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Wuppertal 1968 - Facetten von Protest und Aufbruch ... - 40 Jahre 68

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<strong>Wuppertal</strong> <strong>19<strong>68</strong></strong> -<br />

<strong>Facetten</strong> <strong>von</strong> <strong>Protest</strong> <strong>und</strong> <strong>Aufbruch</strong><br />

im Bergischen Land<br />

»GEGEN DIE GESELLSCHAFT DER BLOCKWARTE« – DIE NOTSTANDSGESETZE<br />

Im Januar 1960 gibt Innenminister Gerhard Schröder (CDU) den Entwurf der B<strong>und</strong>esregierung für ein Notstandsgesetz bekannt – <strong>und</strong> löst damit eine Welle <strong>von</strong><br />

<strong>Protest</strong>en aus, die in einer der zentralen Kampagnen der APO in der B<strong>und</strong>esrepublik mündet. Seit Mitte der sechziger <strong>Jahre</strong> werden die Notstandsgesetze auch<br />

in <strong>Wuppertal</strong> kritisch diskutiert. Nach dem Tod Benno Ohnesorgs, der <strong>von</strong> vielen AktivistInnen als Folge eines »nicht erklärten Notstands« betrachtet wird, weiten<br />

sich die <strong>Protest</strong>e aus. Neben dem DGB <strong>und</strong> dem im September 1967 gegründeten Kuratorium Notstand der Demokratie bilden StudentInnen <strong>und</strong> SchülerInnen<br />

den aktiven Kern der Anti-Notstands-Opposition. Im Mai <strong>19<strong>68</strong></strong> - anlässlich der entscheidenden Lesungen des Gesetzes im B<strong>und</strong>estag - erreicht die Kampagne<br />

ihren Höhepunkt.<br />

Der DGB gegen den Notstand<br />

Der <strong>Wuppertal</strong>er DGB, der bereits 1965 <strong>und</strong> 1966<br />

seine ablehnende Haltung erklärt hat, gehört zu<br />

den Hauptinitiatoren der lokalen Opposition gegen<br />

das Gesetzesvorhaben. Am 10. Juni, dem Tag nach<br />

der Beerdigung Ohnesorgs in Hannover, versammeln<br />

sich 1.300 FunktionärInnen der Gewerkschaft<br />

in der Stadthalle <strong>und</strong> erneuern unter dem Eindruck<br />

der Berliner Ereignisse ihr klares »Nein« zu den<br />

Notstandsgesetzen. Die B<strong>und</strong>esrepublik dürfe nicht<br />

zum »Niemandsland einer machtbesessenen Gruppe«<br />

werden. Noch im selben Monat wird ein 25-köpfiger<br />

Ausschuß Notstandsgesetzgebung gebildet,<br />

der sich für die Verteidigung der »Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong><br />

der Prinzipien des Gr<strong>und</strong>gesetzes« einsetzen <strong>und</strong> die<br />

Gewerkschaftsmitglieder über die Pläne der Regierung <strong>und</strong> die möglichen Folgen informieren<br />

will. Mit Beginn des <strong>Jahre</strong>s <strong>19<strong>68</strong></strong> wird auch die Öffentlichkeit in die gewerkschaftliche<br />

Notstandskampagne einbezogen.<br />

Das Kuratorium Notstand der Demokratie<br />

Am 18. September konstituiert sich 1967 das Kuratorium Notstand der Demokratie als<br />

Aktionsbündnis gegen die Notstandgesetzgebung. Im ersten Aufruf erklären die Initiatoren,<br />

dass sie der »weiteren Aushöhlung des Gr<strong>und</strong>gesetzes <strong>und</strong> der weiteren Militarisierung<br />

nicht schweigend zusehen« wollen <strong>und</strong> rufen die <strong>Wuppertal</strong>er Bevölkerung<br />

auf, sich umgehend über »die unsere freiheitlich-demokratische Gr<strong>und</strong>ordnung bedrohenden<br />

Notstandsgesetze« zu informieren. Mit deutlichem Fingerzeig auf die Nazi-<br />

Zeit heißt es: »Niemand<br />

soll sagen können, er<br />

habe nichts gewußt<br />

<strong>und</strong> nichts tun können.«<br />

Zu den Kernaktivitäten<br />

des Vorstands gehört<br />

in den folgenden Wochen<br />

<strong>und</strong> Monaten vor<br />

allem die Organisation <strong>von</strong><br />

Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Diskussionen mit denen die Bevölkerung für das<br />

Thema zu sensibilisiert oder im Idealfall sogar zur einer kritischen Haltung bewegt<br />

werden soll. Die Stellungnahmen des Kuratoriums werden gezielt an ÄrztInnen, LehrerInnen<br />

<strong>und</strong> KünstlerInnen verschickt <strong>und</strong> an den Werktoren <strong>Wuppertal</strong>er Betriebe verteilt.<br />

Nicht ohne Erfolg: Bis Ende des <strong>Jahre</strong>s schließen sich r<strong>und</strong> 150 Menschen - darunter<br />

viele PädagogInnen, GewerkschafterInnen, TheologInnen <strong>und</strong> StudentInnen -<br />

dem Aufruf an <strong>und</strong> erklären sich bereit, im Kuratorium mitzuarbeiten.<br />

Der Höhepunkt der <strong>Protest</strong>e im Mai <strong>19<strong>68</strong></strong><br />

