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Position<br />

Tarifeinheit – Zersplitterung der<br />

Tariflandschaft nicht zulassen<br />

Stand: April 2013<br />

www.<strong>vbw</strong>-bayern.de


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Vorwort<br />

X<br />

Vorwort<br />

Grundsatz der Tarifeinheit<br />

Bis ins Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsgericht den bereits vom Reichsarbeitsgericht<br />

in den Zeiten der Weimarer Republik geprägten Grundsatz der Tarifeinheit als Selbstverständlichkeit<br />

betrachtet und angewendet. Die Tarifeinheit hat nicht nur den Betriebsfrieden<br />

gefördert, sondern sie war über Jahrzehnte hinweg ein wesentlicher Faktor für<br />

die Sicherung des Wirtschaftsfriedens. Streiks waren nur möglich, wenn sie im Interesse<br />

der Gesamtbelegschaft standen, und Arbeitgeber konnten sich darauf verlassen,<br />

dass sie für die Laufzeit eines Tarifvertrages von weiteren Arbeitskämpfen verschont<br />

blieben. Dies war ein erheblicher Beitrag zur stabilen Entwicklung des Wirtschaftsstandortes<br />

Deutschland.<br />

Diese Stabilität ist seit der Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010 gefährdet.<br />

Einzelne Berufsgruppen, die in den Betrieben oft nur sehr kleine Minderheiten<br />

stellen, z. B. Lokführer oder Piloten, nutzen ihre Schlüsselpositionen, um eigene Interessen<br />

vorrangig vor den Interessen der Gesamtbelegschaft durchzusetzen. Die hiermit<br />

verbundene Häufung von Arbeitskämpfen bedroht nicht nur die betroffenen Unternehmen,<br />

sondern belastet die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Die Tarifeinheit hat sich über mehr 50 Jahre als Erfolgsmodell erwiesen. Mit dem vorliegenden<br />

Positionspapier wollen wir zeigen, wie wichtig es ist, sie durch klare und faire<br />

gesetzliche Regelungen wieder einzuführen.<br />

Bertram Brossardt<br />

17. April 2013


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Inhalt<br />

X<br />

Inhalt<br />

1 Position der <strong>vbw</strong> ......................................................................................... 1<br />

2 Grundproblem der Tarifpluralität ............................................................... 2<br />

3 Rechtslage bis zur Rechtsprechungsänderung ....................................... 3<br />

3.1 Leitsätze: Vorrang eines Tarifvertrages ......................................................... 3<br />

3.2 Begründung: Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ....................... 3<br />

3.3 Auswirkungen: Sicherung des Betriebsfriedens und eines funktionierenden<br />

Tarifvertragssystems ..................................................................................... 4<br />

4 Neue Rechtsprechung ................................................................................ 5<br />

4.1 Leitsätze: Keine Auflösung der Tarifpluralität durch den Grundsatz der<br />

Tarifeinheit .................................................................................................... 5<br />

4.2 Begründung: Kein Spielraum für Rechtsfortbildung ....................................... 5<br />

4.3 Auswirkungen: Zersplitterung der Tariflandschaft und Häufung von<br />

Arbeitskämpfen ............................................................................................. 6<br />

5 Vorschläge für gesetzliche Regelungen.................................................... 8<br />

5.1 Professoren-Initiative „Tarifpluralität“............................................................. 8<br />

5.1.1 Inhalt: Geltung des Mehrheitstarifvertrages ................................................... 8<br />

5.1.2 Begründung: Praktikabilität und Bündelung von Arbeitskämpfen .................. 9<br />

5.1.3 Mögliche Auswirkungen: Weitere Zerfaserung der Tarifautonomie ............... 9<br />

5.2 Quorumsmodell ............................................................................................ 9<br />

5.2.1 Inhalt: Quorum für Arbeitskämpfe ................................................................. 9<br />

5.2.2 Begründung: Gezielte Abmilderung arbeitskampfrechtlicher Nachteile ......... 9<br />

5.2.3 Mögliche Auswirkungen: Weiterhin Spaltung der Belegschaften ................. 10<br />

5.3 Weitere Lösungsansätze ............................................................................. 10<br />

6 Forderung der <strong>vbw</strong> ................................................................................... 11<br />

6.1 Gesetzliche Regelung nach dem Modell der BDA ....................................... 11<br />

6.2 Inhalt: Grundsatz der Repräsentativität und Friedenspflicht ........................ 11<br />

6.3 Argumente .................................................................................................. 11<br />

