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Vom erstarrenden Anguss zum Heißkanal - Neue Verpackung

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FORMENBAU<br />

Entwicklung, Anwendung und Stand der <strong>Heißkanal</strong>technik<br />

<strong>Vom</strong> <strong>erstarrenden</strong><br />

<strong>Anguss</strong> <strong>zum</strong> <strong>Heißkanal</strong><br />

Eine typische Bauform stellt der außenbeheizte <strong>Heißkanal</strong> mit<br />

separat beheizten Düsen dar. (Bild: Hasco)<br />

Normale Angüsse in Thermoplastwerkzeugen<br />

erstarren,<br />

weil die Werkzeugtemperaturen<br />

unter den Erstarrungstemperaturen<br />

der Thermoplaste<br />

liegen. Nachteilig<br />

ist der Materialverbrauch<br />

durch die Angüsse, die erforderlichen<br />

Entformungseinrichtungen,<br />

zusätzlicher<br />

Plastifizierbedarf, Verlängerung<br />

der Zykluszeit und<br />

erhöhte Druckverluste.<br />

Prof. Dr. Siegfried Stitz, Leiter<br />

Werkzeugbau, Fachhochschule<br />

Würzburg, Würzburg<br />

Es ist nicht verwunderlich,<br />

dass man schon früh den Erstarrungsvorgang<br />

zu verhindern<br />

suchte. Die einfachste<br />

Lösung ist der sogenannte<br />

Isolierkanal. Die <strong>Anguss</strong>kanäle<br />

werden so dick dimensioniert,<br />

dass die Selbstisolierung<br />

des Kunststoffs<br />

ausreicht, eine plastische<br />

Seele zu erhalten, durch die<br />

von Schuss zu Schuss den<br />

Formnestern Schmelze zugeführt<br />

werden kann. Die<br />

plastische Seele ist insbesondere<br />

im Anschnittbereich<br />

sehr dünn und kann leicht<br />

einfrieren.<br />

Die nächste Entwicklungsstufe<br />

führte zur Innenbeheizung<br />

aller <strong>Anguss</strong>kanäle<br />

und damit <strong>zum</strong> innenbeheizten<br />

<strong>Heißkanal</strong>system. Parallel zu innenbeheizten<br />

wurden außenbeheizte<br />

Heißkanäle entwickelt.<br />

Die Vorteile von Außen- und Innenbeheizung<br />

sind in einer Tabelle gegenübergestellt.<br />

Die Tatsache, dass auch<br />

die ursprünglich auf innenbeheizte Systeme<br />

spezialisierten Firmen Ewikon und<br />

DME auf außenbeheizte übergegangen<br />

sind, zeigt, dass die Vorteile der Außenbeheizung<br />

in vielen Anwendungsfällen<br />

überwiegen.<br />

Die höchsten Anforderungen an ein<br />

<strong>Heißkanal</strong>system liegen besonders bei<br />

der direkten Anspritzung der Kavität im<br />

Bereich des Anschnitts. Hier muss auf<br />

wenigen Millimetern ein Temperaturunterschied<br />

in der Größenordnung von<br />

200° C realisierte werden, damit Forderungen<br />

wie sauberer möglichst unsichtbarer<br />

Anspritzpunkt, kein Fadenziehen,keine<br />

unzulässige Erwärmung des<br />

Werkzeugs und kein Einfrieren der Düse<br />

erfüllt werden können.<br />

Die indirekte Anspritzung ist wesentlich<br />

unproblematischer, da die Trennung<br />

zwischen Schmelze und <strong>erstarrenden</strong><br />

Bereichen an einem <strong>erstarrenden</strong><br />

Restanguss erfolgt, an den keine Qualitätsanforderungen<br />

gestellt werden und<br />

mehr Platz für die thermische Trennung<br />

zur Verfügung steht. Die indirekte Anspritzung<br />

ist auch wirtschaftlich interessant,<br />

