Heft 3 (12/2009)
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Unabhängige Schülerzeitung des BZM<br />
<strong>Heft</strong> 3 / winter <strong>2009</strong><br />
Auferstanden aus<br />
Ruinen?<br />
Abrechnung nach 20 Jahren BRD<br />
neue schulzeiten am bzm<br />
Was ändert sich konkret? (mit Stundenplan)<br />
disneys wunderwelt<br />
Hinter der Fassade von »Hannah Montana«
... und komm' vorbei!<br />
Nette<br />
&<br />
hilfsbereite Schüler/Innen nen aus<br />
der<br />
10.-13.<br />
Klasse se erwarten<br />
dich<br />
in<br />
angenehmer &<br />
ruhiger<br />
Atmosphäre:<br />
!<br />
Mo<br />
–<br />
Fr, 7./<br />
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9. Stunde, Raum 204<br />
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Die Teilnahme freiwillig, ihr könnt jederzeit<br />
auch<br />
ohne Anmeldung<br />
kommen!<br />
Warum eigentlich?<br />
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Zeit sparen:<br />
ruhiger<br />
Raum, keine Hohlstunden,<br />
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Schulgebäude<br />
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mit<br />
Freunden u.a. Schülern<br />
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Arbeiten oder Tests vorbereiten<br />
•<br />
Wiederholung und<br />
Vertiefung
Editorial<br />
Gesetze der Geschichte<br />
Wie die Zeiten sich ändern<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Liebe Leserschaft,<br />
nach langer Sommerpause meldet<br />
sich die DIREKT mit überarbeitetem<br />
Layout und in kostenlos wieder<br />
zurück. In der Zwischenzeit ist viel passiert<br />
um uns herum: Die Welt dreht sich weiter<br />
und was vor wenigen Jahren noch in<br />
Stahlbeton gegossene Realität war, ist heute<br />
zerstückelte Geschichte. Die Rede ist von<br />
der Berliner Mauer, dem Symbol der<br />
jahrzehntelangen Trennung beider deutscher<br />
Staaten. Spätestens mit ihrem Fall war<br />
das Ende des Sozialismus auf deutschem<br />
Boden (vorübergehend) besiegelt. Zwar<br />
wissen wir seit der Pariser Commune, dass<br />
in der gesetzmäßigen Entwicklung vom<br />
Niederen zum Höheren auch Rückschläge<br />
eintreten können, doch mit dieser Wucht -<br />
wer hätte damit gerechnet? Wie man hier<br />
und heute diesen Tag begeht, zu welchen<br />
Zwecken er instrumentalisiert wird und<br />
was tatsächlich so schlimm gewesen sein<br />
soll am »Unrechtsstaat DDR«, ist das Kernthema<br />
dieser Ausgabe. Dazu gibt es auch<br />
einen Artikel über die spezifisch Markdorfer<br />
Form der »Geschichtsaufarbeitung«.<br />
Doch auch die anderen Schulveranstaltungen<br />
sollen nicht zu kurz kommen: So<br />
berichten wir von der Podiumsdiskussion<br />
vor den Sommerferien wie auch über die<br />
Ergebnisse des pädagogischen Tages und<br />
sprachen mit den neuen Lehrern. Auch<br />
eine aktuelle Information über die Umstellung<br />
der Schulzeiten zum nächsten Halbjahr<br />
ist dabei. Dazu gibt es einen Stundenplan<br />
mit den neuen Zeiten zum Ausschneiden.<br />
Neben einigen Rätseln und Unterhaltungsseiten<br />
findet sich in unserem Kulturteil<br />
einen Bericht über Georg Kreisler,<br />
der in den Hebstferien in Ravensburg zu<br />
Besuch war. Doch auch die amerikanische<br />
Kultur kommt diesmal nicht zu kurz und<br />
so wollen wir in einem Artikel das Konzept<br />
hinter »Hannah Montana« erläutern.<br />
Zu Guter Letzt folgt ein reich bebilderter<br />
Reisebericht über die Republik Cuba -<br />
deren Zustand im Vergleich zur untergegangenen<br />
DDR noch wesentlich gesünder<br />
ist. So ändern sich eben die Zeiten, und wo<br />
man hier etwas aufgeben muss, kann man<br />
woanders die Sache fortsetzen. Und wie<br />
war das noch mal mit der Pariser Commune?<br />
Nach vielen finsteren Jahren folgte<br />
fast ein halbes Jahrhundert später die Oktoberrevolution.<br />
Nun denn, die ersten 20<br />
Jahre wären ja bereits überstanden.<br />
Marcel Kunzmann, Chefredakteur<br />
3
Impressum<br />
Die DIREKT ist eine kritisch hinterfragende Schülerzeitung.<br />
Gegründet im November 2008 ist unser Ziel eine solidarische Schülerzeitung für alle Schularten<br />
des BZM zu entwickeln, welche mit enger Verbundenheit zu den Interessen der Schülerschaft<br />
den Dialog sucht und zur Partizipation einlädt.<br />
Mit kritischem Blick behalten wir sowohl den Schulalltag als auch die Weltpolitik im Auge und<br />
wollen der vorherrschenden Beliebigkeit neue Kontraste verleihen.<br />
DIREKT - wer liest, versteht.<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Schülerzeitung DIREKT<br />
Bildungszentrum Markdorf<br />
Ensisheimerstraße 30<br />
88677 Markdorf<br />
eMail:<br />
direkt.redaktion@gmail.com<br />
Homepage:<br />
http://www.direkt-online.org/<br />
Ausgabe: 3 (<strong>12</strong>/<strong>2009</strong>)<br />
Auflage: 300<br />
Druck: Kopierladen, Markdorf (www.kopierladen.net; Tel.: 07544 / 2526)<br />
Beratender Lehrer: E. Schulz<br />
Preis:<br />
kostenlos<br />
Layout:<br />
Marcel Kunzmann (In Anlehnung an Niki Bong, konkret)<br />
Chefredakteur:<br />
Marcel Kunzmann (11a)<br />
Leitender Redakteur: Maximilian Vorast (<strong>12</strong>b)<br />
4
Inhalt<br />
3<br />
6<br />
9<br />
<strong>12</strong><br />
14<br />
16<br />
18<br />
Gesetze der Geschichte<br />
Wie die Zeiten sich ändern<br />
Auferstanden aus Ruinen?<br />
Eine Abrechnung nach 20 Jahren BRD<br />
Mauer im Kopf<br />
Der kalte Krieg tobt noch immer am BZM<br />
Podiumsdiskussion am BZM<br />
Schüler fragen Politiker<br />
Pädagogischer Tag<br />
Taten oder Worte?<br />
Neue Lehrer am BZM<br />
Interviews<br />
Neue Schulzeiten<br />
Was ändert sich konkret?<br />
21 > Fun<br />
Sudoku, Lehrerzitate, Rätsel<br />
24<br />
26<br />
28<br />
Nicht mehr am Taubenvergiften<br />
Georg Kreisler bei einer Lesung in Ravensburg<br />
Disneys Wunderwelt<br />
Hinter der Fassade von »Hannah Montana«<br />
Sommer, Sonne, Sozialismus?<br />
Ein Reisebericht über die Republik Cuba<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
5
T i t e l<br />
Auferstanden aus Ruinen?<br />
Eine Abrechnung nach 20 Jahren BRD<br />
Das entstellte DDR-Emblem auf der Vorderseite des Palastes der Republik.<br />
In diesen Wochen jährt sich die Öffnung<br />
der Grenzen der ehemals beiden<br />
deutschen Staaten zum zwanzigsten<br />
Mal. Damit setzte sich jene unheilvolle<br />
Entwicklung auch in Deutschland fort, die<br />
Jahre zuvor in der Sowjetunion begann<br />
und das gesamte sozialistische Lager zersetzte:<br />
Die DDR begann auszubluten, die<br />
sozialistische Gesellschaftsordnung war in<br />
Gefahr und der zweite deutsche Staat fand<br />
nach über 40 Jahren sein vorzeitiges Ende.<br />
Diese Entwicklung verwandelte nicht nur<br />
den Palast der Republik, wie auf unserem<br />
Titelbild zu sehen, in eine Ruine, sondern<br />
nahm den Menschen mit der DDR einen<br />
ganzen Staat, in dem es so anders zuging als<br />
heute.<br />
Nach Monaten des Demonstrierens und<br />
Protestierens für mehr Reisefreiheit und<br />
Luxusgüter (im Westen oft missverstanden<br />
als »für den Kapitalismus und die BRD«)<br />
erhielt die SED die Quittung für die<br />
jahrzehntelange Schieflage ihres Kurses: Die<br />
Unzufriedenheit kochte und der Wind des<br />
Wandels wehte durch Ostdeutschland. Dass<br />
diese sanfte Brise bald ein Sturm werden<br />
würde, ein gewaltiger Tornado, der das<br />
Land um Jahrzehnte der Entwicklung und<br />
um eine ganze geschichtliche Epoche<br />
zurückwerfen sollte, ahnte noch niemand.<br />
Und auch lag es nicht in der Absicht der<br />
Demonstranten, die sich größtenteils nur<br />
eine bessere DDR erhofften, diesen<br />
Rückschritt zu wagen. Dennoch hatte<br />
nichts und niemand der geballten Kraft<br />
bundesrepublikanischer Phantasien vom<br />
6
Hier und heute feiern die BRD-<br />
Oberen den 20. Jahrestag der<br />
»friedlichen Revolution«, die ja<br />
eigentlich gar keine wahr.<br />
»vereinigten Deutschland« etwas entgegenzusetzen.<br />
Schließlich lockte das Westgeld,<br />
die D-Mark. Zu selbstverständlich schienen<br />
den Menschen die sozialen Errungenschaften<br />
ihrer DDR, als dass sie glaubten<br />
diese verteidigen zu müssen.<br />
Und schließlich bestand die Bühne der<br />
Geschichte in jenen Tagen, wie so oft<br />
wenn es in der Geschichte rückwärts geht,<br />
zu großen Teilen aus Statisten.<br />
Hier und heute feiern die BRD-Oberen<br />
diesen Akt der Entmündigung als »20.<br />
Jahrestag der friedlichen Revolution«, die ja<br />
gar keine war. Diese, so die offizielle Doktrin,<br />
brachte den Ostdeutschen »die Freiheit«.<br />
Sehr richtig: Die Freiheit wieder ihre<br />
Arbeitskraft verkaufen zu müssen, die Freiheit<br />
arbeitslos zu sein, die Freiheit BILD zu<br />
