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Zur Lehre von den Konkurrenzen: Handlungseinheit und ... - Ja-Aktuell

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AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />

Dr. Tonio Walter,<br />

Wiss. Ang., Freiburg iBr<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>Konkurrenzen</strong>: <strong>Handlungseinheit</strong> <strong>und</strong> Handlungsmehrheit<br />

Dieser Beitrag behandelt die erste inhaltliche Hauptfrage der <strong>Lehre</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>Konkurrenzen</strong>: Wie bildet man <strong>Handlungseinheit</strong>en? Er<br />

setzt <strong>den</strong> Aufsatz in JA 2004, 133 fort, der sich mit <strong>den</strong> Auswirkungen<br />

der <strong>Konkurrenzen</strong>lehre <strong>und</strong> damit befasst hat, wie man die<br />

<strong>Konkurrenzen</strong> prüft. Eine weitere <strong>und</strong> letzte Fortsetzung wird sich<br />

mit <strong>den</strong> Gesetzeskonkurrenzen beschäftigen – die zweite inhaltliche<br />

Hauptfrage – <strong>und</strong> alle Ergebnisse in einem Prüfungsschema zusammenfassen.<br />

A) EINE HANDLUNG IM NATÜRLICHEN SINNE<br />

Gr<strong>und</strong>baustein des dogmatischen Gebäudes zu <strong>Handlungseinheit</strong><br />

<strong>und</strong> -mehrheit ist die »Handlung im natürlichen Sinne«. Darunter<br />

versteht man <strong>den</strong> Fall, dass sich ein Willensentschluss in einer<br />

Körperbewegung äußert. Der Körperbewegung gleich zu achten<br />

ist die Körperanstrengung, die eine äußere Bewegungslosigkeit<br />

zur Folge hat, etwa das Festhalten einer Person oder Sache. Der<br />

einfachste Fall der <strong>Handlungseinheit</strong> ist es mithin, wenn eine Handlung<br />

im natürlichen Sinne zwei Tatbestände verwirklicht: Ein Kunsthändler<br />

legt ein gefälschtes Gutachten vor, demzufolge eines der<br />

angebotenen Bilder ein echter Rembrandt ist, was nicht stimmt; ein<br />

anderer kauft das Bild zu einem überhöhten Preis. Dann ist die<br />

Vorlage des Gutachtens zugleich der Gebrauch einer unechten<br />

Urk<strong>und</strong>e (§ 267 StGB) <strong>und</strong> die Täuschungshandlung eines Betruges<br />

(§ 263 StGB). – Beim Unterlassungsdelikt entspricht dem der Fall,<br />

dass nur eine Handlung erforderlich wäre, um die Vollendung<br />

zweier unterschiedlicher Delikte zu verhindern. ZB könnte der Zeuge<br />

eines Brandes mit einem Anruf bei der Polizei sowohl verhindern,<br />

dass ein weiteres Haus Feuer finge (§ 306 StGB), als auch<br />

dass ein Kind in <strong>den</strong> Flammen umkäme (§ 212 StGB). Bedürfte es<br />

dagegen zweier unterschiedlicher Handlungen, die der Täter hintereinander<br />

vorzunehmen hätte, zB zweier Unterhaltszahlungen an<br />

unterschiedliche Berechtigte, so sind das im natürlichen Sinne zwei<br />

Unterlassungen. 1 – Ein Unterlassen <strong>und</strong> ein Handeln bil<strong>den</strong> eine<br />

Handlung im natürlichen Sinne, wenn die Handlung <strong>den</strong> Zustand<br />

verfestigt, <strong>den</strong> der Täter gerade beheben soll. 2 In einem Beispiel<br />

<strong>von</strong> Mitsch (Fn 2) verweist ein Schaffner einen Fahrgast am Endbahnhof<br />

des Zuges, der Fahrgast »verweilt« trotz dieser Aufforderung<br />

im Zug (§ 123 I 2. Alt. StGB = Unterlassen), <strong>und</strong> als ihn der<br />

Schaffner mit Gewalt hinausdrängen will, wehrt er sich dagegen mit<br />

Faustschlägen (§ 223 StGB = Tun). Nach wohl hM 3 liegt ein solcher<br />

Fall auch vor, wenn jemand Unfallflucht begeht (§ 142 StGB), ohne<br />

einem Unfallopfer zu helfen (§ 323 c StGB).<br />

Die <strong>Handlungseinheit</strong> macht nicht bei einer Handlung im natürlichen<br />

Sinne halt. Vielmehr gibt es verschie<strong>den</strong>e Wege, auf <strong>den</strong>en<br />

mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer <strong>Handlungseinheit</strong><br />

im rechtlichen Sinne zusammengefasst wer<strong>den</strong>. Als Oberbegriff<br />

lässt sich die rechtliche <strong>Handlungseinheit</strong> verwen<strong>den</strong>. Unterbegriffe<br />

sind dann die im Folgen<strong>den</strong> erläuterten Spielarten dieser <strong>Handlungseinheit</strong>,<br />

deren erste freilich schon wieder »natürlich« heißt, so<br />

dass man sie aufmerksam <strong>von</strong> der Handlung im natürlichen Sinne<br />

unterschei<strong>den</strong> <strong>und</strong> sich merken muss, dass es auch bei ihr um<br />

einen rechtlichen Begriff geht.<br />

B) NATÜRLICHE HANDLUNGSEINHEIT<br />

I. Die iterative Tat<br />

Bei der natürlichen <strong>Handlungseinheit</strong> sind zwei Gestaltungen zu<br />

unterschei<strong>den</strong>. Die erste ist die iterative Verwirklichung des Tatbestands,<br />

bspw durch mehrere Ohrfeigen (§ 223 StGB), oder der<br />

Täter macht gegenüber derselben Person mehrere beleidigende<br />

¾ußerungen (§ 185 StGB) oder bei Gericht mehrere falsche Angaben<br />

(§ 153 StGB), entwendet das Diebesgut aus einer Wohnung,<br />

indem er sie mehrfach betritt <strong>und</strong> wieder verlässt (§ 244<br />

StGB), oder druckt hintereinander mehrere Noten Falschgeld<br />

(§ 146 StGB). Diese Fallgruppe ist als solche natürlicher <strong>Handlungseinheit</strong><br />

allgemein anerkannt. Von der sogleich II behandelten,<br />

umstrittenen Fallgruppe unterscheidet sie sich nicht nur in<br />

der Art der Fälle, sondern auch in der Rechtsfolge: Die iterative<br />

Tat ist »eine Tat im Rechtssinne«; die unter II erörterte <strong>Handlungseinheit</strong><br />

eröffnet die Möglichkeit <strong>von</strong> Idealkonkurrenz.<br />

Allerdings gibt es auch bei der iterativen Tat Idealkonkurrenz,<br />

wenn die Tat nämlich mehrere Opfer verletzt, zB bei Beleidigungen<br />

gegenüber einer Gruppe, oder wenn sie mehrere Tatbestände<br />

verwirklicht, zB erfüllen die Ohrfeigen noch § 185 StGB.<br />

Die <strong>Handlungseinheit</strong> verdankt sich aber insoweit einer Handlung<br />

im natürlichen Sinne; des Iterativen bedarf es dazu nicht.<br />

II. Natürliche <strong>Handlungseinheit</strong> nach der Rspr<br />

Jenseits iterativer Taten verlangt die neuere Rspr für die natürliche<br />

<strong>Handlungseinheit</strong>,<br />

»dass der Täter auf Gr<strong>und</strong> eines einheitlichen Willens iS<br />

derselben Willensrichtung handelt <strong>und</strong> die einzelnen tatbestandsverwirklichen<strong>den</strong><br />

