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Anlage 4 - RIS

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Datum: 22.09.2011<br />

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Herr Gerhardt<br />

jens.gerhardt@muenchen.de<br />

Seite Referat 1 von für 3 Gesundheit<br />

und Umwelt<br />

Referatsleitung<br />

Stab Recht, Datenschutz,<br />

Antikorruption<br />

RGU-RL-RDA<br />

A. Grundsätzliches<br />

Stellungnahme<br />

den Einsatz von Dolmetschern im Verwaltungsverfahren betreffend<br />

Amtssprache in Deutschland ist die von und vor einer öffentlichen Stelle im Sinne des § 1 Abs.<br />

2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) benutzte Sprache. Gemäß §<br />

23 Abs. 1 BayVwVfG ist die Amtssprache Deutsch. Dabei umfasst die verbindliche<br />

Amtssprache auch die deutsche Umgangssprache und Fachsprache. Die Amtssprache gilt für<br />

den mündlichen wie auch den schriftlichen Verkehr mit Behörden. Daraus folgt, dass jeder<br />

Beteiligte zunächst einen Anspruch darauf hat, dass vor, mit und von den Behörden sowohl<br />

schriftlich als auch mündlich in Deutsch verhandelt und entschieden wird.<br />

B. Fremdsprachiges Vorbringen<br />

1. Allerdings wird vor dem Hintergrund von § 23 Abs. 2-4 BayVwVfG, welche sich mit<br />

fremdsprachlichen Anträgen beschäftigen, der Schluss gezogen, dass der Grundsatz<br />

der Amtssprache dahingehend zu verstehen sei, dass fremdsprachliche Erklärungen<br />

grundsätzlich beachtlich in dem Sinne sind, dass sie entgegengenommen und<br />

bearbeitet werden müssen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,<br />

7. Auflage 2008, § 23 Rn. 30). Somit wird ein fremdsprachiger Antrag als<br />

Willenserklärung mit Zugang bei der Behörde wirksam, soweit er als Antrag erkennbar<br />

ist. Dazu wird ausgeführt, dass es im Ergebnis beispielsweise unerträglich wäre, wenn<br />

das Begehren um eine polizeiliche Hilfsmaßnahme in leicht verständlichem und<br />

verstandenem Englisch allein wegen der Sprache als unbeachtlich und damit nicht<br />

gestellt angesehen würde (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, aaO). Dies kann ebenso bei<br />

anderen gängigen europäischen Sprachen der Fall sein. Daraus wird gefolgert, dass<br />

im Amtsverfahren gegebenenfalls eine fremdsprachliche Mitteilung oder Anregung<br />

schon vor Eingang einer vom Antragsteller beizubringenden Übersetzung zum Anlass<br />

eines Verwaltungsverfahrens genommen werden muss. Die Beurteilung einer solchen<br />

Mitteilung, obwohl sie verstanden worden ist, allein wegen der Sprache als<br />

unbeachtlich, wäre mit der konkreten Pflicht zum Gesetzesvollzug nicht zu vereinbaren<br />

(vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, § 23 Rn. 33).<br />

2. Darüber hinaus hat die Behörde im Verwaltungsverfahren aus § 25 BayVwVfG eine so<br />

genannte Betreuungspflicht. Aus dieser wird folgendes hergeleitet: Verfügt die Behörde<br />

nicht über fremdsprachenkundige Mitarbeiter und beherrscht andererseits der<br />

Beteiligte die deutsche Sprache nicht hinreichend, muss die Behörde im Regelfall nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen versuchen, im Rahmen der Betreuungspflicht das Gewollte<br />

zu ermitteln (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, § 23 Rn. 38). Dies kann einerseits durch die<br />

Vermittlung zu geeigneten Stellen (z.B. Konsulaten) oder etwa durch Merkblätter in<br />

entsprechenden Sprachen erfolgen. Soweit indes ein Dialog erforderlich ist, um das<br />

Gewollte entsprechend den obigen Ausführungen zu ermitteln, somit also allgemeine<br />

Merkblätter ausscheiden und Themenkreise betroffen sind, welche üblicherweise die<br />

Hinzuziehung von Konsulaten etc. verbieten, erscheint insbesondere der Einsatz von


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Dolmetschern sinnvoll.<br />

C. Hinzuziehung von Dolmetschern<br />

Die Hinzuziehung von Dolmetschern, soweit diese für die Verständigung erforderlich ist, wird<br />

im BayVwVfG nicht geregelt. Die für das Strafverfahren einschlägigen Regelungen der<br />

Menschenrechtskonvention (EMRK), welche derartige Regelungen enthält, gelten nicht für das<br />

