Das geht zu weit!
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AGRARPOLITIK<br />
Wachsende Bürokratie, immer mehr Dokumentationsaufwand<br />
– und alles bleibt am Landwirt hängen:<br />
(v.l.n.r.) Paul Boßmann, Johannes van Betteray und<br />
Heinz-Josef Hensen sehen das QS-System aus dem<br />
Ruder laufen. <br />
Foto: Christiane Närmann-Bockholt<br />
Lebensmittel wieder<strong>zu</strong>gewinnen, haben<br />
wir dieses Engagement eindeutig befürwortet“,<br />
erläutert Hensen. Für ihn als<br />
Schweinehalter war es damals selbstverständlich,<br />
sich <strong>zu</strong> beteiligen. Genauso sehen<br />
es van Betteray und Boßmann.<br />
<strong>Das</strong> <strong>geht</strong> <strong>zu</strong> <strong>weit</strong>!<br />
Immer deutlicher wird die Kritik am QS-System – auch von Landwirten, die<br />
den Aufbau des Prüfsystems anfangs für gut und notwendig befunden haben.<br />
Schweinehalter aus Sonsbeck melden sich <strong>zu</strong> Wort.<br />
Heinz-Josef Hensen ist Schweinemäster,<br />
Paul Boßmann ist Ferkelerzeuger und Johannes<br />
van Betteray hält Sauen und mästet<br />
Schweine. Jeder der drei Sonsbecker Landwirte<br />
hat seinen Betrieb nach dem QS-System<br />
zertifizieren lassen. „Als QS im Nachgang<br />
der BSE-Krise aufgebaut wurde mit<br />
dem Ziel das Verbrauchervertrauen in die<br />
Prüfsystem verselbstständigt sich<br />
Mittlerweile ist aber gerade unter den Ferkelerzeugern<br />
und Mästern der Unmut groß<br />
und Kritik laut geworden. „Der Aufwand für<br />
die Dokumentation ist immens angestiegen“,<br />
hält van Betteray fest und weist auf<br />
die aktuellen Neuerungen hin, die die QS<br />
GmbH <strong>zu</strong> Beginn dieses Jahres eingeführt<br />
hat. Da<strong>zu</strong> gehören etwa die strengere Bewertung<br />
der Kriterien im Audit und der<br />
Nachweis einer QS-Zulassung der Vorlieferanten.<br />
Van Betteray, der im vergangenen<br />
Dezember sein Audit mit Erfolg absolviert<br />
Kontrollen ja, aber nicht so!<br />
Eines stellt Johannes Welbers sofort klar.<br />
„Ich habe nichts gegen Kontrollen. Ob für<br />
QS oder auch vom Veterinäramt, Kontrollen<br />
müssen sein und haben ihre Berechtigung,<br />
wir produzieren schließlich Lebensmittel“,<br />
erklärt der Schweinehalter, der in Rayen<br />
bei Neukirchen-Vluyn einen Betrieb mit<br />
Ferkelerzeugung und Mast bewirtschaftet.<br />
Was ihn jedoch richtig auf die Palme gebracht<br />
hat, das ist die Art und Weise, wie<br />
jetzt das Europäische Lebensmittel- und<br />
Veterinäramt die Einhaltung der CC-Kriterien<br />
in Deutschland kontrollieren will. Dabei<br />
soll eine Delegation überprüfen, ob die<br />
Schweinehaltungs-Richtlinie der EU in<br />
Deutschland korrekt umgesetzt wird. „Wie<br />
es heißt, erfolgt die Kontrolle unangemeldet<br />
mit einer Vorlaufzeit von 1,5 Stunden!<br />
<strong>Das</strong> Vorgehen ist respektlos und unhöflich,<br />
wie <strong>geht</strong> man denn mit uns Landwirten<br />
um?“, ärgert sich Welbers über die wie<br />
selbstverständlich eingeforderte „ad-hoc-<br />
Verfügbarkeit“. Nicht <strong>zu</strong>letzt könne man<br />
darin auch einen Akt des Misstrauens sehen.<br />
Drei Kontrollen hat Welbers im letzten Jahr<br />
in seinem Betrieb über die Bühne gebracht.<br />
Ob mit der Tierärztin des Kreisveterinäramtes,<br />
dem Kontrolleur in Sachen QS oder<br />
dem der Treuhandstelle in Sachen Nachbau,<br />
mit allen dreien habe er den Kontrolltermin<br />
abstimmen und sich dann auch<br />
ausreichend Zeit für die Kontrolle nehmen<br />
können. „Wir sind doch selbständige Landwirte<br />
und keine Leibeigenen der Bürokratie,<br />
dass wir so kurzfristig verfügbar <strong>zu</strong><br />
sein haben“, macht der 47-jährige Landwirt<br />
deutlich. Und Verdunklungs- oder Verschleierungsgefahr<br />
bestehe doch auch<br />
wohl nicht, wenn es bei der Kontrolle etwa<br />