Handlungen in einem derart engen –<br />

zeitlichen, räumlichen <strong>und</strong> sachlichen – Zusammenhang stehen,<br />

dass sie bei natürlicher, an <strong>den</strong> Anschauungen des Lebens<br />

orientierter Betrachtungsweise als ein einheitliches zusammengehörendes<br />

Tun erscheinen.«<br />

So der Dritte Strafsenat in BGHSt 43, 312 (315). Der Erste Strafsenat<br />

hatte es zwar zwei <strong>Ja</strong>hre zuvor noch etwas anders formuliert:<br />

4 mehrere gleichartige Verhaltensweisen, unmittelbarer<br />

räumlicher <strong>und</strong> zeitlicher (nicht auch sachlicher) Zusammenhang,<br />

gemeinsames »subjektives Element«, aus der Sicht eines<br />

Dritten objektiv einheitliches zusammengehöriges Tun. Die Unterschiede<br />

in der Formulierung sollen aber wohl nicht für einen<br />

inhaltlichen Unterschied stehen. Je<strong>den</strong>falls dehnen beide Formulierungen<br />

die Figur der natürlichen <strong>Handlungseinheit</strong> recht weit<br />

aus <strong>und</strong> bildet die sog Polizeiflucht ein wichtiges Beispiel: Wenn<br />

der Täter vor der Polizei flieht, insb mit einem Kraftfahrzeug, so<br />

soll zwischen allen Handlungen, die auf dieser Flucht Delikte<br />

verwirklichen – §§ 315 b, 113 StGB <strong>und</strong> so fort –, <strong>Handlungseinheit</strong><br />

bestehen. 5 Grds ausgeschlossen ist das indes auch nach der<br />

Rspr <strong>und</strong> wie bei iterativer Tat, wenn sich die Handlungen gegen<br />

höchstpersönliche Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutträger<br />

richten, also vor allem gegen Leib <strong>und</strong> Leben unterschiedlicher<br />

Menschen. 6 (Andere höchstpersönliche Rechtsgüter: Ehre,<br />

sexuelle Selbstbestimmung, Fortbewegungsfreiheit.) Von diesem<br />

Gr<strong>und</strong>satz macht die Rspr aber Ausnahmen, die nicht immer<br />

1 BGHSt 18, 376, 379 f; Jescheck/Weigend StrafR AT, 5. Aufl, § 66 IV 2 (S 714); Wessels/Beulke<br />

StrafR AT, 33. Aufl, Rn 762<br />

2 Jescheck/Weigend (Fn 1) § 67 III 4 (S 723); Mitsch JuS 1993, 385, 387. Wohl auch<br />

Kühl, StrafR AT, 4. Aufl, § 21 Rn 34 a<br />

3 BGH VRS 32, 437, 439; Lackner/Kühl StGB, 24. Aufl, § 142 Rn 42 mwN; Lackner/Kühl<br />

§ 52 Rn 7; aA Jescheck/Weigend (Fn 1) § 67 III 4 (S 723); Schönke/Schröder-Stree<br />

StGB, 26. Aufl, § 52 Rn 19<br />

4 In BGHSt 41, 368 (ebd) (Dagobert-Fall)<br />

5 BGHSt 22, 67, 76; BGH NStZ-RR 1997, 331, 332; Jescheck/Weigend (Fn 1) § 66 I 3<br />

(S 710)<br />

6 Für die hM BGH NJW 1998, 619, 620; Kühl (Fn 2) § 21 Rn 19 f; Mitsch (Fn 2) S 388<br />

mwN.; aA Jescheck/Weigend (Fn 1) § 66 III 1 (S 712) mwN<br />

572 JA 2004 · Heft 7


AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />

einleuchten. Wichtigste Ausnahme ist der Fall, dass die Handlungen<br />

zeitlich sehr eng beieinander liegen, zB bei Schüssen in<br />

eine Menschenmenge. 7 – Das Schrifttum 8 lehnt diese Ausweitungen<br />

ab <strong>und</strong> beschränkt die natürliche <strong>Handlungseinheit</strong> darauf,<br />

dass der Täter <strong>den</strong>selben Tatbestandstyp in engem raumzeitlichem<br />

Zusammenhang <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> eines einheitlichen<br />

Entschlusses erfüllt; das ist im Ergebnis die iterative Tat, siehe<br />

oben, also im Rechtssinne nur eine Tat. Demgegenüber führt die<br />

natürliche <strong>Handlungseinheit</strong> der Rspr idR zur Idealkonkurrenz.<br />

C) TATBESTANDLICHE HANDLUNGSEINHEIT<br />

I. Innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />

Zum einen geht es um Fälle innertatbestandlicher <strong>Handlungseinheit</strong>.<br />

Bei ihr wird die <strong>Handlungseinheit</strong> <strong>von</strong> der Gestalt des<br />

Tatbestandes gestiftet; da<strong>von</strong>, wie der Tatbestand angelegt ist.<br />

Es geht um ganz unterschiedliche Fälle, vor allem in Bezug auf<br />

das Verhältnis der späteren Akte zu <strong>den</strong> voraufgegangenen. Bei<br />

<strong>den</strong> 1 – 4 angeführten Tatbestän<strong>den</strong> verschmelzen alle Akte zu<br />

einer Tat im Rechtssinne, bei <strong>den</strong> Absichtsdelikten (5) stehen sie<br />

je nach Delikt in Tateinheit oder wer<strong>den</strong> konsumiert, <strong>und</strong> bei <strong>den</strong><br />

(sonstigen) Delikten mit einer Phase materieller Beendigung (6)<br />

hängen Tateinheit <strong>und</strong> Konsumtion vom Einzelfall ab. Das Gemeinsame<br />

<strong>und</strong> Wichtige sämtlicher Fälle innertatbestandlicher<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> ist ihre Fähigkeit, andere Tatbestände in diese<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> hineinzuziehen – die dann insoweit keine<br />

innertatbestandliche mehr ist – <strong>und</strong>, wenn dies mit mehreren<br />

anderen Tatbestän<strong>den</strong> geschieht, die anderen Tatbestände untereinander<br />

zu »verklammern«. Zu dem Verklammern unten II;<br />

hier noch zu dessen Vorstufe, dem Hineinziehen eines vereinzelten<br />

anderen Delikts in die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong>.<br />

