DER KÖLNER - Carmen Molitor
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RD I SEPTEMBER 2006<br />
Bleisärge mit prominentem Inhalt: Sie<br />
enthielten die Gebeine der fünf Kölner<br />
Erzbischöfe aus dem kurbayerischen<br />
Herrscherhaus Wittelsbach, die<br />
vom 16. bis zum 18. Jahrhundert im<br />
Rheinland residierten. Der berühmteste<br />
von ihnen, Kurfürst Clemens August<br />
I. von Bayern, ließ einst herrliche<br />
Lustschlösser errichten. Seine Gebeine<br />
lagen später vergessen in den Katakomben<br />
des Domes. „Wir fanden das<br />
unwürdig“, sagt die Kunsthistorikerin.<br />
2002 ließ sie deshalb eine neue Grabstätte<br />
errichten. Geschmackvolle Grabplatten<br />
erinnern nun an die Wittelsbacher.<br />
Die Bleisärge stehen darunter.<br />
Solche Arbeiten und die Erhaltung<br />
des Domes verschlingen sechs Millionen<br />
Euro pro Jahr und halten 80 Mitarbeiter<br />
auf Trab. Ihre Berufe lesen<br />
sich wie das Branchenverzeichnis: Es<br />
gibt Archäologen, Bildhauer, Steinmetze,<br />
Gerüstbauer, Goldschmiede,<br />
Dachdecker, Schreiner, Maler, Elektriker,<br />
Schlosser, Schmiede, Kunstglaser<br />
und Glasrestauratoren, Gold- und Silberschmiede.<br />
Nicht die Geschwindigkeit ihrer Arbeit<br />
zählt, sondern deren Güte: Einige<br />
Monate beschäftigen sich die Steinmetze<br />
mit einem 50 Zentimeter großen<br />
Steinornament, zwei Jahre arbeiten<br />
die Glasrestauratoren an einem<br />
einzigen Fenster – bis alles perfekt ist.<br />
Wir steigen aus der Krypta hinauf<br />
in den Chorumgang. Hier herrscht<br />
Hochbetrieb. Zwei junge Elsässerinnen<br />
diskutieren, ob nun das Straßburger<br />
Münster oder der Kölner Dom<br />
schöner sei. „Das Münster wirkt viel<br />
dunkler und ist kleiner“, stellt Claire<br />
38<br />
IM ZEITRAFFER<br />
Am 15. August 1248 legt Erzbischof Konrad<br />
von Hochstaden den Grundstein. Eine<br />
repräsentative Kathedrale soll den alten<br />
Dom an gleicher Stelle ersetzen, um die<br />
Pilgerströme zum Schrein der Heiligen<br />
Drei Könige fassen zu können. Doch das<br />
Projekt zieht sich hin. 1560 geht der Kirche<br />
das Geld aus, ein 282-jähriger Baustopp<br />
ist die Folge. Erst 1842 finden sich<br />
wieder Geldgeber, nun ist das monumentale<br />
Bauwerk Symbol für den aufkeimenden<br />
Nationalstolz der Deutschen. Am<br />
15. Oktober 1880 lässt Kaiser Wilhelm I.<br />
die Vollendung des damals höchsten Gebäudes<br />
der Welt – mit den charakteristischen<br />
157 Meter hohen Türmen – feiern.<br />
Dass trotz der langen Bauzeit kein wildes<br />
Sammelsurium der Stile entstand, verdankt<br />
der Dom der Tatsache, dass sich<br />
alle Baumeister an die ursprünglichen gotischen<br />
Baupläne gehalten haben. CM