Wenigstens den Zauberstab behalten! - Hilal Sezgin
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FILM<br />
H A R R Y P O T T E R<br />
<strong>Wenigstens</strong> <strong>den</strong> <strong>Zauberstab</strong> <strong>behalten</strong>!<br />
Operation streng geheim: <strong>Hilal</strong> <strong>Sezgin</strong> Besuch bei <strong>den</strong> Londoner<br />
Dreharbeiten von "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes".<br />
VON <strong>Hilal</strong> <strong>Sezgin</strong> | 11. November 2010 - 07:00 Uhr<br />
© 2010 Warner Bros. Ent.<br />
Alle aufstellen zum Gruppenfoto: die Harry-Potter-Familie posiert für Teil 7<br />
Groß wie ein Zeppelin steht das fliederfarbene Festzelt auf dem grünen Rasen. Die hohen<br />
Maste sind mit Wimpeln geschmückt, die Tische eingedeckt mit Sektschalen, Etageren<br />
voll Petits Fours und Blumen. Eine Tischdecke ist wie vom Feuer verkohlt, an einem Ende<br />
des Zelts liegt ein zu Bo<strong>den</strong> geworfener Kuchen. Es wirkt, als hätten die Gäste das Fest<br />
eben erst in aller Eile verlassen. Wohin sind sie entschwun<strong>den</strong>, was haben sie gefeiert, und<br />
warum wurde nicht aufgeräumt? Wir treten aus dem Zelt, verstreuen uns wie Detektive<br />
in alle Richtungen auf dem Rasen, stoßen ringsum an eine Wand aus fast mannshohen<br />
Sumpfgräsern. Sie reichen bis zum Horizont. Diese Gräser erkennen wir, lösen das Rätsel:<br />
Es sind die Felder rund um das Haus der Familie Weasley. Sie waren zu sehen in dem<br />
bisher letzten, sechsten Harry-Potter-Film. Wären wir nur wenige Tage früher gekommen,<br />
hätten wir der Hochzeit von Bill Weasley und Fleur Delacour beigewohnt.<br />
Vielleicht aber ist es besser so: Schließlich stürzten mitten während des Festes Voldemorts<br />
Todesser aus dem Himmel auf die Feiern<strong>den</strong> herab. Doch wo sich der Himmel in<br />
Richtung Weltall öffnen müsste, stößt unser Blick auf eine Decke voller Gerüste. Riesige<br />
Scheinwerfer sind daran montiert. Für die Filmaufnahmen dieser Hochzeit, die im ersten<br />
Teil von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Kinostart 18. November) zu sehen<br />
sein wird, wurde die Freiluftszene mit Festzelt in einem alten Flugzeughangar nachgebaut,<br />
der wiederum auf einer natürlichen Wiese steht. Wir befin<strong>den</strong> uns in einer der vielen Hallen<br />
der Leaves<strong>den</strong>-Studios nordwestlich von London; außer Harry Potter wurde hier auch<br />
schon mancher James Bond gedreht.<br />
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Hallen, Werkstätten, Kulissen, Kostümkammern, Lagerräume – sie verwirren <strong>den</strong><br />
Sinn für die Realität. Manches, was echt wirkt, entpuppt sich als Trick und mancher<br />
vermeintliche Trick als echt. Unmengen von Bastelkleber halten Gras und Sumpf im<br />
Bo<strong>den</strong> fest. Die in zarten Farben eingewickelten Hochzeitsgeschenke im Wohnzimmer<br />
der Weasleys enthalten leere Schachteln, doch in der Küche duften überreife Erdbeeren<br />
unterm Fliegennetz. Über krumme, enge hölzerne Leitern und Treppen führen 50 Stufen<br />
(eigenfüßig gezählt) in die oberen Stockwerke der Weasleys und verlieren sich im Nichts.<br />
Die gelehrten Bände in Dumbledores Regalen entpuppen sich aus der Nähe nicht etwa als<br />
Fototapete, sondern wur<strong>den</strong> aus alten Telefonbüchern von Hand gebastelt und sorgsam<br />
mit Rücken und Einband versehen. Voller Ehrfurcht sitzen wir der Reihe nach auf<br />
Dumbledores Schreibtischstuhl Probe. "Seid ihr Journalisten oder Kinder?", zieht uns eine<br />