Ein Beispiel liefert der Räuber (§ 249 StGB), der sein<br />

Opfer auch körperlich misshandelt (§ 223 StGB). In diesem Fall<br />

ist die Handlung, die für § 249 StGB das Merkmal »Gewalt«<br />

erfüllt, zugleich nach § 223 StGB tatbestandsmäßig. Daher stehen<br />

§ 223 <strong>und</strong> § 249 StGB in <strong>Handlungseinheit</strong> (wenn die Körperverletzung<br />

ein gewisses Ausmaß erreicht, stehen sie auch in<br />

Tateinheit). Gegen dieses Ergebnis ließe sich höchstens einwen<strong>den</strong>,<br />

dass für § 249 StGB noch eine weitere Handlung erforderlich<br />

sei, die Wegnahme, <strong>und</strong> diese Handlung falle nicht unter<br />

§ 223 StGB. Damit eine Handlung zwischen zwei Delikten <strong>Handlungseinheit</strong><br />

herstellt, braucht es aber nicht so zu sein, dass sich<br />

alle tatbestandserfüllen<strong>den</strong> Handlungen vollkommen decken.<br />

Vielmehr reicht eine sog Teili<strong>den</strong>tität der Ausführungshandlungen,<br />

dass sich also das Verhalten, das <strong>den</strong> einen Tatbestand<br />

erfüllt, nur teilweise mit demjenigen überschneidet, das <strong>den</strong><br />

anderen erfüllt. 9 Und daher kann die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />

grds jedes Delikt in die <strong>Handlungseinheit</strong> hineinziehen,<br />

das durch einen Teilakt dieser Einheit vollendet oder<br />

strafbar versucht wird. – Soweit die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />

zu einer Tat im Rechtssinne führt, liegt es für <strong>den</strong><br />

Täter, als hätte er <strong>den</strong> Tatbestand mit nur einer Handlung im<br />

natürlichen Sinne einmal erfüllt. Dritten gegenüber kann aber<br />

selbst diese engste <strong>Handlungseinheit</strong> wieder in Einzelakte zerfallen,<br />

<strong>den</strong>n jeder Einzelakt kann für sich betrachtet die Haupttat<br />

für eine Anstiftung oder Beihilfe sein. Anschaulich wird das bei<br />

der sukzessiven Tat (unten 2): Wenn erst der dritte Versuch zur<br />

Vollendung führt, der Täter aber nur beim zweiten einen Gehilfen<br />

hat, dann ist das für <strong>den</strong> Täter eine Tat im Rechtssinne, <strong>und</strong> zwar<br />

eine vollendete, für <strong>den</strong> Gehilfen aber eine Beihilfe zu einem<br />

Versuch als Ausschnitt aus der Gesamttat. Zu dem gleichen<br />

Ergebnis gelangt, wer die Ersthandlungen bei sukzessiver Ausführung<br />

als konsumierte Vortaten begreift; auch konsumierte<br />

Taten bleiben teilnahmefähig.<br />

1. Bewertungseinheiten<br />

Einmal kann sich innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> Tatbestän<strong>den</strong><br />

mit pauschaler Handlungsbeschreibung verdanken, die<br />

nahelegen oder wenigstens einschließen, dass der Täter mehrfach<br />

handelt. In der Rspr hat sich dafür der Begriff der rechtlichen<br />

oder tatbestandlichen Bewertungseinheit herausgebildet. Praktischer<br />

Schwerpunkt ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln<br />

(§ 29 I Nr 1 BtMG): Erwirbt der Täter eine größere Menge<br />

eines Betäubungsmittels <strong>und</strong> veräußert er diese Menge danach<br />

in kleineren Tranchen, so bil<strong>den</strong> alle Akte der Weiterveräußerung<br />

eine Tat, zu der dann auch die Einfuhr der Großquantität <strong>und</strong><br />

deren Besitz zählen. 10 Das gilt entsprechend für das Inverkehrbringen<br />

<strong>von</strong> Falschgeld (§ 146 I Nr 3, § 147 StGB). 11 Für Klausuren<br />

wichtiger ist etwa die Untreue (§ 266 StGB); ihr sog Treubruchtatbestand<br />

besteht darin, dass jemand eine »Pflicht« »verletzt«.<br />

Ein anderes Beispiel ist die Misshandlung Schutzbefohlener<br />

(§ 225 StGB), indem der Täter sein Opfer »quält«, <strong>den</strong>n das<br />

umfasst auch die wiederholte Schmerzzufügung. 12<br />

Weitere Beispiele 13 : geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99<br />

StGB); die Rädelsführerschaft in §§ 84, 85, 88, 129 a II StGB;<br />

Missbrauch <strong>von</strong> Titeln (§ 132 a StGB); Verstoß gegen ein Berufsverbot<br />

(§ 145 c StGB); die Verletzung der Fürsorge oder Erziehungspflicht<br />

in § 171 StGB; das Führen <strong>von</strong> Handelsbüchern<br />

iSd § 283 I Nr 5 StGB; die Ausbeutung <strong>von</strong> Prostituierten (§ 180 a<br />

StGB); das Verbreiten bestimmter Druckwerke nach <strong>den</strong> Tatbestän<strong>den</strong><br />

der Landespressegesetze (zB § 21 Nr 4 LPresseG Ba<strong>den</strong>-<br />

Württemberg); Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Verbot<br />

(§ 20 I Nr 4 VereinsG) durch Übernahme eines Vereinsamtes<br />

<strong>und</strong> entsprechende »Amtshandlungen«.<br />

Auch das »Hilfeleisten« in § 27 StGB kann dazu führen, dass<br />

mehrere Unterstützungshandlungen bezogen auf eine Haupttat<br />

nur eine Beihilfe sind. 14 Ferner ist es nur ein »Unterlassen«<br />

gem § 13 StGB, wenn der Täter in Bezug auf einen Erfolg mehrere<br />

Rettungsmöglichkeiten versäumt. 15 Grds ausgeschlossen sind<br />

Bewertungseinheiten, wo es um Taten gegen höchstpersönliche<br />

Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutträger geht. – Folge<br />

einer Bewertungseinheit ist, dass die einzelnen Handlungen zu<br />

einer Tat im Rechtssinne zusammenschmelzen (keine Idealkonkurrenz).<br />

2. Mehraktige Delikte<br />

Zum Zweiten besteht innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> bei<br />

mehraktigen Delikten, bspw beim Raub, der sich aus einer Nötigung<br />

<strong>und</strong> einer Wegnahme zusammensetzt. Der Raub ist ein<br />

mehraktiges Delikt im technischen Sinne, weil die Mehrheit der<br />

Akte schon im Gesetz angelegt ist. (Indes nach der Rspr 16 nicht<br />

zwingend; wenn das überraschende Wegziehen einer Handtasche<br />

ein Raub ist, können Gewalt <strong>und</strong> Wegnahme dieselbe Hand-<br />

7 BGH StV 1998, 72 (ebd); NJW 1985, 1565 (ebd); einschränkend BGH NStZ 1996, 129<br />

(ebd); noch strenger BGHSt 2, 246, 247<br />

8 Kühl JA 1978, 475, 478; Mitsch (Fn 2) S 388; SK-Samson/Günther StGB, Vor § 52<br />

Rn 52 f; Tiedemann, Die Anfängerübung im Strafrecht, 4. Aufl, S 91; Wessels/Beulke<br />