Ihren Höhepunkt findet die <strong>Wuppertal</strong>er Anti-Notstandsbewegung im Mai <strong>19<strong>68</strong></strong> mit der<br />

zweiten <strong>und</strong> dritten Lesung der Gesetze im B<strong>und</strong>estag. Zu einem b<strong>und</strong>esweiten Großereignis<br />

gehört der für den 11. Mai angesetzten<br />

Sternmarsch auf Bonn. In <strong>Wuppertal</strong><br />

beteiligen sich alle namhaften Gruppen der<br />

APO am Organisationskomitee 11. Mai <strong>68</strong>.<br />

Auch die StudentInnen der Pädagogischen<br />

Hochschule beschließen auf einer Vollversammlung<br />

mit überwältigender Mehrheit ihre<br />

Broschüre des DGB zur Notstandsgesetzgebung<br />

QUELLE: Stadtarchiv <strong>Wuppertal</strong>,<br />

Sammlung van Norden (NDS 221, 3-5)<br />

Das Kuratorium lädt zur Podiumsdiskussion mit den<br />

<strong>Wuppertal</strong>er B<strong>und</strong>estagsabgeordenten<br />

QUELLE: Stadtarchiv <strong>Wuppertal</strong>, Sammlung van Norden (NDS 221, 3-5)<br />

Mobilisierung für den Sternmarsch auf Bonn<br />

QUELLE: Stadtarchiv <strong>Wuppertal</strong>, Sammlung van Norden<br />

(NDS 221, 3-5)<br />

Teilnahme am Sternmarsch. Obwohl es zunächst<br />

so aussieht, als ob die Demonstrationsaufrufe<br />

nur wenig Resonanz finden,<br />

ist die Mobilisierung beachtlich:<br />

R<strong>und</strong> 800 <strong>Wuppertal</strong>erInnen beteiligen<br />

sich an der Großk<strong>und</strong>gebung im<br />

Bonner Hofgarten. Gleichzeitig mobilisiert<br />

der DGB 15.000 Mitglieder<br />

zu einer K<strong>und</strong>gebung in Dortm<strong>und</strong>.<br />

Schüler diskutieren vor dem Barmer Rathaus, 24.04.<strong>68</strong><br />

FOTO: NRZ 25.05.<strong>68</strong><br />

Während der zweiten Lesung der Notstandsgesetze<br />

(16. Mai) beschließen die<br />

Studierenden der <strong>Wuppertal</strong>er Hochschulen,<br />

sämtliche Lehrveranstaltungen<br />

zu bestreiken. Am Vormittag versammeln<br />

sich die StudentInnen zu einem mehrstündigen<br />

Teach-In <strong>und</strong> am Nachmittag<br />

werden in der Innenstadt Flugblätter an die PassantInnen verteilt. Auch an den Schulen<br />

beginnt die Mobilisierung. Die Schülermitverwaltung der Kaufmännischen Unterrichtsanstalten<br />

organisiert eine Diskussionsveranstaltung<br />

mit den <strong>Wuppertal</strong>er<br />

B<strong>und</strong>estagsabgeordneten <strong>und</strong> am Carl-<br />

Duisberg-Gymnasium findet gegen die<br />

Vorbehalte der Lehrer ein Teach-in statt,<br />

auf dem konkrete Aktionen beraten werden.<br />

Später versammeln sich die SchülerInnen<br />

vor dem Barmer Rathaus, um mit<br />

PassantInnen über die Gesetze zu diskutieren.<br />

Die letzte R<strong>und</strong>e im Widerstand wird mit<br />

der dritten Lesung eingeläutet. Am Abend<br />

Schülerdemonstration in Elberfeld, 29.05.<strong>68</strong><br />

FOTO: General-Anzeiger 29.05.<strong>68</strong><br />

eingeleitet. Schließlich sind es am 29. wieder<br />

SchülerInnen, die auf die Straße gehen. Auf<br />

Initiative der Sozialistischen Schülergemeinschaft<br />

boykottiert ein Teil der OberstufenschülerInnen<br />

den Unterricht <strong>und</strong> demonstriert<br />

ein letztes Mal in der Elberfelder Innenstadt.<br />

Die Transparente der 200 <strong>Protest</strong>ierenden<br />

zeigen an, worum es ihnen geht:<br />

»Schützt die Verfassung vor dem Notstand«<br />

oder noch deutlicher »heute Notstand, morgen<br />

Diktatur«. Die Schulleitungen zeigen<br />

des 27. Mai erhalten die B<strong>und</strong>estagsabgeordneten<br />

Matthes (SPD), Herberts<br />

(SDP) <strong>und</strong> Schmidt (CDU) unerwarteten<br />

Besuch. Am Abend ziehen<br />

120 DemonstrantInnen zu ihren<br />

Wohnungen <strong>und</strong> fordern sie<br />

auf (»Stimmen Sie mit Nein, Herr<br />

Matthes!«), in der entscheidenden<br />

Sitzung gegen die Notstandsgesetze<br />

zu stimmen. Da die K<strong>und</strong>gebung<br />

nicht angemeldet sind, werden<br />

Strafverfahren gegen einige TeilnehmerInnen<br />

deutlich, wie sie zum demokratischen Engagement<br />

stehen. Die beteiligten Schüler erhalten einen Verweis <strong>und</strong> Arrest.<br />

Am 30. Mai wird das »Gesetz zur Änderung des Gr<strong>und</strong>gesetzes« mit großer Mehrheit<br />

im B<strong>und</strong>estag verabschiedet.<br />

Diskussionen <strong>und</strong> Unterschriftensammlung in Barmen<br />

FOTO: NRZ 16.05.<strong>68</strong> / GERD HENSEL<br />

Besuch bei den <strong>Wuppertal</strong>er Abgeordneten, 27.05.<strong>68</strong>,<br />

FOTO: General-Anzeiger 28.05.<strong>68</strong><br />

SchülerInnen-Streik gegen Notstandsgesetze,<br />

29.05.<strong>68</strong><br />

FOTO: General-Anzeiger 30.05.<strong>68</strong><br />

konzept | text | gestaltung<br />

sven steinacker 2008

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