DER KÖLNER - Carmen Molitor
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RD I SEPTEMBER 2006<br />
Wer den kölner dom zum<br />
ersten Mal betritt, legt unwillkürlich<br />
den Kopf in<br />
den Nacken. Der Blick<br />
wandert zu den mächtigen<br />
Gewölben, 43 Meter über den Häuptern<br />
der Besucher. Er gleitet über das<br />
Spalier der wuchtigen Pfeiler, die bunten<br />
Glasfenster. Und schweift dann<br />
zum Schrein der Heiligen Drei Könige,<br />
der am anderen Ende der Kirche golden<br />
zu glühen scheint. Welch majestätischer<br />
Raum!<br />
In seine Geheimnisse wird mich<br />
heute Barbara Schock-Werner einweihen,<br />
Deutschlands einzige Dombaumeisterin.<br />
Was war das für ein Wirbel,<br />
als die Professorin für Kunstgeschichte<br />
1999 ernannt wurde. Eine<br />
Frau sollte verantwortlich sein für den<br />
Erhalt einer der wichtigsten gotischen<br />
Kathedralen Europas? Das war im Bistum<br />
des konservativen Erzbischofs<br />
Meisner eine Sensation. „Sie ist außerordentlich<br />
zupackend, steigt ohne<br />
Angst auf jedes Gerüst und hat den<br />
vollen Respekt aller Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter“, lobt Dompropst Norbert<br />
Feldhoff, Leiter des Domkapitels<br />
und damit der Chef der 59-Jährigen.<br />
bleibt vor einem Sarkophag im grauen<br />
Fundament stehen: „Hier liegt Emundus<br />
von Friesheim, ein Graf aus dem<br />
9. Jahrhundert“, erklärt sie schmunzelnd.<br />
Um ihn rankt sich eine ihrer<br />
Lieblingsgeschichten.<br />
Emundus vermachte dem Domkapitel<br />
eine große Länderei. Im Gegenzug<br />
wollte er, dass die Domherren jedes<br />
Jahr an seinem Todestag ein Convivium<br />
rufum, ein rotes Essen, mit Brot<br />
und Rotwein veranstalten. Das ist gut<br />
1100 Jahre her, doch das Essen findet<br />
immer noch jeden 16. November statt.<br />
„Nur an Orten wie dem Dom leben solche<br />
Traditionen über so endlos lange<br />
Zeit weiter“, sagt Schock-Werner.<br />
Die bislang erschlossenen 3200 Quadratmeter<br />
des historischen Areals sind<br />
eine Fundgrube für Forscher: Von der<br />
Römerzeit bis hin zum gotischen Dom<br />
lässt sich nachvollziehen, was hier ge-<br />
Krypta Bevor ich Schock-Werner<br />
aufs Gerüst folge, geht es aber zuerst<br />
einmal hinab in die Unterwelt des<br />
Domes. Ein paar Stufen, und wir stehen<br />
inmitten der Ausgrabungen, die<br />
Archäologen 1946 unter dem Dom begannen:<br />
Ein riesiger Raum öffnet sich<br />
unter dem Fußboden des Kirchenschiffs.<br />
Die Dombaumeisterin eilt über<br />
die Gerüste und Holzplanken und<br />
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