06.11.2013 Aufrufe

Dr. Kainz & Partner - Deubner Recht & Praxis

Dr. Kainz & Partner - Deubner Recht & Praxis

Dr. Kainz & Partner - Deubner Recht & Praxis

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong><br />

Anwaltskanzlei für privates Baurecht, Architektenrecht und Vergaberecht<br />

Mediation in Bausachen<br />

Zum Umfang der Untersuchungs- und Rügepflicht<br />

des Unternehmers, um Haftungs- und<br />

Gewährleistungsansprüche zu vermeiden<br />

von<br />

RA Cornelius Hartung<br />

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht<br />

Gliederung:<br />

1. Einleitung: Die Haftung des Unternehmers/Auftragnehmers<br />

- aus „ethischen Gründen“<br />

- im Werkvertragsrecht<br />

- im Kaufvertragsrecht<br />

2. Die werkvertragliche Bedenkenmitteilungspflicht des Auftragnehmers<br />

gegenüber dem Auftraggeber nach § 4 Nr. 3 VOB/B<br />

- „Bedenken haben“ (= setzt Prüfung voraus)<br />

- Richtiger Adressat (= Auftraggeber)<br />

- Frist (unverzüglich = ohne schuldhaftes Zögern)<br />

- Form (schriftlich = nicht mündlich)<br />

- Ausreichender Inhalt der Mitteilung (Begründung der Bedenken)<br />

- <strong>Recht</strong>sfolgen bei einer Verletzung der Bedenkenmitteilungspflicht<br />

3. Die kaufvertragsrechtliche Untersuchungs- und Rügepflicht des Auftragnehmers<br />

gegenüber dem Baustoffhändler/Lieferanten/Hersteller<br />

4. Der Ersatzanspruch des Auftragnehmers für die Aus- und Einbaukosten<br />

einer mangelhaften Kaufsache<br />

5. Zusammenfassung


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 2 -<br />

1. Einleitung: Die Haftung des Unternehmers aus „ethischen Gründen“, im<br />

Werkvertragsrecht und im Kaufvertragsrecht<br />

- Die Haftung aus ethischen Gründen, Urteil des Landgericht München I<br />

vom 12.01.2004 – 2 O 24455/00, nicht veröffentlicht<br />

„Das Gericht ist sehr irritiert darüber, dass die Klägerin , die laufend<br />

mit Pflanzen arbeitet, in ihrer Obhut stehende Bäume einfach verdursten<br />

lässt, in dem sie ihnen das notwendige Wasser vorenthält. Ein Baum ist<br />

ein Lebewesen, das Nerven besitzt und fühlt. Auch wenn kein Bewässerungsauftrag<br />

durch die Beklagtenseite vorhanden war, hätte die Klägerin<br />

bereits aus ethischen Gründen für eine Bewässerung sorgen müssen.<br />

Schließlich waren die Bäume ihr anvertraut.… Abschließend soll festgestellt<br />

werden, dass der Umstand, dass man sich im Sommer nicht um Lebewesen<br />

kümmert, die dringend des Wassers bedürfen, für beide Parteien<br />

kein Ruhmesblatt ist. Sie sollten sich hierüber Gedanken machen.“<br />

- Die Haftung im Werkvertragsrecht und Kaufvertragsrecht<br />

Das Gesetz sieht eine Haftung aus „ethischen Gründen“ nicht vor. Nach<br />

dem Gesetz ist zu unterscheiden zwischen Werkvertrags- und Kaufvertragsrecht.<br />

Das Verhältnis des Unternehmers zu seinem Auftraggeber<br />

wird vom Werksvertragsrecht und das Verhältnis des Unternehmers zu<br />

seinen Baustoffhändlern, Lieferanten und Herstellern wird vom Kaufvertragsrecht<br />

bestimmt. Das Kaufvertragsrecht und nicht mehr das Werkvertragsrecht<br />

gilt seit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ab<br />

01.01.2002 auch für Werklieferungsverträge nicht vertretbarer Sachen.<br />

Das sind Verträge, die die Lieferung individuell herzustellender oder zu<br />

erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, also z. B. die<br />

Anlieferung von Betonfertigteilen oder Fenster, die nach bestimmten<br />

Maßen für ein bestimmtes Bauvorhaben hergestellt werden, vgl.<br />

§ 651 BGB n. F.. Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht<br />

ist im Einzelfall sehr schwierig vorzunehmen. Schuldet der Veräußerer<br />

nur die Anlieferung des Baustoffs auf die Baustelle, so kommt<br />

Kaufvertragsrecht zur Anwendung. Schuldet er dagegen auch den Einbau<br />

des Baustoffs oder des Bauteils, so kommt Werkvertragsrecht zur Anwendung.<br />

Ist die Montageverpflichtung aber nur von untergeordneter Bedeutung,<br />

so bleibt es beim Kaufvertragsrecht. Entscheidend ist der<br />

Schwerpunkt der geschuldeten Tätigkeit: Entweder die Verschaffung von<br />

Eigentum und Besitz an der Sache (dann Kaufvertragsrecht) oder die ü-<br />

bernommene Montageverpflichtung (dann Werkvertragsrecht).