(Fn 1) Rn 764 f<br />

9 Statt aller BGH NJW 1998, 1001 (ebd) mwN<br />

10 BGH NStZ 2000, 207, 207 f; LK-Rissing-van Saan StGB, 11. Aufl, Vor §§ 52 ff Rn 28.<br />

Siehe auch BGH NStZ-RR 1999, 250, 250 f<br />

11 BGH NStZ-RR 2000, 105 (ebd); Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl, § 146 Rn 12<br />

12 BGHSt 41, 113, 115 (noch zu § 223 b aF)<br />

13 Für sie Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 29 mwN. Zu § 20 VereinsG BGH NJW 2000,<br />

2118, 2119 f<br />

14 Vgl BGH wistra 2000, 269, 270; Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 760<br />

15 Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 762<br />

16 BGHSt 18, 329, 329 ff<br />

JA 2004 · Heft 7 573


AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />

lung sein.) Doch ist auch jedes andere Delikt in einem untechnischen<br />

Sinne imstande, mehraktig zu sein. Man sagt dann, der<br />

Täter verwirkliche <strong>den</strong> Tatbestand sukzessiv: Er sticht mehrfach<br />

auf das Opfer ein, <strong>und</strong> erst nach dem dritten Stich ist die Verletzung<br />

tödlich (§ 212 StGB); ein Erpresser braucht mehrere<br />

Drohungen, bis das Opfer verfügt (§ 253 StGB). 17 Auch eine<br />

solche sukzessive Tat bildet eine innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong>.<br />

Allerdings hat die Rspr 18 die <strong>Handlungseinheit</strong><br />

mit ihrer Gesamtbetrachtungslehre zum Rücktritt gekoppelt.<br />

Die <strong>Handlungseinheit</strong> dauere nur so lange, wie der Täter zwischen<br />

<strong>den</strong> Akten des Ansetzens noch hätte zurücktreten können.<br />

In der Fn 17 angeführten Entscheidung hat der BGH eine solche<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> noch für drei Drohungen bejaht, die sich über<br />

einen halben Monat verteilten. Im Ergebnis war das sachgerecht,<br />

aber an dem Rücktrittskriterium gemessen zweifelhaft. – Viele<br />

ordnen die sukzessive Tat bei <strong>den</strong> »scheinbaren« <strong>Konkurrenzen</strong><br />

ein. Doch das gewinnt nichts. Wohl sind die sukzessiven Handlungen<br />

für sich betrachtet nur eine Tat, ebenso wie das mehraktige<br />

Delikt. Aber erstens ist schon diese Einsicht konkurrenzdogmatischer<br />

Natur, <strong>und</strong> zweitens bezieht diese <strong>Handlungseinheit</strong><br />

ihre Bedeutung erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Tatbestän<strong>den</strong>,<br />

die sie besonders leicht in die <strong>Handlungseinheit</strong><br />

einbezieht – Teili<strong>den</strong>tität der Ausführungshandlungen reicht –<br />

<strong>und</strong> die sie untereinander <strong>und</strong> mit sich zu einer nochmals größeren<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> verklammern kann (zumindest nach der<br />

Rspr, siehe unten II).<br />

3. Tatbestandsalternativen<br />

Drittens kann es innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> bewirken,<br />

wenn unterschiedliche Alternativen desselben Tatbestandes<br />

erfüllt sind. Das gilt zunächst, wenn der Täter die Alternativen<br />

gleichzeitig verwirklicht. ZB verletzt er das Opfer mit einer<br />

Waffe <strong>und</strong> auf lebensgefähr<strong>den</strong>de Art (§ 224 I Nr 2 <strong>und</strong> Nr 5<br />

StGB). Voraussetzung ist, dass die Alternativen – wie in dem<br />

Beispiel – gleichwertig sind. 19 Sind sie es nicht, ist Idealkonkurrenz<br />

anzunehmen, <strong>und</strong> zwar auf Gr<strong>und</strong> deren sog Klarstellungsfunktion<br />

(näher in der Fortsetzung dieses Beitrages). Was als<br />

gleichwertig zu gelten habe, ist, wie es das Wort schon sagt, eine<br />

Wertungsfrage. – Der Täter kann die Alternativen aber auch<br />

nacheinander verwirklichen. Das ist möglich bei Tatbestän<strong>den</strong>,<br />

deren erste Alternativen als typische Vorbereitungshandlung der<br />

zweiten auftritt. Klausurenwichtiges Beispiel ist die Urkun<strong>den</strong>fälschung<br />

20 . Deren Alternative des Herstellens oder Verfälschens<br />

einer unechten Urk<strong>und</strong>e geht typischerweise dem Gebrauch dieser<br />

Urk<strong>und</strong>e voraus, <strong>und</strong> das ist die nächste Alternative. Entsprechend<br />

verhält es sich bei der Geldfälschung (§ 146 StGB)<br />

zwischen <strong>den</strong> Tatbestandsvarianten des Abs 1 Nr 1, 2 (Herstellen,<br />

Sichverschaffen) <strong>und</strong> der Nummer 3 (Inverkehrbringen).<br />

4. Dauerdelikte<br />

Innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> gibt es auch bei Dauerdelikten,<br />

zB der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB).<br />

Weitere Beispiele: Hausfrie<strong>den</strong>sbruch (§ 123 StGB), die Fahrt<br />

des Fahruntüchtigen (§ 316 StGB, für § 315 c I Nr 1 StGB str 21 ), die<br />

Zuhälterei (§ 181 a StGB), der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeugs<br />

(§ 248 b StGB), der unerlaubte Besitz <strong>von</strong> Betäubungsmitteln<br />

(Drogen) (§ 29 I Nr 3 oder § 29 a I Nr 2 BtMG) oder Waffen<br />

(§ 53 I Nr 3 a oder III Nr 1 a oder Nr 7 oder 8 WaffG).<br />

Damit ist an dieser Stelle lediglich gemeint, dass es im<br />

Rechtssinne eine Tat ist, wenn der Täter <strong>den</strong> deliktischen Dauerzustand<br />

durch Handlungen verlängert oder erneuert, die der<br />

Ursprungshandlung ähneln <strong>und</strong> keine eigenständigen Tatbestände<br />

verwirklichen: Beim Hausfrie<strong>den</strong>sbruch durchwandert der<br />

Täter die fremde Wohnung; bei der Freiheitsberaubung schließt<br />

er kurz auf, um Essen hineinzustellen, <strong>und</strong> schließt gleich wieder<br />

zu; auf einer Trunkenheitsfahrt beschleunigt, bremst <strong>und</strong> lenkt<br />

der Täter ununterbrochen. Dass diese Vorgänge insg nur eine Tat<br />

hergeben, versteht sich fast <strong>von</strong> selbst; Bedeutung erlangt das<br />

erst <strong>und</strong> wiederum im Zusammenspiel mit anderen Tatbestän<strong>den</strong>.<br />

