grünes licht für mobbing zum suizid provozierende ... - baemayr.net
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Dr. med. Argeo Bämayr<br />
Grünes Licht <strong>für</strong> Mobbing<br />
<strong>zum</strong> Suizid <strong>provozierende</strong><br />
Traumatisierungsurteile<br />
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung<br />
in Mobbing-Schutz-Prozessen<br />
Coburg<br />
2005
Grünes Licht <strong>für</strong> Mobbing<br />
<strong>zum</strong> Suizid <strong>provozierende</strong> Traumatisierungsurteile<br />
Als langjährig in Therapie und Erstellung von Sachverständigengutachten auf Mobbingfälle<br />
spezialisierter Facharzt verfolgt man naturgemäß auch die Entwicklung der diesen Sektor<br />
betreffenden Rechtsprechung. Hier schien sich insbesondere seit den Urteilen der 5. Kammer des<br />
Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15.2.2001 1 und vom 10.4.2001 2 und einiger nachfolgender<br />
Entscheidungen aus der Arbeitsgerichtsbarkeit 3 der Eindruck zu rechtfertigen, die Justiz würde<br />
endlich ihrer seit Jahren überfälligen Verantwortung gerecht, das einer auf humanistischen<br />
Prinzipien gegründeten Staatsidee diametral zuwiderlaufende und in jeder Beziehung extrem<br />
gesellschaftsschädliche Phänomen des Mobbing in der diesem gebührenden Weise<br />
entgegenzutreten. Möglicherweise war dieser Eindruck voreilig.<br />
Bereits im Jahr 2002 signalisierte ein Urteil des Arbeitsgerichts Köln 4 , dass ein beispielhafter<br />
Umgang der Justiz mit Mobbingfällen weit davon entfernt ist, eine Selbstverständlichkeit zu sein.<br />
Dieses Signal hat mit dem Urteil der 1. Kammer des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom<br />
10.6.2004 5 eine nicht zu übersehende Verstärkung erfahren. Der das Vertrauen in die Justiz bei der<br />
Bearbeitung von Mobbingfällen beeinträchtigende Grund liegt in der Diktion und der<br />
<strong>mobbing</strong>förderlichen Signalsetzung der entsprechenden, auch das jeweilige Urteilsergebnis<br />
diskreditierenden Urteilsbegründungen. Zuweilen lassen diese nicht etwa nur auf fehlende<br />
Sachkompetenz im Umgang mit solchen Fällen schließen, wie sie in vielen Fällen besonders<br />
dadurch deutlich wird, dass bei der rechtlichen Beurteilung der Mobbingablauf in seine<br />
Einzelbestandteile zerlegt und nicht in seinem Zusammenwirken gewürdigt wird. Sie offenbaren,<br />
wie in den Urteilen des Arbeitsgerichts Köln und jüngst der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts<br />
Thüringen überdeutlich wird, eine latent bestehende Vorurteilslage gegenüber Mobbingopfern bis<br />
hin zu damit korrespondierenden persönliche Antipathien gegen die Notwendigkeit einer vor<br />
Mobbing schützenden Rechtsprechung.<br />
Am Ende seiner Begründung des angeführten Urteils, welches die auf Schadenersatz gerichtete<br />
Mobbingklage einer in einer Universitätsklinik beschäftigten Krankenschwester abweist, hat das<br />
Arbeitsgericht Köln u.a. ausgeführt:<br />
„Das Zurückweisen einer bei den Kolleginnen unbeliebten Mitarbeiterin, welche die anderen als<br />
wenig leistungsfähig ansehen und sich daher in ihrer eigenen Arbeit beeinträchtigt fühlen bzw. den<br />
Eindruck haben, Defizite durch eigene Mehrleistungen ausgleichen zu müssen, entspricht der<br />
Lebenswirklichkeit im Arbeitsleben. Auch die Ausgrenzung einer solchen Kollegin ist sozial<br />
adäquat, ebenso der Versuch, deren Herausnahme aus der eigenen Arbeitsgruppe zu erreichen. Mit<br />
solchen Verhaltensweisen muss jeder Arbeitnehmer oder jeder andere, in welchem Rechtsstatus<br />
auch immer mit Menschen zusammenarbeitende Bedienstete rechnen. Schließlich entsprechen den<br />
eigenen Persönlichkeitsrechten die gleichwertigen Grundrechte der Kollegen und Vorgesetzten auf<br />
Selbstverwirklichung und Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit, auch wenn diese unfreundliche,<br />
missgünstige oder anderweitig aus ethischer Sicht fragwürdige Züge aufweisen mag. Gleiches gilt<br />
