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Heft 3 (12/2009)

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nen aus welchen Umständen denn die<br />

Grenze gesichert worden war, welche<br />

Bedingungen ihre Existenz notwendig<br />

machten und welche Rolle der westdeutsche<br />

Separatstaat hier spielte. Vergessen<br />

wurde hier, dass es nicht die DDR war, die<br />

Deutschland teilte, sondern dass es das Adenauer-Regime<br />

war, welches getreu dem<br />

Motto »Lieber das halbe Deutschland ganz,<br />

als das ganze Deutschland halb« eine Spalterpolitik<br />

betrieb und alle Versuche seitens<br />

der Sowjetunion ein einiges Deutschland<br />

zu erhalten, untergrub.<br />

Stattdessen will man mit der bloßen<br />

Aufzählung von Toten, die an der Grenze<br />

zweier Weltsysteme ihr Leben lassen<br />

mussten, eine moralische Abneigung gegen<br />

das verblichene Deutschland erzeugen.<br />

Bezeichnenderweise steht auf beiden Seiten<br />

der Mauer dasselbe: Sowohl auf der »Ost«-<br />

als auch auf der »West«-Seite rechnet man<br />

mit der DDR ab. Aber warum eigentlich?<br />

Gerade hier hätte es sich doch angeboten,<br />

die andere Seite der Geschichte zu zeigen:<br />

Die Rolle der BRD, das Leben in der<br />

früheren BRD für »Andersdenkende«.<br />

Wäre man dann ehrlich zu Werke gegangen,<br />

hätte man neben Notstandsgesetzen<br />

und KPD-Verbot eine ganze Menge weiterer<br />

»Ungereimtheiten« gefunden, die das<br />

unbefleckte Bild dieses Staates ins Wanken<br />

brächten. Aber das ist scheinbar nicht<br />

gewollt. Stattdessen herrscht wieder einmal<br />

ein Klima der Selbstbeweihräucherung und<br />

des Antikommunismus wie selten hierzulande.<br />

Die Aufarbeitung der deutschen<br />

Geschichte erfolgt dabei nicht gemeinsam<br />

und miteinander. Stattdessen erfährt die altbekannte<br />

BRD-Geschichtsschreibung eine<br />

erwartungsgemäße Neuauflage. Die<br />

Erfahrungen in der DDR werden systematisch<br />

ignoriert, ihre Errungenschaften auf<br />

schöne Ampelmännchen und Spreewald-<br />

Gurken reduziert. Denn dies sind auch so<br />

ziemlich die einzigen Errungenschaften der<br />

DDR, welche mit den herrschenden Produktionsverhältnissen<br />

kompatibel sind.<br />

Alles andere, jede andere scheinbare oder<br />

reale Überlegenheit des Sozialismus wird<br />

glänzend mit bürgerlichen Phrasen<br />

geleugnet. So auch in Markdorf: In einer<br />

geradezu widerlichen Selbstherrlichkeit<br />

schwingt man sich zum Richter über die<br />

DDR empor, propagiert mit einem albernen<br />

Sendungsbewusstsein die »großen<br />

Errungenschaften« der »friedlichen Revolution«<br />

die man ja an die Schüler »weitergeben«<br />

muss. Bemerkt wird dabei nicht,<br />

dass gerade auf diese Weise die Mauer in<br />

den Köpfen lange noch bestehen bleiben<br />

wird. Denn wenn »wir« jetzt die Biographie<br />

eines jeden Ostdeutschen, der nicht<br />

gerade in der Opposition war (und das war<br />

die Mehrheit) auf die Biographie eines<br />

Bürgers im »Unrechtsstaates« reduzieren,<br />

sein ganzes Leben entwerten, seinen Staat<br />

und seine Herkunft diffamieren, seine eigenen<br />

Erfahrungen kategorisch verdammen<br />

und ihm unser Geschichtsverständnis<br />

aufzwingen, dann wird diese Mauer noch<br />

lange<br />

trennen.<br />

Egon Krenz sagte einmal: »Kommende<br />

Generationen werden sich vermutlich dafür<br />

interessieren, warum ein sozialistischer Staat<br />

auf deutschem Boden, auch wenn er noch<br />

unvollkommen war und letztlich gescheitert<br />

ist, nachträglich der totalen Verdammung<br />

anheimfiel, und jene, die sich für<br />

ihn einsetzten, ausgegrenzt wurden.« Diese<br />

Entwicklung zu stoppen, die Mauern in<br />

den Köpfen einzureißen, sollte unser Ziel<br />

sein. Auch in Markdorf.<br />

von Marcel Kunzmann<br />

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