Immerhin mag man sich für die Gefährdung des Straßenverkehrs<br />

(§ 315 c StGB) merken, dass auch mehrere Gefahrensituationen<br />

während einer Fahrt im Rausch per saldo nur eine Tat<br />

nach § 315 c StGB bil<strong>den</strong>. Zu merken hat man sich des Weiteren,<br />

dass zwei Dauerdelikte durch bestimmte Vorkommnisse unterbrochen<br />

wer<strong>den</strong>, so dass danach eine neue Handlung(seinheit)<br />

beginnt: die Fahrt im Rausch durch einen Unfall mit anschließender<br />

Unfallflucht (§ 142 StGB) <strong>und</strong> der Waffenbesitz durch ein<br />

Verbrechen, das der Waffenbesitzer mit der Waffe begeht. 22 (Was<br />

für die Fahrt im Rausch gilt, müsste eigentlich auch für <strong>den</strong><br />

unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs gelten [§ 248 b StGB]. 23 )<br />

Für <strong>den</strong> Unfall kommt es nach der Rspr (Fn 22) nicht darauf an,<br />

ob der Täter anhält. Unstr ist umgekehrt, dass ein verkehrsbedingtes<br />

Anhalten die Handlung fortdauern lässt, also das Anhalten<br />

vor einer Ampel, an einer Tankstelle, um Mitfahrer einsteigen<br />

zu lassen <strong>und</strong> so fort. Beim Waffenbesitz teilt das Verbrechen<br />

das Geschehen sogar in drei Teile: Waffenbesitz vor<br />

dem Verbrechen, das Verbrechen in Tateinheit mit dem Besitz/<br />

Führen der Waffe, Waffenbesitz nach dem Verbrechen.<br />

5. Absichtsdelikte<br />

Fünfte Möglichkeit innertatbestandlicher <strong>Handlungseinheit</strong> sind<br />

Delikte mit überschießender Innenten<strong>den</strong>z (Absichtsdelikte).<br />

Bei ihnen bildet es eine <strong>Handlungseinheit</strong> mit dem tatbestandsmäßigen<br />

Verhalten, wenn der Täter seine Absicht später verwirklicht.<br />

24 Dabei lassen sich zwei Tatbestandsarten unterschei<strong>den</strong>.<br />

Bei der einen zielt die Absicht auf ein weiteres Delikt: bei<br />

§ 239 a StGB auf eine Erpressung, bei § 239 b StGB auf eine<br />

Nötigung, bei der Ermöglichungsabsicht in § 211 <strong>und</strong> § 306 b<br />

StGB auf irgendeine »andere Straftat«. Bei dieser Tatbestandsart<br />

ist es nicht so – anders als in <strong>den</strong> bisherigen Beispielen –,<br />

dass alle Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammenschmölzen.<br />

Vielmehr behalten die späteren Handlungen ihren<br />

rechtlichen Eigenwert <strong>und</strong> steht das spätere Delikt zum Ursprungsdelikt<br />

in Tateinheit. 25 Anders bei <strong>den</strong> Eigentums- <strong>und</strong><br />

Vermögensdelikten (§§ 242 ff, § 253, § 263 StGB). Bei ihnen<br />

geht die Absicht auf eine Zueignung bzw Bereicherung, dh<br />

auf eine Verwertungshandlung. Sie lässt sich wieder mit dem<br />

Ursprungsdelikt zu einer Tat im Rechtssinne zusammenziehen,<br />

<strong>den</strong>n sie beendet jenes Delikt materiell (vgl nachfolgend 6). Und<br />

wenn die Verwertungshandlung einen weiteren Tatbestand erfüllt,<br />

namentlich <strong>den</strong> der Unterschlagung (§ 246 StGB), so wird<br />

er im Regelfall konsumiert (keine Tateinheit, näher in der Fortsetzung<br />

dieses Beitrages).<br />

17 BGH NStZ 2000, 532, 532 f<br />

18 BGHSt 41, 368 (f) (Dagobert-Fall); BGH NStZ 2000, 532, 532 f<br />

19 Für die hM Lackner/Kühl (Fn 3) § 52 Rn 3 mwN<br />

20 Siehe nur Tröndle/Fischer (Fn 11) § 267 Rn 45 mwN<br />

21 Siehe Kühl (Fn 2) § 21 Rn 24 mwN<br />

22 Wohl hM, siehe BGHSt 21, 203, 204 f (zu § 316); BGHSt 36, 151, 153 f; BGH NStZ-RR<br />

1999, 8, 9 (jew zum Waffenbesitz); Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 35; § 316<br />

Rn 4 c; aA Schönke/Schröder-Stree (Fn 3) Vorbem §§ 52 ff Rn 85 (zu § 316)<br />

23 Im Ergebnis aA RGSt 68, 216, 218; Geppert Jura 2000, 651, 652<br />

24 Geppert, Jura 2000, 598, 602<br />

25 Vgl Schönke/Schröder-Eser (Fn 3) § 239 b Rn 20; LK-Jähnke (Fn 10) § 211 Rn 9; Lackner/Kühl<br />

(Fn 3) § 239 a Rn 11<br />

574 JA 2004 · Heft 7


AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />

6. Materielle Beendigung<br />

Innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> besteht schließlich noch<br />

mit <strong>den</strong> Handlungen, die das Delikt materiell been<strong>den</strong>. 26 Gängiges<br />

Beispiel ist das Bergen <strong>und</strong> Sichern der Diebesbeute. <strong>Handlungseinheit</strong><br />

zwischen einem Diebstahl <strong>und</strong> einer Nötigung ist<br />

demnach auch nach der Wegnahme <strong>den</strong>kbar, wenn der Dieb etwa<br />

einem Zeugen droht, falls der ihn anzeige (§ 252 StGB muss das<br />

nicht erfüllen; die Drohung braucht keine »mit gegenwärtiger<br />

Gefahr für Leib oder Leben« zu sein). In diesem Beispiel stehen<br />

die bei<strong>den</strong> Taten in Tateinheit. Denkbar ist aber auch eine Konsumtion<br />

untergeordneter Begleittaten, etwa die leichte Beschädigung<br />

einer Tür beim Abtransport der Diebesbeute.<br />

II. Verklammerung<br />

Von der innertatbestandlichen <strong>Handlungseinheit</strong> unterscheidet<br />

sich die sog Klammerwirkung (ein Institut, das im Schrifttum 27 oft<br />

auf Ablehnung stößt).<br />

1. Dauerdelikte<br />

Sie kann zunächst <strong>von</strong> Dauerdelikten ausgeübt wer<strong>den</strong> auf zwei<br />

(oder mehr) andere Deliktshandlungen, die untereinander selbstständig<br />

sind, aber jede für sich mit dem Dauerdelikt in <strong>Handlungseinheit</strong><br />

stehen. Diese erste Voraussetzung: <strong>Handlungseinheit</strong> mit<br />

dem Dauerdelikt, ist erfüllt, wenn sich die Ausführungshandlungen<br />

<strong>von</strong> Dauer- <strong>und</strong> anderem Delikt mindestens zu einem Teil decken.<br />

Das ist im Gr<strong>und</strong>satz unstreitig der Fall, wenn die verklammerten<br />

Deliktshandlungen einen Beitrag zu dem verklammern<strong>den</strong> Dauerdelikt<br />

liefern, also dazu dienen, das Dauerdelikt ins Werk zu setzen<br />

oder aufrechtzuerhalten. 28 Beispiele: der Diebstahl der Waffe, die<br />

der Täter sodann unerlaubt besitzt; Körperverletzungen des Opfers<br />

einer Freiheitsberaubung, um dessen Entkommen zu verhindern.<br />

Im Streit sind Handlungen, die <strong>den</strong> Zweck des Dauerdeliktes bil<strong>den</strong>,<br />

als Beispiel eine Freiheitsberaubung zu dem Zweck, das Opfer<br />

zu vergewaltigen. Die hM 29 nimmt <strong>Handlungseinheit</strong> an, andere 30<br />