Pressesprecherin auf. Beides, in diesem Moment.<br />
Oder vielleicht sogar: an diesem Tag. Es ist keine Alltäglichkeit, Zutritt zu einem Harry-<br />
Potter-Dreh zu erhalten, und für <strong>den</strong> Fan ein entsprechend erhebendes Ereignis. Nur<br />
selten wer<strong>den</strong> Journalisten durch die Leaves<strong>den</strong>-Studios geführt, und auch uns gegenüber<br />
betreibt man eine unglaubliche Geheimniskrämerei. Natürlich dürfen wir keine Fotos<br />
machen, nicht einmal von Gegenstän<strong>den</strong> in <strong>den</strong> Vitrinen oder von Kulissen. Von <strong>den</strong><br />
Schauspielern gar nicht zu re<strong>den</strong>. Den Besucherpass müssen wir nachher wieder abgeben,<br />
und in <strong>den</strong> Lagerräumen dürfen wir nicht mal unbegleitet zu <strong>den</strong> Toiletten gehen! Nur in<br />
die Toilettenkabine selbst kommt niemand mit, darum habe ich eine einzige verbotene<br />
Aufnahme gemacht: Ich habe mit dem Handy meinen Besucherpass fotografiert. Man sieht<br />
nichts darauf, mein Name war eh falsch geschrieben. Ich habe bereits zugegeben, dass man<br />
unter solchen Umstän<strong>den</strong> etwas kindlich, sogar: kindisch wird.<br />
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DIE KINOWOCHE AUF ZEIT ONLINE<br />
Rezensionen und Interviews zu <strong>den</strong> Filmstarts dieser Woche:<br />
The Way Back – der lange Weg , (Peter Weir, USA)<br />
Alles Koscher, (Josh Appignanesi, Großbritannien)<br />
The Brownian Movement (Nanouk Leopold, Deutschland)<br />
Naokos Lächeln (Tran Anh Hung, Japan)<br />
Vier Leben ( Michelangelo Frammartino, Italien, Deutschland, Schweiz)<br />
Larry Crowne (Tom Hanks, USA)<br />
Weitere Interviews und Besprechungen auf unseren Film- und DVD-Seiten<br />
VERGANGENE FILMWOCHE<br />
Rezensionen und Interviews zu <strong>den</strong> Filmstarts vergangener Woche:<br />
Die Frau, die singt (Kanada, Denis Villeneuve)<br />
Schlafkrankheit (Frankreich, Deutschland, Niederlande, Ulrich Köhler)<br />
Der Mandant (USA, Brad Furman)<br />
Bad Teacher (USA, Jake Kasdan)<br />
The Bang Bang Club (Kanada, Steven Silver)<br />
Weitere Interviews und Besprechungen auf unseren Film- und DVD-Seiten<br />
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Rezension. Auf dieser Seite können Sie Ihren Text verfassen. In unseren Leserartikel-FAQ<br />
erfahren Sie, wie Sie dabei vorgehen sollten.<br />
In einem von zwei Säulen mit Eulenköpfen bewachten Raum begegnen wir <strong>den</strong><br />
Schauspielern, die am heutigen Tag von elf Uhr vormittags bis in die Nacht hinein drehen.<br />
Wenn sie einige Minuten am Set Pause haben, wer<strong>den</strong> sie uns zugeführt: Emma Watson<br />
(Hermine), Daniel Radcliffe (Harry) und Tom Felton (Draco Malfoy). Aus der Nähe sehen<br />
sie viel jünger aus als in <strong>den</strong> Filmen, und auch kleiner, zarter, fast zerbrechlich. Wie sie<br />
da zwischen uns Erwachsenen sitzen und Rede und Antwort stehen, möchte man sie fast<br />
beschützen; dabei sind sie doch unendlich routiniert und haben schon manchen Stunt<br />
gedreht, vor dem wir kneifen wür<strong>den</strong>. "Ach, ich mag die Stunts", seufzt Emma Watson, die<br />
– der Filmheldin Hermine gleich – im Jahr 2008 die besten A-Levels Englands absolviert<br />
hat. "Sie sind eine schöne Abwechslung zu <strong>den</strong> komplizierteren emotionalen Szenen.<br />
Jemand ruft: 'Lauft!', und wir laufen."<br />
Zehn Jahre lang, die Hälfte ihres bisherigen Lebens, hat Emma Watson Hermine gespielt,<br />
und nur die Kussszene mit Rupert Grint fand sie entsetzlich. Er auch, meint sie. Es sei<br />
