05.11.2013 Aufrufe

PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig

PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig

PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

NATUR | Kleingarten<br />

sagt sie, wenn nur die Dauerbewohner hier<br />

sind, sei es ganz leise und es mache dann fast<br />

den Eindruck, als gehöre ihnen die Anlage<br />

ganz alleine. Alleine, aber nicht einsam. Am<br />

Wochenende, wenn mehr Leute da sind, sei<br />

es erst recht lustig. „Wir haben ja viele<br />

Freunde hier unter den Nachbarn.“ Auf nur<br />

35 Quadratmeter Grundfläche wohnen die<br />

vier Halickis, Karoline, Andreas und die beiden<br />

Töchter. Das zweistöckige Haus, das sie<br />

in Eigenregie und mit viel Liebe auf- und<br />

umgebaut haben, und der Garten muten so<br />

gar nicht an wie das, was man sich unter<br />

einem Kleingartenanwesen vorstellt: heimelige<br />

Holzfassade, großzügige Terrasse, die<br />

blaue Bank, die sich hinter einer mächtigen<br />

Weide versteckt, die Hängematte, zwischen<br />

zwei massiven Holzstämmen aufgehängt.<br />

Auch der Obmann fühlt sich hier im<br />

Garten wohl, sagt: „Das<br />

ist nicht nur Haus und<br />

Wiese, sondern ein richtiger<br />

Garten.“ Und Gärten<br />

gibt es viele in seiner Anlage.<br />

„281 Parzellen haben<br />

wir hier im Kleingartenverein<br />

Rosenhügel.“<br />

Weg 8, Parzelle 280<br />

Eine davon gehört Familie<br />

Meidl, deren Garten<br />

ein kleiner Park ist. Sanft<br />

schlängelt sich der obligatorische<br />

Weg, mit Natursteinen<br />

gemacht, von der Gartentüre in<br />

Richtung Terrasse. Dort hat Margit Meidl<br />

auf dem Tisch Fotoalben ausgebreitet.<br />

„Zuerst war da nur ein kleines Häuschen“,<br />

sagt sie und zeigt ein Bild von einem verwunschenen,<br />

verwachsenen Garten, einer<br />

Hütte aus dunklem Holz. „Das war 1983,<br />

da haben wir den Garten übernommen.“<br />

Seitdem ist viel passiert. Inzwischen ist der<br />

Garten nicht mehr nur Wochenenddomizil,<br />

sondern fester Wohnsitz der dreiköpfigen<br />

Familie. Margit, Walter und Tochter<br />

Bettina. Und dann wären da noch Timmy,<br />

die Katze, die eigentlich ein „Maincoon“<br />

ist, ein wuscheliger Riese in Grau-Weiß,<br />

VIELE GESICHTER, EIN PRINZIP<br />

Die meisten der Häuser des Kleingartenvereins Rosenhügel liegen von der Gartentüre aus<br />

gesehen am gegenüberliegenden Grundstücksende. Meist teilt ein Weg den Garten. Auch wenn<br />

das Prinzip stets dasselbe ist, steckt die Individualität der Bewohner doch im Detail.<br />