lesen, die Freiheit überall hin zu reisen -<br />
sofern man das Geld hat. Mit dieser<br />
»friedlichen Revolution« hielten wieder die<br />
Menschenrechte Einzug, heißt es. Endlich<br />
darf man wieder über seine Regierung<br />
schimpfen, schließlich ist es heute<br />
notwendiger denn je. Dass das Recht auf<br />
Arbeit, welches im Staat BRD ebenso wie<br />
das Völkerrecht gewährleistet wird<br />
(beispielsweise beim Jugoslawienkrieg<br />
1999, der ohne UN-Mandat stattfand) ,<br />
auch ein Menschenrecht ist, kann dabei<br />
leicht in Vergessenheit geraten. Statt der<br />
Langeweile im Friedensstaat DDR darf<br />
man jetzt auch endlich wieder bei den<br />
Kriegen in Kosovo und Afghanistan mitfiebern.<br />
Doch was war mit jenen sozialen<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Errungenschaften, die damals selbstverständlich<br />
schienen, heute jedoch<br />
mancherorts undenkbar? Zu diesen Errungenschaften<br />
gehörte es, einen sicheren<br />
Arbeitsplatz zu haben, kostenlose Ausbildung,<br />
vollständige Befreiung von Studiengebühren,<br />
ein solidarisches staatliches<br />
Gesundheitssystem, gesetzlich garantierte<br />
Gleichberechtigung, gleicher Lohn für gleiche<br />
Arbeit, bezahlter monatlicher<br />
Haushaltstag, uneingeschränkte Legalisierung<br />
von Schwangerschaftsabbrüchen<br />
ohne Zwangsberatung bei Kostenübernahme<br />
durch die Sozialversicherung,<br />
staatliche finanzielle Unterstützung für<br />
junge Ehepaare und kinderreiche Familien,<br />
beispielhafte und nahezu kostenlose<br />
Betreuung des Nachwuchses in<br />
Kinderkrippen und -gärten und schließlich<br />
ein Renteneintritt mit 60 Jahren. Mit all<br />
diesen lästigen Errungenschaften des Sozialismus<br />
muss sich glücklicherweise heute<br />
kein Mensch mehr herumschlagen.<br />
Natürlich muss der Kapitalismus der das<br />
sozialstaatliche Niveau des Sozialismus erreicht,<br />
erst noch gebacken werden. Genauer<br />
gesagt: Er muss erfunden werden. Denn im<br />
Interesse der Mehrheit der Menschen zu<br />
handeln, widerspricht seiner grundlegenden<br />
Gesetzmäßigkeit, die nur auf die Vermehrung<br />
des Kapitals zu möglichst guten<br />
Verwertungsbedingungen abzielt. Nach<br />
dem das Gebiet der DDR teilweise deindustrialisiert<br />
wurde (Die Industrieproduktion<br />
ging 1991 im Vergleich zum Vorwendestand<br />
um 65% zurück) herrscht dort<br />
immer noch ein steter Verfall, eine Arbeitslosigkeit,<br />
die noch immer im zweistelligen<br />
Bereich liegt und die niedrigste Geburtenrate<br />
Europas. Die Rückreformierung der<br />
DDR in kapitalistische Verhältnisse ist<br />
grandios gescheitert. Das Fazit: Ein dichte-<br />
7
soziales Netz, bestehend aus Kinderkrippen<br />
und Polikliniken, wurde ohne Nachzudenken<br />
einfach »wegrationalisiert«,<br />
während sich die Herrschenden nun damit<br />
rühmen, diese Dinge nun teilweise wieder<br />
einzuführen. Unserer Generation wurde<br />
jener Staat geraubt. Unserer Generation<br />
fehlt die Perspektive auf soziale Sicherheit,<br />
Befreiung von Studiengebüren und<br />
Kinderarmut. Sie fehlt uns, die DDR -<br />
manchen ohne es zu wissen. Soziale Menschenrechte?<br />
Fehlanzeige. Mitbestimmung<br />
im Betrieb? Nicht vorhanden. Dafür darf<br />
jetzt wieder über die Regierung genörgelt,<br />
am Krieg verdient und in Armut gelebt<br />
werden. Wir haben schließlich ein<br />
Grundgesetz, das uns unsere Rechte<br />
garantiert. Doch wie sah es eigentlich mit<br />
der Verfassung der DDR aus? Interessanterweise<br />
war sie seit 1968 damit die einzige<br />
deutsche Verfassung die jemals, nach langer<br />
öffentlicher Diskussion, per Volksentscheid<br />
angenommen wurde. Zudem wurden in<br />
ihr wesentliche Menschenrechte garantiert,<br />
von denen im Grundgesetz keine Rede ist.<br />
Doch darüber hört man selten etwas. Kein<br />
Wort davon dass „der Mensch im Mittelpunkt<br />
der Bemühungen der<br />
Gesellschaft“ steht (Artikel 2), dass die<br />
„Ausbeutung des Menschen durch den<br />
Menschen für immer beseitigt“ (Artikel 2,<br />
Abs. 3), kein Wort vom gesellschaftlichen<br />
Eigentum an Produktionsmitteln (Artikel<br />
9), vom Volkseigentum der Infrastruktur<br />
(Artikel <strong>12</strong>), vom Schutz vor Ausbeutung<br />
und Unterdrückung (Artikel 19, Abs. 3).<br />
Doch auch so elementare und charakteristische<br />
Dinge in der DDR-Verfassung, wie<br />
das Recht auf Arbeit (Artikel 24), das<br />
Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben<br />
(Artikel 24), das Recht auf Freizeit (Artikel<br />
34), das Recht auf Wohnraum (Artikel 37)<br />
und von der demokratischen Mitwirkung<br />
in den Betrieben (Artikel 42) geraten leicht<br />
in Vergessenheit. Abgesehen von ihrer<br />
Durchsetzung: Faktisch ließen sich die<br />
DDR-Bürger 1990 mit der Ausweitung<br />
der Gültigkeit des Grundgesetzes<br />
wesentlicher Rechte berauben. Das dies so<br />
ganz ohne Blurvergießen geschehen konnte,<br />
ist nicht zultzt dem besonnenen Verhalten<br />
der DDR-Grenzer zu verdanken.<br />
Obwohl dank Schabowskis Schusseligkeit<br />
eine große Zahl DDR-Bürger die unvorbereiteten<br />
Grenzer überraschten, griff keiner<br />
von ihnen zur Waffe. Es herrschte später<br />
sogar die Explizite Anordnung von Minister<br />
Mielke, es dürfe auf keinen Fall zum<br />
Einsatz von Schusswaffen kommen. Die<br />
Geschichte zeigte dann auch, dass an jenen<br />
Tagen nur dank des besonnenen Verhaltens<br />
der Grenztruppen und der Regierung der<br />
DDR, die Sektkorken knallen konnten<br />
und kein Blut floß. Die Einzigen, die an<br />
jenen Tagen tatsächlich starben, waren<br />
einige Kader der SED, die sich angesichts<br />
der drohenden Verluste selbst die Kugel<br />
gaben. Solche Details werden leicht<br />
vergessen, im nun wiedervereinigten<br />
Deutschland. Stattdessen schimpft man auf<br />
die »Ossis« und ihren untergegangenen<br />
Staat. Von einer wirklichen »Vereinigung«<br />
kann da keine Rede sein. Eher von einer<br />
Rückreformation in den Kapitalismus, eine<br />
Einverleibung der DDR, eine Annexion.<br />
Doch wie drückte es einst der Dichter<br />
Peter Hacks aus?<br />
»Die Selbstbestimmung war ein Ziel,<br />
Ein schwer errungenes.<br />
Zwei heile Länder sind besser<br />
Als ein gesprungenes.«<br />
von Marcel Kunzmann<br />
8
I n t e r n a<br />
Mauer im Kopf<br />
Der Kalte Krieg tobt noch immer am BZM<br />
Ohne nun das prinzipielle Engagement der involvierten<br />
Schüler und Lehrer in Frage stellen zu wollen,<br />
soll an dieser Stelle explizit zur Diskussion über<br />
Sinn und Zweck aufgerufen werden.<br />
»Antikommunistischer Schutzwall« für den Geschichtsunterricht: Die Markdorfer Mauer.<br />
Mit einem außergewöhnlichen<br />
Projekt machten Anfang<br />
November einige Lehrer durch<br />
ihre neunte Klassenstufe auf sich aufmerksam:<br />
Während in Berlin das »Fest der Freiheit«<br />
als Lobgesang auf den Staat BRD<br />
tobte, brauchte man natürlich auch in<br />
Markdorf ein Äquivalent dazu.<br />
Um das »Privileg der Freiheit«, wie es die<br />
Schwäbische Zeitung in einem Artikel dazu<br />
nannte, genießen zu dürfen, baute man<br />
kurzerhand eine Pappmauer quer durch’s<br />
Foyer unserer Schule und ließ sie mit allerhand<br />
Texten behängen, die davon kündeten,<br />
welch schlimme Dinge den Menschen<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
hierzulande erspart blieben, indem sie hinter<br />
der »richtigen« Seite der Mauer lebten.<br />
Da war die Rede vom »Stasistaat DDR«,<br />
von der »chinesischen Lösung«, von der<br />
Wartezeit auf den Trabant und von den<br />
Montagsdemonstrationen 1989.<br />
In leicht verständlichem Tenor führte man<br />
der mit Recht gelangweilten Schülerschaft<br />
die »perfiden Abhörmethoden« des Ministeriums<br />
für Staatssicherheit vor Augen -<br />
und ließ dabei die Kommunistenverfolgung,<br />
die Berufsverbote und die Repressalien<br />
in der BRD in den 50er und 60er<br />
Jahren völlig außer Acht. Man zeigte wie<br />
viele »Mauertote« es gab, ohne zu erwäh-<br />
9
nen aus welchen Umständen denn die<br />
Grenze gesichert worden war, welche<br />
Bedingungen ihre Existenz notwendig<br />
machten und welche Rolle der westdeutsche<br />
Separatstaat hier spielte. Vergessen<br />
wurde hier, dass es nicht die DDR war, die<br />
Deutschland teilte, sondern dass es das Adenauer-Regime<br />
war, welches getreu dem<br />
Motto »Lieber das halbe Deutschland ganz,<br />
als das ganze Deutschland halb« eine Spalterpolitik<br />
betrieb und alle Versuche seitens<br />
der Sowjetunion ein einiges Deutschland<br />
zu erhalten, untergrub.<br />
Stattdessen will man mit der bloßen<br />
Aufzählung von Toten, die an der Grenze<br />
zweier Weltsysteme ihr Leben lassen<br />
