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Wuppertal 1968 - Facetten von Protest und Aufbruch ... - 40 Jahre 68

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<strong>Wuppertal</strong> <strong>19<strong>68</strong></strong> -<br />

<strong>Facetten</strong> <strong>von</strong> <strong>Protest</strong> <strong>und</strong> <strong>Aufbruch</strong><br />

im Bergischen Land<br />

BEWEGTE ZEITEN: EINE CHRONIK DER JAHRE 1967 – 1969 IN WUPPERTAL<br />

Das Jahr <strong>19<strong>68</strong></strong> markiert den Höhepunkt der außerparlamentarischen Oppositionsbewegungen in Deutschland. Auch in <strong>Wuppertal</strong> ist es die Zeit der intensivsten Mobilisierung aller Gruppen <strong>und</strong> Initiativen. Mit der bevorstehenden<br />

Entscheidung im B<strong>und</strong>estag nehmen die <strong>Protest</strong>e gegen die Notstandsgesetze zu. Seit Beginn des <strong>Jahre</strong>s kommt es zu immer wieder zu <strong>Protest</strong>aktionen <strong>und</strong> Demonstrationen gegen die Pläne der B<strong>und</strong>esregierung, an denen<br />

sich alle außerparlamentarischen Gruppen, die Gewerkschaften, viele StudentInnen <strong>und</strong> auch SchülerInnen beteiligen. Auch die Hochschulen sind in Bewegung. Die in der APO praktizierten <strong>Protest</strong>formen strahlen sogar in<br />

eher »unpolitische« Fachbereiche aus. An den Ingenieurschulen formiert sich im Führsommer eine eigene Streikbewegung <strong>und</strong> auch die SchülerInnen der Sozialschulen beschließen den Ausstand. Aber auch der Zerfall der<br />

APO zeichnet sich bereits ab. Schon zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s - nach dem Internationalen Vietnam-Kongress in Berlin - machen sich in der Anti-Notstands-Bewegung deutliche Differenzen über die politische Ausrichtung <strong>und</strong> Stragie<br />

bemerkbar, die nach der Verabschiedung der Notstandsgesetze zum endgültigen Zerfall des Bündnisses führen.<br />

<strong>19<strong>68</strong></strong><br />

31. Dezember / 1. Januar<br />

In der Sylvesternacht werden an sieben<br />

Kirchen Parolen mit Ölfarbe angebracht.<br />

»Brecht dem Klerus die Gräten,<br />

alle Macht den Räten« - »Christus<br />

kämpft mit dem Vietcong«. Die Ermittlungen<br />

der Staatsanwaltschaft bleiben<br />

erfolglos <strong>und</strong> werden bereits am 23.<br />

Januar wieder eingestellt.<br />

12. Januar<br />

SchülerInnen protestieren gegen die zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s in Kraft getretene<br />

Fahrpreiserhöhung. Das Plenum des Schülerparlamentes lehnt den <strong>von</strong> den Verkehrsbetrieben<br />

<strong>und</strong> der Stadtverwaltung angebotenen Kompromiss ab <strong>und</strong><br />

droht mit WSW-Boykott <strong>und</strong> Demonstrationen. Nach weiteren Verhandlungen<br />

wird am 16. Februar ein ermäßigter Schülertarif angeboten. Am 19. billigt das<br />

Schülerparlament das Angebot <strong>und</strong> verzichtet auf Demonstrationen.<br />

28. Januar<br />

Beim Sonntagsgottesdienst verteilen StudentInnen der Kirchlichen Hochschule<br />

10.000 Flugblätter gegen den Krieg in Vietnam an die BesucherInnen <strong>von</strong> über<br />

dreißig Kirchen. Mit den Informationen sollen diese angeregt werden, sich mit<br />

dem Krieg <strong>und</strong> der Verantwortung der christlichen Gemeinden auseinander zu<br />

setzen. Die Aktion ist auch eine Reaktion auf den Vorwurf, die Kirchen verhielten<br />