wenn mehrere Formteile oder Anschnitte<br />

mit einer Düse versorgt werden<br />

können.<br />

Die Schmelzekanäle offener Düsen enthalten<br />

keinerlei Einbauten und damit<br />

auch keine Strömungshindernisse.<br />

Daraus ergeben sich für hochviskose,<br />

thermisch empfindliche Massen und die<br />

indirekte Anspritzung Vorteile durch<br />

geringen Druckverlust, geringe Scherung,<br />

geringes Verstopfungsrisiko,<br />

Möglichkeit komplette Spülung und<br />

Farbwechsel. Nachteile zeigen sich<br />

beim <strong>Anguss</strong>rest, Fadenziehen und<br />

Quellen.<br />

Nadelverschlussdüsen sind das<br />

Nonplusultra<br />

Wie aus einer Zusammenstellung der<br />

Eigenschaften hervorgeht sind Nadelverschlussdüsen<br />

prinzipiell das Nonplusultra<br />

der <strong>Heißkanal</strong>düsen. Die Betätigung<br />

der Nadeln erfolgt heute in der<br />

Regel hydraulisch oder pneumatisch.<br />

Kritisch ist unter anderem der Sitz der<br />

Nadeln im Anschnitt. Konische Nadelspitzen<br />

können bei falscher Justierung<br />

zu Ausbrüchen im Werkzeug führen,<br />

zylindrische (mform) sind diesbezüglich<br />

unproblematisch. Nadelverschlussdüsen<br />

sind auch die Voraussetzung für<br />

interessante Verfahrensvarianten wie<br />

72 PLASTVERARBEITER 55. Jahrg. (2004) Nr. 8


Mehrkomponentenspritzguss, Thermoplastschaumguss,<br />

sequenzielles Einspritzen<br />

(Kaskadensteuerung der Düsen<br />

(Dynisco) für Stoff-/Folienhinterspritzung,<br />

Bindenahtsteuerung, Gas-,<br />

Wasserinnendrucktechnik, Einspritzen<br />

mit Vorkomprimierter Schmelze und die<br />

Schmelzedruckregelung mit Hilfe von<br />

<strong>Heißkanal</strong>düsen.<br />

Der Verteiler des <strong>Heißkanal</strong>s hat die<br />

Aufgabe die Schmelze von der zentralen<br />

Angießbuchse zu den einzelnen Düsen<br />

zu leiten. Bei zentraler Anspritzung<br />

von Einfachwerkzeugen ist kein Verteiler<br />

nötig, der <strong>Heißkanal</strong> besteht nur<br />

noch aus einer Düse. Meist werden die<br />

Verteilerkanäle in Blöcke aus Warmarbeitsstahl<br />

gebohrt. Trotz schlechter<br />

Wärmeleitfähigkeit sprechen die hohe<br />

Druckfestigkeit und Anlassbeständigkeit<br />

für die Verwendung von Stahl. Die<br />

Beheizung der Verteiler erfolgt heute<br />

meist durch zweiseitig eingelassenen<br />

Rohrheizkörper. Kritische Bereiche sind<br />

Umlenkungen und Verschlüsse der Kanäle,<br />

da sich dort leicht tote Räume bilden,<br />

in denen Material hängen bleibt.<br />

Materialschädigungen und Verunreinigungen<br />

bei Farbwechseln sind die<br />

Folgen.<br />

Generelle Anforderungen an Verteiler:<br />

Strömungsgünstige Kanäle<br />

Geringe Druckverluste, Scherung<br />

Keine Strömungshindernisse und<br />

tote Räume<br />

Robuste, gleichmäßige Beheizung<br />

Balancierung, möglichst natürlich<br />

Kompensation der Wärmedehnung.<br />

Kein <strong>Heißkanal</strong> ohne<br />

Temperaturregelung<br />

Aufbau einer<br />

Nadelverschlussdüse<br />

(Bild: Plastic<br />

Service)<br />

Vergleich der drucksteuernden Wirkung eines <strong>erstarrenden</strong> Anschnitts (Radiogehäuse) mit der<br />

Wirkung offener <strong>Heißkanal</strong>düsen (Flaschenkasten) Strichlinien: Auf Schneckenvorraum umgerechneter<br />