6.3.1 Keine Spaltung der Tariflandschaft ............................................................. 11<br />

6.3.2 Vermeidung exzessiver Arbeitskämpfe ....................................................... 12


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Inhalt<br />

X<br />

6.3.3 Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ..................................... 12<br />

6.3.4 Kein Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG .................................................................. 12<br />

Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 14


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Position der <strong>vbw</strong> 1<br />

1 Position der <strong>vbw</strong><br />

Tarifeinheit gesetzlich regeln<br />

Die <strong>vbw</strong> – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt sich dafür ein, den Zustand<br />

der ungeregelten Tarifpluralität, der durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />

seit 2010 eingetreten ist, unverzüglich durch die gesetzliche Regelung<br />

des Grundsatzes der Tarifeinheit zu beenden.<br />

Der jetzige Zustand führt zur Spaltung von Belegschaften und zur Zersplitterung der<br />

Tariflandschaft. Vermehrte Streiks kleiner und kleinster Arbeitnehmergruppen in<br />

Schlüsselpositionen werden bei zunehmender Arbeitsteilung und Spezialisierung in<br />

den Betrieben zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für die gesamte Wirtschaft.<br />

Um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wieder herzustellen, muss daher folgendes<br />

gesetzlich geregelt werden:<br />

- Überschneiden sich in einem Betrieb die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge,<br />

die von unterschiedlichen Gewerkschaften geschlossen wurden, so ist<br />

nur der Tarifvertrag anwendbar, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder<br />

im Betrieb gebunden ist.<br />

- Die Friedenspflicht für den nach diesem Grundsatz anwendbaren Tarifvertrag<br />

erstreckt sich auch auf konkurrierende Tarifverträge, die nicht zur Geltung<br />

kommen. Die Friedenspflicht gilt damit während der Laufzeit des vorrangigen<br />

Tarifvertrags auch gegenüber anderen Gewerkschaften.<br />

Diese Regelung wäre kein Eingriff in die von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützte<br />

Koalitionsfreiheit, sondern eine zulässige Ausgestaltung dieses Grundrechts. Dem<br />

Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG, eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens zu<br />

bewirken, kann der Gesetzgeber nur durch klare Regelungen gerecht werden.<br />

Andernfalls drohen:<br />

- Spaltung der Belegschaften<br />

- Hoher Bürokratieaufwand<br />

- Exzessive Arbeitskämpfe<br />

- Sinkende Akzeptanz des Tarifvertragssystems<br />

- Zersplitterung der Tariflandschaft<br />

- Gefährdung des Industriestandorts


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Grundproblem der Tarifpluralität 2<br />

2 Grundproblem der Tarifpluralität<br />

Fehlende gesetzliche Regelungen<br />

Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb eines Arbeitgebers in den Geltungsbereich<br />

mehrerer Tarifverträge fällt, die mit verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossen<br />

wurden. Für diese Konstellation sieht der Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes (TVG)<br />

keine Lösung vor, obwohl hiermit erhebliche Komplikationen verbunden sind.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass das Arbeitskampfrecht in Deutschland nicht gesetzlich<br />

geregelt ist, sondern lediglich von den Arbeitsgerichten bis hin zum Bundesarbeitsgericht<br />

im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung ausgestaltet wird. Maßstab für<br />

diese Ausgestaltung ist der in Art. 9 Abs. 3 GG vorgegebene Grundsatz der Koalitionsfreiheit.<br />

Dies führt in Kombination dazu, dass es keine gesetzlichen Regelungen gibt, die einen<br />

Arbeitgeber vor einem im Ernstfall sogar existenzbedrohenden Übermaß an Arbeitskämpfen<br />

schützen, da letztlich eine unbegrenzte Anzahl von Gewerkschaften für jeweils<br />

individuelle Tarifverträge streiken kann.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Rechtslage bis zur Rechtsprechungsänderung 3<br />