mussten, eine moralische Abneigung gegen<br />
das verblichene Deutschland erzeugen.<br />
Bezeichnenderweise steht auf beiden Seiten<br />
der Mauer dasselbe: Sowohl auf der »Ost«-<br />
als auch auf der »West«-Seite rechnet man<br />
mit der DDR ab. Aber warum eigentlich?<br />
Gerade hier hätte es sich doch angeboten,<br />
die andere Seite der Geschichte zu zeigen:<br />
Die Rolle der BRD, das Leben in der<br />
früheren BRD für »Andersdenkende«.<br />
Wäre man dann ehrlich zu Werke gegangen,<br />
hätte man neben Notstandsgesetzen<br />
und KPD-Verbot eine ganze Menge weiterer<br />
»Ungereimtheiten« gefunden, die das<br />
unbefleckte Bild dieses Staates ins Wanken<br />
brächten. Aber das ist scheinbar nicht<br />
gewollt. Stattdessen herrscht wieder einmal<br />
ein Klima der Selbstbeweihräucherung und<br />
des Antikommunismus wie selten hierzulande.<br />
Die Aufarbeitung der deutschen<br />
Geschichte erfolgt dabei nicht gemeinsam<br />
und miteinander. Stattdessen erfährt die altbekannte<br />
BRD-Geschichtsschreibung eine<br />
erwartungsgemäße Neuauflage. Die<br />
Erfahrungen in der DDR werden systematisch<br />
ignoriert, ihre Errungenschaften auf<br />
schöne Ampelmännchen und Spreewald-<br />
Gurken reduziert. Denn dies sind auch so<br />
ziemlich die einzigen Errungenschaften der<br />
DDR, welche mit den herrschenden Produktionsverhältnissen<br />
kompatibel sind.<br />
Alles andere, jede andere scheinbare oder<br />
reale Überlegenheit des Sozialismus wird<br />
glänzend mit bürgerlichen Phrasen<br />
geleugnet. So auch in Markdorf: In einer<br />
geradezu widerlichen Selbstherrlichkeit<br />
schwingt man sich zum Richter über die<br />
DDR empor, propagiert mit einem albernen<br />
Sendungsbewusstsein die »großen<br />
Errungenschaften« der »friedlichen Revolution«<br />
die man ja an die Schüler »weitergeben«<br />
muss. Bemerkt wird dabei nicht,<br />
dass gerade auf diese Weise die Mauer in<br />
den Köpfen lange noch bestehen bleiben<br />
wird. Denn wenn »wir« jetzt die Biographie<br />
eines jeden Ostdeutschen, der nicht<br />
gerade in der Opposition war (und das war<br />
die Mehrheit) auf die Biographie eines<br />
Bürgers im »Unrechtsstaates« reduzieren,<br />
sein ganzes Leben entwerten, seinen Staat<br />
und seine Herkunft diffamieren, seine eigenen<br />
Erfahrungen kategorisch verdammen<br />
und ihm unser Geschichtsverständnis<br />
aufzwingen, dann wird diese Mauer noch<br />
lange<br />
trennen.<br />
Egon Krenz sagte einmal: »Kommende<br />
Generationen werden sich vermutlich dafür<br />
interessieren, warum ein sozialistischer Staat<br />
auf deutschem Boden, auch wenn er noch<br />
unvollkommen war und letztlich gescheitert<br />
ist, nachträglich der totalen Verdammung<br />
anheimfiel, und jene, die sich für<br />
ihn einsetzten, ausgegrenzt wurden.« Diese<br />
Entwicklung zu stoppen, die Mauern in<br />
den Köpfen einzureißen, sollte unser Ziel<br />
sein. Auch in Markdorf.<br />
von Marcel Kunzmann<br />
10
Anzeige
I n t e r n a<br />
Podiumsdiskussion am BZM<br />
Schüler fragen Politiker<br />
Beteiligung der Schüler an der Podiumsdiskussion am BZM.<br />
Politik kann auch spannend sein!« So<br />
oder so ähnlich sollte das Motto der<br />
Podiumsdiskussion am Ende des<br />
vergangenen Schuljahres lauten. Im Vorfeld<br />
zur Bundestagswahl im September diesen<br />
Jahres waren die Bundestagskandidaten der<br />
fünf im Bundestag vertretenen Parteien<br />
geladen. Die Diskussion selbst sollte dabei<br />
nicht nur eine reine Informationsveranstaltung<br />
für die zahlreichen Erstwähler unter<br />
den rund 250 Schüler aus der 11. und <strong>12</strong>.<br />
Jahrgangsstufe sein, sie sollte auch die sonst<br />
so abstrakte Politik direkt und unmittelbar<br />
greifbar machen. Bei der von der SMV<br />
organisierten, zweistündigen Veranstaltung<br />
im Theatergraben, blieb den Schülern nach<br />
einer kurzen Vorstellungsrunde der Kandidaten<br />
reichlich Zeit um den Politiker<br />
genau die Fragen zu stellen, die ihnen auf<br />
dem Herzen lagen. Lothar Riebsamen<br />
(CDU), Dr. Alexander Reuter (FDP),<br />
Petra Selg (Grüne), Detlef Schöning (Die<br />
Linke) und Jochen Jehle (SPD), versuchten<br />
dabei stets die Position ihrer jeweiligen<br />
Partei anschaulich zu vertreten und ihre<br />
Gegenüber mehr oder minder anzugreifen.<br />
Es galt einen möglichst guten Eindruck zu<br />
machen. Auf rhetorischer Ebene, so befan-<br />
<strong>12</strong>
den viele Schüler nach Ende der Diskussionsrunde,<br />
hätten vor allem Petra Selg und<br />
Detlef Schöning überzeugt.Lothar Riebsamen<br />
und Jochen Jehle konnten trotz ihrer<br />
etwas trockenen Art, auf fachlichem Gebiet<br />
punkten, während Alexander Reuter schon<br />
nach kurzer Zeit gehen musste.<br />
Insgesamt konnte man dennoch von einer<br />
eher ruhigen Debatte sprechen. Es wurden<br />
zwar einige äußerst streitbare Themen wie<br />
der Afghanistan Krieg, die zunehmende<br />
Ungerechtigkeit im Bildungssystem, der<br />
Kampf gegen die Wirtschaftskrise, sowie<br />
zukünftige Bildungskonzepte, angesprochen,<br />
der erhoffte Schlagabtausch zwischen<br />
den Kontrahenten blieb jedoch, wie<br />
Lothar Riebsamen (CDU)<br />
42,50 %<br />
Jochen Jehle (SPD)<br />
21,90 %<br />
so oft im vergangenen Wahlkampf, aus.<br />
Petra Selg (Grüne)<br />
Alexander Reuter (FDP)<br />
13 %<br />
Zudem Detlef Schönig blieben (Die Linke) die meisten 6,20 % Aussage recht<br />
vage und bewegten sich auf dem Niveau<br />
der altbekannten Wahlkampfphrasen.<br />
Trotzdem: Wenn man die Möglichkeit hat<br />
Fragen selbst zu stellen und sie mehr oder<br />
weniger konkret, doch auf jedenfall persönlich<br />
beantwortet zu bekommt, ist das<br />
etwas völlig anderes als womöglich genau<br />
das gleiche in einer langweiligen<br />
Fernsehsendung auf N24 zu sehen und zu<br />
hören. Genau aus diesem Grund kann man<br />
Herr Ferguson nur zustimmen, wenn er<br />
resümiert: »Es war eine durchaus gelungene<br />
Veranstaltung.«<br />
Viele Schüler konnten sich nach der<br />
info: die wahlergebnisse.<br />
Lothar Riebsamen (CDU)<br />
15,40 %<br />
Diagramm 2<br />
Der erhoffte Schlagabtausch<br />
zwischen den Kontrahenten<br />
blieb wie so oft in diesem<br />
Wahlkampf aus<br />
Diskussion zumindestens ein etwas klareres<br />
Bild des Politikdschungels machen. Natürlich<br />
hielt sich auch nachher die Begeisterung<br />
für Politik in Grenzen, doch man<br />
wusste, um wen es bei der Wahl ging und<br />
was der zu Wählende grob vertrat. Viele,<br />
vor allem diejenigen, die zum ersten Mal<br />
wählen durften, nahmen die Gelegenheit<br />
wahr und stellten zahlreiche und zum Teil<br />
auch kritische Fragen.<br />
An dieser Stelle sei auch die Moderation<br />
von Verbindungslehrer Ferguson und<br />
Schulsprecher Michael Urnauer gelobt,<br />
die, sooft es ging, versuchte die Befragten<br />
aus der Reserve zu locken, was mitunter<br />
kein leichtes Unterfangen war.<br />
Nachdem schon zu Anfang des letzten<br />
Schuljahres an der SMV kritisiert wurde,<br />
sie organisiere zu wenig politische Veranstaltungen,<br />
war die Podiumsdiskussion<br />
die überzeugende Antwort. Sich auf dieser<br />
jedoch auszuruhen wäre falsch. Auch wenn<br />
2010 keine großen Wahlen (erst 2011 sind<br />
Landtagswahlen) anstehen, gibt es viele<br />
Möglichkeiten Politik klar, verständlich<br />
und kreativ zu erklären.<br />
von Maximilian Vorast<br />
Jochen Jehle (SPD)<br />
Petra Selg (Grüne)<br />
Alexander Reuter (FDP)<br />
Detlef Schönig (Die Linke)<br />
0!% ! <strong>12</strong>,5!% ! 25!% ! 37,5!% ! 50!%<br />
!<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
13
I n t e r n a<br />
Pädagogischer Tag<br />
Taten oder Worte?<br />
Rund vier Wochen nach den Sommerferien<br />
kam das Lehrerkollegium,<br />
einige Eltern und<br />
Vertreter der Schülerschaft zusammen, um<br />
sich beim diesjährigen Pädagogischen Tag<br />
die Köpfe über den sogenannten »Pädagogischen<br />
Grundkonsens« zu zerbrechen.<br />
Gemeint ist damit nicht weniger als die<br />
Grundeinstellung, die alle gemeinsam<br />
haben bei Unterrichts- und<br />
Erziehungsmethoden. So sind sich beispielsweise<br />
alle Lehrer einig, dass die Prügelstrafe<br />
eine schlechte Methode ist, einen<br />
Schüler zu motivieren. Ein solcher Grundkonsens<br />
sei, wie Herr Siebert in der<br />
Begrüßungsansprache hervorhob, sehr<br />
wichtig, da die Schule nicht nur Lernort<br />
sondern auch Lebensort sei. Durch den<br />
Vormittag führten Monika Felber und<br />
Martin Schmolliger. Beide engagieren sich<br />
bei der sogenannten »Schulentwicklungsberatung«,<br />
die Schulen hilft bestimmte<br />
Probleme, zum Beispiel bei der Organisation,<br />
zu lösen. Sie wiesen gleich zu Beginn<br />
