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Wuppertal 1968 - Facetten von Protest und Aufbruch ... - 40 Jahre 68

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<strong>Wuppertal</strong> <strong>19<strong>68</strong></strong> -<br />

<strong>Facetten</strong> <strong>von</strong> <strong>Protest</strong> <strong>und</strong> <strong>Aufbruch</strong><br />

im Bergischen Land<br />

StudentInnen in Bewegung<br />

Bis in die sechziger <strong>Jahre</strong> hinein spielt Politik bei den <strong>Wuppertal</strong>er Studierenden keine große Rolle. Erst nach der Erschießung Benno Ohnesorgs politisieren<br />

sich die <strong>Wuppertal</strong>er StudentInnen zunehmend. Sie fordern das politische Mandat für die Studentenschaften, setzen sich für die Demokratisierung der Lehranstalten<br />

<strong>und</strong> den Abbau der autoritären Strukturen ein. Viele <strong>von</strong> ihnen beteiligen sich an den <strong>Protest</strong>en gegen den Krieg in Vietnam, die Notstandsgesetze <strong>und</strong><br />

die NPD. Mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenb<strong>und</strong> (SDS) konstituiert sich Ende 1967 zum ersten Mal eine Hochschulgruppe mit klarer gesellchaftspolitischer<br />

Ausrichtung. Parallel dazu verändern sich die Formen der studentischen Auseinandersetzungen: Demonstrationen, Vorlesungsboykott, Go-, Sit- oder<br />

Teach-ins entwickeln sich zu hochschulpolitischen Kampfmitteln ersten Ranges – auch wenn dabei nicht immer um unmittelbare politische Forderungen geht.<br />

Ingenieure im Streik<br />

Obwohl sich die Studierenden der Staatlichen Ingenieurschulen betont unpolitisch geben,<br />

gehen die Veränderungen in der hochschulpolitischen Kultur nicht spurlos an ihnen<br />

vorüber. Im Frühjahr <strong>19<strong>68</strong></strong> entwickelt sich hier eine eigenständige Streikbewegung<br />

gegen das geplante Akademiegesetz. Die Ingenieure fordern mehr Unabhängigkeit<br />

der Ausbildung, umfangreiche Selbstverwaltungsrechte <strong>und</strong> die innere Reformierung<br />

der Ingenieurschulen. Notfalls, so kündigen sie an, wolle man den Forderungen durch<br />

einen »unbefristeten Streik« Nachdruck verleihen. Soweit kommt es aber fürs Erste<br />

<strong>Wuppertal</strong>er Ingenieure auf der K<strong>und</strong>gebung in Düsseldorf,<br />

25.04.<strong>68</strong>. FOTO: NRZ 25.04.<strong>68</strong><br />

nicht. Zunächst beteiligen sich Ende April<br />

700 <strong>Wuppertal</strong>er StudentInnen an der zentralen<br />

Großk<strong>und</strong>gebung in Düsseldorf. Tags darauf<br />

mobilisiert der AStA noch einmal mehr<br />

als 200 <strong>von</strong> ihnen zum Go-in auf den Schreinerswiesen<br />

am Grifflenberg.<br />

Im Mai wird dann gestreikt <strong>und</strong> auch die<br />

WerkkunstschülerInnnen, die ihre Interessen<br />

ebenfalls durch das Akademiegesetz bedroht<br />

sehen, schließen sich an. Weiteren Schwung<br />

entfalten die <strong>Protest</strong>e vier Wochen später bei<br />

der bis dahin größten Demonstration <strong>Wuppertal</strong>er<br />

StudentInnen. Mit Sit-ins legen 800<br />

Ingenieurstudenten <strong>und</strong> Werkkunstschüler<br />

am 11. Juni den Verkehr in Elberfeld gleich zwei Mal lahm. Auf Transparenten <strong>und</strong> mit<br />

Sprechchören fordern sie den Rücktritt <strong>von</strong> Kultusminister Holthof. Angesichts ihrer<br />

Masse stören sie sich weder an den aufgebrachten Autofahrern noch an den wiederholten<br />

Aufforderungen der Polizei,<br />

die Kreuzung zu räumen.<br />

Erst einem starken Polizeiaufgebot<br />

gelingt es, die <strong>Protest</strong>ierenden<br />

abzudrängen. Überzeugt<br />

vom Erfolg ihrer Forderungen<br />

wird die Ausweitung<br />

der Aktion angekündet, der<br />

Streik geht weiter. Eine Woche<br />

später beschließt die Vollversammlung<br />

mit großer Mehrheit<br />

den Prüfungs- <strong>und</strong> Klausurenboykott.<br />

Das Gleiche wiederholt sich ein knappes Jahr später beim <strong>Protest</strong> gegen das Fachhochschulgesetz.<br />

Mitte April 1969 wird das bis Ende Juni dauernde Semester vorzeitig<br />

abgebrochen. Das Studium soll erst wieder aufgenommen werden, wenn ein akzeptabler<br />

Gesetzesentwurf vorliegt. Am 15. treten die 900 Ingenieurstudenten in den<br />

Streik. Einen Tag später folgen, nach turbulenten Diskussionen, die Werkkunstschüler.<br />