Hydraulikdruck Vollinien: Forminnendruck angussnah (Bild: Stitz)<br />

Der Temperaturregelung eines <strong>Heißkanal</strong>s<br />

kommt eine entscheidende Bedeutung<br />

zu. Moderne <strong>Heißkanal</strong>regler<br />

arbeiten adaptiv, passen sich also automatisch<br />

an das Regelverhalten der Regelstrecke<br />

an und sind mit Regelalgorithmen<br />

ausgestattet, die ein Überschwingen<br />

verhindern sollten. Zusätzlich<br />

wird über Anfahrschaltungen und<br />

Hochheizprogramme dafür gesorgt,<br />

dass Heizelemente und Werkzeuge<br />

schonend aufgeheizt und thermisch<br />

flinkere Teile des Systems wie <strong>zum</strong> Beispiel<br />

die Düsen verzögert beheizt werden.<br />

Alle Teile des Systems werden so<br />

gleichzeitig die Betriebstemperatur erreichen.<br />

Die Masse in den Düsen wird<br />

nicht geschädigt.<br />

Eine wichtige Voraussetzung für die<br />

Temperaturkonstanz längs der Fließwege<br />

ist die Lage der Temperaturfühler.<br />

Diese müssen dort angebracht werden,<br />

wo besonders hohe Temperaturen zu<br />

erwarten sind und nicht dort, wo große<br />

Wärmeverluste auftreten, wie bei<br />

Druckringen oder an den Enden der<br />

Verteiler. Da in Bereichen höherer Wärmeverluste<br />

das Aufheizen länger dauert,<br />

würden Zonen mit geringerer Wärmekapazität<br />

überhitzen.<br />

Für die wirtschaftliche Bewertung des<br />

Einsatzes von Heißkanälen sollten zunächst<br />

die Alternativen geprüft und eine<br />

Vergleichskalkulation durchgeführt<br />

werden. Neben den rein wirtschaftlichen<br />

Vor- und Nachteilen sollten technologischen<br />

Unterschiede zu <strong>erstarrenden</strong><br />

Angüssen nicht übersehen werden.<br />

Technologischer Vergleich mit <strong>erstarrenden</strong><br />

Angüssen.<br />

Von den im Folgenden aufgezählten<br />

Vor- und Nachteilen bedarf die drucksteuernde<br />

Wirkung von <strong>erstarrenden</strong><br />

Anschnitten einer Erklärung. Bekannt<br />

ist, dass erstarrende Anschnitte die Wirkung<br />

eines thermischen Ventils haben.<br />

Trotz konstantem Nachdruck wird mit<br />

zunehmender Erstarrung der Forminnendruck<br />

heruntergeregelt. Dieser<br />

Druckabfall im Werkzeug ist wichtig,<br />

um hohe Orientierungen zu vermeiden.<br />

Vorteile sind:<br />

Geringe Druckverluste, lange, komplizierte<br />

Fließwege realisierbar<br />

PLASTVERARBEITER 55. Jahrg. (2004) Nr. 8 73


FORMENBAU<br />

Vermeidung von Bindenähten und<br />

Faltenbildung durch Kaskadensteuerung;<br />

Keine oder späte Erstarrung, deshalb<br />

längerer Nachdruck möglich<br />

Möglichkeiten der Balancierung<br />

durch Temperatursteuerung, Spaltverstellung<br />

oder Blenden<br />

Durch Wegfall der Entformung des<br />

<strong>Anguss</strong>systems einfachere Automatisierbarkeit<br />

des Prozesses (Entnahme).<br />

Nachteile:<br />

Gefahr der thermischen Schädigung<br />

empfindlicher Materialien<br />

Ungleichmäßige Temperierung führt<br />

zu unterschiedlichen Schmelzetemperaturen<br />

und damit zu einer ungleichmäßigen<br />

Füllung<br />

Nicht so konstant wie erstarrende<br />

Angüsse<br />

Schwankender Abriss<br />

Keine oder verminderte drucksteuernde<br />

Wirkung des Anschnitts deshalb<br />

Überladung des Werkzeugs<br />

möglich.<br />

Vor- und Nachteile beim<br />

<strong>erstarrenden</strong> Anschnitt<br />

Beim wirtschaftlichen Vergleich mit <strong>erstarrenden</strong><br />

Anschnitten ergeben sich<br />

Vorteile wie: Einsparung von <strong>Anguss</strong>material<br />

beziehungsweise Kosten für<br />

die Aufbereitung der Angüsse, Kürzere<br />

Zykluszeit, Zeit für die Entformung der<br />

Angüsse entfällt, Zykluszeit wird nicht<br />

mehr durch langsam erstarrende Angüsse<br />

bestimmt. Es ist kein Düsenabhub<br />

notwendig. Eventuell ist eine<br />

kleinere Maschine ausreichend, dann<br />

erzeugen die <strong>Anguss</strong>kanäle keine Auftriebskräfte.<br />

Zu beachten ist die Verringerung<br />

des Dosiervolumens um das Volumen<br />