3 Rechtslage bis zur Rechtsprechungsänderung<br />

Grundsatz der Tarifeinheit<br />

Bis zur Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsgericht den<br />

Konflikt, den die Tarifpluralität mit sich bringt, durch die Anwendung des Grundsatzes<br />

der Tarifeinheit aufgelöst.<br />

3.1 Leitsätze: Vorrang eines Tarifvertrages<br />

- In Betrieben, die in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fielen, fand<br />

nach dem Grundsatz der Tarifeinheit nur ein Tarifvertrag Anwendung.<br />

- Anwendung fand nach dem Grundsatz der Spezialität nur der Tarifvertrag, der<br />

dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stand<br />

und deshalb den Eigenarten und Erfordernissen des Betriebes und der darin<br />

tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung trug.<br />

3.2 Begründung: Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit<br />

Das Bundesarbeitsgericht war bis ins Jahr 2010 der Auffassung, dass alleine die betriebseinheitliche<br />

Anwendung des sachnäheren Tarifvertrages unter Anknüpfung an die<br />

Tarifbindung des Arbeitgebers geeignet sei, unüberwindliche Schwierigkeiten bei der<br />

Anwendung mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb zu vermeiden und ihr deshalb im<br />

Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Vorrang zu geben sei. Da das Tarifvertragsgesetz<br />

keine entsprechenden Regelungen enthalte, bestünde eine Regelungslücke,<br />

die durch die Gerichte auszufüllen sei.<br />

Die Gewerkschaft, die den spezielleren Tarifvertrag abgeschlossen habe, könne wegen<br />

der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Folgen<br />

der Verdrängung anderer Tarifverträge seien im Interesse der Rechtsklarheit und<br />

Rechtssicherheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch Beitritt<br />

zur sachnäheren Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide<br />

sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), nach dem bei<br />

einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte auch zu Lasten nicht<br />

tarifgebundener Arbeitgeber ausgeschlossen seien.<br />

Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit werde durch den Grundsatz der Tarifeinheit nicht<br />

verletzt, da dieser nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems schütze. Dieser<br />

Kernbereich werde durch die Verdrängung eines Tarifvertrages nicht berührt.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Rechtslage bis zur Rechtsprechungsänderung 4<br />

3.3 Auswirkungen: Sicherung des Betriebsfriedens und eines funktionierenden<br />

Tarifvertragssystems<br />

Arbeitgeber mussten sich dementsprechend nur mit der Anwendung eines Tarifvertrages<br />

je Betrieb befassen, unüberwindliche Konflikte bei der Anwendung sich überschneidender<br />

Tarifverträge waren ausgeschlossen. Dadurch wurden eine einheitliche<br />

Ordnung des Betriebes und die Förderung des Betriebsfriedens gewährleistet.<br />

Wesentliche Folge war auch, dass nach der Rechtsprechung Arbeitskämpfe unverhältnismäßig<br />

und somit rechtswidrig waren, die auf den Abschluss eines Tarifvertrages<br />

abzielten, der ohnehin durch einen spezielleren Tarifvertrag verdrängt worden wäre.<br />

Erst dadurch konnte die befriedende Funktion des Tarifvertragssystems seine volle<br />

Wirkung entfalten. Arbeitgeber konnten sich darauf verlassen, dass ihre Betriebe während<br />

der Laufzeit eines Tarifvertrages, der den Interessen ihrer gesamten Belegschaft<br />

gerecht wurde, von Streiks verschont blieben. Ebenso blieben übermäßige Beeinträchtigungen<br />

der gesamten Volkswirtschaft durch Kampfmaßnahmen von verhältnismäßig<br />

kleinen Berufsgruppen in Schlüsselpositionen aus.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Neue Rechtsprechung 5<br />

4 Neue Rechtsprechung<br />

Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 2010<br />

Mit zwei Beschlüssen vom 23. Juni 2010 hat der zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts<br />

als letzter den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben.<br />

4.1 Leitsätze: Keine Auflösung der Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit<br />

- Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und<br />

die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen<br />

eines Betriebes unmittelbar. Diese durch das Tarifvertragsgesetz<br />

vorgesehene Bindung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den<br />

Betrieb mehr als ein Tarifvertrag gilt.<br />

- Die hierdurch eintretende Tarifpluralität kann nicht nach dem Grundsatz der<br />

Tarifeinheit dahingehend aufgelöst werden, dass nur ein Tarifvertrag für den<br />

Betrieb gilt. Ein solcher Rechtsgrundsatz besteht nicht.<br />

4.2 Begründung: Kein Spielraum für Rechtsfortbildung<br />

Das Bundesarbeitsgericht vertritt nunmehr die Auffassung, dass es nach dem Wortlaut<br />

des Tarifvertragsgesetzes möglich sei, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb<br />

unterschiedliche Tarifverträge gälten. Für den Grundsatz der Tarifeinheit bestünde weder<br />

eine ausdrückliche noch eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage.<br />