um das Kupieren der Ferkelschwänze oder<br />
das Zähneschleifen bei den Ferkeln <strong>geht</strong>.<br />
„Es entsteht doch kein Schaden, wenn man<br />
sich drei Tage vorher anmeldet, das gebietet<br />
einfach schon der Anstand“, macht Welbers<br />
seinem Ärger Luft. Enttäuscht zeigt er<br />
sich auch von den Interessenvertretungen<br />
wie dem Bauernverband und der Interessengemeinschaft<br />
der Schweinehalter<br />
Deutschlands (ISN), die diese geringe Vorlaufzeit<br />
anscheinend ohne Kritik hingenommen<br />
hätten. Mit einem Vergleich zeigt<br />
der Landwirt auf, dass die Verhältnismäßigkeit<br />
für ihn nicht mehr gewahrt sei. „Auf<br />
einen Termin beim Facharzt muss ich in<br />
Deutschland mittlerweile mehrere Wochen<br />
warten, und eine Kontroll-Delegation kann<br />
mit anderthalb Stunden Vorlauf auftauchen.<br />
Wo leben wir denn?“ <br />
CNB<br />
Unangemeldete CC-Kontrollen auf schweinehaltenden<br />
Betrieben: So <strong>geht</strong> man nicht mit selbständigen<br />
Landwirten um, müssen wir uns alles gefallen<br />
lassen, fragt Johannes Welbers.<br />
Foto: Christiane Närmann-Bockholt<br />
16 LZ 10 · 2010
AGRARPOLITIK<br />
Erfolgreicher Abschluss der Jagdsaison<br />
Bilanz gezogen nach Abschluss der Jagdsaison<br />
haben die Kreisjägerschaft sowie<br />
die Kreisbauernschaft Wesel. Um die Wildschweinebestände,<br />
die in den letzten Jahren<br />
im rechtsrheinischen Kreisgebiet erheblich<br />
gewachsen waren, <strong>zu</strong> reduzieren,<br />
hatten der Kreis Wesel gemeinsam mit der<br />
Kreisjägerschaft und Kreisbauernschaft<br />
großräumige revierübergreifende Drückjagden<br />
auf Schwarzwild organisiert. Bei<br />
den sieben im Kreisgebiet durchgeführten<br />
Drückjagden im November und Dezember<br />
2009 wurden 139 Wildschweine erlegt.<br />
Daneben wurde auch die Einzeljagd vom<br />
Hochsitz aus <strong>zu</strong>r Schwarzwildbejagung<br />
hat („Da gehen schnell vier Stunden Zeit für<br />
drauf.“), nimmt die Checkliste <strong>zu</strong>r Eigenkontrolle<br />
aus seinem QS-Ordner. „Diese Liste<br />
müssen wir jährlich einmal ausfüllen und<br />
dann abheften. Mittlerweile ist die Liste auf<br />
rund 120 Einzelfragen aufgebläht worden,<br />
in den QS-Anfangsjahren kam man mit weniger<br />
als der Hälfte aus“, hält der Schweinehalter<br />
fest.<br />
genutzt. Insgesamt wurden in der letzten<br />
Jagdsaison 690 Wildschweine erlegt, im<br />
Vorjahr betrug die Strecke 1 052 Tiere. Der<br />
hohe Aufwand bei der Drückjagd habe gegenüber<br />
der Einzeljagd nicht den erhofften<br />
höheren Erfolg gebracht, räumt die<br />
Kreisjägerschaft ein. Es sei davon aus<strong>zu</strong>gehen,<br />
dass auch die widrigen Witterungsverhältnisse<br />
und kalten Winternächte<br />
da<strong>zu</strong> beitragen, die Wildschweinebestände<br />
<strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong> dezimieren. Ein Wiederanstieg<br />
der Schwarzwildpopulation müsse<br />
auf jeden Fall durch <strong>weit</strong>ere scharfe Bejagung<br />
verhindert werden, sind sich Kreisjägerschaft<br />
und Kreisbauernschaft einig. Q<br />
„<strong>Das</strong>s wir darüber hinaus aufgefordert werden,<br />
dem Schlachthof die Freischaltung unserer<br />
QS-Daten <strong>zu</strong> bewilligen, das <strong>geht</strong> einfach<br />
<strong>zu</strong> <strong>weit</strong>“, bringt Heinz-Josef Hensen die<br />
Kritik auf den Punkt. Bei Landwirten werde<br />
die QS-Teilnahme mit ihrem hohen Zeitaufwand<br />
inzwischen als unbezahlte Selbstverständlichkeit<br />
vorausgesetzt, während der<br />
Schlachthof oder auch der Futtermittellieferant<br />
die Kosten für seine Qualitätsmanagement-Fachkräfte<br />
auf seine Produktpreise<br />
umlegen könne. „Wir Landwirte werden immer<br />
mehr geknebelt, haben aber keinen finanziellen<br />