der Angüsse und ein geringerer<br />

Öffnungshub des Werkzeugs ist erforderlich.<br />

Auch sind keine Zusatzeinrichtungen<br />

für <strong>Anguss</strong>entnahme, -separierung<br />

und Zerkleinerung erforderlich.<br />

Zu den Nachteilen zählen hier: höhere<br />

Werkzeugkosten, mehr Ausschuss (<strong>zum</strong>indest<br />

beim Einfahren der Werkzeuge).<br />

Es sind Zusatzeinrichtungen (Temperaturregelgeräte)<br />

erforderlich. Das<br />

System ist störanfällig durch Leckagen,<br />

Ausfall von Heizelementen und Abriss.<br />

Für die bedienung ist qualifiziertes Personal<br />

aufgrund anspruchsvoller Handhabung<br />

erforderlich (Einrichten, Überwachen,<br />

Warten).<br />

Da das <strong>Heißkanal</strong>werkzeug häufig in<br />

Konkurrenz <strong>zum</strong> 3-Platten-Werkzeug<br />

steht, lohnt ein Kostenvergleich zwischen<br />

beiden Werkzeugarten. Die wesentliche<br />

Erkenntnis: Trotz höhere Kosten<br />

des <strong>Heißkanal</strong>werkzeugs mit Zubehör<br />

ergibt sich bei ausreichender Stückzahl<br />

durch die geringeren Werkstoffund<br />

Fertigungskosten eine Einsparung<br />

zu Gunsten dieser Werkzeugart.<br />

Der Vortrag wurde im Rahmen des 2. Fachseminars<br />

Kunststofftechnik der Firma Pruner<br />

Marketing Services GmbH, während der<br />

Fakuma 2003 in Friedrichshafen gehalten.<br />

www.pms-seminar.de<br />

Vorteile der Außenheizung im Vergleich zur Innenheizung<br />

Vorteile Außenheizung<br />

Homogenere Massetemperatur<br />

Geringere thermische Schädigung<br />

Geringerer Druckverlust<br />

Geringere Scherung<br />

Komplette Spülung<br />

Kein Mitreißen von Isolierschichtflocken<br />

Schneller im thermischen Gleichgewicht<br />

Eigenschaften von Nadelverschlussdüsen<br />

+ Glatte Anschnittstelle – Kosten<br />

+ Kein Fadenziehen, Ausquellen – Einbauraum<br />

+ Großer Querschnitt (Druckverlust, Scherung, – Störanfälligkeit<br />

und Anschnittverschleiß gering)<br />

+ Großes Prozessfenster<br />

+ Voraussetzung für Sonderverfahren<br />

+ Kaskadensteuerung<br />

Vorteile Innenheizung<br />

Preisgünstig<br />

Dichtwirkung der Isolierschicht<br />

Gute Wärmeisolierung nach außen<br />

Auskleidung toter Ecken durch die Isolierschicht<br />

Literatur<br />

E. Lindner, KP. Cuttat, Selbstisolierender <strong>Heißkanal</strong><br />

mit Nadelverschlüssen, Kunststoffe<br />

11/2001, S. 38<br />

P. Wippenbeck, <strong>Heißkanal</strong>technik, Kunststoffe<br />

2/1999, S. 111<br />

A. Lang, <strong>Heißkanal</strong>technik heute, Kunststoffe<br />

11/2000, S.80<br />

W. Wüstlin, Ausführung und Anwendung von<br />

Nadelverschlusssystemen kleiner und mittlerer-<br />

Größen, 2. Fachforum Kunststofftechnik auf<br />

der Fakuma 2003<br />

R. Lehnert, Elektrische Heizschichten, Seminar<br />

„<strong>Heißkanal</strong>technik beim Spritzgießen“, Süddeutsches<br />

Kunststoffzentrum 2003<br />

S. Stitz in Menges/Mohren, Spritzgießwerkzeuge,<br />

Hanser Verlag<br />

H.Bopp, A. Hörburger, A. Sowa, <strong>Heißkanal</strong>systeme<br />

für technische Thermoplaste, Plastverarbeiter<br />

11/1977, S.573<br />

Alternativen zur <strong>Heißkanal</strong>technik<br />

Anspritzsituation<br />

Zentral Anspritzung,<br />

Einfachwerkzeug<br />

Alternativen<br />

Stange, Vorkammer, pneumatischer<br />

Ausfeueranguss<br />

Anspritzsituation<br />

Seitliche Anspritzung mehrerer<br />

Formnester<br />

Seitliche Anspritzung,<br />

Einfachwerkzeug<br />

Anspritzung in Trennebene,<br />

3-Platten-Werkzeug<br />

Mehrfachanspritzung eines Formteils<br />

Zentrale Direktanspritzung<br />

mehrerer Formnester<br />

3-Platten-Werkzeug<br />

Seitliche Direktanspritzung<br />

mehrerer Formnester<br />

Alternativen 3-Platten-Werkzeug 3-Platten-Werkzeug <strong>Anguss</strong> in Schieber, Backen<br />

Keine Alternativen<br />

Große Distanzen, Komplizierte Strömungswege, Sonderverfahren<br />

74 PLASTVERARBEITER 55. Jahrg. (2004) Nr. 8

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