darauf hin, dass man diesen Grundkonsens,<br />
wenn man ihn gefunden habe, immer<br />
wieder neu diskutieren müsse, da er sonst<br />
sein Ziel , nämlich die stetige Verbesserung<br />
von Methoden verfehle. Nach einem<br />
kurzen Anfangsreferat, in dem in aller<br />
Kürze die Umrisse und Problemfelder einer<br />
solchen Übereinkunft beleuchtet wurden,<br />
teilten sich die Lehrer in Gruppen auf, um<br />
über Fragen wie beispielsweise: »Wie kann<br />
man die Leistung eines Schülers möglichst<br />
gut beurteilen?« oder »Wie kann man eine<br />
Klasse disziplinieren?« zu diskutieren und<br />
festzuhalten, wo die Gemeinsamkeiten der<br />
verschiedenen Auffassungen liegen.<br />
»Wie kann man die Leistung<br />
eines Schülers gut beurteilen?«<br />
Schülervertreter, Eltern und Lehrer diskutierten<br />
getrennt voneinander, um die<br />
unterschiedlichen Auffassungen der drei<br />
Gruppen herauszuarbeiten. Dennoch wäre<br />
es nicht uninteressant gewesen, wenn gerade<br />
ein direkter Schüler-Lehrerdialog zu<br />
Stande gekommen wäre. Zumal die<br />
Vorstellungen von Lehrern und Schüler<br />
wie zum Beispiel der Unterricht aufgebaut<br />
werden soll, weit auseinander klaffen und<br />
das in einer gemeinsamen Diskussion besser<br />
zu Wort gekommen käme. Die Gruppenarbeit<br />
selbst wurde mit der Erstellung von<br />
Plakatwänden, die während der Kaffeepause<br />
von den anderen Gruppen begutachtet<br />
wurden, beendet. So wurde unter anderem<br />
bemängelt, dass die Kommunikation zwischen<br />
Lehrer und Eltern oftmals nicht funktioniere.<br />
Zudem werde viel zu oft Unterrichtszeit<br />
verschwendet. Trotz einiger<br />
Übereinkünfte und gemeinsamer Kritik<br />
blieb vieles vage und zu abstrakt. Aus<br />
diesem Grund trafen sich die Gruppen ein<br />
weiteres Mal, um nun konkrete Konzepte<br />
14
Schüler und Lehrer an einem Tisch, am pädagogischen Tag in Markdorf.<br />
und Verbesserungen zu erarbeiten. Die<br />
Schülervertreter trugen ihre Hauptkritikpunkte,<br />
wie den Ausfall des Compassionprojekts<br />
für die jetzige 10. Klasse und<br />
die Diskussion über eine eventuelle Streichung<br />
der Studienfahrten für die kommenden<br />
G8 Klassen, Schulleiter Siebert,<br />
sowie Verbindungslehrer Ferguson und<br />
Lächelt vor und diskutierten über Lösungen.<br />
Nicht zuletzt stellte auch das Thema<br />
der Leistungsbewertung einen Kritikpunkt<br />
dar, wird nach Meinung der<br />
Schülervertreter das Mündliche im Gegensatz<br />
zum Schriftlichen oftmals zu sehr<br />
unterschätzt und unterbewertet. Der sogenannte<br />
Halo – Effekt war ebenfalls Gegenstand<br />
der Diskussion. So geschähe es viel zu<br />
oft, dass ein Lehrer aufgrund von einer<br />
Eigenschaft des Schülers auf seine<br />
Gesamtleistung schließe zum Beispiel wenn<br />
der Mathematiklehrer einen Schüler, der in<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Mathematik miserabel ist, automatisch auch<br />
in Physik schlecht einschätze. Am Ende<br />
trug jede Gruppe ihre Ergebnisse vor,<br />
wobei diese vorher digital festgehalten<br />
wurden.Es bleibt dennoch abzuwarten,<br />
Viele Lehrer sind der Veranstaltung<br />
gegenüber skeptisch<br />
inwiefern der pädagogische Grundkonsens<br />
weiterentwickelt wurde und Lösungen in<br />
greifbare Nähe gerückt sind. Viele Lehrer<br />
waren und sind solchen Veranstaltungen<br />
gegenüber skeptisch, wird doch zumeist<br />
viel diskutiert und beschlossen, ohne dass<br />
Taten folgen. Das zu verhindern muss jetzt<br />
auf der Tagesordnung stehen.<br />
von Maximilian Vorast<br />
15
I n t e r n a<br />
Neue Lehrer am BZM<br />
Interviews<br />
Wir möchten an dieser Stelle ebenso die<br />
Referendare, welche schon letztes Jahr an<br />
unserer Schule waren als neue Lehrer begrüßen:<br />
Daniela Arnold, Judith Witzke, Gunnar Riese<br />
Andreas Siems (30) studierte in Konstanz<br />
und stammt ursprünglich aus Spaichingen.<br />
Er ist weder verheiratet, noch hat er<br />
Kinder. Daher kann er sich mit vollem<br />
Engagement auf die Arbeit in der Schule<br />
konzentrieren, was gleichzeitig eine seiner<br />
Lieblingsbeschäftigung ist. Lehrer war und<br />
ist sein Traumberuf. Eine andere Beschäftigung<br />
käme für ihn nicht in Frage selbst<br />
dann nicht, wenn sein Konto um eine Millionen<br />
Euro schwerer wäre. Die Arbeit mit<br />
Kindern und Jugendlichen macht ihm<br />
Spaß, und er findet, dass sie eine der sinnvollsten<br />
Arbeiten überhaupt ist. .Die<br />
Fächer die er unterrichtet, Mathematik und<br />
Physik, haben es ihm schon als Schüler<br />
angetan. Heute kann er Mathematik ein<br />
kleines bisschen besser leiden, was wohl<br />
damit zusammenhängt, dass er es häufiger<br />
16<br />
unterrichtet, wie er lächelnd zu gibt.<br />
In der Freizeit stehen seine Haustiere ganz<br />
oben auf der Liste. Neben zwei Hasen<br />
kümmert er sich aufopferungsvoll um<br />
seine fünf Degus. Außerdem beschäftigt er<br />
sich mit Astronomie und beobachtet mit<br />
seinem Teleskop hin und wieder den<br />
Mond. Wenn er danach noch Zeit hat hört<br />
er die »Toten Hosen« und die »Ärzte«.<br />
Früher war er eher ein Partytyp, lässt es<br />
heute aber etwas ruhiger angehen. Seine<br />
Schwächen sieht er vor allem in seinem<br />
chronischen Langschläfertum, wohingegen<br />
seine Stärke in Geduldsamkeit liegt. Als<br />
Mathematik und Physiklehrer ist diese<br />
Tugend sicherlich sehr hilfreich.<br />
Ein Degu
Claudia Maginot (41) studierte in ihrem<br />
Heimatort Bonn. Sie lebt allerdings schon<br />
mehr als elf Jahre am Bodensee und fühlt<br />
sich daher heimisch. Sie ist verheiratet und<br />
Mutter von zwei Jungen im Alter von acht<br />
und elf Jahren. Da sie als Kind die Schule<br />
mochte und sie auch weiterhin besuchen<br />
wollte, wurde sie Lehrerin. Ihre Vollbilder<br />
waren schon immer Lehrer, die ihre<br />
Schüler im Leben voran zu bringen vermochten.<br />
Getreu ihrem Motto: »An jedem<br />
Tag etwas Positives entdecken«, versucht<br />
sie es ihren Vollbildern gleich zu tun. Als<br />
Schülerin war sie immer recht gut in der<br />
Schule, konnte Mathematik und Physik<br />
jedoch nicht leiden. Deshalb, und weil sie<br />
Sprachen schon immer mochte, entschied<br />
sie sich Deutsch und Französisch zu unterrichten.<br />
Den Lehrerberuf an den Nagel zu<br />
hängen, könnte sie sich nur dann<br />
vorstellen, wenn ihr neuer Beruf etwas mit<br />
Kreativität zu tun hätte. Da sie eine Zeit<br />
lang als Nebenjob in einem Schmuckladen<br />
gearbeitet hat und gerne bastelt, liegt ihr<br />
die Kreativität praktisch im Blut. Außerdem<br />
kümmert sich sich um die<br />
Gartenpflege und spielt Flöte. Ihr<br />
Musikgeschmack hängt von ihrer Stimmung<br />
ab: Von Pop bis Klassik hört sie fast<br />
alles. Mit einer Millionen Euro würde sie<br />
die Hypothek für das Haus abbezahlen und<br />
sich danach ein umweltfreundliches Auto<br />
kaufen. Außerdem würde sie einen Teil an<br />
Hilfsprojekte spenden und etwas zurücklegen.<br />
Ihre Schwäche für Schokolade, ist ein<br />
großes Laster. Dafür ist sie stolz auf ihre<br />
Zuverlässigkeit und nicht zuletzt ihren<br />
Ordnungssinn.<br />
von Maximilian Vorast<br />
Wenzler: »Ja, ich bin im badischen Exil. Irgendjemand muss ja<br />
Aufbauhilfe leisten.«<br />
Kohls: »Sag’s mal auf finnisch!«<br />
Finnische Austauschschülerin gibt Erklärung auf finnisch ab.<br />
Kohls: »Hm, ja, das klingt schon ganz lustig.«<br />
Bäcker: »Jemand der griechische Tragödien liebt, der ist in der<br />
Lage einen Schüler mit bloßer Hand zu erwürgen. Ich zähle dazu.«<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
17
I n t e r n a<br />
Neue Schulzeiten<br />
Was ändert sich konkret?<br />
Wie schon zu Beginn des Schuljahres<br />
angekündigt, werden die<br />
Unterrichtszeiten ab Montag<br />
den 14.<strong>12</strong>.<strong>2009</strong> geändert. Eine grundlegende<br />
Veränderung wird dabei aber nur bei<br />
den Nachmittagsstunden vorgenommen.<br />
Der Vormittagsunterricht von der 1.<br />
Stunde bis zur 6. Stunde bleibt unangetastet.<br />
Der nachfolgende Nachmittagsunterricht<br />
wurde von Grund auf umstrukturiert.<br />
So entfällt die Pause zwischen der 6. und<br />
der 7. Stunde, sodass diese schon um 13:05<br />
beginnt. Hierbei ist jedoch eine der beiden<br />
Stunden immer frei. Die Mittagspause wird<br />
also je nach Stundenplan von <strong>12</strong>:15 Uhr bis<br />
13:05 Uhr oder von 13:05 bis um 13:50<br />
Uhr, wenn die 7. Stunde endet, stattfinden.<br />
Alle Pausen zwischen den darauf folgenden<br />
Stunden entfallen, da diese zu Doppelstunden<br />
zusammengefasst werden. Jeweils die 8.<br />
und 9. Stunde bzw. 10. und 11. Stunde<br />
werden nur durch eine fünf Minuten Pause<br />