Ein eventuelles rechtspolitisches Versäumnis begründe keine der Rechtsfortbildung<br />

zugängliche Regelungslücke. Außerdem sei durch die Regelungen zum Betriebsübergang<br />

im Bürgerlichen Gesetzbuch die Existenz parallel anwendbarer Tarifverträge in<br />

einem Betrieb durch den Gesetzgeber anerkannt worden.<br />

Das Bundesarbeitsgericht kommt nun weiterhin zu dem Ergebnis, dass das Tarifrecht<br />

nicht dem Arbeitskampfrecht folge, sondern andersherum und deshalb etwaige Rechtsfragen<br />

des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität in diesem<br />

Rechtsbereich zu lösen seien.<br />

Nach der geänderten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts schütze das Grundrecht<br />

der Koalitionsfreiheit eben nicht nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems, sondern<br />

alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Das Zurücktreten eines Tarifvertrages<br />

hinter den sachnäheren Tarifvertrag greife daher in diese Koalitionsfreiheit ein. Die<br />

Sicherung des Betriebsfriedens und eines funktionierenden Tarifvertragssystems seien


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Neue Rechtsprechung 6<br />

aber bloße Praktikabilitäts- und Zweckmäßigkeitserwägungen, die einen Eingriff in die<br />

individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit nicht rechtfertigen könnten.<br />

4.3 Auswirkungen: Zersplitterung der Tariflandschaft und Häufung von Arbeitskämpfen<br />

– Spaltung der Belegschaften: Arbeitnehmer in einem Betrieb werden nach unterschiedlichen<br />

Tarifverträgen bezahlt, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten. Einzelne<br />

Gewerkschaften versuchen durch Überbietungswettbewerbe Mitglieder zu gewinnen.<br />

– Hoher Bürokratieaufwand: Arbeitgeber müssen mit unverhältnismäßig hohem Aufwand<br />

dafür Sorge tragen, dass auf jeden einzelnen Arbeitnehmer im Betrieb genau<br />

diejenigen tariflichen Regelungen angewandt werden, die für ihn gelten. Solange<br />

Arbeitgeber kein Recht haben, Arbeitnehmer nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit<br />

zu fragen, wird dies ohnehin unmöglich sein.<br />

– Exzessive Arbeitskämpfe: Mit dem Wegfall der Tarifeinheit gibt es auch keine einheitliche<br />

Friedenspflicht mehr, die während der Laufzeit des spezielleren Tarifvertrages<br />

alle Gewerkschaften im Betrieb bindet. Dies bietet insbesondere kleinen Berufsgruppen<br />

in Schlüsselpositionen, wie z.B. Lokführern oder Piloten, die Möglichkeit<br />

ihre Partikularinteressen losgelöst von den Interessen der Gesamtbelegschaft<br />

durch eigene Arbeitskämpfe mit empfindlichen Folgen für Arbeitgeber und die gesamte<br />

Volkswirtschaft durchzusetzen. Für diese Berufsgruppen gründen sich seit<br />

dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010 vermehrt eigene Gewerkschaften<br />

oder bereits bestehende und bisher kooperative Gewerkschaften gehen bewusst<br />

auf Konfrontationskurs.<br />

– Sinkende Akzeptanz des Tarifvertragssystems: Berufsgruppenstreiks schaden nicht<br />

nur der Volkswirtschaft an sich, sondern sie sind oft auch für die Bevölkerung unmittelbar<br />

und sehr stark spürbar, z.B. durch Zugausfälle im täglichen Berufsverkehr. In<br />

den Medien werden im Zusammenhang mit solchen Streiks oft Schlagworte wie<br />

„Würgegriff“ oder „Erpressung“ verwendet. Die gesamtgesellschaftliche Friedensund<br />

Ordnungsfunktion des Tarifvertragssystems, die Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz eigentlich<br />

schützen und gewährleisten soll, wird dadurch gefährdet.<br />

– Zersplitterung der Tariflandschaft: Kleine Berufsgruppen erkämpfen sich mit starken<br />

Druckmitteln überproportionale Entgelterhöhungen. Dadurch werden die wirtschaftlichen<br />

