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Volltext (pdf) - Bayreuther Beiträge zur Erforschung der religiösen ...

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Moritz Klenk:<br />

Religionswissenschaft als systemische Kulturwissenschaft<br />

Überlegungen zu einer Synthese von Systemtheorie<br />

und kulturwissenschaftlicher Religionsforschung<br />

16<br />

sozial, milieuspezifisch o<strong>der</strong> kulturell.<br />

Zuletzt muss noch kurz auf Gladigows Begriff <strong>der</strong> „Kommunikationssysteme“<br />

Bezug genommen werden. Diesen bezieht er wahrscheinlich,<br />

auch wenn er hier sehr unklar bleibt, von Parsons und Luhmann. Meiner<br />

Einschätzung nach kann man jedoch den Parsons`schen o<strong>der</strong> auch den<br />

dann durch Luhmann erweiterten Systembegriff nicht auf ein ‚Schlagwort‘,<br />

als das es Gladigow hier gebraucht, reduzieren. Was Gladigow<br />

als ‚Kommunikation‘ bezeichnet, bezieht sich auf ein Alltagsverständnis<br />

von kommunizierenden, interagierenden Individuen – ‚System‘ auf<br />

ein komplexes ‚Gebilde’ von Kommunikationen, die in einer wie auch<br />

immer gearteten Verbindung o<strong>der</strong> Beziehung zueinan<strong>der</strong> stehen. Beide<br />

Betrachtungen entsprechen aber in keiner Weise dem Kommunikations-<br />

und Systemverständnis von Niklas Luhmann. 31 Das bedeutet<br />

nicht, dass Gladigows Religionsdefinition mit <strong>der</strong> systemtheoretischen<br />

Perspektive inkompatibel wäre; dazu bleibt dieser Rahmen zu unscharf<br />

und zu weit gefasst.<br />

Als Kernelement seiner Religionsdefinition formuliert Burkhard Gladigow<br />

die Abgrenzung religiöser von nicht<strong>religiösen</strong> Deutungssystemen<br />

vermeintlich scharf, indem er festhält, dass <strong>der</strong> „Geltungsgrund [erster]<br />

von den ‚Benutzern‘ auf unbezweifelbare, kollektiv verbindliche und autoritativ<br />

vorgegebene Prinzipien <strong>zur</strong>ückgeführt wird.“ (Gladigow 2005a,<br />

35) Als mögliche Alternativen dieser Prinzipien werden Setzung, Stiftung<br />

o<strong>der</strong> Berufung auf Alter und Tradition genannt. Auch das macht<br />

für Gladigow die Kontextualisierung von Religion in <strong>der</strong> Forschung<br />

unabdingbar. (Gladigow 2005a, 36) Wie jedoch die genannten Prinzipien<br />

diese Wirkung entfalten, bzw. auf welche Ursachen ihre Wirkung<br />

<strong>zur</strong>ückzuführen ist, bleibt an dieser Stelle wie<strong>der</strong>um sehr unklar. Vermuten<br />

kann <strong>der</strong> Leser die schon oben genannte Mischung psychischer,<br />

sozialer und kultureller Ursache-Wirkungszusammenhänge. 32 Schon<br />

hier zeigt sich, dass es Schnittpunkte geben könnte, an denen die konsequente<br />

Einbindung <strong>der</strong> Systemtheorie Schärfe und Präzision in ein<br />

31 Vgl. hierzu auch weiter unten Erläuterungen <strong>zur</strong> Systemtheorie.<br />

32 Anm.: Auch hier bleiben m.E. einige epistemologische Fragen und Probleme offen,<br />

bei <strong>der</strong>en Lösung die Systemtheorie helfen kann: Wie lässt sich das empirisch feststellen?<br />

Kann man tatsächlich von psychischen auf soziale Zusammenhänge o<strong>der</strong> Phänomene<br />

schließen? Kann man tatsächlich erklären, wie diese Prinzipien zu den beschriebenen<br />

Wirkungen führen, worin <strong>der</strong> Mechanismus liegt und warum?<br />

eher unklares, kulturwissenschaftliches Verständnis von Religion bringen<br />

kann. 33<br />

Diese Definition hat auch Konsequenzen für mögliche Gegenstände<br />

<strong>der</strong> Religionswissenschaft. Ganz beson<strong>der</strong>s betont Gladigow hier eine<br />

metasprachliche Beschreibung, die sich explizit von objektsprachlichen<br />

Deutungsmodellen <strong>der</strong> Theologie absetzen muss. Diese kann und muss<br />

auf <strong>der</strong> gleichen Ebene wie beispielsweise eine Ritualsequenz, also als<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Religionswissenschaft gesucht werden. (Vgl.: Gladigow<br />

2005a, 37) Noch etwas allgemeiner erkennt Gladigow an, dass Sprache<br />

an sich „bevorzugtes Medium von Wissenschaften, zumal Geisteswissenschaften<br />

ist“ und es so auch nicht verwun<strong>der</strong>lich sei, dass „sprachlich<br />

fixierte Elemente von Religionen im Zentrum <strong>der</strong> Aufmerksamkeit<br />

stehen.“ (Gladigow 2005a, 37) Das darf jedoch nicht zu einem ideologischen<br />

Ausschluss nichtsprachlicher Elemente von Religion führen.<br />

Wie man dem jedoch in <strong>der</strong> empirischen Forschung gerecht werden<br />

kann, bleibt hier zunächst noch offen, bzw. in den Aufgabenbereich einer<br />

Religionsästhetik verwiesen. Zuletzt plädiert Gladigow wie<strong>der</strong>holt<br />

für die Einbindung <strong>der</strong> Religion in ihren historischen und regionalen<br />

Kontext als auch für eine umfangreiche Analyse, die erst im Zusammenhang<br />

aller Phänomene einer Religion eine „genauere Bewertung des<br />

konkreten Funktionierens“ (Gladigow 2005a, 38) leisten kann. Es muss<br />

betont werden, dass nicht zuletzt dadurch <strong>der</strong> Gegenstandsbereich religionswissenschaftlicher<br />

Untersuchungen dramatisch umfangreich wird.<br />

„Hier verbinden sich […] politische, soziologische, juristische, architektonische,<br />

ökonomische, ikonographische und rituelle Perspektiven“<br />

(Gladigow 2005a, 38). Beson<strong>der</strong>s für eine „Analyse von Opfer, Kultbild<br />

und Tempel“ (Gladigow 2005a, 38) kann aber in <strong>der</strong> Religionswissenschaft<br />

auf keine dieser Perspektiven verzichtet werden. Darüber hinaus<br />

weist Gladigow auch auf Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Geschichte<br />

einer Religion hin, wenn diese sich von klassischen Buchreligionen<br />

Europas unterscheidet. Für Kulte o<strong>der</strong> polytheistische Religionen<br />

müssen erst noch tragfähige Beschreibungen gefunden werden 34 – die<br />

33 Vgl. hierzu auch Abschnitt 4.1<br />

34 Anm.: Auch hier könnte sich eine interdisziplinäre, multivariable Analysen mittels<br />

sozialer Evolutionstheorie anbieten um eventuell das bisher erreichte Auflösungspotential<br />

zu steigern (siehe auch Kapitel 5.2 in dieser Arbeit).<br />

17

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