schrecklich, jeman<strong>den</strong> zu küssen, für <strong>den</strong> man nichts Entsprechendes empfinde. Aber:<br />
"Wir wollten es natürlich gut machen." Immer wieder sprechen diese jungen Darsteller von<br />
ihrem Wunsch, professionell erstklassig zu sein. "Dies war mein Zuhause, es war meine<br />
Schule, es war meine Familie", sagt Watson, und das bestätigen auch die anderen. Ihnen<br />
allen ist deutlich bewusst, dass dies ihre letzten Auftritte in einem Harry-Potter-Film sind.<br />
Unbedingt wollen sie noch mal ihr Bestes geben.<br />
"Das ist schon ein ziemlicher Druck", sagt Radcliffe, grinst dann aber. "Vielleicht dürfen<br />
wir ja in <strong>den</strong> Remakes unsere Lehrer spielen." Diese jungen Erwachsenen wissen sehr<br />
genau, dass sie die Gesichter des vermutlich größten Pop-Phänomens des Medienzeitalters<br />
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gewor<strong>den</strong> sind. Doch entweder wur<strong>den</strong> sie von <strong>den</strong> vier (!) anwesen<strong>den</strong> Pressedamen<br />
im Laufe der Jahre exzellent gebrieft, oder sie haben gelernt, damit umzugehen.<br />
Oder beides. Vor allem haben sie anscheinend geschafft, sich nicht gänzlich in ihren<br />
Figuren zu verlieren. "Als ich meinen Namen das erste Mal auf der Leinwand sah, habe<br />
ich fast geweint vor Stolz", erzählt Radcliffe. Das waren die Zeiten, als sie bei <strong>den</strong><br />
Pressekonferenzen drei Sitzkissen brauchten, um überhaupt über <strong>den</strong> Tisch zu sehen. "Aber<br />
wenn ich heute Auto fahre und am Straßenrand Plakate zu Harry Potter hängen, <strong>den</strong>ke ich<br />
gar nicht daran, dass ich es bin."<br />
Ihm helfe es, dass er privat ganz anders aussehe als die Figur, die er spiele, erzählt Tom<br />
Felton alias Malfoy, der stets wasserstoffblond, in schwarzem Anzug, mit schwarzem<br />
Hemd und schwarzer Krawatte auftritt. Er sei nicht mal blond. Normalerweise werde er<br />
von niemandem erkannt. Auch dann nicht, wenn er es sich mal wünsche. "Wenn ich bei<br />
einer öffentlichen Veranstaltung auf kleine Kinder zugehe und ihnen die Hand geben will,<br />
dann glauben die mir gar nicht, dass ich Malfoy spiele. Ich muss ihnen das erst mit Fotos<br />
beweisen", sagt er. "Und wenn ich wie Malfoy aussehe, wollen sie mir auch nicht die<br />
Hand schütteln." Im letzten Teil möchte Malfoy seiner Familie nicht mehr blind folgen,<br />
er möchte Harry helfen; aber er ist sich dessen nicht bewusst, sondern tut es aus reinem<br />
Instinkt."<br />
Unabhängig von der Chronologie der Geschichte wer<strong>den</strong> einige Teile des Schlusses, die<br />
mehr Special Effects erfordern, möglichst früh gedreht, damit mehr Zeit für die aufwendige<br />
Nachbearbeitung am Computer bleibt. Und daher probt Draco Malfoy, während Harry und<br />
Hermine eine der Anfangsszenen mit der Eule Hedwig drehen (die in Wahrheit übrigens<br />
Sprout heißt und sehr schreckhaft ist), in der nächsten Halle in seinem schwarzen Anzug<br />
bei paarunddreißig Grad schon <strong>den</strong> Showdown. In der Mitte der Halle sind Dutzende,<br />
Hunderte von Schreibtischen, Schränken, Kommo<strong>den</strong> und Stühlen zu einer chaotisch<br />
wirken<strong>den</strong> Kletterlandschaft aufgetürmt. Auf ein Zeichen geht Feuer an. Eulenkäfige<br />
wanken, Büchertürme stürzen herunter, sobald Draco Malfoy flüchtend <strong>den</strong> Möbelberg zu<br />
erklimmen beginnt. Die Möbel rappeln, man hat Angst, dass der Berg zusammenbricht.<br />
Tatsächlich ist natürlich alles verschraubt – so locker, dass es wackelt, doch so fest, dass es<br />