getrennt. Durch die Streichung der Pausen<br />
und die Verlängerung des Schultages bis 17<br />
Uhr können nun elf statt zehn Stunden<br />
unterrichtet werden. Für die Klassen 5-11<br />
gilt jedoch: Spätestens nach der 9. Stunde<br />
um 15:25 Uhr ist ihr Schultag zu Ende.<br />
Die Änderungen werden vor allem aufgrund<br />
der hohen Belastungen der jüngeren<br />
Klassen, die teilweise dreimal in der Woche<br />
bis 16:45 Uhr Unterricht haben,<br />
vorgenommen. Viele Schüler haben zudem<br />
einen langen Heimweg und kommen vor<br />
17:30 Uhr nicht zu Hause an. Es steht<br />
außer Frage, dass diese Unterrichtszeiten<br />
viele Schüler von außerschulischen Aktivitäten<br />
wie dem Sport oder Musikverein<br />
abhalten. Dem in Zukunft vorzubeugen,<br />
ohne dabei auf Unterricht zu verzichten, ist<br />
das Ziel des neuen Stundenplans. So endet<br />
die 9.Stunde mit dem neuen Stundenplan<br />
allein durch den effizienteren Umgang mit<br />
Pausen 30 Minuten früher. Auch die<br />
Zusammenlegung der Nachmittagsstunden<br />
zu Doppelstunden wird den Anforderungen<br />
weitaus gerechter als einzelne Stunde.<br />
Es sei hierbei daran erinnert, dass nachmittags<br />
zumeist ein Praktikum gemacht oder<br />
an einem Projekt gearbeitet wird.Trotz des<br />
durchdachten Konzepts bleibt abzuwarten,<br />
wie es sich in der Praxis bewähren wird.<br />
Optimismus kann jedoch angebracht sein.<br />
von Maximilian Vorast<br />
Wenzler: »Jetzt habt ihr ja blos noch Mathe, das ist ja nicht so<br />
wichtig.«<br />
Huberich (über Filme): »Wenn da einer schießt, dann machts<br />
‘Matsch’ und dann ist da viel Ketchup.«<br />
18
Anzeige
F u n<br />
Sudoku<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
21
F u n<br />
Lehrerzitate<br />
Schüler fragen sich, ob Physik- oder Matheunterricht besser sei.<br />
Hutter: »Ich hab’ da irgendwie nie einen Unterschied feststellen<br />
können.«<br />
Kohls: »Das ist ja bloß Zucker und Fett! Fett hab ich selber genug<br />
und süß bin ich sowieso.«<br />
Bäcker: »Ich bin kein Religionslehrer, ich nehme das ernst!«<br />
Schüler meldet sich<br />
Biber: »Ja?«<br />
Schüler: »Kann ich mal kurz aufs Klo?«<br />
Biber: »Das dacht ich mir. Was anderes hätt mich auch<br />
gewundert.«<br />
Biber: »Also, X! Sei doch nicht so undiszipliniert! Wir haben doch<br />
erst letzte Woche aufgeschrieben ‘die Deutschen sind so diszipliniert’.<br />
Brand: »Ich sarkastisch? Ich seh schon, Du hast schon lange nicht<br />
mit meiner Frau geredet.«<br />
Im Chemieunterricht steigt Rauch in Herr Hechts Richtung<br />
Hecht: »Oh, der Rauch kommt in meine Richtung..das ist nicht gut«<br />
22
F u n<br />
Rätsel<br />
Schätzfrage<br />
Nehmen wir einmal an, die Erde wäre eine exakte Kugel<br />
mit glatter Oberfläche, ohne Berge und Täler. Der<br />
Umfang beträgt genau 40000 km. Nun soll ein Seil, das<br />
genau um einen Meter länger ist (also 40000,001 km) um<br />
den Äquator gelegt werden, und zwar so, dass der Abstand<br />
zur Erde überall gleich ist.<br />
Wie groß wäre dann dieser Abstand?<br />
Könnte z.B. eine Ameise hindurchkriechen?<br />
Lösung:<br />
Der Abstand des Seils zur Erde wäre knapp 16 cm!<br />
Man könnte den selben Versuch übrigens auch mit<br />
einem Tischtennisball machen. Auch da wären's<br />
knapp 16 cm, wenn man einen Meter dazugibt.<br />
Der Eiffelturm<br />
Der Eiffelturm in Paris ist dreihundert Meter hoch und<br />
wiegt circa 8000 Tonnen. Würde man ihn aus dem gleichen<br />
Material in einer Höhe von dreißig Zentimetern<br />
originalgetreu nachbauen, wie schwer wäre er dann?<br />
Lösung:<br />
Nur 8 Gramm!<br />
Das Model des Eiffelturms wäre in allen drei<br />
Dimensionen(Höhe, Breite und Tiefe) je 1000 mal kleiner und<br />
somit 1000 mal 1000 mal 1000-fach leichter.<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
23
K u l t u r<br />
Nicht mehr am Taubenvergiften<br />
Georg Kreisler bei einer Lesung in Ravensburg<br />
Eine lebende Legende zu Gast in Ravensburg: Georg Kreisler<br />
Ein Mann nippt am Glas. Der prall<br />
gefüllte Saal wird ruhiger. »Unterhalten<br />
Sie sich ruhig noch ein bisschen«<br />
sagt der ältere Herr, der dort vorne<br />
hinterm Pult sitzt und in die Menge grinst,<br />
während er irgend etwas aus einer Tüte<br />
hervorzuziehen scheint. Schweigen: Der<br />
Vortrag beginnt. Jener ältere Herr, welcher<br />
dort in den Herbstferien seine Autobiographie,<br />
mit dem Titel »Letzte Lieder«, in<br />
Ravensburg vorstellte, ist kein geringerer<br />
als Georg Kreisler. Auch mit 87 Jahren ist<br />
der österreichische Satiriker, Kabarettist<br />
und Komponist Kreisler noch auf Tour.<br />
Dennoch dürfte er der jungen Generation<br />
kaum mehr ein Begriff sein wird. Wer ist<br />
eigentlich dieser Georg Kreisler? Geboren<br />
1922 in Wien als Sohn eines jüdischen<br />
Rechtsanswalts besuchte er dort das Gymnasium<br />
und bekam bereits ersten Kontakt<br />
mit der Musik. Nach der Annexion Österreichs<br />
durch die deutschen Faschisten emigrierte<br />
seine Familie in die USA, deren<br />
Staatsbürgerschaft er 1943 bekam. Zur<br />
Armee eingezogen, waren seine ersten<br />
musikalischen Wagnisse kleine Shows um<br />
die Truppen zu unterhalten. Als Entertainer<br />
in den Nachtclubs der USA begann<br />
Kreisler schließlich Ende der 1940er Jahre<br />
mit dem Schreiben seiner bekannten,<br />
satirischen Lieder, die dort als<br />
»unamerikanisch« abgelehnt wurden. Als er<br />
1955 zurück nach Wien ging, setzte er dort<br />
seine Tätigkeit fort. Bald darauf erschien<br />
24
sein berühmtestes Chanson: Das Lied vom<br />
»Taubenvergiften im Park«, eine Hommage<br />
an die kleinbürgerliche Lebensweise.<br />
Dem folgten noch viele weitere, in denen<br />
er sich beispielsweise (»Gelsenkirchen«)<br />
über die Luftverschmutzung und das<br />
geringe Bildungsniveau des Ruhrpotts<br />
belustigte, oder »Schützen wir die Polizei«<br />
sowie das »Kapitalistenlied«, in denen er die<br />
herrschenden Verhältnisse einem durchdachten<br />
Spott preisgab.<br />
Im Lauf der Jahre wandte er sich jedoch<br />
mehr dem Schreiben von Bühnenwerken<br />
zu, bis er sich 2001 ganz vom Singen seiner<br />
Chansons verabschiedete. Das hielt er<br />
scheinbar konsequent ein, auch wenn bei<br />
der Veranstaltung in Ravensburg ein Flügel<br />
stand. Denn singen, das könnte er schon<br />
noch - so hat man zumindest den Eindruck.<br />
Statt dessen widmete er sich an<br />
jenem Abend ausschließlich seiner Autobiographie,<br />
in der er sich mit knallharter<br />
Ironie mit seiner Lebensgeschichte<br />
auseinandersetzt. Offen und gerade heraus,<br />
wie man es von Kreisler erwartet schreibt<br />
er in seinem Buch: »In der Schule entschied<br />
ich mich, nichts zu lernen, also zu<br />
flüchten, und es hat mir nicht geschadet.<br />
eine Frage an Georg Kreisler<br />
Herr Kreisler,<br />
was halten Sie von der heutigen Jugend?<br />
»Die heutige Jugend ist sehr vielfältig. Sie<br />
wird durch viele Dinge verführt, was<br />
schade ist. Sie hat allerdings weniger<br />
Angst. Das ist positiv, obwohl Angst oftmals<br />
hilfreich sein kann. Ich glaube an die<br />
Jugend und denke dass sie intelligent und<br />
ernsthaft genug sein wird, um die nötigen<br />
Veränderungen in der Gesellschaft vorzunehmen.<br />
Das ist es auch was ich ihr wünsche.«<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Ich bin trotzdem ein halbwegs gebildeter<br />
Mensch geworden, denn wer nach Bildung<br />
strebt, wird sie sich so oder so verschaffen,<br />
es muss nicht ausgerechnet in der Schule<br />
sein. Wer keine Bildung hat, wollte auch<br />
nie eine haben.«<br />
Kritisch setzt er sich mit seiner Kindheit<br />
und seinem Elternhaus auseinander, mit<br />
einem Leben, dass durch die Reise ins Exil<br />
für den damals 16-jährigen Kreisler eine so<br />
abrupte Wende nehmen sollte.<br />
Doch auch im »Land der Freiheit« blieb<br />
Kreisler auf der Flucht. Zu seiner Rückkehr<br />
nach Wien schrieb er mit Blick auf<br />
die McCarthy-Ära und den Antisemitismus<br />
in den USA: »Ich habe mich in Wien nach<br />
meiner Rückkehr 1955 sicherer gefühlt als<br />
in New York, denn in Wien war ja gerade<br />
das Schlimmste vorbei. Man sah dort die<br />
vergangenen Fehler ein - nicht wirklich,<br />
sondern aus Opportunismus -, dadurch<br />
konnte ich mit dem verbleibenden Wiener<br />
Antisemitismus besser zurechtkommen als<br />
mit dem New Yorker Antisemitismus.«<br />
Und es gelingt ihm schließlich auch, in<br />
Europa seine Lieder zu platzieren. Ein<br />
glückliches Ende? Vielleicht.<br />
Der ältere Mann klappt das Buch unter<br />
lautem Beifall zu. Die Stunde ist schon zu<br />
Ende. Musik gab es keine. Aber einige<br />
interessante Einblicke in das Leben eines<br />