<strong>für</strong> das Verhalten von beteiligten Ärzten.<br />
1<br />
5 Sa 102/00, abgedruckt in Handbuch Mobbing-Rechtsschutz (nachfolgend HMR), Heidelberg 2004, Anhang 6<br />
2<br />
5 Sa 403/00, abgedruckt in HMR, Anhang 5<br />
3<br />
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.7.2001, 5 Sa 72/01, abgedruckt in HMR Anhang 4 und LAG Rheinland-<br />
Pfalz, Urteil vom 16.8.2001, 6 Sa 415/01, abgedruckt in HMR Anhang 3; Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 7.7.2003,<br />
5 Ca 5954/02<br />
4<br />
Urteil vom 9.7.2002, 8 Ca 3274/02<br />
5<br />
1 Sa 148/01, im Volltext abrufbar über die Homepage des Thüringer LAG<br />
www.landesarbeitsgericht.thueringen.de unter Presseinfo
Dies gilt gerade im öffentlichen Dienst, in dem sich die Arbeitgeber bzw. die von ihnen<br />
eingesetzten natürlichen Personen dauerhaft, jedenfalls ohne eigene Befreiungsmöglichkeit an<br />
Arbeitnehmer gebunden sehen, auch wenn diese in ihrem Bereich abgelehnt werden, als vermindert<br />
leistungsfähig, zudem rechthaberisch und anspruchsbewußt empfunden werden, dazu ihre eigenen<br />
Vorstellungen konsequent unter Einschaltung von Personalrat und Rechtsanwälten sowie unter<br />
Zuhilfenahmen von Dienstaufsichtsbeschwerden durchzusetzen versuchen, damit aus Sicht der<br />
Verwaltung ein ständiges, unangenehmes Arbeiten verursachendes Störpotential darstellen.“<br />
Mit dieser Entscheidung hatte bereits das Arbeitsgerichtt Köln die auf dem Boden des<br />
Grundgesetzes kaum glaubliche Grünschaltung der Mobbingampel als Befreiungsschlag gegen<br />
unliebsame und insbesondere im öffentlichen Dienst nur schwer loszuwerdende MitarbeiterInnen<br />
legitimiert. Haben wir in dieser Entscheidung zur Kenntnis nehmen müssen, dass nach Auffassung<br />
eines deutschen Gerichts der Zweck auch Mobbingmittel heiligt, setzt die 1. Kammer des<br />
Landesarbeitsgerichts Thüringen in ihrem Urteil, welches die auf Schadenersatz gerichtete<br />
Mobbingklage einer ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigten Bankangestellten betrifft, nun<br />
schon mit ihren Leitsätzen noch eins drauf und verkündet dort:<br />
„Für die streitentscheidende Aufgabe der Gerichte ist es nicht hilfreich, wenn der Eindruck<br />
erweckt wird, die Gerichte müssten „gegenüber Mobbing ein klares Stoppsignal“ setzen (so<br />
Thüringer Landesarbeitsgericht vom 15.02.2001, LAGE Nr. 3 zu Artikel 2 GG<br />
Persönlichkeitsrecht, Leitsatz 1).“<br />
Die <strong>für</strong> den ungläubigen Leser erkennbare Botschaft des bereits in den Leitsätzen geführten und an<br />
oberster Stelle der Urteilsbegründung in teilweise diffamierender Weise fortgesetzten<br />
Frontalangriffs auf die den Weg <strong>für</strong> einen rechtsstaatlichen Mobbingschutz bereitende<br />
Rechtsprechung der 5. Kammer des gleichen Gerichts lautet, dass die Justiz <strong>für</strong> die<br />
Mobbingbekämpfung nicht zuständig ist. Auch dieses Urteil gibt damit <strong>grünes</strong> Licht <strong>für</strong><br />
unsanktioniertes Mobbing. Es diskriminiert das Rechtsschutzbedürfnis von Mobbingopfern und ist<br />
deshalb in seinem Skandalgehalt gleichwertig mit dem zu Beginn der 80er Jahre zu negativem<br />
Ruhm gekommenen „Frankfurter Behindertenurteil“. Derartige Mobbingurteile können nicht nur<br />
bei den von solchen Urteilen betroffenen MobbingklägerInnen die bereits durch<br />
Mobbinghandlungen eingetretene Traumatisierung in einer die Suizidgefährdung deutlich<br />
erhöhenden Weise verstärken. Sie können bei deren Kenntnisnahme dieselbe Wirkung auch bei<br />
allen anderen durch Mobbing in einem akuten Traumatisierungszustand befindlichen Personen<br />
bewirken, die dadurch <strong>für</strong> sich realisieren, dass sie von der Justiz als rechtlos abgestempelt werden.<br />
Etwas mehr versteckt, aber nicht weniger Sprengstoff enthält der andere Leitsatz der Entscheidung:<br />
„Mobbing kann nur angenommen werden, wenn systematische und zielgerichtete Anfeindungen<br />
gegen den Arbeitnehmer vorliegen. Daran fehlt es, wenn es in der Entwicklung einer im<br />