sich zu gleichgültig <strong>und</strong> untätig gegenüber dem Krieg.<br />

NRZ 20.01.<strong>68</strong><br />

28. Januar<br />

Bei der Auftaktveranstaltung der Kampagne für<br />

Abrüstung <strong>und</strong> Demokratie treten Professor Walter<br />

Fabian <strong>und</strong> Arno Klönne vor 1.500 TeilnehmerInnen<br />

als Hauptredner auf. Im Anschluss an die Veranstaltungen<br />

kommt es bei einem Fackelzug zu<br />

Auseinandersetzungen mit der Polizei nachdem<br />

die 1.000 TeilnehmerInnen des am Neumarkt die<br />

genehmigte Route verlassen. Einh<strong>und</strong>ert meist jugendliche<br />

DemonstrantInnen unternehmen ein Go-<br />

In im Elberfelder Rathaus.<br />

13. Februar<br />

Aus <strong>Protest</strong> gegen die geplante Akademiegesetzgebung<br />

treten die sechzig Studierenden der Höheren Fachschule für Sozialarbeit<br />

in einen eintägigen Vorlesungsstreik. Weitere <strong>Protest</strong>e werden angekündigt.<br />

6. März<br />

14 Angehörige <strong>von</strong> Naturfre<strong>und</strong>e-Jugend, Gewerkschaften, SDS, der Kampagne<br />

für Demokratie <strong>und</strong> Abrüstung sowie ein nicht organisierter Schüler rufen den<br />

örtlichen Gründungsausschuss für die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend<br />

(SDAJ) ins Leben. Die Gründung der SDAJ erfolgt am 5. Mai in Trier.<br />

30. März<br />

Zwanzig mit Wasserpistolen ausgerüstete<br />

APO-DemonstrantInnen sprengen die Abschlussk<strong>und</strong>gebung<br />

des Kreisparteitages<br />

der CDU. Mit lautstarken Zwischenrufen<br />

wird die Rede des B<strong>und</strong>esministers Kai<br />

Uwe <strong>von</strong> Hassel gestört. Nach einem Handgemenge<br />

mit Ordnern <strong>und</strong> CDU-Mitgliedern<br />

rückt die Polizei an.<br />

11. April<br />

In Berlin wird Rudi Dutschke durch ein Attentat des neonazistisch beeinflussten<br />

Josef Bachmann lebensgefährlich verletzt. Am Abend beginnen 2.000 StudentInnen<br />

das Springer-Hochhaus zu stürmen <strong>und</strong> in den folgenden Tagen kommt<br />

es in der gesamten B<strong>und</strong>esrepublik zu Versuchen, die Auslieferung <strong>von</strong> Springer-Zeitungen<br />

zu verhindern. In Washington, New York, Toronto, London, Amsterdam,<br />

Brüssel, Paris, Mailand, Tel Aviv, Belgrad, Oslo, Prag <strong>und</strong> Wien finden<br />

NRZ 13.04.<strong>68</strong><br />

FOTO: General-Anzeiger 02.01.<strong>68</strong><br />

Handgemenge beim CDU-Parteitag<br />

FOTO: General-Anzeiger 01.04.<strong>68</strong><br />

Solidaritätsk<strong>und</strong>gebungen statt.<br />

In <strong>Wuppertal</strong> verlaufen die <strong>Protest</strong>e<br />

ruhig. In der Nacht zum<br />

Karfreitag werden Geschäftsgebäude<br />

in der Elberfelder Innenstadt<br />

mit Parolen beschrieben.<br />

Am Nachmittag versammeln<br />

sich dreißig DemonstrantInnen<br />

in der Innenstadt <strong>und</strong> verteilen<br />

Flugblätter. Symbolisch werden<br />

Zeitungen verbrannt.<br />

21. April<br />

Die Gruppe 65 veranstaltet in Barmen einen Autokorso, mit dem gegen den<br />

Krieg in Vietnam protestiert werden soll. Zwanzig Autos, zum Teil mit Plakaten<br />

versehen, beteiligen sich an der Aktion, die <strong>von</strong> starken Polizeikräften begleitet<br />

wird. Anschließend findet auf dem Ratshausvorplatz eine K<strong>und</strong>gebung statt, zu<br />

der sich 100 DemonstrantInnen einfinden <strong>und</strong> den Reden <strong>von</strong> Vertretern der<br />