Handlungsmehrheit. Nicht ganz geklärt ist die Frage der <strong>Handlungseinheit</strong><br />

aber auch für deliktische Akte gelegentlich des Dauerdelikts,<br />

wenn zB 31 der Dieb während seines Einbruchs (§ 123 StGB)<br />

spontan darauf verfällt, die Dame des Hauses zu vergewaltigen<br />

(§ 177 StGB). Eigentlich ist dergleichen unstreitig ein Fall <strong>von</strong><br />

Handlungsmehrheit. 32 BGH JA 1988, 167 (169) hat aber entschie<strong>den</strong>,<br />

dass § 239 StGB »die während der Begehung dieses Delikts<br />

außerdem verwirklichten Tatbestände [. . .] zur Tateinheit zusammen[fasst]«,<br />

in jenem Fall eine versuchte sexuelle Nötigung <strong>und</strong><br />

eine spätere Straßenverkehrsgefährdung, während deren der Täter<br />

das Opfer im Auto gefangenhielt. 33<br />

Ausgeschlossen soll eine ununterbrochene <strong>Handlungseinheit</strong><br />

aber sein, wenn das einzelne Zustandsdelikt ganz unverhältnismäßig<br />

viel schwerer wiegt als das Dauerdelikt; entschie<strong>den</strong> hat<br />

das der BGH für <strong>den</strong> unerlaubten Besitz <strong>und</strong> das unerlaubte Führen<br />

einer Waffe im Verhältnis zu einem Verbrechen (§ 12 StGB), das<br />

der Täter mit der Waffe begeht. 34 Dann zerteile das Zustands- das<br />

Dauerdelikt in drei Abschnitte (vor, während <strong>und</strong> nach dem Zustandsdelikt).<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist die prozessuale Bedeutung der Konkurrenzfrage:<br />

Bestände zwischen dem Totschlag <strong>und</strong> dem Waffenbesitz<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> <strong>und</strong> in der Folge Idealkonkurrenz, so<br />

bildeten Totschlag <strong>und</strong> Waffenbesitz auch im prozessualen Sinne<br />

eine Tat (zumindest nach der Gr<strong>und</strong>regel, dass Idealkonkurrenz zu<br />

einer Tat im prozessualen Sinne führt). Würde der Täter zunächst<br />

nur wegen des Waffenbesitzes verurteilt, weil der Totschlag noch<br />

unentdeckt wäre, dann schlösse diese Verurteilung einen zweiten<br />

Prozess wegen des Totschlages aus (Strafklageverbrauch). Doch ist<br />

zu erwägen, bei der <strong>Handlungseinheit</strong> <strong>und</strong> Idealkonkurrenz zu<br />

bleiben <strong>und</strong> lediglich eine Ausnahme <strong>von</strong> der Regel anzunehmen,<br />

dass Idealkonkurrenz auch im prozessualen Sinne zu einer Tat<br />

führt. Diesen Weg – sog prozessuale Lösung – geht freilich nur<br />

eine Minderheit 35 .DiehM 36 lehnt, wie gesagt, schon die <strong>Handlungseinheit</strong><br />

ab <strong>und</strong> bevorzugt also die sog materiellrechtliche Lösung.<br />

Beachte aber BGH NStZ 1996, 41 (42): Das Fahren ohne<br />

Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) gehöre zu derselben prozessualen<br />

Tat wie ein Bankraub (schwere räuberische Erpressung, § 255<br />

StGB), <strong>den</strong> der Täter unterwegs begehe; die materiellrechtliche<br />

Konkurrenz könne dahinstehen. Also eine »prozessuale Lösung«,<br />

hier freilich mit dem umgekehrten Ergebnis prozessualer<br />

Tateinheit – <strong>und</strong> eines Strafklageverbrauchs nach einer Verurteilung<br />

wegen § 21 StVG! Entschei<strong>den</strong>d ist in solchen Fällen auch<br />

für die <strong>Konkurrenzen</strong>, ob der zweite Teil der Fahrt, wie hier, der<br />

Beutesicherung dient. Bei einem heimlichen Diebstahl kleiner<br />

Sachen, bei dem die Wegnahme schon beendet ist, wenn der<br />

Täter wieder in sein Auto steigt, stehen die Fahrt <strong>und</strong> der Diebstahl<br />

in Handlungsmehrheit. 37<br />

Als zweite Voraussetzung dürfen die zu verklammern<strong>den</strong> Deliktshandlungen<br />

nicht wesentlich schwerer wiegen als das Dauerdelikt.<br />

38 Unschädlich ist es aber nach hM 39 , wenn nur eine der<br />

verklammerten Taten schwerer wiegt als das verklammernde<br />

Delikt, es sei <strong>den</strong>n, ihr Unrechtsgewicht steht zu dem des verklammern<strong>den</strong><br />

Delikts völlig außer Verhältnis <strong>und</strong> man hängt der<br />

oben genannten Auffassung an, dass dann schon die einfache<br />

<strong>Handlungseinheit</strong> mit dem Dauerdelikt ausscheide. – Wann ein<br />

Delikt wesentlich schwerer wiegt als das andere, will die Rspr 40<br />

im Wege einer fallbezogenen Würdigung ermitteln <strong>und</strong> schließt<br />

sich nicht dem Satz an, <strong>den</strong> man im Schrifttum 41 antrifft, dass ein<br />

Vergehen keine Verbrechen verklammern könne <strong>und</strong> dass die<br />

abstrakten Strafrahmen maßgeblich seien. Unzweifelhafte Beispiele<br />

42 : keine Klammerwirkung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis<br />

(§ 21 I Nr 1 StVG: Freiheitsstrafe bis zu einem <strong>Ja</strong>hr) im Verhältnis<br />

zu räuberischen Angriffen auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB: Freiheitsstrafe<br />

nicht unter fünf <strong>Ja</strong>hren); keine Klammerwirkung der Ausbeutung<br />

<strong>von</strong> Prostituierten (§ 180 a StGB: Freiheitsstrafe bis zu<br />

drei <strong>Ja</strong>hren) im Verhältnis zum schweren Menschenhandel (§ 181<br />

StGB: Freiheitsstrafe <strong>von</strong> einem <strong>Ja</strong>hr bis zu zehn <strong>Ja</strong>hren).<br />

26 BGHSt 26, 24, 27; Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 3 mwN; Wessels/Beulke (Fn 1)<br />

Rn 777; aA Mitsch (Fn 2) S 386; krit auch Kühl (Fn 2) § 21 Rn 41<br />

27 Geppert (Fn 23) S 652; <strong>Ja</strong>kobs, StrafR AT, 2. Aufl, 33/11 f; Otto, Gr<strong>und</strong>kurs StrafR AT,<br />

