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wirkliche Übergabe

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NZ 11/2011<br />

Laurenz Liedermann,<br />

Die „<strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong>“ im Schenkungsrecht<br />

NOTAR.AT<br />

den, macht bei dieser Lösung keinen Sinn, da es sich in<br />

beiden Fällen um die Erfüllung des Schenkungsversprechens<br />

handelt. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen<br />

Fällen kann dadurch vermieden werden. Nachdem es<br />

sich um denselben Fall handelt, gelten zwangsläufig dieselben<br />

Voraussetzungen.<br />

c) Kritik und eigene Ansicht<br />

Die erste Variante (Ausnahme von der Formpflicht) wirkt<br />

künstlich und konstruiert. Ein erneuter Vertragsschluss<br />

entspricht wohl nicht den Vorstellungen gewöhnlicher<br />

Parteien. Diese gehen wohl vielmehr von einer geschlossenen<br />

Vereinbarung aus und wollen diese nur erfüllen.<br />

Auch den Vertragsschlusszeitpunkt auf den Erfüllungszeitpunkt<br />

zu verschieben, schafft Probleme, etwa bei teilweiser<br />

Erfüllung. Die zweite Variante (Heilung) ist bereits<br />

dogmatisch schöner als die erste Variante, doch auch hier<br />

stört das Spannungsverhältnis zwischen <strong>Übergabe</strong> bei<br />

und nach Vertragsschluss, das erst durch Auslegung gelöst<br />

werden muss.<br />

Die Lösung über eine Naturalobligation passt am besten<br />

in die Struktur des ABGB, weil sie keine Wertungswidersprüche<br />

erzeugt. Sie lässt sich auch historisch erklären. 62<br />

3. Geschichtliche Entwicklung<br />

Im Codex Theresianus sowie im Entwurf Horten finden<br />

sich noch keine Regelungen zur Schenkungsform. 63<br />

Diese kommt erstmals in III 2. § 11 Entwurf Martini vor:<br />

„Aus einem blos mündlichen und ohne <strong>wirkliche</strong> Uebergabe<br />

geschlossenen Schenkungsvertrage unter Lebenden<br />

soll dem Geschenknehmer kein Klagerecht gebühren.<br />

Dieses Recht muß, um den Verdacht der Uebereilung<br />

oder rechtswidrigen Verleitung abzulehnen, allzeit<br />

mit einer schriftlichen Urkunde begründet werden.“ 64<br />

Die Regelung ist – aufgrund der Ähnlichkeit und des Umstandes,<br />

dass es zuvor keine Regelung gab – offenbar<br />

dem ALR entlehnt, 65 in dem aus Schenkungen, die außergerichtlich<br />

abgeschlossen wurden, idR nicht auf Erfüllung<br />

geklagt werden konnte (§ 1064 I 11). Wurde eine bewegliche<br />

Sache jedoch bereits übergeben, so konnte sie<br />

nicht aufgrund der Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages<br />

zurückgefordert werden (§ 1165 I 11). Dasselbe<br />

galt für unbewegliche Sachen bei schriftlichem Schenkungsvertrag<br />

und <strong>Übergabe</strong>, wobei unter <strong>Übergabe</strong> im<br />

letzten Fall die „<strong>wirkliche</strong> Naturalübergabe, wodurch<br />

die geschenkte Sache in den Besitz und die Gewahrsame<br />

des Beschenkten gelangt“ zu verstehen war (§ 1168 I 11).<br />

Die Parallelen sind insbesondere in der Rechtsfolge zu<br />

sehen, dass die Formverletzung die Klagbarkeit verhindert.<br />

Auch die Formulierung „<strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong>“<br />