Gruppe 65, dem SDS <strong>und</strong> dem Ostermarsch zuhören.<br />

25. April, Düsseldorf<br />

700 <strong>Wuppertal</strong>er Studierende der Staatlichen Ingenieurschulen <strong>Wuppertal</strong> beteiligen<br />

sich an der Großk<strong>und</strong>gebung gegen die Akademiegesetzgebung in Düsseldorf.<br />

26. April<br />

DemonstratInnen vor der NPD-Versammlung<br />

im »<strong>Wuppertal</strong>er Hof«<br />

FOTO: NRZ 03.05.<strong>68</strong> / ANNETTE ZELDLER<br />

3. Mai<br />

Go-in <strong>von</strong> 200 Ingenieurstudenten<br />

auf den Schreinerswiesen am Grifflenberg.<br />

1. Mai<br />

50 DemonstrantInnen verhindern<br />

die »Anti-Mai-Feier« der NPD in Barmen.<br />

Zuvor war auf der gewerkschaftlichen<br />

Maifeier in der Stadthalle<br />

zum Widerstand aufgerufen<br />

worden.<br />

Die Studierenden der Höheren Fachschule für Sozialarbeit treten in einen unbefristeten<br />

Vorlesungsstreik. In NRW wird an insgesamt 15 Sozialschulen gestreikt.<br />

11. Mai, Bonn:<br />

An dem vom Kuratorium Notstand der<br />

Demokratie durchgeführten Sternmarsch<br />

auf Bonn beteiligen sich über<br />

60.000 DemonstrantInnen aus der gesamten<br />

B<strong>und</strong>esrepublik – darunter<br />

800 Menschen aus <strong>Wuppertal</strong>. In Dortm<strong>und</strong><br />

versammeln sich 15.000 GewerkschafterInnen zu einer K<strong>und</strong>gebung.<br />

15. - 30. Mai<br />

Anlässlich der zweiten <strong>und</strong> dritten Lesung der Notstandsgesetze im B<strong>und</strong>estag<br />

finden in <strong>Wuppertal</strong> eine Reihe <strong>von</strong> Anti-Notstands-Aktionen statt, an denen sich<br />

SchülerInnen, StudentInnen, HochschullehrerInnen <strong>und</strong> GewerkschafterInnen<br />

beteiligen.<br />

NRZ 07.07.<strong>68</strong><br />

16. Mai<br />

Gründung der Sozialistischen<br />

Schülergemeinschaft<br />

<strong>Wuppertal</strong>.<br />

21. Mai<br />

in<br />

Gründung des Republikanischen<br />

Club <strong>Wuppertal</strong> e.V.. Am 28. Mai wird die »Republikanische Erklärung 1« veröffentlicht<br />

<strong>und</strong> »Information«, »Diskussion« <strong>und</strong> »Aktion« als zentrale Aufgaben<br />

der außerparlamentarischen Arbeit benannt.<br />

25. Mai<br />

Nach mehrwöchiger Renovierungsphase eröffnet das neue Aktionszentrum Impuls<br />

in der Arrenberger Viehhofstraße 154a. Das Impuls entwickelt sich zum<br />

zenralen Kommunikations- <strong>und</strong> Aktionsraum<br />

der politischen, sozialen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Bewegungen in<br />

<strong>Wuppertal</strong> <strong>und</strong> Umgebung.<br />

5. Juni<br />

Obwohl eine in der Stadthalle geplante<br />

Großveranstaltung der NPD<br />

nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes<br />

Münster kurz-<br />

Diskussionen in Elberfeld nach dem Attentat auf Dutschke<br />

FOTO: Genral-Anzeiger 13.04.<strong>68</strong><br />

TeilnehmerInnen des Sternmarschs auf Bonn<br />

FOTO: NRZ 13.05.<strong>68</strong><br />

FOTO: NRZ 06.06.<strong>68</strong><br />

fristig abgesagt wird, demonstrieren 1.000 <strong>Wuppertal</strong>erInnen gegen die Neo-<br />

Nazis. Im Anschluss kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen NPD-Anhängern<br />

