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Referat anlässlich der Veranstaltung „Uni im Dialog“ am Mittwoch, 25. Mai 2005,<br />
19.00 Uhr in der Universitätskirche St. Petri zu Lübeck<br />
„<strong>Aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Leben</strong> <strong>eines</strong> Mentors in der Universitätsstadt Lübeck“<br />
Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλὰ<br />
Diesen Vers kennt natürlich jeder, den ersten Satz aus der Odyssee des Homer.<br />
Dass nach diesem Satz in <strong>dem</strong> Epos aber noch einige tausende weitere kommen, ist<br />
schon weniger bekannt. Doch gerade in diesen Versen steckt viel Wissenswertes für<br />
einen Professor, der ein Mentorenamt übernehmen soll.<br />
Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
So richtig klar war mir im Jahre 1997 eigentlich nicht, was in einer solchen<br />
Mentorengruppe passieren könnte und so habe ich angefangen, nach Informationen<br />
zu suchen.<br />
Glücklicherweise findet sich in der Literatur eine detaillierte Beschreibung für meine<br />
damals neue Funktion. Man muss allerdings einige Jahrtausende zurückblicken;<br />
dann kommen die Anregungen für den frischgebackenen Nachfolger von Mentor<br />
aber aus göttlicher Hand:<br />
Die blauäugige Göttin Athene selbst gibt sich die Gestalt und die Stimme von<br />
Mentor, <strong>dem</strong> Freund des Odysseus. Mentor war während des Troianischen Feldzugs<br />
der Griechen in Ithaka geblieben und war dort ein väterlicher Freund für Telemach,<br />
den Sohn des Odysseus und der Penelope. Im zweiten Lied der Odyssee findet sich<br />
dann im 267. Vers folgende Stelle über Telemach:<br />
Ihm nahte sich Pallas Athene,<br />
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.<br />
Und sie redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:<br />
jetzt im Original von Homer<br />
"Τηλέμαχ', οὐδ' ὄπιθεν κακὸς ἔσσεαι οὐδ' ἀνοήμων·
Auf deutsch<br />
Jüngling, du musst dich hinfort nicht feige betragen noch töricht!<br />
Meine Verantwortung für die charakterliche Bildung meiner<br />
Mentorengruppenmitglieder war mir nun also klar. Natürlich habe ich mir erlaubt die<br />
fast drei Jahrtausende alte Dichtung dahingehend zu interpretieren, dass die<br />
<strong>Aus</strong>sage nicht nur für Jünglinge sondern auch für Damen Geltung haben muss.<br />
Mein Plan war schnell gefasst. Ich fragte mich, wo eine solche Charakterschulung<br />
erfolgen kann und ich fand die Lösung der Ortsfrage in der Lübecker Gastronomie.<br />
Wir verabredeten uns im Alten Zolln und hatten einen schönen gemeinsamen<br />
Abend. So richtig ließen sich alle Fragen aber nicht klären und ich suchte in meiner<br />
literarischen Grundlage nach weiteren Erhellungen und musste erkennen, dass ich<br />
einen wichtigen Hinweis übersehen hatte, der etwas später im zweiten Lied steht.<br />
Dort werden Mentor wegen seinen Ideen Vorwürfe gemacht und zwar von seinen<br />
Mentorengruppenmitgliedern, diese werden in der Odyssee „Freier“ genannt. Einer<br />
aus dieser Gruppe sagt dort:<br />
Mentor, du Schadenstifter von törichtem Herzen, was sprachst du<br />
da vor Lästerung aus, und befahlst, uns Freier zu zähmen?<br />
Jetzt wieder im homerischen Original:<br />
ἀνδράσι καὶ πλεόνεσσι μαχέσσασθαι περὶ δαιτί.<br />
zu deutsch<br />
Schwer, auch mehreren, ist der Kampf mit schmausenden Männern!<br />
Mir wurde klar, nur in Lokalen sich zu treffen kann nicht alles sein. Wir planten daher<br />
weitere Veranstaltungen, wie eine Radtour oder Kanufahrt.<br />
Es haben sich im Verlauf der Zeit ein guter <strong>Aus</strong>tausch und viele Kooperationen<br />
ergeben.<br />
• Martin Opitz konnte mir bei einem wichtigen Projekt hervorragend mit seinen<br />
perfekten Spanischkenntnissen helfen.<br />
• Ich bekam viel mit, was Studierende an Dozenten so alles fürchterlich nervt oder<br />
auch begeistert und konnte danach meine Lehrtätigkeit verändern
• und ich hatte das Glück, dass eine ganze Gruppe von Gruppenmitgliedern<br />
hervorragende Musiker waren und sind. Nicht wenige sitzen auch gerade im<br />
Moment hier im Uniorchester.<br />
• Ich konnte Studierenden aus der Vorklinik Einblicke in die Klinik verschaffen,<br />
• Famulaturen bis hin nach Südafrika haben sich vermitteln lassen<br />
• Promotionsprojekte ließen sich entwickeln<br />
• Und einige Studierende ließen sich sogar zentrifugieren - in der<br />
Jetpilotenausbildungsanlage der Bundeswehr in Königsbrück<br />
Das wichtigste Ziel dieser schönen Gruppenbildung lässt sich aber wieder der<br />
Odyssee entnehmen. Nach den jahrelangen Kämpfen im dornenreichen <strong>Leben</strong>slauf<br />
von Odysseus kommt noch einmal die Göttin Athene wiederum in der Gestalt des<br />
Mentor zu einem Schlusswort. In den letzten Versen des Epos steht die Vision der<br />
Göttin und von dieser Vision soll auch das Verhältnis von Studierenden und<br />
Dozenten im Angesicht des Kampfes im täglichen <strong>Leben</strong> geprägt sein:<br />
Also sprach sie, und freudig gehorcht' Odysseus der Göttin.<br />
Zwischen ihm und <strong>dem</strong> Volk erneuete jetzo das Bündnis<br />
Pallas Athene, die Tochter des wetterleuchtenden Gottes,<br />
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme<br />
Efcharisto