Möglichkeiten der Arbeitgeber bei Entgelterhöhungen für die gesamte Belegschaft<br />

stark eingeengt. Dies geht im Ergebnis zu Lasten der geringer qualifizierten<br />

Beschäftigten.<br />

– Gefährdung des Industriestandorts: In Großbritannien agierten zeitweise mehr als<br />

600 kleine Gewerkschaften und Kleinstgewerkschaften für einzelne Berufsgruppen.<br />

Die damit verbundene ständige Bedrohung der Unternehmen durch Arbeitskämpfe


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Neue Rechtsprechung 7<br />

war mitverantwortlich für die Deindustrialisierung des Landes. Eine vergleichbare<br />

Entwicklung droht nun auch in Deutschland.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Vorschläge für gesetzliche Regelungen 8<br />

5 Vorschläge für gesetzliche Regelungen<br />

Verschiedene Modelle<br />

Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wurden von verschiedenen<br />

Seiten Vorschläge zur Regelung der Tarifeinheit bzw. zur Ordnung von Arbeitskampfmaßnahmen<br />

erarbeitet. Im Ergebnis sind sich alle einig, dass der derzeitige Zustand<br />

ohne konkrete gesetzliche Regelungen untragbar ist. Lediglich in der Frage, wie<br />

der Gesetzgeber in Zukunft konkret für die nötige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit<br />

sorgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen.<br />

5.1 Professoren-Initiative „Tarifpluralität“<br />

Eine Gruppe von Arbeitsrechts-Professoren hat in einem Projekt der Carl-Friedrich von<br />

Weizsäcker Stiftung einen Gesetzesentwurf erarbeitet und unter dem Titel „Tarifpluralität<br />

als Aufgabe des Gesetzgebers“ der Öffentlichkeit vorgestellt, der Regelungen sowohl<br />

im Tarifvertragsrecht als auch im Arbeitskampfrecht vorsieht.<br />

5.1.1 Inhalt: Geltung des Mehrheitstarifvertrages<br />

– Überschneiden sich mehrere Tarifverträge, soll nur der angewendet werden, der<br />

bezogen auf den Überschneidungsbereich mehr gewerkschaftsangehörige Mitarbeiter<br />

im Unternehmen bindet, unabhängig davon, ob es sich um einen Flächen- oder<br />

um einen Firmentarifvertrag handelt.<br />

– Arbeitskampfmaßnahmen der unterrepräsentierten Gewerkschaften sollen auf jeden<br />

Fall dann unzulässig sein, wenn der angestrebte Tarifvertrag vom Tarifvertrag der<br />

Mehrheitsgewerkschaft vollständig verdrängt würde.<br />

– Arbeitskampfmaßnahmen sollen darüber hinaus von unterrepräsentierten Gewerkschaften<br />

nur dann ergriffen werden, wenn entweder:<br />

- die Mehrheitsgewerkschaft Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen hat,<br />

- ein von der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossener Tarifvertrag Geltung entfaltet,<br />

ohne dass er mit den Minderheitsgewerkschaften abgestimmt wurde,<br />

- die Mehrheitsgewerkschaft gar keinen Tarifvertrag mit entsprechenden Regelungsgegenständen<br />

anstrebt oder<br />

- wenn der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft seit einem Jahr ausgelaufen<br />

ist und nur noch nachwirkt.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Vorschläge für gesetzliche Regelungen 9<br />

5.1.2 Begründung: Praktikabilität und Bündelung von Arbeitskämpfen<br />

Eine Spaltung der Belegschaft soll nach diesem Modell durch Beschränkung auf den<br />

Mehrheitstarifvertrag vermieden werden. Durch die Arbeitskampfregelungen sollen<br />

zudem Anreize zur Kooperation der Gewerkschaften gesetzt werden. Da die Existenzberechtigung<br />

der Minderheitsgewerkschaften nicht in Frage gestellt werde, sei die Koalitionsfreiheit<br />

nicht berührt.<br />

5.1.3 Mögliche Auswirkungen: Weitere Zerfaserung der Tarifautonomie<br />

Die Umsetzung dieses Vorschlages hätte keine betriebsbezogene Tarifeinheit zur Folge,<br />

sondern eine Tarifeinheit, die ausschließlich auf die jeweiligen Berufsgruppen bezogen<br />

wäre. Dies dürfte die Bildung weiterer Berufsgruppengewerkschaften eher noch<br />

fördern und die Zerfaserung der Tarifautonomie verstärken. Es würden sich dann immer<br />

kleinere Organisationseinheiten bilden, die durch ihren spezifischen Zuschnitt auf<br />

bestimmte Arbeitnehmergruppen in den angestrebten tariflichen Regelungsbereichen<br />

immer die Mehrheit stellen würden. Gerade solchen Gewerkschaften, die gezielt zur<br />