6. Aufl, § 23 Rn 4; SK-Samson/Günther (Fn 8) § 52 Rn 19<br />

28 Siehe Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 35; Geppert (Fn 23) S 652; beide mwN<br />

29 BGHSt 18, 29, 33 f (für eine Entführung gem § 236 aF, wenn der Täter sie zum Zwecke<br />

einer Vergewaltigung begeht; für § 123 gelte das nicht); BGH NStZ-RR 1998, 324,<br />

324 f (für eine Freiheitsberaubung mit Todesfolge, wenn sich der Täter des Opfers<br />

bemächtigt, um es zu töten); BGH JA 1988, 167, 169 m zust Anm Sonnen (für eine<br />

Freiheitsberaubung, die einer [versuchten] sexuellen Nötigung dient); Jescheck/Weigend<br />

(Fn 1) § 66 I 3 (S 710), § 67 II 2 (S 721) (krit aber § 67 III 2 [S 722]); Schönke/<br />

Schröder-Stree (Fn 3) Vorbem §§ 52 ff Rn 91; Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 779<br />

30 Geppert (Fn 23) S 652<br />

31 Von Geppert (Fn 23) S 652<br />

32 Vgl Geppert (Fn 23) S 652; Jescheck/Weigend (Fn 1) § 67 III 2 (S 722); Wankel JA<br />

1997, 231, 232; Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 779<br />

33 Zust Sonnen in seiner Anm aaO S 169; im Ergebnis auch Wankel (Fn 32) S 234 für<br />

§ 237 aF (Entführung gegen <strong>den</strong> Willen der Entführten) <strong>und</strong> eine während der<br />

Entführung begangene Vergewaltigung<br />

34 BGHSt 36, 151, 154; anders noch BGHSt 29, 288, 293 zur Mitgliedschaft in einer<br />

kriminellen Vereinigung (§ 129), der RAF, <strong>und</strong> mitgliedschaftlich begangenen Mor<strong>den</strong>.<br />

Der BGH hat dann freilich die prozessuale Tateinheit abgelehnt, sog prozessuale<br />

Lösung, siehe im Text<br />

35 OLG Hamm JR 1986, 203, 203 ff; Beulke, Strafprozessrecht, 7. Aufl, Rn 519. Zu § 129<br />

aber auch der BGH, siehe Fn 34<br />

36 Wie Fn 34<br />

37 BGH NStZ 1997, 508 (ebd); Wankel (Fn 31) S 232 ff<br />

38 BGHSt 31, 29, 31; Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 5 a; Wessels/Beulke (Fn 1)<br />

Rn 780<br />

39 BGHSt 31, 29, 29 ff (Waffenbesitz im Verhältnis zum Waffenerwerb <strong>und</strong> zum Totschlag);<br />

BGH NStZ-RR 1998, 324, 324 f (Freiheitsberaubung mit Todesfolge im Verhältnis<br />

zum Mord <strong>und</strong> zur Vergewaltigung); Schönke/Schröder-Stree (Fn 3) § 52<br />

Rn 18; aA Jescheck/Weigend (Fn 1) § 67 II 3 (S 721)<br />

40 BGHSt 33, 4, 7; BGH NStZ 1993, 133, 134<br />

41 Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 5 a<br />

42 Siehe jeweils Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 5 a mwN<br />

JA 2004 · Heft 7 575


AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />

2. Andere Delikte<br />

Eine Klammerwirkung kann auch <strong>von</strong> anderen als Dauerdelikten<br />

ausgeübt wer<strong>den</strong>. Erforderlich ist eine vergleichbare Konstellation,<br />

nämlich dass die verklammerten Deliktshandlungen mit <strong>den</strong><br />

Ausführungshandlungen des verklammern<strong>den</strong> Delikts teili<strong>den</strong>tisch<br />

sind. 43 Beispiel 44 : Belästigungen, die über einen längeren<br />

Zeitraum hinweg vorkommen, <strong>und</strong> zwar als Beleidigungen (§ 185<br />

StGB), eine öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)<br />

<strong>und</strong> ein Erpressungsversuch (§§ 22, 253 StGB), <strong>und</strong> die in der<br />

Summe – sukzessiv – zu einer Körperverletzung (§ 223 StGB)<br />

führen, die sich in einer depressiven Verstimmung <strong>und</strong> in Schlafstörungen<br />

äußert. Einen wichtigen Unterfall dieser Spielart der<br />

Verklammerung bil<strong>den</strong> Taten, die der Täter in der Beendigungsphase<br />

eines dritten Delikts begeht, wenn er zB nach der Vollendung<br />

einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB), aber noch vor<br />

deren Beendigung, also vor der Beutesicherung, mehrfach Widerstand<br />

gegen Vollstreckungsbeamte leistet (§ 113 StGB). Ferner<br />

vermag ein Raub mit seinen Merkmalen Gewalt <strong>und</strong> Wegnahme<br />

eine Körperverletzung <strong>und</strong> eine Sachbeschädigung zu<br />

verklammern, zB wenn der Täter sein Opfer erst schlägt <strong>und</strong><br />

dann einen Schrank aufbricht.<br />

3. Folgen<br />

Weder bei Dauer- noch bei sonstigen Delikten soll es der Klammerwirkung<br />

scha<strong>den</strong>, wenn das verklammernde Delikt infolge<br />

einer Einstellung nach §§ 154, 154 a StPO gar nicht verfolgt<br />

wird. 45 Das ist gerade auf dem Bo<strong>den</strong> der Rspr verw<strong>und</strong>erlich,<br />

die eine fallbezogene Betrachtung bevorzugt, um die Schwere<br />

des verklammern<strong>den</strong> Delikts zu bewerten. Denn die genannten<br />

Vorschriften der StPO setzen doch voraus, dass die Tat, derentwegen<br />

eingestellt wird – die verklammernde Tat – gegenüber<br />

<strong>den</strong> anderen Taten in Bezug auf die Sanktionen nicht ins Gewicht<br />

fällt. – In aller Regel läuft eine Verklammerung auf Tateinheit<br />

hinaus; dazu hat die Rspr dieses Institut auch entwickelt. Doch<br />

kann eine dogmatisch genaue Betrachtung durchaus Fälle ausmachen,<br />

in <strong>den</strong>en eine verklammerte Tat subsidiär ist oder konsumiert<br />

wird. Im Gr<strong>und</strong>e sind die meisten anerkannten Fälle <strong>von</strong><br />

Konsumtion <strong>und</strong> materieller Subsidiarität solche mit mindestens<br />

einer Verklammerung.<br />

D) DER FORTSETZUNGSZUSAMMENHANG<br />

Die »fortgesetzte Tat« hat als ein Gr<strong>und</strong> rechtlicher <strong>Handlungseinheit</strong><br />

fast alle Bedeutung verloren, seit der Große Strafsenat in<br />

BGHSt. 40, 138 (164 f) festgestellt hat, dass diese Rechtsfigur nur<br />

bei Straftatbestän<strong>den</strong> zulässig sei, bei <strong>den</strong>en sie »zur sachgerechten<br />

Erfassung des verwirklichten Unrechts <strong>und</strong> der Schuld<br />

unumgänglich« erscheine. Einen Tatbestand, der diese Bedingung<br />

erfüllte, hat die höchstrichterliche Rspr noch nicht gefun<strong>den</strong>.<br />