hält. Der Parcours, <strong>den</strong> Draco scheinbar panisch nimmt, wurde vorher genau abgestimmt,<br />
die Bücher, von <strong>den</strong>en man fürchtet, sie könnten ihm auf <strong>den</strong> Kopf fallen, wer<strong>den</strong> nach<br />
jedem Kletterversuch wieder auf exakt dieselben Plätze gelegt. Alle Schauspieler sind<br />
angeseilt, die Seile wer<strong>den</strong> nachher wegretuschiert. Wie viele Wochen hat es gedauert,<br />
bis diese Kulisse fertig war? Lange, sagen die Arbeiter. Es wird ja auch ständig um- und<br />
weitergebaut. Vor jeder Szene ergeht über eine Kette von Rufern der Befehl hinaus in <strong>den</strong><br />
Rest der Halle, Pause zu machen. "Nice and quiet!" heißt die Parole. Sämtliche Maschinen<br />
wer<strong>den</strong> ausgestellt. Die Gabelstapler ruhen. Auf ihren halbhohen Gabeln schweben die<br />
Kisten.<br />
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Draußen auf freiem Gelände sind die Zaubermaterialien der Weasley-Brüder in schwarze<br />
Folie eingepackt. Reste früherer Kulissen überwintern gut beschriftet. Ganz unten ein<br />
kleiner offener Karton mit zerschlagenem Porzellan darin. Tut es irgendjemandem weh,<br />
wenn ich als An<strong>den</strong>ken nur eine klitzekleine Scherbe...? Mir fällt eine Bemerkung von Tom<br />
Felton wieder ein. Leider sei Warner Brothers ziemlich knickerig mit <strong>den</strong> Requisiten. "Ich<br />
hoffe inständig, dass wir unsere Zauberstäbe <strong>behalten</strong> dürfen. <strong>Wenigstens</strong> <strong>den</strong> Stab!" Es ist<br />
wohl gescheiter, sich die Scherben nicht mal aus der Nähe anzusehen.<br />
In einer so riesigen Anlage wie <strong>den</strong> Leaves<strong>den</strong>-Studios zu drehen, als einzige Nutzer,<br />
sei eine unendlich komfortable Erfahrung, erzählen der Regisseur David Yates und der<br />
Produzent David Heyman. Sie hätten nicht alles, was sie wollten, umsetzen können,<br />
erzählen sie grinsend – aber doch beinahe. Beide Filmemacher sind von ihren früheren<br />
Arbeiten, unter anderem fürs britische Fernsehen, kleinere Maßstäbe gewohnt. Warum<br />
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, der letzte Teil der Saga eigentlich auf zwei<br />
Filme verteilt werde, will ein Journalistenkollege wissen. Es rieche ein bisschen nach ...<br />
Geldmacherei. Ohne im Geringsten verärgert zu sein, schüttelt David Heyman <strong>den</strong> Kopf.<br />
"Lassen Sie es mich so sagen: Wenn es ökonomisch unsinnig wäre, hätte Warner Bros.<br />
nicht zugestimmt. Aber warum wir es machen, hat keine ökonomischen, sondern kreative<br />
Gründe. Ehrenwort."<br />
Man glaubt ihm. Der erste Teil von Film Nummer sieben werde eher eine Art Roadmovie,<br />
erklärt Yates, <strong>den</strong>n er zeige Harry, Hermine und Ron auf der Flucht; der zweite sei dagegen<br />
episch, voller Zauberei und Fantasy. Insgesamt unterscheide sich der Abschluss der Potter-<br />
Serie völlig von <strong>den</strong> früheren Abenteuern, weil er nicht in Hogwarts beginne. "Und das<br />
ist ein großer Vorteil: weil die Zuschauer nicht wissen, was sie erwartet. Das Gerüst der<br />
vorigen Teile fehlt, und das schafft eine ganz eigene Neugier", sagt Yates.<br />
Bereits beim letzten, sechsten Film traten die Details von Hogwarts, Hogsmeade<br />
und Winkelgasse gegenüber Handlung und Psychologie der Charaktere zurück. Als<br />
konservativer Fan der Potter-Bücher hätte ich persönlich lieber mehr Fabelwesen<br />
und sprechende Gemälde, explodierende Zaubertrankkessel und Übungen in<br />
Verwandlungskunde gesehen. Im neuen Film gewinnen Konflikte und Charaktere weiter<br />
