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Download - Baltische Historische Kommission

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zu retten weiß, wie sie im Gegensatz zur alten Zeit tritt, wie sie Freiheitsideen in ihrer Mitte<br />

großzieht, welche den vorübergehend auftauchenden Weltherrschaftsideen siegreich<br />

entgegentreten, so weit diese an das Ostseeküstenland sich knüpfen wollten. Ja, die kleine<br />

Kolonie entwickelte, wenn auch zunächst wohl unbewusst, Freiheitsideen, die Todfeinde der<br />

Weltherrschaft, Freiheitsideen, die nicht unbeträchtlich dazu beitrugen, dass die<br />

Weltherrschaftsideen ad acta gelegt wurden. Die Versuche, eine Weltherrschaft in dieser<br />

Periode auf den Trümmern des römischen Riesenbaus wieder zu errichten, schlugen wohl<br />

hauptsächlich darum fehl, weil sie von zwei mächtigen Körpern zugleich und einander<br />

entgegengesetzt ausgingen. Beide richteten ihr Augenmerk jetzt auf das neue Territorium, auf<br />

Livland. Das Reich aber besaß nicht die gewaltigen Mittel der Nebenbuhlerin und musste<br />

daher in diesem Zeitraum auch hier vor ihr in den Schatten treten. Die Kirche aber mit ihrem<br />

riesenmäßigen Apparat alles zu ihren Zwecken ausbeutend, streckt ihre gewaltige Hand auch<br />

nach Livland aus. Wo sie Widerstand fand, da unterhöhlten die Tausende ihrer rüstigen<br />

Handlanger, die Mönche, die Fundamente desselben, und der Oberbau stürzt in dem<br />

Augenblick, wo das Ganze sich gegen die Zwingherren erheben will, zusammen.<br />

Äußerlich zeigte die Kirche nur ihre hierarchische Obergewalt, ihren Bann, ihre Bullen; ihre<br />

inneren Mittel aber griffen tiefer ein: ins Volk hinein pflanzte sie den Samen des alleinigen<br />

Gehorsams gegen sie, und überwand so, während der äußere Anschein nur ihrem materiellen<br />

Hilfsmittel den Sieg zuschreiben ließ. Die Frage nach Livlands politischer Stellung nach<br />

außen hin ist also wesentlich identisch mit der Frage nach seiner Stellung zur Kirche. – Zu ihr<br />

hatte sich die Kolonie gleich anfangs in nähere Verbindung gesetzt; der Jungfrau Maria war<br />

das Land geweiht. Der Papst war durch Predigt des Kreuzes mit Hauptursache ihrer<br />

Erwerbung gewesen; sein unmittelbarer Einfluss dauert fort; er wirkt namentlich zur<br />

Beschwichtigung der Landeseingeborenen darauf hin, dass der jährliche Zehnten in eine fixe<br />

Abgabe verwandelt werde.<br />

Zur Ausführung der päpstlichen Anordnung betritt 1224 der Legat Wilhelm von Modena das<br />

Land, eine der bedeutendsten Gestalten auf livländischem Boden, ein Mann, der durch die<br />

Klugheit seines Benehmens und durch die rasche Ausführung eines großen Baues, wenigstens<br />

vor den Augen des Geschichtsschreibers, selbst die gewaltige Gestalt Alberts verdunkelt. Auf<br />

den ersten Blick scheint dieses auch richtig. Albert war am Ende nur für sein Land von<br />

Bedeutung, schnitt man die Kolonie ganz von der übrigen Welt ab, was blieb von all seinem<br />

Ruhm? Wilhelms Name dagegen hallte im ganzen Norden wieder, seine Pläne überstiegen<br />

den engen Horizont Livlands, er war die Stütze des Nordens, der Vereinigungspunkt, das<br />

Zentrum für das ganze Gebiet von Bremen bis nach Russland. Kaum hat er seinen Fuß auf die<br />

livländische Scholle gesetzt, so sehen wir ihn in unermüdlicher Tätigkeit hinauseilen zu den<br />

Liven, die über Beraubung ihrer Äcker durch den Orden, zu den Letten, die über den Verlust<br />

ihrer Bienenbäume klagen. Von da zu den Esten, die ihm die zahlreichen Bedrückungen<br />

vorlegen, die sie erduldet. Sie alle ermahnt er zum Ausharren beim Christentum, Segen und<br />

Ablass erteilend. Der Orden und das Kapitel, der Bischof und seine Lehnsmannen, alles<br />

wendet sich an ihn; er soll ihre Streitigkeiten schlichten, ihren noch ungeformten Körpern<br />

feste Gestaltung verleihen. Dänen und Deutsche gedenkt er zu versöhnen. Als die Ordensritter<br />

von Odenpäh aus in Wierland einfallen, sich des Landes und der Dörfer bemächtigen, als die<br />

Dänen laut über Friedensbruch schreien, nimmt er das eroberte Land Beiden, stellt es zu<br />

Handen des Papstes und wirkt bald eine Bulle aus, welche die Eingeborenen Wierlands in<br />

republikanischer Form unter den Befehl Petri und der Kirche stellt. Im Winter geht er nach<br />

Estland hinüber und besucht Reval. Deutlich sieht man, wie Livland ihm nicht als Livland am<br />

Herzen liegt, nur als Sicherheit der Interessen der Christenheit, als Pflegeschule ihrer<br />

Verteidiger, vielleicht als Brücke von Westen nach Osten ist es ihm von Bedeutung. Gewiss<br />

ist, dass schon Wilhelm an eine Bekehrung der Russen zum lateinischen Glauben gedacht hat,<br />

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