Künstlers, der nie wirklich gewünscht und<br />
akzeptiert war, weder in Europa noch in<br />
Amerika.<br />
Überall blieb er der bissige Außenseiter auf<br />
der Bühne der Kulturschaffenden. Trefflich<br />
steht es dort, in den »Letzten Liedern«:<br />
»Die Welt ist für mich ein Pulverfass, das<br />
zum Ziel hat, mich zu explodieren.«<br />
von Marcel Kunzmann<br />
25
K u l t u r<br />
Disneys Wunderwelt<br />
Hinter der Fassade von »Hannah Montana«<br />
Stille. Ein zuckersüßer Blick in die<br />
Kamera. Die Musik ertönt. Miley<br />
Cyrus, fängt an zu Singen. » 7<br />
Things« heißt der Song, den sie zum<br />
Besten gibt. Es geht um die erste Liebe um<br />
Freude, Schmerz, schlechthin um das<br />
Erwachsenwerden. Besser bekannt ist sie<br />
unter dem Namen Hannah Montana. So<br />
heißt auch der Charakter ihrer TV Serie,<br />
die auf Super RTL zu sehen ist. Wer hat<br />
im Fernsehen, Radio, Internet oder<br />
Zeitung nicht schon einmal etwas von<br />
diesem Mädchen gehört, dass die Herzen<br />
von weit mehr als Aber Millionen Kindern<br />
höher schlagen lässt. Vor allem unter Mädchen<br />
zwischen acht und 15 Jahren genießt<br />
Vor allem bei Mädchen zwischen<br />
acht und 15 Jahren genießt<br />
sie einen zum Teil gottähnlichen<br />
Status.<br />
sie einen zum Teil gottähnlichen Status. An<br />
genau diese Zielgruppe ist auch ihre Strategie<br />
adressiert. In der Serie geht es um Selbstfindung<br />
und emotionale Zerrissenheit,<br />
wen, wenn nicht diese Zielgruppe spricht<br />
das mehr an? Sie bietet alles was insgeheim<br />
begehrt wird: Identifikationsfläche, Spaß<br />
und nicht zuletzt in gewisser Weise einen<br />
Platz in der Gesellschaft.<br />
Viele lieben sie, manche hassen sie, doch<br />
mit allen verdient sie Geld. Denn gehasst<br />
info<br />
Dieser Artikel ist eine gekürzte Version. Eine<br />
längere Abhandlung des Autors zu diesem Thema<br />
findet ihr unter:<br />
http://direktonline.files.wordpress.com/<strong>2009</strong><br />
/11/disney.pdf<br />
werden ist bisweilen besser als unbekannt<br />
zu sein. Hinter ihrem Gesicht steckt mehr<br />
als nur ein süßes Mädchen aus einer<br />
Fernsehserie. Miley Cyrus ist gewisser<br />
Weise das Produkt der Walt Disney Company.<br />
Hinter ihr stehen Hundertschaften<br />
von Managern bis hin zu einfachen<br />
Helfern, die die Kulissen aufbauen. Und<br />
der Aufwand lohnt. Der durchschnittliche<br />
Jahresumsatz, der mit allem, was Sie in<br />
irgendeiner Weise betrifft, gemacht wird,<br />
liegt bei 2,7 Milliarden Dollar. Das ist mehr<br />
als das Vierfache all dessen was in Liberia,<br />
einem Land von 3,5 Millionen Einwohner,<br />
in einem Jahr erwirtschaftet wird. Sie ist<br />
also mehr als nur ein Mauerblümchen. Sie<br />
ist ein Riesengeschäft. Alles, was mit ihr zu<br />
tun hat, wird von Disney zu barer Münze<br />
gemacht. Von Fernsehen, Filmen, Musik<br />
bis hin zu Kleidung, Zeitschriften, ja selbst<br />
Brotdosen mit ihrem Gesicht gibt es zu<br />
kaufen.Dabei ist es kein Geheimnis, dass<br />
Disney die Menschen, die gerade diese<br />
Dinge herstellen, völlig egal sind. Wen<br />
interessiert schon ein halbtotes <strong>12</strong> jähriges<br />
Mädchen, dass 14 Stunden am Tag Hannah<br />
Montana T-Shirts machen muss, damit es<br />
nicht verhungert? Es interessiert so lange<br />
26
Die zwei Gesichter des USA-Imperialismus: Hinter dem schönen Gesicht verbirgt sich ein perfides<br />
und menschenverachtendes System. Auf dem rechten Bild zu sehen: Vor amerikanischen Napalmbomben<br />
fliehende Kinder in Vietnam.<br />
nicht, wie ein <strong>12</strong> jähriges Mädchen auf der<br />
anderen Seite der Erde Hannah Montana<br />
toll findet, die Serie schaut und T-Shirts<br />
mit ihrem Gesicht darauf kauft. Doch das<br />
ist nur eine Seite. Die andere besteht darin,<br />
dass die Strategie Disneys darin liegt, mit<br />
dem gleichen Schema auch andere Idole zu<br />
schaffen. So geht die hier fast unbekannte<br />
Demi Lovato einen ähnlichen Weg: Film<br />
im hauseigenen Disney Channel,<br />
Musikalben, und eine TV Serien. Mit<br />
Sicherheit wird auch sie einmal ein bekannter<br />
Star werden. Disney überlässt in dieser<br />
Hinsicht nichts dem Zufall.Da wir jetzt<br />
wissen, dass es Disney nur um das Geld<br />
geht, steht auch fest, dass Disney ein Interesse<br />
daran hat weiterhin Geld zu machen.<br />
Aus dem Grund würde Disney und damit<br />
Hannah Montana auch niemals irgend eine<br />
Meinung vermitteln die wirklich gegen<br />
solche Ausbeuterzustände gerichtet ist.<br />
Zwar werden in der Serie viele Witze<br />
gemacht und man könnte meinen, das alles<br />
sei recht locker, doch das ist nur die Oberfläche.<br />
In Wirklichkeit, sei es auch unbewusst,<br />
sorgt Disney dafür, dass genau die<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Missstände erhalten bleiben, die die Bosse<br />
des Konzerns extrem reich gemacht haben,<br />
nämlich die halbverhungerten Kinder aus<br />
Indien und Bangladesch. Man kann diese<br />
Einstellung sehr gut an dem Song »Party in<br />
the U.S.A« von Miley Cyrus sehen.<br />
Im dazugehörigen Musikvideo steht sie vor<br />
einer USA Flagge und singt gleichzeitig<br />
den Song. Jeder, dem das gefällt, sollte wissen,<br />
dass die USA durch die Ausbeutung<br />
ganzer Völker und etlichen<br />
Eroberungskriegen Millionen von toten<br />
Menschen auf dem Gewissen hat (wie<br />
beispielsweise durch die Kriege in Vietnam<br />
und Irak, den Militärputsch in Chile 1973,<br />
etc.).<br />
Überall auf der Erde sterben täglich hunderte<br />
Kinder aufgrund der menschenverachtenden<br />
Politik der USA.<br />
Vor der Flagge eines solchen Landes singt<br />
Miley Cyrus also »Party in the U.S.A.«.<br />
Was ein vietnamesisches Waisenkind, dass<br />
seine Eltern durch amerikanische Bomben<br />
verloren hat, wohl dazu meinen würde?<br />
von Maximilian Vorast<br />
27
E x t r a<br />
Sommer, Sonne, Sozialismus?<br />
Ein Reisebericht über die Republik Cuba<br />
Wir befinden uns im Jahre 18<br />
nach der Selbstauflösung des<br />
sozialistischen Lagers. Die ganze<br />
Welt ist vom Imperialismus besetzt. Die<br />
ganze Welt? Nein! Eine von unbeugsamen<br />
Revolutionären bevölkerte Karibikinsel<br />
hört nicht auf, dem<br />
Kapitalismus Widerstand<br />
zu leisten.« -<br />
So oder so ähnlich<br />
müsste die Einleitung<br />
zu diesem Bericht<br />
wohl lauten, wenn<br />
wir uns in Asterix-<br />
Manier an das Thema<br />
Cuba heranwagen<br />
würden. Und man darf wohl sagen, das<br />
Thema Cuba, schließlich handelt es sich<br />
bei diesem Land nicht nur um irgendeine<br />
unbedeutende Karibikinsel unter vielen,<br />
sondern um den (wenn man von solch ideologischen<br />
Unfällen wie Nordkorea einmal<br />
absieht) letzten Hort des real existierenden<br />
Sozialismus. Über unsere bürgerlichen<br />
Medien etwas über Cuba zu erfahren, das<br />
auch nur annähernd den tatsächlichen Verhältnissen<br />
dort entspricht, ist sehr<br />
schwierig. Die meisten Berichte bedienen<br />
sich derselben antikommunistischen Klischees,<br />
wie die Propagandaschlachten des<br />
kalten Krieges. Fernab von illusionären<br />
Träumereien vom »sozialistischen Paradies«<br />
und auch fernab der flachen Sprüche vom<br />
»Castro-Regime«, hat mich die Wahrheit<br />
28<br />
info<br />
Beim vorliegenden Artikel handelt es sich um eine<br />
stark gekürzte Fassung. Den vollständigen Text findet<br />
ihr im Internet unter:<br />
http://direktonline.files.wordpress.com/<strong>2009</strong><br />
/11/kuba.pdf<br />
Alle Bilder stammen vom Autor und unterliegen<br />
einer freien Lizenz.Weitere Bilder finden sich<br />
unter: http://www.flickr.com/photos/<br />
macmensch/sets/72157619167954889/<br />
über dieses Land interessiert. Vom 21. Mai<br />
bis zum 3. Juni durchquerten meine Eltern<br />
und ich mit einem Mietwagen die Insel.<br />
Von Havanna über Matanzas, Santa Clara,<br />
Trinidad, Cienfuegos wieder zurück nach<br />
Havanna (um nur einige Städte zu nennen),<br />
sahen wir in diesen<br />
zwei Wochen jede<br />
Menge von Land<br />
und Leuten. Viele<br />
der vorher gefassten<br />
Urteile musste ich<br />
korrigieren, einiges<br />
hat sich allerdings<br />
auch bestätigt. Klar<br />
war für mich nur:<br />
Wenn es irgendwo noch eine gelebte<br />
Alternative zum Kapitalismus gibt, dann auf<br />
Cuba.<br />
Meine ersten Impressionen von diesem<br />
Land stammen noch aus dem Flugzeug.<br />
Schlaftrunken sah ich aus dem Fenster die<br />
ersten Umrisse der Insel, kurz darauf den<br />
Flughafen »José Martí«, benannt nach dem<br />
cubanischen Freiheitskämpfer und Nationalhelden,<br />
welcher bereits im 19. Jahrhundert<br />
für die Unabhängigkeit seines Landes<br />