an Bedeutung, und die zauberischen Kulissen rücken in <strong>den</strong> Hintergrund. Dort wenigstens<br />
tobt sich die Lust an Hexenkesseln, neogotischen Prachtbauten, Phönixfedern und Folianten<br />
nach wie vor aus.<br />
Nach einem Tag voller Interviews, Vitrinen mit Zauberbüchern, nervenflatternder Eulen<br />
und mehrfach wiederholter Szenen führt man uns durch <strong>den</strong> Rest der Studios, wo die<br />
größten Kulissen, die Nachbauten ganzer Gebäude stehen. Wieder dieses Spiel von echt<br />
und unecht. Wur<strong>den</strong> in <strong>den</strong> ersten Filmen nicht manche Szenen an berühmten Locations<br />
wie der Bodleian Library in Oxford gedreht? Die Pressefrau nickt. Ja, aber in <strong>den</strong> letzten<br />
zehn Jahren habe sich die Tricktechnik enorm weiterentwickelt. Unter anderem ließen<br />
sich Kulissen, die man einmal abgefilmt hat, visuell einfacher vergrößern; und so sei es<br />
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oft billiger, Gebäude nachzubauen, als reale Örtlichkeiten zu mieten. Im ersten Potter-<br />
Film wur<strong>den</strong> für die Koboldbank Gringotts die Räumlichkeiten der australischen Botschaft<br />
in London genutzt. Jetzt entsteht eine Kopie dieser Räume in <strong>den</strong> Leaves<strong>den</strong>-Studios.<br />
Die Wände enthalten einen Kern von Metallgerüsten, umkleidet mit Holzplatten und<br />
Montageschaum. Die meterhohen Säulen sind mit Marmorpapier verkleidet, Sockel und<br />
Kapitelle gol<strong>den</strong> besprüht.<br />
Später soll diese prächtige Halle von Kobol<strong>den</strong> bevölkert wer<strong>den</strong>. Ihre Gesichter wer<strong>den</strong><br />
in einer Werkstatt angefertigt, in deren Vorräumen schon ein zweieinhalb Meter hoher<br />
Phönix, die Spinne Aragog und Masken des Halbriesen Hagrid aufbewahrt wer<strong>den</strong>. An<br />
<strong>den</strong> Arbeitsplätzen der Illustratoren und Skulpturenmacher liegen Bildbände mit Schwarz-<br />
Weiß-Fotos längst verstorbener Menschen. Als Inspiration. Für die Koboldgesichter wird<br />
jede Falte, jede Pore, jede Ader auf der Schläfe von Hand modelliert. Danach fertigt man<br />
ein grobes Gegenstück und gießt <strong>den</strong> entstan<strong>den</strong>en Hohlraum mit Gips aus. So entsteht eine<br />
exakte Negativkopie des ursprünglichen Gesichts: ein Gipsmodell, mit dessen Hilfe sich<br />
endlich die Silikonmaske selbst gießen lässt. Drei Wochen dauert es allein, die Vorlage zu<br />
modellieren; sechzig Kobolde sollen so entstehen.<br />
In <strong>den</strong> benachbarten Regalen stapeln sich Pizzaschachteln mit bizarren Beschriftungen:<br />
"Bill Weasleys Narben". "Wun<strong>den</strong>". "Schlangenbisse". Hier liegt ein Babydrache, dort<br />
eine embryoähnliche Figur von Lord Voldemort. Jemand will uns erschrecken und lässt<br />
an einem lebensgroßen Wildschweinkopf die Augen rollen. Mit dem Ellbogen streifen<br />
wir die Haare einer blassen Hermine mit geschlossenen Augen – diese Puppe barg Viktor<br />
Krum einst aus dem See. Wenn man ein paar Stun<strong>den</strong> hier verbracht hat, wird man von<br />
dieser Welt so verschlungen, dass man in der echten ein bisschen die Orientierung verliert.<br />
Jemand ruft mich aus Deutschland auf dem Handy an und fragt, wo ich gerade sei. Keine<br />
Ahnung! Eben noch sind wir durch das Landhaus der Malfoys, danach durch die große<br />
Halle von Hogwarts spaziert. Nach ein paar Sekun<strong>den</strong> Nach<strong>den</strong>ken beschließe ich, dass<br />
»ungefähr bei London« wohl die passende Auskunft sei.<br />
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