und Herr Lehner, die Schildkröte.<br />

Die Tiere haben die Meidls erst, seit sie<br />

den Garten haben. „Davor haben wir in einer<br />

Wohnung im zwölften Bezirk gewohnt“,<br />

sagt Margit Meidl – kein Vergleich:<br />

„Es ist eine Idylle hier!“ Nicht nur<br />

der Garten, sondern auch die Nachbarn.<br />

„Hier leben wir in einer Gemeinschaft, wir<br />

helfen einander. In der Wohnung nicht.“<br />

Auch der Obmann hilft, wenn er kann.<br />

Zum Beispiel passt Karl Haberl auf Timmy,<br />

die Katze, die so groß wie ein Hund ist,<br />

wenn Familie Meidl im Urlaub ist. Auch<br />

wenn er hier nicht seinen festen Wohnsitz<br />

hat – er lebt ganz in der Nähe in einer Wohnung<br />

und kommt, wann immer er Zeit findet,<br />

hierher in den Kleingartenverein –, ist<br />

er fest in die Gemeinschaft eingebunden.<br />

Mehr noch, „es entstehen richtige Freundschaften“,<br />

sagt er und krault Timmy hinter<br />

den mächtigen Ohren.<br />

Karl Haberl ist natürlich nicht nur zum<br />

Besuchemachen da. Als Obmann des Kleingartenvereins<br />

Rosenhügel hält er einmal im<br />

Monat Sprechstunde in der Vereinskanzlei.<br />

Das ist ein Raum in einem flachen Gebäude,<br />

gleich neben dem Wirten, der hier auch<br />

Unterpächter ist. Hierher kann jeder Bewohner<br />

kommen, mit Problemen, mit Anliegen,<br />

mit allem, was es rund ums Bauen zu klären<br />

gibt. „Wir kümmern uns außerdem um die<br />

Vergabe der Kleingärten“, sagt Karl Haberl.<br />

„Wir haben zweihundert Anfragen, aber nur<br />

fünf Gärten pro Jahr zu vergeben.“ Die Bewerber<br />

kommen zu ihm, stellen sich vor,<br />

schauen sich um. „Wenn ein Garten frei<br />

wird, geben wir Bescheid.“ Die Freude ist<br />

dann natürlich groß, denn Kleingärten sind<br />

beliebt wie nie. „Es ist finanzierbares Bauland“,<br />

sagt Karl Haberl. Der Grund und<br />

Boden der Kleingartenanlage gehört dem<br />

Land, in diesem Fall der Stadt Wien, Pächter<br />

ist der Zentralverband der Kleingärtner.<br />

Die einzelnen Parteien sind Unterpächter.<br />

Gebaut werden darf je nach Parzellengröße<br />

(im Schnitt 400 Quadratmeter) auf einer<br />

Fläche von bis zu 50 Quadratmetern. Da ist<br />

Fantasie gefragt.<br />

Weg 8, Parzelle 38<br />

VERBINDENDER WEG<br />

Insgesamt acht Wege ziehen<br />

sich durch die Kleingartenanlage.<br />

Sie verbinden die<br />

einzelnen Grundstücke und<br />

bestimmen auch die genaue<br />

Lage: vom „Einser-Weg“ bis<br />

zum „Achter-Weg“.<br />

Auch Vencours haben gebaut, vier Jahre ist<br />

das jetzt her. Ihr gelb-freundliches Haus hat<br />

Keller, Erdgeschoß und Stock samt Holzbalkon.<br />

„Ossi & Hanni“ steht auf dem<br />

Schild über der Eingangstür und Oscar und<br />

Johanna strahlen um die Wette, als sie in<br />

den Garten bitten. Ein Garten, den Obmann<br />

Haberl als einzigartig und außergewöhnlich<br />

angekündigt hat. Er hat recht. Ein<br />

Teich, bestimmt zwanzig Quadratmeter<br />

groß, ist umringt von Zierahornbäumen<br />

und niedrigem Gebüsch. Überm Wasser ein<br />

hölzerner Steg, drinnen tummeln sich Pennant<br />

und Goldorfen, Oscar Vencour lächelt<br />

stolz und zufrieden, er liebt die Fische. „Ich<br />

bin ein Aquarianer“, sagt er. Und erzählt,<br />

wie ihn diese Leidenschaft zu seiner Arbeit<br />

im Tiergarten Schönbrunn geführt hat.<br />

„Eigentlich wollte ich zu den Fischen, dort<br />

war kein Platz.“ Gelandet ist er bei den<br />

Raubtieren.<br />

Bei einer Tasse Kaffee zeigt er ein Fotoalbum,<br />

das ihn mit seinen Raubkatzen zeigt.<br />

Ein Gepard lässt sich von ihm hinter den<br />

Ohren kraulen. Ein Tiger legt ihm die Pratze<br />

Juli | August 2009<br />

UNIVERSUM<br />

73

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!