wesentlichen psychisch bedingten Konfliktsituation zu einer Eskalation kommt, auf die der<br />
Arbeitgeber mit einem nicht mehr sozialadäquaten Exzess reagiert (hier: Suspendierung von der<br />
Arbeitsleistung und nachfolgende Versetzung)“.<br />
Zunächst sind aber Mängel dieses Leitsatzes offen zu legen, die bereits den Bereich logischen<br />
Denkens betreffen. Das Gericht verkennt, dass es sich bei Mobbing immer um einen „psychischen<br />
Konflikt“ handelt, eine „Eskalation“ ohne „Systematik“ nicht vorstellbar ist und der nicht mehr<br />
„sozialadäquate Exzess“ des Arbeitgebers ein Paradebeispiel <strong>für</strong> eine „zielgerichtete Anfeindung<br />
gegen den Arbeitnehmer“ darstellt.<br />
(…..) der vollständige Text erscheint demnächst in einem Kapitel in einem Buch über das<br />
„Mobbingsyndrom“
Wer denn sonst, als die Gerichte sollen Mobbing stoppen? Auch wenn diese 1. Kammer des LAG<br />
Thüringen dies nicht glauben will, können Ärzte weder Mobbing stoppen noch dessen Folgen<br />
heilen. Sie haben auch keine Wundermittel, Mobbing in seinen gewollten psychosozial<br />
destabilisierend wirkenden Auswirkungen ohne zunehmende Gesundheitsschädigung auszuhalten.<br />
Ärzte können allenfalls Verständnis aufbringen, entsprechend dem Vorhaben des Patienten die<br />
Flucht aus dem Mobbing (Arbeitsunfähigkeit, Kündigung) oder den Kampf gegen das Mobbing<br />
über legale Rechtsmittel unterstützen, keinesfalls aber dem Mobbingopfer illegale oder unfaire<br />
Techniken vermitteln, welche geeig<strong>net</strong> wären, Mobber auszuschalten. Umso übler ist es, wenn<br />
Gerichte versagen oder gar, wie hier, im Ergebnis Partei <strong>für</strong> Mobber ergreifen. Jegliche Täter-<br />
Opfer-Konstellation polarisiert alle damit Befassten, womit sich auch Mobbing von einem banalen<br />
Streit unterscheidet. Wer wegsieht, hilft dem Täter, wer sich einmischt, hilft dem Opfer. Die<br />
gerichtliche Verurteilung von Mobbern ist zugleich ein medizinisches Heilmittel, welches nicht<br />
nur Symptome bekämpft, sondern auch den Herd <strong>mobbing</strong>bedingter Krankheitszustände<br />
ausschaltet. Der Freispruch des Mobbers ist demgegenüber eine der schwersten vorstellbaren<br />
psychischen Traumatisierungen, welche rasch in eine Suizidalität einmünden können. Die<br />
außergewöhnliche Schwere der Traumatisierung ist durch den Zusammenbruch der geltenden<br />
Wert- und Normvorstellungen und den Verlust des Vertrauens in die rechtsstaatlichen<br />
Grundprinzipien bedingt. Der den angeführten Urteilen an alle Mobber immanente Zuruf: „Weiter<br />
so, von den Gerichten sollte Mobbing nicht gebremst, geschweige denn gestoppt werden“ wirkt<br />
um so verheerender, als er nicht nur voll die betreffenden Klägerinnen getroffen hat, sondern<br />
einen Schlag in das Gesicht aller Mobbingopfer, aber auch aller um die Aufrechterhaltung des<br />
Rechtsstaats bemühter Bürger darstellt. Während die Mobbingfällen anhaftende Psychodynamik<br />
des Individual- und Gruppenverhaltens <strong>für</strong> psychologisch und psychotraumatisch Erfahrene so<br />
offensichtlich ist wie das 1 x 1 <strong>für</strong> den Mathematiker, ist zu wünschen, dass auch Richter lernen<br />
(wollen), die psychodynamischen Zusammenhänge zwischen Mobbern und Gemobbten, sowie die<br />
Gefahr einer eigenen Verflechtung in den Konflikt introspektionsfähig zu erkennen und zu<br />
reflektieren, um nicht die eigene Objektivität und Neutralität zu verlieren und um Mobbing als das<br />
zu erkennen, was es ist: ein psychologisches bzw. psychpathologisches Instrument zur<br />
Traumatisierung, zu deren noch weiter verfestigenden Fortsetzung auch Richter die besten<br />
Voraussetzungen mitbringen und zugleich auch noch in der Lage zu einer staatlichen Absegnung<br />
eines solchen von Mobbern vorsätzlich herbeigeführten und der Sicherstellung der<br />
Menschenwürde als dem fundamentalsten aller Verfassungsprinzipien gegenläufigen Ergebnisses<br />
sind.