kämpfte. Am Flughafen selbst mussten<br />
zuerst einige Formalitäten geklärt werden,<br />
bevor wir nach Kontrolle unseres Passes<br />
durch eine freundliche Zollbeamtin an<br />
unser Gepäck kamen. Was mir zuerst schon<br />
im Flughafengebäude auffiel: Irgend etwas<br />
fehlte. Ach ja, die Werbung! Es gab keine
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Das Kapitol in Havanna<br />
Werbung. Nirgends waren die ansonsten so<br />
allgegenwärtigen Dauerberieselungen, die<br />
zugeklebten Wände, die Coca-Cola Plakate<br />
zu sehen. Sehr angenehm.<br />
Am nächsten Tag gingen wir durch die<br />
Straßen Havannas. Allgegenwärtig war<br />
neben den alten Häusern aus der Kolonialzeit<br />
und den politischen Schildern<br />
allerdings auch die schwierige ökonomische<br />
Situation der Menschen. Viele nutzten<br />
diese jedoch aus, um sich an naiven Touristen<br />
zu bereichern. Mit seltsamen Tricks<br />
und Betteleien wollen diese den einfältigen<br />
Touristen suggerieren, es würde ihnen an<br />
Grundnahrungsmitteln mangeln. Doch das<br />
passt nicht ganz in ein Land, in dem es an<br />
jeder Ecke billige Speisen und Getränke zu<br />
kaufen gibt, und wo jeder Einwohner<br />
durch die sogenannte Libretta, eine<br />
Rationierungskarte, alle notwendigen<br />
Güter und Lebensmittel zugeteilt<br />
bekommt. Es mangelt zwar an vielem, aber<br />
Hunger leiden muss in Cuba keiner, das<br />
konnte mir bisher jeder meiner Freunde<br />
dort versichern. Überhaupt hatte ich in<br />
meiner ganzen Zeit in Cuba durchgehend<br />
den Eindruck von einer trotz aller Dispropriationen<br />
grundsätzlich intakten<br />
Gesellschaft, ohne extreme Armut und<br />
ohne ein wie auch immer geartetes<br />
Bonzentum. Es herrschte ein reges<br />
Stadtleben, mit Autos, Einkaufstüten, mit<br />
Kindern, die Eis essen, Erwachsenen, die<br />
Karten spielen und Rum trinken, alten<br />
Leuten, die auf Parkbänken Zeitung lesen<br />
und Zigarre rauchen, manchmal mit dem<br />
Enkel auf dem Schoß, manchmal mit<br />
Hund. Wenn man sich die kolonialen Villas<br />
besieht, die trotz ihres teilweise<br />
schlechten Zustandes nichts von ihrer<br />
Jahrhunderte alten Würde eingebüßt<br />
haben, wie diese heute von Arbeiterfamilien<br />
bewohnt werden, wenn man die<br />
amerikanischen Luxuskarossen sieht, wie<br />
diese heute von Arbeitern gefahren werden,<br />
dann merkt man auch, dass man sich<br />
tatsächlich in einem sozialistischen Land<br />
befindet. Am stärksten kam dieser Eindruck<br />
zu Tage, als wir in Havanna eine Führung<br />
in einer Zigarrenfabrik machten. Dort<br />
herrschten gänzlich andere Verhältnisse, als<br />
man es bei uns gewohnt ist. Die Arbeiter<br />
wirkten allesamt locker, gelöst, als ob sie<br />
diese Arbeit am liebsten täten. In dem riesigen<br />
Saal, in dem an die 400 Arbeiter auf<br />
Werkbänken Zigarren in verschiedenen<br />
Qualitäten drehen, läuft im Hintergrund<br />
Techno-Musik. Ganz am Ende hängt ein<br />
Plakat: »Zum 50. Jahrestag der Revolution:<br />
Lasst uns mehr und effizienter produzieren!«,<br />
davor der Tisch des Vorlesers.<br />
29
Jeden morgen wird dort zuerst eine halbe<br />
Stunde aus der Granma, der größten<br />
cubanischen Tageszeitung, vorgelesen.<br />
Danach geht man zu einem Buch über, das<br />
die Arbeiter sich ausgesucht haben. Aktuell<br />
liest man »Sakrileg« von Dan Brown. Der<br />
Vorleser wechselt dabei gelegentlich und<br />
bekommt die Zeit als Vorleser voll bezahlt.<br />
Nach Feierabend kann sich<br />
jeder Arbeiter täglich 3 Zigarren<br />
mit nach Hause nehmen.<br />
Nachmittags läuft dann meist Musik. Nach<br />
Feierabend kann sich jeder Arbeiter täglich<br />
3 Zigarren seiner Wahl mit nach Hause<br />
nehmen. Neben der kostenlosen Mittagskantine<br />
dürfte aber ein herausragenderes<br />
Merkmal die demokratische Mitbestimmung<br />
im Betrieb sein: Jede Woche hält<br />
die Belegschaft dort eine Sitzung ab und<br />
diskutiert über die Probleme im Betrieb,<br />
aber auch über die Probleme des Landes.<br />
Ich selbst wurde Zeuge, wie solche Sitzungen<br />
abliefen und man nach heftiger Diskussion<br />
zu einer Entscheidung kam. Dabei<br />
folgt die Betriebsversammlung nicht weltfremden,<br />
starren Regeln, sondern wird von<br />
den Arbeitern selbst ausgestaltet. Es wird<br />
über alles gesprochen: Von den Arbeitszeiten,<br />
Arbeitsbedingungen und Löhnen, bis<br />
zum Buch für nächste Woche hat die<br />
Belegschaft überall die volle Einflussnahme<br />
auf ihren Betrieb. Jeder Vorsitzende wird<br />
demokratisch gewählt und ist der<br />
Belegschaft rechenschaftspflichtig. Im Falle<br />
von Amtsmissbrauch kann er sofort<br />
abberufen werden, was auch hin und<br />
wieder vorkommen soll. Mit der, verfassungsmäßig<br />
festgeschriebenen, Maximalarbeitszeit<br />
von 8 Stunden pro Tag und den<br />
hervorragenden Arbeits- und Mitbestimmungsbedingungen,<br />
hat sich die cubanische<br />
Arbeiterklasse doch einiges erkämpft,<br />
wovon man hierzulande höchstens träumen<br />
kann. Trotzdem: Die Löhne sind immer<br />
noch viel zu niedrig, auch wenn das Ende<br />
der Sonderperiode bereits absehbar ist.<br />
Auch konnte ich in Havanna die Funktionsweise<br />
eines CDR beobachten. Die CDRs<br />
heißen auf spanisch »Comités de Defensa<br />
de la Revolución« (Komitees zur Verteidigung<br />
der Revolution) und sind in jedem<br />
Wohnblock vorhanden. Etwa 90% der<br />
Cubaner über 14 Jahren sind Mitglied in<br />
den Komitees, deren Aufgabe es wörtlich<br />
ist, eben die Revolution zu verteidigen.<br />
Praktisch heißt das, für Sicherheit und<br />
Ordnung im Wohngebiet zu sorgen, sowie<br />
an demokratischen Entscheidungen<br />
teilzunehmen, sich aktiv an der Politik zu<br />
beteiligen. Im cubanischen Rätesystem sind<br />
die CDR damit die unterste Ebene der<br />
Basisdemokratie und dort wird meist am<br />
heftigsten diskutiert. Oft werden<br />
anschließend Anträge weitergegeben, auf<br />
die man sich erst nach heftiger Diskussion<br />
einigen konnte. Moment, war da gerade<br />
das Wort »Demokratie« zu hören? In der<br />
Tat! Auch wenn so manch bornierter<br />
Kleinbürger, der sich jeden Abend die FAZ<br />
mit ins Bett nimmt, den Begriff<br />
Demokratie in Zusammenhang mit Cuba<br />
als »Absurd« bezeichnen würde - ein<br />
Cubaner kann darüber nur lachen, denn es<br />
gibt sie tatsächlich dort, die sozialistische<br />
Demokratie. Vollkommen offen redet man<br />
über die Probleme des Landes, wählt Abgeordnete<br />
und Räte, die jederzeit abberufen<br />
werden können, und veröffentlicht Resolutionen.<br />
Dabei sind die Cubaner<br />
wesentlich partizipierter als das hier in<br />
Deutschland der Fall ist: Mit Wahlbeteili-<br />
30
Trotz vieler Mängel verfügt Cuba über ein flächendeckendes Bildungssystem. Auf dem Bild ist<br />
eine Schulklasse auf dem Lande zu sehen, die ich im Pinar del Rio besuchen konnte. Jede Schule<br />
in Cuba verfügt über Internetzugang, Computerunterricht gibt es ab der 1. Klasse. Am Beispiel<br />
dieser entlegenen Dorfschule konnte ich mich selbst davon überzeugen.<br />
gungen von weit über 90% (wählen darf<br />
man in Cuba übrigens schon ab 16) und<br />
einer Mitgliederbasis in den CDRs von<br />
über 7 Millionen lässt sich auch<br />
Demokratie leben. Nur im Unterschied zu<br />
uns werden die Arbeiter nicht an der<br />
Ausübung ihrer Rechte mangels<br />
finanzieller Mittel gehindert, sondern aktiv<br />
gefördert, indem jeder Massenorganisation<br />
ein umfangreiches Budget zur Verfügung<br />
steht. Zwar gibt es in den oberen Ebenen<br />
auch eine Menge Parteifilz, doch hört man<br />
den Cubanern zu, so merkt man, dass sie<br />
zwar stets über ihre Situation klagen, dafür<br />
aber nie »den bösen Sozialismus« verantwortlich<br />
machen, sondern etwas dagegen<br />
unternehmen: Sie gehen zu den Sitzungen,<br />
gehen zur Wahl, lassen sich wählen, schlagen<br />
Lösungen vor - und nicht selten<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
entsteht dabei eine kontroverse Diskussion.<br />
Überhaupt sind die Cubaner sehr »diskussionswütig«,<br />
was man nicht nur in den<br />
CDRs, sondern auch anhand der heftigen<br />
Debatten auf der Straße und zu Hause mitbekommt.<br />
Einige Tage später darauf gingen wir nach<br />
Cienfuegos. Die meiste Zeit verbrachten<br />
wir dort am Strand, den wir uns mit den<br />
Cubanern teilten. Denn in Cuba sind seit<br />
der Revolution alle Strände, ebenso wie<br />
die Fabriken, Grundstücke, etc. volkseigen.<br />
Es gibt keinen Strand, der explizit für<br />
Touristen wäre, so dass man oft einen<br />
geparkten Lada und eine cubanische Familie<br />
am Strand beim Baden beobachten<br />
kann. Wir trafen dort auf drei Arbeiter aus<br />
