Beruf ihn viel Zeit kostet<br />
und dass er keine Zeit haben wird, mich bei<br />
meiner Photo-Session zu begleiten. Aua, dabei<br />
wollte ich mir viel Zeit nehmen für meine<br />
Photos. Andy bittet mich dann, ungefähr 200 m<br />
hinunter zu gehen die Straße und bedeutet mir,<br />
dass er schnellstmöglich nachkommen werde.<br />
200 m weiter steht der 2CV Picasso brav vor<br />
Andys Haus. Die Begegnung mit diesem „Ding“<br />
übertrifft bei weitem alles an Wirkung, die die<br />
Photos hervorrufen. Es ist ganz einfach fantastisch,<br />
man glaubt, Sehstörungen zu haben.<br />
Denn man erkennt ohne Mühe, dass es sich<br />
noch immer um einen 2CV handelt, aber alle<br />
charakteristischen Züge scheinen verändert<br />
<strong>Der</strong> PiCARsso<br />
oder deplaziert zu sein. In seinem Inneren jedoch<br />
bestätigt der 2CV Picasso, dass er ein<br />
wahrhafter kleiner Citroën ist, das Brummen<br />
des Zweizylinders ist wohl gegenwärtig. Im<br />
Straßenverkehr scheinen die englischen Autofahrer<br />
ebenfalls zu träumen. Beim Halt an der<br />
roten Ampel beglückwünschen Passanten Andy<br />
zu der Qualität und der Verrücktheit der Darstellung.<br />
Am Meer angekommen, ein idealer Ort<br />
zum Photographieren, gibt Andy mir die Schlüssel<br />
und kündigt an, in zwei Stunden zurück zu<br />
sein, damit ich die Zeit habe, die Photos zu machen,<br />
wie ich sie mir vorstelle. Da bin ich auf<br />
einmal Herr an Bord dieses Apparates.<br />
Andy Saunders, der bekannteste<br />
Hersteller von Sonderanfertigungen<br />
des Vereinigten Königreiches<br />
Zurück zu Andy Saunders, er ist 45 Jahre alt und<br />
es nicht seine erste Sonderanfertigung. Sein erstes<br />
berühmtes Werk war es, einen CX so umzugestalten,<br />
dass er das Aussehen eines Raumschiffes<br />
bekam. Ein außergewöhnliches<br />
Fahrzeug, nicht unbedingt elegant, das aber<br />
den Zeitgeist genau traf. In der Zeitschrift<br />
„Nitro“ vom September 1984 wurde diesem fantastischen<br />
Citroën ein Artikel gewidmet. Andy<br />
war da gerade 22 Jahre alt und er ist schnell<br />
zum bekanntesten „Custom-Builder“ in England<br />
geworden. Am Ende der 80er Jahre, war der<br />
Custom noch immer stark im Trend und Andy<br />
hat zahlreiche Titelbilder von Zeitschriften gestaltet<br />
mit seinen Entwürfen, die auf verschiedensten<br />
Basen realisiert wurden. Die verrücktesten<br />
stammten von Minis: Aufs Extremste<br />
verkürzte oder tiefer gelegte Fahrzeuge. Andy<br />
hat alle Möglichkeiten des kleinen Engländers<br />
ausgelotet.<br />
Vor einigen Jahren hat unser Mann sich an<br />
einen Bentley Mulsanne Turbo gemacht, für den<br />
er neben mehreren kosmetischen Operationen<br />
einen besonderen Aufbau entworfen hat.<br />
Immerhin hat Andy einige konventionellere<br />
Customs wie einen LowRider auf einem Pontiac<br />
von 1947 oder einen Ford Skyliner von 1957 gebaut.<br />
Auch hat er einen echten Custom nach<br />
der Art von George Barris gebaut, aber auf der<br />
Basis eines Volvo 121.<br />
Seine vorletzte Kreation steht bei dem 2CV<br />
Picasso, es handelt sich um einen modifizierten<br />
Fiat 126, der das niedrigste Auto der Welt wer-<br />
DER ENTENSCHNABEL<br />
Monster oder Schönheit? <strong>Der</strong> 2CV von Andy Saunders<br />
sollte eher als Kunstwerk denn als nur umgebautes Auto<br />
betrachtet werden.<br />
den soll. In knapp drei Tagen für eine Fernsehsendung<br />
gebaut, ist der kleine Fiat nur 56<br />
cm hoch und steht im Buch der Rekorde.<br />
Zwölf Jahre Wartezeit<br />
und 6 Monate Arbeit<br />
Man glaube nicht, dass Andy Saunders eines<br />
Morgens mit der Idee aufgestanden ist, einen<br />
Citroën nach Picasso-Art zu entwickeln. Bevor<br />
er damit anfangen konnte, mussten erst zwölf<br />
Jahre vergehen. Da waren noch andere Projekte<br />
zu beenden, eine Arbeit, die ihm kaum Freizeit<br />
lässt, und dann, im Januar 2007 macht er sich<br />
an die Arbeit.<br />
Er vollbringt die Spitzenleistung, beinahe in<br />
Vollzeit am 2CV zu arbeiten, oder besser an den<br />
Die einzigen Teile,<br />
die weder verändert<br />
noch umplatziert<br />
wurden, sind das<br />
Dach mit der<br />
Heckscheibe und<br />
die Luftklappe.<br />
Nimmt man sie als<br />
Orientierungshilfe,<br />
merkt man erst<br />
richtig, wie unglaublich<br />
dieser<br />
2CV PiCARsso<br />
umgebaut wurde.<br />
23