Verwaltungsverfahren. Indes können andere Regelungen oder deren Rechtsgedanken<br />

herangezogen werden. Im Einzelnen:<br />

1. Für EU-Bürger darf die Sprache in einem anderen Mitgliedsland kein Hindernis sein,<br />

um die ihm zustehenden Grundfreiheiten zu verwirklichen. Insoweit zwingt das<br />

Diskriminierungsverbot jedenfalls insoweit zur Anwendung der Sprache bei dem<br />

Bürger, soweit sie zur Verwirklichung der Grundfreiheiten erforderlich ist.<br />

2. Es kommt auch eine entsprechende Anwendung des § 185 des<br />

Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in Betracht. Dieser lautet für das<br />

Gerichtsverfahren:<br />

(1) Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache<br />

nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Ein Nebenprotokoll in der<br />

fremden Sprache wird nicht geführt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in<br />

fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die<br />

Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in<br />

das Protokoll oder in eine <strong>Anlage</strong> niedergeschrieben werden. In den dazu<br />

geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu<br />

beglaubigende Übersetzung beigefügt werden.<br />

(2) Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die beteiligten<br />

Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind.<br />

Diesbezüglich wird angenommen, dass die oben beschriebene Pflicht allerdings nicht<br />

für das Verwaltungsverfahren generell gilt, sondern zu diesem Zweck zu modifizieren<br />

ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, § 23 Rn. 42).<br />

Dazu lässt sich auch der so genannte Fair Trial Grundsatz (Grundsatz des fairens<br />

Verfahrens) heranziehen, der es verbietet, den Menschen zum Objekt des Verfahrens<br />

zu machen. Die Sachverhaltsermittlungspflicht verlangt, das Vorbringen des am<br />

Verfahren beteiligten Ausländers auf Grund einer Übersetzung vollständig zur Kenntnis<br />

zu nehmen, insoweit wird § 185 GVG auch als Ausgestaltung der Gewähr rechtlichen<br />

Gehörs verstanden (Stelkens/Bonk/Sachs, aaO).<br />

3. Letzterer Gedanke liegt in abgewandelter Form auch der von deutschen Gerichten<br />

praktizierten Rechtsprechung zu Grunde, nach welcher für die Erteilung einer korrekten<br />

Einwilligung im Rahmen medizinischer Behandlungen (Operationen etc.) verlangt wird,<br />

dass auch ausländische Patienten mit Sprachschwierigkeiten gegebenenfalls in ihrer<br />

eigenen Sprache, oder einer Sprache, die sie verstehen, aufgeklärt werden (vgl. dazu


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D. Ergebnis<br />

im Einzelnen Andreas Spickhoff, Spezielle Patientenrechte für Migranten? Juristische<br />

und rechtsethische Überlegungen, in: Migration und Gesundheit,<br />

Tagungsdokumentation der Jahrestagung des Deutschen Ethikrates 2010, S. 59 ff).<br />

Daraus lässt sich mit guten Argumenten der Schluss ziehen, dass insbesondere im<br />

Rahmen medizinischer Gespräche oder vergleichbarer Aufklärungs- und<br />

Beratungsarbeit der einwandfreien sprachlichen Verständigung ein besonders hoher<br />

Stellenwert beizumessen ist.<br />

Folglich streiten verschieden Grundsätze mit guten Argumenten für ein Erfordernis des<br />

Einsatzes von Dolmetschern im Verwaltungsverfahren. Im Bereich der medizinischen<br />

Beratung und Betreuung ist die besondere Bedeutung der sprachlich einwandfreien<br />

Verständigung anerkannt. Insbesondere in Situationen, in welchen die Arbeit mit Merkblättern<br />

etc. in der jeweiligen Sprache aufgrund der Situation - etwa bei Beratungen zu individuellen<br />

medizinischen Themen - nicht möglich, die Sprache aber von besonderer Bedeutung ist, lässt<br />

sich mit den genannten Grundsätzen die Erforderlichkeit des Einsatzes von<br />

Dolmetscherleistungen im Verwaltungsverfahren unterstreichen.<br />

Dies muss in besonderem Maße für den Beratungsauftrag des RGU gelten, soweit er sich<br />

insbesondere auf sozial benachteiligte, besonders belastete und schutzbedürftige Personen<br />

richtet (Art. 13 GDVG). Nicht zuletzt gedingen die Aufgaben für den Schutz der Gesundheit<br />

von Kindern und Jugendlichen (Art. 14 GDVG) erhöhte Anforderungen an einwandfreie<br />

Verständigung und Verbindlichkeit, z.B. bei gewichtigen Anhaltspunkten für<br />

Kindeswohlgefährdungen, die ggf. Dolmetschereinsätze erforderlich machen.

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