Vorteil. Der Aufwand für QS kostet<br />
uns mittlerweile im Vergleich <strong>zu</strong> den Anfangsjahren<br />
ein Mehrfaches. Da ist die Verhältnismäßigkeit<br />
doch nicht mehr gewahrt“,<br />
sind sich Boßmann, Hensen und van Betteray<br />
in ihrer Kritik einig, „wenn das so <strong>weit</strong>er<br />
<strong>geht</strong>, dann kann man besser Schweinebetriebe<br />
kontrollieren als Schweine mästen.“<br />
CNB<br />
W CC-Kontrollen „Tierschutz“!<br />
Auch die Rheinische Erzeugergemeinschaft<br />
für Qualitätsferkel(REG) weist jetzt darauf<br />
hin, dass ab Mitte März durch Mitarbeiter<br />
der EU-Kommission spezielle CC-Kontrollen<br />
in Schweine haltenden Betrieben stattfinden<br />
sollen. Überprüft würden u. a. die Wasserversorgung,<br />
das Beschäftigungsmaterial,<br />
das Kupieren der Schwänze sowie das<br />
Schleifen der Zähne. Alle Vorschriften der<br />
sogenannten Tierschutz-Nutztierhaltungs-<br />
Verordnung sollten korrekt umgesetzt werden,<br />
ansonsten drohten nicht nur dem einzelnen<br />
Landwirt Kür<strong>zu</strong>ngen, sondern auch<br />
dem gesamten Land, betont die REG. Q<br />
<strong>Das</strong>s sich das Prüfsystem immer mehr verselbständigt<br />
und mehr und mehr von dem<br />
entfernt, für das es ursprünglich aufgebaut<br />
wurde, das haben die Schweinehalter in der<br />
letzten Woche einmal mehr festgestellt.<br />
Rund 500 Schweinelieferanten, darunter<br />
auch die Sonsbecker Schweinehalter, erhielten<br />
ein Schreiben vom Schlachthof Manten<br />
mit einem Fragebogen. Der Gelderner<br />
Schlachthof bereitet sich darauf vor, die visuelle<br />
Schlachttier- und Fleischuntersuchung<br />
(VSFU) ein<strong>zu</strong>führen und holt deshalb<br />
per Fragebogen von seinen Lieferanten Auskünfte<br />
ein. Ausschließlich QS-Teilnehmer<br />
können an dem VSFU teilnehmen, ebenso<br />
ist Vorausset<strong>zu</strong>ng, dass die Schweine „aus<br />
kontrollierten Haltungsbedingungen in einem<br />
integrierten Produktionssystem“ stammen,<br />
was gemäß VO 1244/2007 bei den<br />
Lieferanten abgefragt wird. Zusätzlich abgefragt<br />
werden der aktuelle Salmonellenstatus<br />
sowie die Verlustraten der letzten<br />
beiden Mastdurchgänge.<br />
QS-Daten freischalten?<br />
Bauernfrühstück in Nettetal<br />
Auch in diesem Jahr waren die Vorsitzenden der Nettetaler Ortsbauernschaften sowie die Vertreterinnen der<br />
Landfrauen wieder <strong>zu</strong> einem „Bauernfrühstück“ ins Rathaus der Stadt Nettetal eingeladen worden. Im Mittelpunkt<br />
des Meinungsaustausches stand die geplante Ansiedlung eines Unternehmens, das in Nettetal-Breyell<br />
in erheblichem Umfang Grundwasser fördern und es anschließend als Mineralwasser verkaufen möchte.<br />
Ortslandwirt Heinz Zanders sowie die übrigen Vertreter des Berufsstandes äußerten die Befürchtung, dass<br />
dann die für die Landwirte und Gärtner äußerst wichtigen Beregnungsbrunnen trocken fallen könnten und<br />
neue Brunnen möglicherweise nicht mehr genehmigt würden. Bürgermeister Christian Wagner stellte jedoch<br />
klar, dass die Stadt Nettetal sicherstellen werde, dass es bei der Wasserversorgung keine Verschlechterung<br />
für die Bevölkerung, aber auch nicht für die Landwirtschaft geben werde. Es sei gewährleistet, dass das Unternehmen<br />
nur so viel Wasser fördern dürfe, wie sich dauerhaft neu bildet. Wagner kündigte an, dass die<br />
Stadtverwaltung in den nächsten Monaten eine spezielle Informationsveranstaltung für die Landwirte anbietet,<br />
um über den aktuellen Stand des Planverfahrens ausführlich <strong>zu</strong> berichten. Unser Foto zeigt (v.l.n.r.):<br />
Bürgermeister Christian Wagner, Ortslandwirt Heinz Zanders, LandFrauen-Vorsitzende Anna Maria Slaats<br />
und Heinz-Josef Tölkes, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Krefeld-Viersen.<br />
Foto: Ulrich Horstmann<br />
LZ 10 · 2010 17