Durchsetzung individueller Interessen kleiner Gruppen gegründet wurden, böte dieses<br />

System eben keinen Kooperationsanreiz, da sie in ihrem speziellen Wirkungsbereich<br />

die großen Branchengewerkschaften verdrängen könnten.<br />

5.2 Quorumsmodell<br />

Im Anschluss an die Professoren-Initiative „Tarifpluralität“ trat einer der Mitwirkenden<br />

auch mit einem eigenen Vorschlag an die Öffentlichkeit, der das Professorenmodell<br />

entweder ergänzen oder auch für sich alleine stehen kann.<br />

5.2.1 Inhalt: Quorum für Arbeitskämpfe<br />

Das Modell sieht die Einführung der folgenden gesetzlichen Regelung vor: „Eine gewerkschaftliche<br />

Arbeitskampfmaßnahme ist unzulässig, wenn sie auf den Abschluss<br />

eines Tarifvertrages gerichtet ist, der bezogen auf seinen räumlichen und betrieblichen<br />

Geltungsbereich weniger als x % der Arbeitsverhältnisse erfassen würde.“<br />

Die Höhe der Zahl x soll dabei, je nach rechtspolitischer Entscheidung, zwischen fünf<br />

und 25 liegen.<br />

5.2.2 Begründung: Gezielte Abmilderung arbeitskampfrechtlicher Nachteile<br />

Zahlenmäßig kleine Gewerkschaften mit großer Schlagkraft sollen durch dieses Modell<br />

gezielt daran gehindert werden, ganze Betriebe lahmzulegen, wenn sie das Tarifergebnis<br />

nur für sich begehren und damit Sondervorteile aus ihrer günstigen Arbeitskampfposition<br />

ziehen wollen. Berufsgruppengewerkschaften würden dadurch nicht


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Vorschläge für gesetzliche Regelungen 10<br />

erheblich belastet, weil sie sich so organisieren könnten, dass ihr satzungsgemäßer<br />

Tätigkeitsbereich das Quorum erreicht.<br />

5.2.3 Mögliche Auswirkungen: Weiterhin Spaltung der Belegschaften<br />

Zwar würden Streiks von kleinen Arbeitnehmergruppen mit großer Arbeitskampfschlagkraft<br />

durch dieses Modell eingeschränkt, dennoch blieben grundsätzlich Streiks<br />

in weitem Umfang möglich. Insbesondere würden Überbietungswettkämpfe konkurrierender<br />

Gewerkschaften und die damit verbundene Spaltung der Belegschaften durch<br />

dieses Modell nicht wirksam eingedämmt.<br />

Da dieses Modell nur punktuell am Arbeitskampfrecht ansetzt, wäre außerdem das<br />

Nebeneinander mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb nicht ausgeschlossen. Die<br />

organisatorischen Schwierigkeiten, die sich aus der Tarifpluralität ergeben, wären damit<br />

nicht beseitigt.<br />

5.3 Weitere Lösungsansätze<br />

Auch andere Modelle sehen lediglich punktuelle Regelungen im Arbeitskampfrecht vor,<br />

die Streiks eindämmen sollen, aber die grundsätzliche Geltung mehrerer Tarifverträge<br />

in einem Betrieb nicht unterbinden. Die Spaltung von Belegschaften und die damit verbundenen<br />

organisatorischen Schwierigkeiten werden dadurch aber nicht verhindert.<br />

Ein weiteres Arbeitskampfmodell für die Daseinsvorsorge schlägt hohe Hürden für<br />

Streiks in besonderen Branchen wie Luft- und Schienenverkehr, Gesundheitsvorsorge,<br />

Telekommunikation, Erziehungswesen und Bargeldversorgung vor. Dadurch würden<br />

zwar Streiks mit hohem volkswirtschaftlichem Schadenspotential eingedämmt, den<br />

betrieblichen Grundproblemen würde aber auch dieses Modell nicht gerecht.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Forderung der <strong>vbw</strong> 11<br />

