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Gottesdienst am Sonntag Kantate 20. April 2008

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mitten im Feuer und hat die drei Männer beschützt. Das könnte natürlich genügen, aber<br />

es ist wie mit einem Krimi, der die Auflösung des Mordfalles nicht erzählt: Woher kommt<br />

denn dieser vierte Mann? Warum k<strong>am</strong> er rechtzeitig, wer ist der Engel und überhaupt, was<br />

war da los? Auch spätere Generationen hat diese Fragen beschäftigt, und deswegen hat<br />

diese Szene mit den drei bzw. vier Männern im Feuerofen zwei Zusätze gefunden, zwei<br />

Erklärungsversuche für diese einzigartige Rettung. Woher man weiß, dass dies Zusätze<br />

sind? Ganz einfach: Die Sprache und Gedanken fallen heraus aus dem sonstigen Text; es<br />

ist, als würde man mitten in einem Goethegedicht eine Strophe von Erich Fried oder dem<br />

Rapper Jan deLay finden. Und diese beiden Zusätze zeigen jeweils einen ganz typischen<br />

menschlichen Umgang mit jener sensationellen Rettung, mit diesem erstaunlichen vierten<br />

Mann mitten im Feuer, mit diesem Wunder. Der erste Zusatz will das Wunder erklären,<br />

der zweite Zusatz will es verstehen! Die erste Ergänzung tarnt sich als Gebet, ist aber eine<br />

theologische Rationalisierung, die zweite Ergänzung ist ein singendes Staunen über<br />

Gottes Wundertaten und insofern eine theologische Ästhetisierung; aber beides will<br />

erläutert werden:<br />

1.Die erste Ergänzung ist das Gebet Asarja, das in etwa folgenden Duktus hat:<br />

Wir Menschen sind an allem Schuld, wir haben gesündigt und sind von Gottes Geboten<br />

abgewichen. Deswegen ist nicht nur die babylonische Gefangenschaft Israels gerecht und<br />

richtig, eine berechtigte Strafe Gottes, sondern auch unser Weg in den Feuerofen ist<br />

gerecht, richtig und wahr. „Ja, du tust uns recht, dass du uns bestraft hast mit all den<br />

Strafen“, heißt es in den Zusätzen zu Daniel (3, 4). Wir dürften eigentlich nicht mal<br />

unseren Mund aufmachen und dich, großer Gott, um Rettung anflehen, wir sind ja weniger<br />

wert als alle Heiden, so sündig sind wir und haben die Strafe verdient. Aber um deines<br />

heiligen N<strong>am</strong>ens willen kommen wir dennoch „mit betrübten Herzen und demütigen<br />

Geist“ (Zusätze zu Dan 3, 15) zu dir, allmächtiger Gott, ob du uns nicht doch erretten willst<br />

usw.<br />

Im Kern also und etwas überzogen interpretiert: Diese drei Männer im Feuerofen machen<br />

sich so demütig und so klein und so schuldbewusst und so unterwürfig vor Gott, dass Gott<br />

sich ihrer doch erbarmt. Dies ist die Erklärung für das einzigartige Wunder der Errettung<br />

aus dem Feuer: Es waren besonders heilige Männer, deswegen wurden sie errettet; es<br />

waren besonders fromme, demütige Juden, deswegen hat Gott ihnen den vierten Mann,<br />

den Engel geschickt. Aber die Rückseite dieser Behauptung heißt: Solltest Du eines Tages<br />

nicht errettet werden aus einer vergleichbaren Bedrängnis, dann liegt es an deiner<br />

fehlenden, mangelhaften Frömmigkeit!<br />

Martin Luther hat sehr scharfsichtig diese Rationalisierung als Demutstheologie<br />

durchschaut, als eine schuldbewusste Unterwürfigkeit, die nach dem schönen Motto von<br />

Thomas Mann verfährt: „Wer sich selbst erniedrigt, der will erhöht werden!“. Wer sich<br />

selbst immer ganz hinten anstellt, wer immer schön bescheiden ist, wer immer alle<br />

Fehler bei sich sucht und wer sich immer klein und demütig macht, der erwartet, ja der<br />

verlangt mitunter die Erhöhung durch Gott. Weil wir so bescheiden sind, weil wir so<br />

sündenbewusst sind, weil wir so fromm und gottesfürchtig sind, deswegen werden wir<br />

gerettet. Luther hat dies als geistlichen Narzissmus durchschaut; und dieser ist<br />

uneinholbar treffsicher von Wilhelm Busch karikiert worden:<br />

Die Selbstkritik hat viel für sich.<br />

Gesetzt den Fall, ich tadle mich:

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