PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig
PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig
PARADIES AN PARADIES - Ursel Nendzig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
NATUR | Kleingarten<br />
„Zuerst wegen der Kinder“, erzählt Adele<br />
Letz, „damit sie in die Natur kommen.“<br />
Adele Letz hat einen grünen Daumen. Das<br />
beweist nicht zuletzt ihr Kiwibaum. Er wuchert<br />
förmlich über die Laube, die sich die<br />
Letzens gebaut haben, um auch bei Regen<br />
draußen sitzen zu können. Sie erklärt, dass<br />
„man immer ein Kiwimännchen und ein<br />
Weibchen pflanzen“ muss. „Schauen Sie,<br />
das Weibchen hat runde Blätter, das Männchen<br />
ist spitz.“ Sie kichert. „Wie bei den<br />
Menschen.“ Wenn wenige Insekten fliegen,<br />
bestäubt sie auch mal selber mit einer Blüte,<br />
damit es Früchte gibt. „200 Kiwis hatten<br />
wir letztes Jahr.“ Dann zeigt sie noch<br />
ihren Pfirsichbaum, den sie aus einem<br />
Kern selbst gezogen hat. Und überhaupt,<br />
das Gemüsebeet! Kürbisse, Salat,Tomaten<br />
(auch aus Kernen selbst gezogene Pflänzchen)<br />
– ein Paradies. „Es ist einfach eine<br />
Freude, wenn man etwas wachsen sieht“,<br />
sagt Adele Letz. Ihre Hauswurzen gedeihen<br />
wie alles andere ebenfalls prächtig.<br />
„Die schenk ich manchmal an Nachbarn<br />
her“, sagt sie und lacht: „Aber erst ab einem<br />
Kilo!“<br />
Weg 1, Parzelle 7<br />
Die Markls haben ihr Grundstück erst seit<br />
kurzem, sie sind noch dabei, es herzurichten.<br />
Er haut gerade einen Pfahl in die Wiese, mit<br />
einem Vorschlaghammer drischt er, auf einer<br />
Leiter stehend, darauf ein. Die Rosen sollen<br />
daran angebunden werden, damit sie nicht<br />
mehr in den Weg hängen. Mario Markl und<br />
seine Frau Sandra haben erst kürzlich die<br />
kleine Parzelle gleich neben dem Wirten<br />
übernommen und sind dabei, sich ein Wochenendparadies<br />
zu schaffen. Sitzgarnitur,<br />
Griller, das kleine Häuschen. „Ein Garten<br />
mitten in der Stadt, das ist einfach das Paradies“,<br />
sagen die beiden. Ein Paradies neben<br />
vielen anderen kleinen Paradiesen – jedes<br />
auf seine Art.<br />
<br />
TIERPARK UND GEMÜTLICHKEIT<br />
Die Vencours (li. o.) haben aus ihrem Garten<br />
ein wildes Paradies geschaffen, inklusive<br />
Teich und Voliere. Der Garten der<br />
Meidls (li. Mi.) ist fast ein Park, besonders<br />
gemütlich ist es bei Familie Halicki (li. u.).<br />
Kleingarten im Internet:<br />
Zentralverband: www.kleingaertner.at<br />
Alle Links zum Anklicken: www.universum.co.at<br />
VEREINS-FÜHRUNG<br />
Obmann Karl Haberl, hier vor der<br />
Vereinskanzlei, führt seinen Kleingartenverein<br />
mit Leidenschaft und Humor.<br />
Unsere Autorin <strong>Ursel</strong> <strong>Nendzig</strong> führte er<br />
durch viele, viele wunderschöne Gärten.<br />
KLEINGÄRTEN: EIN PAAR FAKTEN<br />
„Der älteste Kleingartenverein ist der Verein<br />
Rosenthal im 14. Bezirk“, sagt Wilhelm Wohatschek.<br />
Er ist Präsident des Zentralverbandes<br />
der Kleingärtner und Siedler Österreichs. Seit<br />
über hundert Jahren existiert das Modell des<br />
Kleingartens und hat sich seither den Bedingungen<br />
immer wieder angepasst. „Immer wenn es<br />
den Leuten schlechter gegangen ist, wie nach<br />
den Kriegen, sind die Gärten zu Nutzgärten<br />
geworden“, sagt Wilhelm Wohatschek. „In den<br />
1970ern und 80ern waren es dann meistens nur<br />
Rasen und Thujenhecken, also Erholung pur.<br />
Heute wird wieder viel Gemüse angebaut, aber<br />
nicht, weil es den Leuten schlecht geht – sondern<br />
aus ökologischen Überlegungen.“<br />
„Seit 1992 gibt es die Möglichkeit, einen<br />
Hauptwohnsitz im Kleingartenverein anzumelden.“<br />
Seit damals gibt es neben der Widmungskategorie<br />
„EKL“ – Kleingartenfläche – auch<br />
„EKL-W“. Das „W“ bedeutet, dass Hauptwohn-<br />
sitze möglich sind und bis zu 50 Quadratmeter<br />
des Grundstücks verbaut werden dürfen.<br />
Wie die Flächen gewidmet werden, ist übrigens<br />
Angelegenheit der Länder. Im Unterschied zu<br />
„normalem“ Bauland gilt für die Flächen der<br />
Kleingartenvereine, dass sie „kleingärtnerisch<br />
bewirtschaftet“ werden müssen.<br />
„Kleingartenvereine gibt es in allen Bundesländern<br />
Österreichs außer in Vorarlberg“, erzählt<br />
Wilhelm Wohatschek; die meisten gibt es in Wien.<br />
8,5 Millionen Quadratmeter hat der Zentralverband<br />
in ganz Österreich in Pacht. Allein in<br />
Wien gibt es insgesamt 14 Millionen Quadratmeter<br />
Kleingarten – fast die Hälfte gehört also nicht<br />
zum Zentralverband. „Es gibt viele private Kleingartenanlagen,<br />
aber auch die ÖBB hat eine.“<br />
Wer selbst einen Kleingarten möchte,<br />
braucht einen langen Atem, denn die Wartelisten<br />
sind übervoll. „Kleingärten sind die Form,<br />
die viele junge Leute anspricht“, sagt Wilhelm<br />
Wohatschek. „In den letzten Jahren haben wir<br />
viele Bewerber, die ein Reihenhaus hatten, aber<br />
doch lieber einen ruhigeren, größeren Garten<br />
wollen.“ Außer der Warteliste gibt es nur die<br />
Möglichkeit der Erbschaft. „Beim Tod eines<br />
Pächters – der ja eigentlich Unterpächter des<br />
Zentralverbandes ist – kann der Kleingarten an<br />
Nachkommen in gerader Linie vererbt werden.“<br />
Kinder bzw. Eltern also. Wenn diese möchten,<br />
können sie in den Pachtvertrag einsteigen.<br />
Wenn nicht, wird das Grundstück neu vergeben,<br />
das Haus muss von den neuen Unterpächtern<br />
abgelöst werden. Bisher ist noch kein Garten<br />
lange ungenutzt geblieben, es scheint, als seien<br />
die Kleingärten überall beliebt. „Die Unterpächter<br />
kommen aus jeder Altersklasse, jeder Bildungsschicht,<br />
jeder Gesellschaftsschicht“, sagt<br />
Wilhelm Wohatschek. „Bis zum Generaldirektor.“<br />
Und der Präsident selber? Der hat natürlich<br />
auch einen Kleingarten.<br />
Juli | August 2009<br />
UNIVERSUM<br />
75