6 Forderung der <strong>vbw</strong><br />

Tarifeinheit gesetzlich regeln<br />

6.1 Gesetzliche Regelung nach dem Modell der BDA<br />

Im Anschluss an die Rechtssprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts setzten<br />

sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund<br />

(DGB) gemeinsam für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit ein.<br />

Seit dem Jahr 2011 beteiligt sich der DGB nicht mehr an dieser Initiative.<br />

Die <strong>vbw</strong> spricht sich zur Vermeidung der Tarifpluralität für eine gesetzliche Regelung<br />

der Tarifeinheit aus. Dabei unterstützt die <strong>vbw</strong> den nach wie vor von der BDA verfolgten<br />

Vorschlag.<br />

6.2 Inhalt: Grundsatz der Repräsentativität und Friedenspflicht<br />

Die <strong>vbw</strong> fordert folgende ausdrückliche Regelungen in das Tarifvertragsgesetz aufzunehmen:<br />

- Überschneiden sich in einem Betrieb die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge,<br />

die von unterschiedlichen Gewerkschaften geschlossen wurden, so ist<br />

nur der Tarifvertrag anwendbar, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder<br />

im Betrieb gebunden ist. Maßgeblich darf bei solchen sich überschneidenden<br />

Tarifverträgen folglich nur sein, welche der konkurrierenden<br />

Gewerkschaften im Betrieb mehr Mitglieder hat.<br />

- Die Friedenspflicht für den nach diesem Grundsatz im Betrieb anwendbaren<br />

Tarifvertrag erstreckt sich auch auf konkurrierende Tarifverträge, die nach der<br />

vorstehenden Regelung nicht zur Geltung kommen können. Die Friedenspflicht<br />

gilt damit während der Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrags auch gegenüber<br />

anderen Gewerkschaften.<br />

6.3 Argumente<br />

Für diese gesetzliche Regelung nach dem Modell der BDA sprechen gewichtige Argumente.<br />

6.3.1 Keine Spaltung der Tariflandschaft<br />

Seit der Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010 ist die Bildung von Spartengewerkschaften<br />

rapide angestiegen. Kleine Gewerkschaften und Berufsgruppenge-


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Forderung der <strong>vbw</strong> 12<br />

werkschaften missbrauchen die Tarifautonomie. Oft lassen sie die Mehrheitsgewerkschaft<br />

verhandeln und setzen – nach deren Tarifabschluss – für ihre Klientel noch eine<br />

Forderung drauf. Dadurch wird die Friedensordnung des Tarifvertragssystems unterhöhlt.<br />

Auch die großen Branchengewerkschaften schrecken – um ihre Mitglieder zu<br />

halten – noch weniger vor aggressiven Arbeitskampfmethoden zurück. Auseinandersetzungen<br />

der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften untereinander werden auf dem<br />

Rücken von Arbeitgebern und Allgemeinheit ausgetragen.<br />

Ständige und kaum handhabbare Tarifauseinandersetzungen lassen sich nur durch<br />

eine klare Entscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten des Tarifvertrages, der der<br />

Mehrheit der Betriebsangehörigen gerecht wird, vermeiden.<br />

6.3.2 Vermeidung exzessiver Arbeitskämpfe<br />

Durch fortschreitende Arbeitsteilung und Spezialisierung in den Betrieben nimmt das<br />

Druckpotential kleiner und kleinster Arbeitnehmergruppen zu. Vermehrte Berufsgruppenstreiks<br />

haben verheerende Auswirkungen auf Arbeitsabläufe, Betriebsklima und auf<br />

die gesamte Volkswirtschaft. Die Friedenspflicht, einer der Anreize des Tarifvertragssystems<br />

für Arbeitgeber, verliert ihren Wert.<br />

Die vorgeschlagene gesetzliche Regelung ist ein effektives Mittel gegen die Atomisierung<br />

von Arbeitskämpfen.<br />

6.3.3 Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit<br />

Mit der gesetzlichen Regelung wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dahingehend<br />

geschaffen, welcher Tarifvertrag im jeweiligen Betrieb gilt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

müssen sich dann weiterhin regelmäßig nur mit einem Tarifvertrag auseinandersetzen.<br />