62<br />

Siehe sogleich C.3.<br />

63<br />

Vgl Saxl/Kornfeld, Quellenausgabe (1906) 326.<br />

64<br />

Harras Ritter von Harrasowsky, Codex Theresianus IV/2, 166.<br />

65<br />

Vgl Saxl/Kornfeld, Quellenausgabe VIII f.<br />

könnte von den für unbewegliche Sachen stammenden<br />

Regelungen im ALR stammen. Einzig der gerichtliche<br />

Vertrag war als Formvorschrift offenbar zu streng, hier<br />

empfand man bloße Schriftlichkeit wohl als ausreichend.<br />

Im Urentwurf zum ABGB wurde der Entwurf Martini mit<br />

geringen sprachlichen Anpassungen übernommen und<br />

in den Beratungen in weiterer Folge nur geringfügig angepasst.<br />

Die Worte „unter Lebenden“ wurden gestrichen<br />

und im zweiten Satz wurde die Begründung weggelassen.<br />

66 Es wurde erwogen, ob auch der Abschluss unter<br />

Anwesenheit von zwei Zeugen eine hinreichende Form<br />

wäre, was jedoch unter Verweis auf den Warnzweck der<br />

Schenkung abgelehnt wurde. 67 Auch der Vorschlag, eine<br />

Wertgrenze für die Formvorschrift nach römisch rechtlichem<br />

Vorbild festzulegen, fand aufgrund der Relativität<br />

einer solchen Grenze keinen Anklang. 68 Seitdem lautet<br />

§ 943 ABGB: „Aus einem bloß mündlichen, ohne <strong>wirkliche</strong><br />

Uebergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst<br />

dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses<br />

Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet<br />

werden.“<br />

a) Das Konzept des ALR im ABGB<br />

§ 943 ABGB regelt zwei Fälle der Schenkung nach demselben<br />

Konzept wie das ALR. Nach dem zweiten Satz entsteht<br />

ausdrücklich nur für die schriftliche Urkunde ein Klagerecht.<br />

69 Satz 1 bestimmt hingegen, dass ein mündlicher<br />

Vertrag ohne <strong>Übergabe</strong> kein Klagerecht erzeugt.<br />

Der dritte im ALR geregelte Fall, ein mündlicher Vertrag<br />

mit <strong>Übergabe</strong>, wird von § 943 ABGB nicht geregelt.<br />

Hier gegen den Wortlaut des § 943 Satz 2 ABGB eine<br />

vollständige Gültigkeit samt Klagbarkeit anzunehmen,<br />

ist nicht geboten. Vielmehr spricht vieles dafür, dass<br />

Satz 2 die mündliche Schenkung mit <strong>Übergabe</strong> absichtlich<br />

nicht erwähnt, weil man dies nicht für notwendig<br />

hielt. Dies wäre denkbar, wenn es im Falle der mündlichen<br />

Schenkung mit <strong>wirkliche</strong>r <strong>Übergabe</strong> gar keines Klagerechts<br />

bedürfe. 70<br />

Das ALR sah für formungültige Schenkungen mit <strong>wirkliche</strong>r<br />

<strong>Übergabe</strong> kein Klagerecht, sondern einen Rückforderungsausschluss<br />

vor. Dass übergebene Schenkungen<br />

nicht zurückgefordert werden können, findet sich zwar<br />

nicht in § 943 ABGB. Allerdings findet sich zumindest<br />

die <strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong> erwähnt. Komplett wird die Vorschrift<br />

erst mit § 1432 ABGB, durch den die bereicherungsrechtliche<br />

Kondiktion von Zahlungen von Schulden,<br />

bei denen das Gesetz bloß die Klagbarkeit versagt, aus-<br />

66<br />

Ofner, Ur-Entwurf II 29 FN 1.<br />

67<br />

Ofner, Ur-Entwurf II 29.<br />

68<br />

Ofner, Ur-Entwurf II 562.<br />

69<br />

So auch Zeiller, Commentar über das ABGB III/1, 161.<br />

70<br />

Vgl Zeiller, Commentar über das ABGB III/1, 161 nach dem ein<br />

wirklich übergebenes Geschenk sogleich das Eigentumsrecht<br />

überträgt und eine schriftliche Schenkung eine persönliche Forderung,<br />

ein Klagerecht gibt.<br />

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