<strong>und</strong> 100 verbliebenen AntifaschistInnen<br />

11. Juni<br />

Bei der bis dahin größten StudentInnen-Demonstration legen 800 Studierende<br />

der Ingenieurschulen mit zwei Sit-ins den Verkehr an der Kreuzung Brausenwerth<br />

lahm. Auf Transparenten wird der Rücktritt <strong>von</strong> Kultusminister Holthof gefordert.<br />

Ein starkes Polizeiaufgebot räumt die Kreuzung.<br />

19. Juni<br />

Die Vollversammlung der IngenieurstudentInnen beschließt mit großer Mehrheit<br />

den Prüfungs- <strong>und</strong> Klausurenboykott.<br />

18. August<br />

Zum 12. <strong>Jahre</strong>stag des KPD-Verbotes fordern acht Demonstranten in der Elberfelder<br />

Innenstadt die Wiederzulassung der Partei. Am Neumarkt werden sie<br />

festgenommen <strong>und</strong> im Polizeipräsidium erkennungsdienstlich behandelt.<br />

21. August<br />

Truppen der Sowjetunion,<br />

der<br />

DDR, Ungarns, Polens<br />

<strong>und</strong> Bulgariens<br />

besetzen in<br />

der Nacht zum 21.<br />

NRZ 21.08.<strong>68</strong><br />

8. die CSSR. Am<br />

Nachmittag demonstrieren<br />

3.000 SchülerInnen vor dem Barmer Haus der Jugend. In den nächsten<br />

Tagen kommt es immer wieder zu K<strong>und</strong>gebungen in der Stadt.<br />

30. August<br />

Die ursprünglich bereits für den 24. geplante Gründung des Ortsverbandes der<br />

Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) findet mit 80 Personen im Aktionszentrum<br />

Impuls statt.<br />

12.-16. September, Frankfurt<br />

Auf der 23. Delegiertenkonferenz des SDS werden fünf Mitglieder des traditionalistischen<br />

KP-Flügels - darunter der <strong>Wuppertal</strong>er SDS-Vorsitzende - ausgeschlossen<br />

weil sie gegen die Aktionseinheit des Verbandes vertoßen hatten.<br />

22./23. September<br />

Die APO sprengt mehrere<br />

Vorführungen des kriegsverherrlichenden<br />

Vietnam-Films<br />

»Die grünen<br />

Teufel«. Im Kino kommt<br />

es zu Schlägereien mit<br />

NRZ 24.09.<strong>68</strong><br />

dem Publikum <strong>und</strong> Verhaftungen. Am zweiten Tag der <strong>Protest</strong>e wird der Film aus<br />

dem Programm genommen.<br />

2. Oktober<br />

Die <strong>Wuppertal</strong>er Kreisgruppe der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)<br />

wird gegründet. Ende des Monats sind bereits 280 Mitglieder verzeichnet. In allen<br />

Stadtteilen bestehen Ortsausschüsse, ein Studentenausschuss ist geplant.<br />

8. November<br />

Weil den Vertretern des SDS ein Redebeitrag bei der Immatrikulationsfeier der<br />

Pädagogischen Hochschule versagt wird, initiieren sie eine »Gegenimmatrikulation«.<br />

19. November<br />

Die für den Abend in der Aula des Gymnasiums Sedanstraße geplante Aufführung<br />

des Kölner Kabaretts Floh de Cologne scheitert an massiven <strong>Protest</strong>en aufgebrachter<br />

Lehrer <strong>und</strong> Eltern.<br />

6. Dezember<br />

Nachdem eine ursprünglich in einer<br />

Gaststätte geplante Versammlung der<br />

Rechtsextremen an einen geheimen Ort<br />

verlegt wurde, demonstrieren AntifaschistInnen<br />

vor dem Büro der NPD auf<br />

der Markomannenstraße.<br />

FOTO: NRZ 07.12.<strong>68</strong><br />

12. Dezember<br />

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes versuchen, ein Vorstandsmitglied der<br />

Jungsozialisten als V-Mann zum Bespitzeln der linken Szene zu gewinnen. Zu<br />

dem für den 19. Dezember verabredeten Treffen in einer Gaststätte wird ein Reporter<br />

der Neuen Rhein Zeitung bestellt, der den Anwerbeversuch der Schlapphüte<br />

umgehend publik macht.<br />

konzept | text | gestaltung<br />

sven steinacker 2008

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