Kaum überwindbare organisatorische Schwierigkeiten werden vermieden, der<br />

Betriebsfrieden wird gefördert.<br />

6.3.4 Kein Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG<br />

Die vorgeschlagenen Regelungen greifen auch nicht in unzulässiger Art und Weise in<br />

Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3 GG ein. Vielmehr entsprechen sie voll und ganz dem<br />

Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG, das Arbeits- und Wirtschaftsleben sinnvoll zu ordnen und<br />

zu befrieden. Aus gutem Grund wurde der Grundsatz der Tarifeinheit vom Bundesarbeitsgericht<br />

über 50 Jahre hinweg bejaht und angewandt, ohne dass es für das Bundesverfassungsgericht<br />

je einen Anlass gab, einzugreifen.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Forderung der <strong>vbw</strong> 13<br />

6.3.4.1 Kein unzulässiger Eingriff in die individuelle Koalitionsfreiheit<br />

Als Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit schützt Art. 9 Abs. 3 GG das Recht<br />

einzelner Arbeitnehmer Koalitionen zu bilden, diesen beizutreten, in diesen zu verbleiben,<br />

sich in diesen zu betätigen und auch zwischen Koalitionen zu wechseln oder diesen<br />

fernzubleiben. Auch bei der gesetzlichen Einführung der Tarifeinheit bliebe allen<br />

Arbeitnehmern das Recht, sich zu Minderheits- oder Berufsgruppengewerkschaften<br />

zusammenzuschließen, diesen beizutreten oder sich in diesen zu betätigen.<br />

Allerdings gewährt dieses Grundrecht keinen Anspruch auf bestimmte Tarifverträge<br />

oder bestimmte Arbeitskampfmaßnahmen. Der Gesetzgeber kann also bestimmen,<br />

dass ein Tarifvertrag aufgrund des Grundsatzes der Tarifeinheit nicht anwendbar sein<br />

soll und insoweit auch Arbeitskämpfe unzulässig sein sollen, ohne die betroffenen Gewerkschaftsmitglieder<br />

in ihren Rechten zu verletzen.<br />

6.3.4.2 Kein unzulässiger Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit<br />

Als Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit gewährt Art. 9 Abs. 3 GG tariffähigen<br />

Gewerkschaften grundsätzlich das Recht, eigene Tarifabschlüsse zu suchen und diese<br />

auch mit den Mitteln des Arbeitskampfs durchzusetzen. Allerdings hat der Gesetzgeber<br />

einen weiten Spielraum bei der Gestaltung und Regelung der Tragweite der Koalitionsfreiheit<br />

und der Befugnisse der Koalitionen.<br />

Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG ist die im allgemeinen Interesse liegende Aufgabe<br />

der Ordnung und Befriedigung des Arbeitslebens. Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit<br />

liegt nur dann vor, wenn das Regelungsziel nicht in der Realisierung eines funktionsgerechten<br />

Tarifvertragssystems besteht. Störungen einer sinnvollen Ordnung des<br />

Arbeitslebens, vor allem schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des<br />

Tarifrechts in Richtung Tarifklarheit und Rechtssicherheit, darf und muss der Gesetzgeber<br />

entgegenwirken.<br />

Die Auflösung der Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit ist somit eine<br />

zulässige Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit.


Position – Tarifeinheit<br />

Zersplitterung der Tariflandschaft nicht zulassen<br />

<strong>vbw</strong> – April 2013<br />

Ansprechpartner / Impressum 14<br />

Ansprechpartner<br />

Julius Jacoby<br />

Grundsatzabteilung Recht<br />

Telefon 089-551 78-237<br />

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julius.jacoby@<strong>vbw</strong>-bayern.de<br />

Florian Popella<br />

Grundsatzabteilung Recht<br />

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Telefax 089-551 78-233<br />

florian.popella@<strong>vbw</strong>-bayern.de<br />

Impressum<br />

Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl<br />

auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren<br />

Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher<br />

Form verzichtet.<br />

Herausgeber:<br />

Weitere Beteiligte:<br />

<strong>vbw</strong><br />

Vereinigung der Bayerischen<br />

Wirtschaft e. V.<br />

Max-Joseph-Straße 5<br />

80333 München<br />

Sandra Wagner<br />

<strong>vbw</strong> Rechtsberatung eG<br />

Telefon 0821-455 05 832<br />

sandra.wagner@<strong>vbw</strong>-recht.de<br />

www.<strong>vbw</strong>-bayern.de<br />

© <strong>vbw</strong> April 2013

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