Umgekehrt hat sie bereits für eine Reihe <strong>von</strong> Tatbestän<strong>den</strong> 46<br />

ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine fortgesetzte Tat nicht<br />

in Frage komme. Auch wer<strong>den</strong> die Anforderungen, die der BGH<br />

nunmehr an eine fortgesetzte Tat stellt, mit einigem Recht so<br />

aufgefasst, dass sie in Wirklichkeit die Voraussetzungen einer<br />

(inner-)tatbestandlichen <strong>Handlungseinheit</strong> enthielten. 47 Das Institut<br />

der fortgesetzten Handlung gilt daher als abgeschafft. 48<br />

In der Theorie freilich hat man sich mit der fortgesetzten Tat<br />

weiterhin zu beschäftigen, <strong>den</strong>n es ist vielleicht nur eine Frage<br />

der Zeit, bis die Rspr <strong>den</strong> ersten Tatbestand benennt, für <strong>den</strong><br />

diese Figur doch noch eine Rolle spiele. – Die fortgesetzte Tat<br />

dient dazu, die »gleichartige Verbrechensmenge« zu erfassen,<br />

das sind Taten, die jeweils in sich geschlossene Geschehnisse<br />

bil<strong>den</strong>, keine äußere Gesamteinheit erkennen lassen <strong>und</strong> lediglich<br />

untereinander gleichartig sind. 49 Die Rspr 50 hat folgende<br />

Voraussetzungen formuliert, um <strong>Handlungseinheit</strong> anzunehmen:<br />

Im äußeren Tatbestand muss sich die Gleichartigkeit auf das<br />

angegriffene Rechtsgut <strong>und</strong> auf die Tatbegehung erstrecken,<br />

<strong>und</strong> zwischen <strong>den</strong> Teilakten muss ein enger räumlicher <strong>und</strong><br />

zeitlicher Zusammenhang bestehen. Als innerer Tatbestand ist<br />

ein sog Gesamtvorsatz erforderlich, der bei Beginn des ersten<br />

Delikts alle weiteren Delikte umfasst, <strong>und</strong> zwar nach Rechtsgut,<br />

dessen Träger sowie nach Ort, Zeit <strong>und</strong> Modalitäten der Begehung,<br />

je<strong>den</strong>falls in <strong>den</strong> wesentlichen Zügen. Wenn ein derartiger<br />

Gesamtvorsatz einmal vorhan<strong>den</strong> ist, soll ihn der Täter bis zur<br />

Beendigung des letzten der Delikte, die er zunächst ins Auge<br />

gefasst hatte, auf weitere Delikte ausdehnen können. 51 In einem<br />

Teil des Schrifttums 52 lässt man als inneren Tatbestand genügen,<br />

dass jeder einzelne Tatentschluss als Fortsetzung des voraufgegangenen<br />

erscheint, iS einer »fortlaufen<strong>den</strong> psychischen Linie«.<br />

Bei<strong>den</strong> Modellen ist gemein, dass sie Fahrlässigkeitsdelikte<br />

<strong>von</strong> der fortgesetzten Tat ausschließen. Folge des Fortsetzungszusammenhanges<br />

ist im Rechtssinne eine Tat.<br />

E) BETEILIGUNG<br />

Sind an einem Delikt mehrere als Mittäter, mittelbare Täter,<br />

Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage nach <strong>Handlungseinheit</strong><br />

oder -mehrheit für je<strong>den</strong> gesondert zu beantworten <strong>und</strong><br />

hängt allein da<strong>von</strong> ab, wie sich dieser Betreffende verhalten hat.<br />

Stiftet also jemand mit nur einer ¾ußerung zu fünf verschie<strong>den</strong>en<br />

Taten an, so ist das für <strong>den</strong> Anstifter eine Handlung im<br />

natürlichen Sinne <strong>und</strong> folglich <strong>Handlungseinheit</strong>, auch wenn für<br />

<strong>den</strong> Haupttäter <strong>von</strong> einer Handlungsmehrheit auszugehen ist. 53<br />

Das ist ein Gr<strong>und</strong>, warum die Prüfung der <strong>Konkurrenzen</strong> nach<br />

Personen zu gliedern ist.<br />

Einen Bruch mit dieser Regel leistet sich die Rspr 54 für <strong>den</strong><br />

Prozessbetrüger, der einen Zeugen zur Falschaussage anstiftet;<br />

die Falschaussage des Zeugen sei »auch eine Tatausführungshandlung<br />

des Prozessbetrügers«, mithin bestehe zwischen der<br />

Anstiftung <strong>und</strong> dem Betrug <strong>Handlungseinheit</strong>. Das krankt an<br />

zweierlei. Erstens ist die Handlung des Zeugen mitnichten eine<br />

Handlung des Betrügers. Zweitens liegt zwar auch eine »Tatausführungshandlung«<br />

des Betrügers vor, wenn der Zeuge in seiner<br />

Gegenwart falsch aussagt, <strong>und</strong> zwar eine Täuschung durch<br />

Unterlassen als Ingerent. Aber leider geht es gar nicht darum,<br />

inwieweit die Aussage Teil der Täuschung sei, sondern darum,<br />

ob dies für die Anstiftungshandlung gelte. Das ist nicht der Fall;<br />

die Anstiftung bereitet die Täuschung lediglich vor (anders bei<br />

einem gutgläubigen Zeugen: mittelbare Täterschaft!). <strong>Zur</strong> Tateinheit<br />

gelangt man höchstens mit <strong>den</strong> Regeln der Rspr zur natürlichen<br />

<strong>Handlungseinheit</strong>.<br />

43 Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 5 mwN; Mitsch (Fn 2) S 389<br />

44 BGH NStZ 2000, 25 (ebd)<br />

45 BGH NStZ 1989, 20 (ebd); NStZ 1984, 135 (ebd); Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 5<br />

mwN<br />

46 Aus dem StGB etwa §§ 177, 225, 242, 253, 255, 263, 266, 267, 332, 334. Nachw,<br />

auch zu weiteren Tatbestän<strong>den</strong>, bei Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 27; LK-Rissing-van<br />

Saan (Fn 10) Vor §§ 52 ff Rn 49<br />

47 So Kühl (Fn 2) § 21 Rn 27 – 72; LK-Rissing-van Saan (Fn 10) Vor §§ 52 ff Rn 49 mwN<br />

48 Vgl Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 27 mwN; Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 773 ff m<br />

zahlr Nachw dazu, wie Serienstraftaten nunmehr zu bewältigen sind<br />

49 LK-Rissing-van Saan (Fn 10) Vor §§ 52 ff Rn 42<br />

50 BGHSt 38, 165, 166 mwN<br />

51 BGHSt 33, 4, 5<br />

52 Etwa Schönke/Schröder-Stree, 25. Aufl, 1997, Vorbem §§ 52 ff Rn 52 mwN<br />

53 Vgl zur Mittäterschaft BGH wistra 2001, 336, 337; zur mittelbaren Täterschaft BGH<br />

wistra 1999, 23, 24<br />

54 BGHSt 43, 317, 319 f mwN; abl schon Kühl (Fn 2) § 21 Rn 34 mwN<br />

576 JA 2004 · Heft 7

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