Cienfuegos. Ich nutzte natürlich die Gelegenheit<br />
um wieder etwas mehr über die<br />
31
Situation in Cuba zu erfahren, denn alle<br />
drei sprachen einigermaßen Englisch. Eric<br />
beispielsweise, war Busfahrer. Sein Lohn<br />
beträgt etwa 400 Peso National und einige<br />
CUC pro Monat. Zwar kann man sich<br />
dank Preisen wie 7 Peso pro Zigarettenschachtel,<br />
1 Peso für Kino bzw. Theatereintritt<br />
und 5 Peso für ein Eis doch einiges<br />
kaufen, alle Luxusgüter sind jedoch nur in<br />
CUC zu bezahlen, an denen es stets mangelt.<br />
(1 CUC = 24 Peso National = ca.<br />
1€). Er beschwert sich über die Doppelwährung:<br />
»Seit wir die Doppelwährung<br />
haben, also seit der Sonderperiode, können<br />
wir uns nichts mehr kaufen. Das Geld ist<br />
äußerst knapp und es reicht gerade für das<br />
Nötigste.« Auch sein Freund José, ein Fabrikarbeiter,<br />
sieht das ähnlich: »Es ist schon<br />
schwer, wenn man eine Familie hat in<br />
Cuba. Man muss hart arbeiten, aber letzten<br />
Endes kommt doch nichts dabei heraus.<br />
Und die Rationen auf der Libretta sind viel<br />
zu wenig, es reicht hinten und vorne<br />
nicht.« Er fährt fort: »Meine kleine Tochter<br />
kriegt für die Schule viel vom Staat gezahlt,<br />
aber es ist halt doch nicht genug. Manchmal<br />
reicht es nicht einmal mehr für neue<br />
Klamotten oder Seife. Aber so ist es nun<br />
einmal bei uns. Früher war das anders, aber<br />
heute ist es nicht mehr so wie damals.«<br />
»Und woran liegt’s?«, frage ich. Eric<br />
antwortet mir: »Das ist die Sonderperiode.<br />
Und auch ganz oben in der Partei gibt es<br />
viel Korruption. Da gibt es einige Funktionäre,<br />
die das Material nur für sich verwenden<br />
und verkaufen, was für die Renovation<br />
der Städte geplant ist.« José unterbricht<br />
ihn: »Wobei hier in Cienfuegos nach<br />
dem Hurrican gleich Eingaben geschrieben<br />
wurden, und dann wurde auch alles repariert.«<br />
Eric fährt fort: »Ja, hier schon, aber<br />
nicht überall ging das gut. Jedenfalls läuft<br />
einiges schief und es ist nicht leicht hier zu<br />
leben.« - »Naja«, frage ich, »und was ist mit<br />
Fidel? Was haltet ihr von dem?« José meint:<br />
»Fidel ist gut, wir Cubaner lieben Fidel.<br />
32<br />
Straßenmalerei in Havanna: »Stärker vereinigt<br />
und kämpfend, verteidigen wir den Sozialismus«
Aber Fidel ist nicht überall. Er hat viele<br />
Minister, und die sind nicht alle so gut.«<br />
Eric pflichtet ihm bei: »Fidel ist ein guter<br />
Mann, aber da oben gibt es viele, die das<br />
ausnutzen. Und auch Raúl ist nicht der<br />
beste, er kommt dafür zu sehr aus dem<br />
»Demokratie? Auf jeden Fall.<br />
Man muss sich gut überlegen<br />
wen man wählt, sonst hat man<br />
den falschen am Hals.«<br />
Militärischen.« - »Und was wollt ihr, was<br />
ist die Alternative? Zurück zum Kapitalismus?«<br />
- »Nein!« meint José »Ich bin Kommunist,<br />
und ich stehe zu unserem System<br />
hier. Auch wenn einiges schief läuft, letzten<br />
Endes bleibt uns nichts anderes übrig.« Eric<br />
pflichtet ihm bei: »Absolut, niemand will<br />
hier wieder zurück zum Kapitalismus. Der<br />
Sozialismus ist für uns hier das Beste. Im<br />
Kapitalismus würden wir verhungern, wie<br />
in Haiti.« - »Ihr seid also Kommunisten?«<br />
frage ich. Alle drei nicken mit einem<br />
stolzen Lächeln im Gesicht. »Und die<br />
Demokratie in Cuba, wie seht ihr das, bei<br />
uns heißt es, Cuba sei eine Diktatur. Wie<br />
erlebt ihr das?« Eric antwortet: »Die<br />
Wahlen hier sind echt. Und auch sonst<br />
können wir durch die CDR großen Einfluss<br />
nehmen. Ich habe das sichere Gefühl,<br />
dass man hier als Arbeiter was zu sagen hat<br />
und ernst genommen wird. Man kann hier<br />
viel mitbestimmen, auch als einfacher<br />
Mann.«<br />
José pflichtet ihm bei: »Demokratie? Auf<br />
jeden Fall. Man muss sich gut überlegen,<br />
wen man wählt, sonst hat man, bis man ihn<br />
abberufen hat, einige Zeit den Falschen am<br />
Hals.« José lacht. Sein Gesicht drückt etwas<br />
Zuversichtliches aus: »Hier in Cuba hat das<br />
DIREKT <strong>12</strong>/<strong>2009</strong><br />
Diese beiden Pioniere sprechen schon etwas<br />
Englisch. Wir unterhielten uns kurz.<br />
Volk das sagen, auch wenn das Leben<br />
schwer ist.« Abschließend zitiere ich noch<br />
ein Schild, dass ich am Straßenrand las:<br />
»Con Fidel y Raúl - ¡Venceremos!« - »Mit<br />
Fidel und Raul werden wir siegen!« Die<br />
drei Arbeiter zeigen sich sichtlich erfreut.<br />
Selbst der dritte im Bunde, der kein<br />
Englisch kann und bisher nur freundlich<br />
nickte, sagt jetzt laut: »Si! Venceremos!<br />
Con Fidel!«Mit diesen Worten verabschiede<br />
ich mich dann auch von den<br />
Dreien, denn schon bald geht es für uns<br />
weiter nach Trinidad. Dort angekommen<br />
treffe ich zum ersten mal einige Pioniere<br />
die etwas Englisch können. Der Junge war<br />
gerade einmal 10 Jahre alt, sein Englisch<br />
war dafür aber bemerkenswert gut. Er lernt<br />
es seit 3 Jahren. Bei den Pionieren gefällt es<br />
ihm sehr gut, vor allem, dass er alles bei<br />
den Ausflügen vom Staat bezahlt bekommt.<br />
»Meine Eltern haben nicht so viel Geld.«<br />
sagt er, doch die Schule macht ihm Spaß:<br />
33
»Nachmittags machen wir oft noch andere<br />
Sachen, z.B. Brot backen oder etwas<br />
basteln.« Wir verabschieden uns, wie es bei<br />
den Pionieren in Cuba so üblich ist: »¡Seremos<br />
como el Che!« - Wir wollen so sein<br />
wie Che! Der Junge schien überrascht, aber<br />
strahlte übers ganze Gesicht. Angekommen<br />
in Santa Maria, nehmen wir noch den<br />
bestellten Rum und die Cigarren entgegen<br />
und besuchen Lazaro in seinem Büro. Dort<br />
benutzt man übrigens vornehmlich Linux<br />
auf den Computern. Doch das war auch<br />
gleichzeitig der letzte Tag, kurz darauf<br />
fuhren wir wieder zum Flughafen »José<br />
Martí«. Einen letzten Blick noch, und<br />
schon bald verschwand die kleine Insel aus<br />
den Fenstern des Flugzeugs. Eine kleine<br />
Insel, die mich mit gemischten Gefühlen<br />
zurücklässt. Denn einerseits sehen wir eine<br />
stabile Versorgungssituation, eine partizipierte,<br />
gebildete Bevölkerung, ein hervorragendes<br />
Gesundheits- und Bildungssystem,<br />
eine entwickelte sozialistische Gesellschaft<br />
und eine hochentwickelte Demokratie, die<br />
der unsrigen haushoch überlegen ist. Und<br />
dennoch: Die wirtschaftlichen Probleme<br />
sind gravierend. Die Cubaner führen ein<br />
hartes Leben, auch wenn es wohl leichter<br />
als das vieler anderer Menschen in den<br />
Entwicklungsländern sein dürfte, ist es<br />
doch sehr entbehrungsreich. Es mangelt an<br />
vielem und das Embargo verschärft diese<br />
Probleme noch weiter. Es ist leicht, unter<br />
diesen Umständen gegen Cuba zu sein, zu<br />
sagen »Guck doch mal, wie die Leben und<br />
schau mal, was wir hier alles haben.« Das ist<br />
der leichteste Weg, der ganz vergisst, dass<br />
Cuba nicht Deutschland, die Karibik nicht<br />
Mitteleuropa und das Embargo nicht die<br />
EU ist. Und es ist auch sehr leicht, Fidel<br />
Castro und den Sozialismus zu verurteilen,<br />
wenn man seine Informationen ausschließlich<br />
aus vielen tendenziösen Medien<br />
bezieht, die ein ganz klares Interesse an der<br />
Dämonisierung des Sozialismus im allgemeinen<br />
und Cubas im besonderen haben<br />
(von SZ bis FAZ). Viel schwieriger ist es,<br />
selbst dort hinzufahren, die Leute kennen<br />
zu lernen, sich eine eigene Meinung zu<br />
bilden. Ich habe dies getan und ich habe<br />
größten Respekt gewonnen vor dem<br />
cubanischen Volk und seiner Geschichte.<br />
Ich habe gesehen, dass Sozialismus und<br />
Demokratie zusammengehören, trotz aller<br />
Probleme. Und ich kann den Cubanern für<br />
ihre Zukunft nur wünschen, dass sie weiterhin<br />
das kleine gallische Dorf bleiben, sie<br />
sich treu bleiben, ihren Werten und Idealen<br />
verbunden, die wirtschaftlichen Probleme<br />
lösen können und die Revolution<br />
noch weitere 50 Jahre den Frieden und den<br />
Sozialismus sichern wird. Trotz Embargo,<br />
trotz CIA, trotz USA, und trotz unserer<br />
Medien, die nicht Müde werden, das<br />
Schreckgespenst vom »bösen Sozialismus«<br />
an die Wand zu malen, sobald der Name<br />
Cuba fällt.<br />
Die nächste direkt erscheint<br />
voraussichtlich<br />
Info:<br />
eMail:<br />
von Marcel Kunzmann<br />
Frühjahr 2010<br />
www.direkt-online.org<br />
direkt.redaktion@gmail.com<br />
Die Redaktion trifft sich jeden Montag und<br />
Donnerstag in der 1. großen Pause an der<br />
Kafka-Säule vor der Bibliothek. Interessierte<br />
SchülerInnen sind herzlich eingeladen.<br />
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