Einsicht in das Unvermeidbare oder Sieg der Bürokratie?<br />

Steikstempel der Ingenieurschule für Maschinenbau, April 1969<br />

Quelle: Universitätsarchiv <strong>Wuppertal</strong> (071302000018)<br />

Sit-in der Ingeniere in Elberfeld, die Polizei greift ein, 11.05.<strong>68</strong><br />

FOTO: NRZ 12.06.<strong>68</strong> / GERD HENSEL<br />

Zu diesem Zeitpunkt<br />

befinden sich<br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

mehr als vierzig<br />

Hochschulen im<br />

Ausstand. Am 2.<br />

Juli wird das Fachhochschulgesetz<br />

verabschiedet. Zum<br />

1. September soll<br />

mit den Studienreform<br />

<strong>und</strong> der Demokratisierung<br />

der Ingenieurschulen<br />

begonnen<br />

werden.<br />

»Marx an die Uni« - Vom SDS zum Spartakus<br />

Mit dem SDS konstituiert sich im November 1967 an der Pädagogischen Hochschule<br />

zum ersten Mal eine Hochschulgruppe mit einer dezidiert sozialistischen Ausrichtung.<br />

Mit zwölf Mitgliedern ist die Gruppe eine überschaubare Größe <strong>und</strong> mehr als zwanzig<br />

Mitglieder wird der SDS auch in den folgenden <strong>Jahre</strong>n nicht zählen. Trotzdem verändern<br />

sich mit dem SDS die<br />

Kräfteverhältnisse<br />

<strong>und</strong><br />

die Wahl <strong>von</strong> zwei SDS-<br />

Vertretern in den AStA<br />

zeigt deutlich an, dass<br />

Bedarf an politischen Alternativen<br />

besteht.<br />

Politische Ortsbestimmung des SDS <strong>Wuppertal</strong> mit Anmerkungen, April <strong>19<strong>68</strong></strong><br />

Quelle: Universitätsarchiv <strong>Wuppertal</strong>, Abgabe van Norden (060100020024)<br />

Die VertreterInnen des SDS<br />

setzen konsequent auf Einmischung,<br />

Konfrontation <strong>und</strong><br />

vor allem politische, linke Inhalte.<br />

Die Hochschulen sollen<br />

demokratisiert <strong>und</strong> aus<br />

ihrem Elfenbeinturm geholt<br />

werden. Auf Flugblättern<br />

fordert der SDS Mitbestimmung<br />

bei der Themenauswahl<br />

<strong>und</strong> Gestaltung der<br />

Lehrveranstaltungen, regelmäßige<br />

Teach-ins zu Hochschulfragen,<br />

eine eigenständige<br />

Studiengestaltung, die<br />

politische<br />

Repräsentation<br />

der StudentInnen durch gewählte<br />

VertreterInnen. Neben<br />

alternativen »Gegenvorlesungen«<br />

findet im November<br />

<strong>19<strong>68</strong></strong> sogar eine »Gegenimmatrikulation«<br />

statt, mit<br />

der gegen die »Einschneidung<br />

der studentischen<br />

Rechte« protestiert wird. Auch außerhalb der Hörsäle ist der SDS seinem Selbstverständnis<br />

entsprechend aktiv <strong>und</strong> an den <strong>Protest</strong>en <strong>und</strong> Aktionen der APO beteiligt.<br />

Mit dem seit 1969 unaufhaltsamen Zerfall des SDS auf B<strong>und</strong>esebene geht auch seine<br />

kurze Ära in <strong>Wuppertal</strong> zu Ende. Der Chef des <strong>Wuppertal</strong>er SDS gehört zu den Ersten,<br />

die die Spaltung des Verbandes zu spüren kriegen. Er ist einer der fünf SDS-Mitglieder<br />

des traditionellen KP-Flügels, die im September<br />

<strong>19<strong>68</strong></strong> ausgeschlossen werden.<br />

Dies bedeutet aber nicht das Ende linker Politik<br />

an <strong>Wuppertal</strong>er Hochschulen. Im Gegenteil.<br />

Das Programm »Marx an die Uni« wird vom Anfang<br />

1969 gebildeten Spartakus - Assoziation<br />

Marxistischer Studenten <strong>und</strong> dem daraus hervorgegangenen<br />

Marxistischen Studentenb<strong>und</strong><br />

Spartakus auch zu Beginn der siebziger <strong>Jahre</strong><br />

weiter verfolgt. Mit ihnen ist eine marxistische<br />

Gruppierung dauerhaft in der Studentenschaft<br />

vertreten. Das Innenministerium bezeichnet<br />

<strong>Wuppertal</strong> sogar als eine der Hochburgen des<br />

MSB in Nordrhein-Westfalen.<br />

Zeitung der Spartakus-Gruppe der Pädagogischen Hochschule<br />

<strong>Wuppertal</strong>, Oktober 1970<br />

Quelle: Universitätsarchiv <strong>Wuppertal</strong>, Abgabe van Norden<br />

(060100020024)<br />

"Briefkopf" des SDS <strong>Wuppertal</strong>, April <strong>19<strong>68</strong></strong><br />

Quelle: Universitätsarchiv <strong>Wuppertal</strong>, Abgabe van Norden<br />

(060100020024)<br />

konzept | text | gestaltung<br />

sven steinacker 2008

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