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 3 -<br />

2. Die werkvertragliche Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers gegenüber<br />

dem Auftraggeber nach § 4 Nr. 3 VOB/B<br />

§ 4 Nr. 3 VOB/B hat folgenden Wortlaut:<br />

„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung<br />

(auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die<br />

Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen<br />

die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich<br />

– möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen;<br />

der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen<br />

oder Lieferungen verantwortlich.“<br />

Diese Bedenkenmitteilungspflicht hat die <strong>Recht</strong>sprechung auch auf den BGB-<br />

Werkvertrag übernommen. Bedenken müssen mitgeteilt werden gegenüber<br />

- der vorgesehenen Art der Ausführung,<br />

- der Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe und Bauteile und<br />

- den Leistungen anderer Unternehmer.<br />

Bei allen Mitteilungen von Bedenken müssen folgende 5 Voraussetzungen<br />

vorliegen:<br />

- „Bedenken haben“ (= setzt Prüfung voraus)<br />

Beispiele für die Prüfungspflicht finden sich in den Allgemeinen Technischen<br />

Vertragsbedingungen der VOB/C. So sind nach Abschnitt 3.2 der<br />

DIN 18318 Verkehrswegebauarbeiten der VOB/C Ausgabe 2006 bei der<br />

Prüfung Bedenken insbesondere geltend zu machen bei<br />

- ungenügender Tragfähigkeit oder Beschaffenheit des Untergrundes,<br />

- unzureichender Wasserdurchlässigkeit,<br />

- Abweichung von der planmäßigen Höhenlage, Neigung oder Ebenheit,<br />

- schädlichen Verschmutzungen,<br />

- Fehlen notwendiger Entwässerungseinrichtungen,<br />

- fehlenden Bezugspunkten.<br />

Der 2. und 6. Spiegelstrich sind in der VOB/C 2006 neu mitaufgenommen<br />

worden. Der 1. Spiegelstrich wurde in der VOB/C Ausgabe 2006 insoweit<br />

deutlicher formuliert als es in der VOB/C Ausgabe 2002 noch hieß „…- offensichtlich<br />

unzureichender Tragfähigkeit,…“<br />

Der Umfang der Prüfungspflicht verstärkt sich bei einer Fachfirma mit<br />

besonderen Spezialkenntnissen, OLG Köln, Urteil vom 29.07.2006 – 11 U<br />

139/05 = BauR 2007, 887. Nach diesem Urteil hat der Unternehmer als auf


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 4 -<br />

die Herstellung von Pfahlbauten spezialisiertes Fachunternehmen das Bodengutachten<br />

auf Plausibilität und etwaige Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten<br />

zu untersuchen. Aufgrund der fehlenden Angaben in dem Bodengutachten<br />

zu den Bodenkennwerten sowie der Beschreibung der Bodenverhältnisse<br />

hätten sich dem Fachunternehmen Bedenken gegen die<br />

Bewertung aufdrängen müssen, dass der Boden für eine Pfahlgründung ohne<br />

verlorene Rohre geeignet war.<br />

- Richtiger Adressat (= Auftraggeber)<br />

Der Auftragnehmer hat seine Bedenken stets direkt seinem Auftraggeber<br />

mitzuteilen. Im Einzelfall kann er zwar auch den bauplanenden und/oder<br />

bauleitenden Architekten die Bedenken mitteilen. Verschließt sich aber der<br />

Architekt den Bedenken des Auftragnehmers (gegen die Anordnungen des<br />

Architekten oder dessen Planungen), so ist der Auftragnehmer stets verpflichtet,<br />

die Bedenken unmittelbar seinem Auftraggeber mitzuteilen. In<br />

Hinblick auf eine Vielzahl denkbarer Fälle, in denen eine Bedenkenanmeldung<br />

gegenüber dem Architekten nicht ausreicht und dies oft erst später<br />

festgestellt werden kann, ist dem Auftragnehmer zu raten, seine Bedenken<br />

ohne Ausnahme direkt gegenüber dem Auftraggeber anzumelden.<br />

- Frist (unverzüglich = ohne schuldhaftes Zögern)<br />

Die Bedenkenmitteilung muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern<br />

ergehen (§ 121 BGB).<br />

- Form (schriftlich = nicht mündlich)<br />

Die VOB/B verlangt Schriftform der Bedenkenmitteilung. Trotz dem<br />

Schriftformerfordernis in § 4 Nr. 3 VOB/B lässt die <strong>Recht</strong>sprechung Ausnahmen<br />

zu. Auch mündliche Bedenken können zum Haftungsausschluss<br />

führen. Angesichts der Tatsache, dass der Bedenkenhinweis inhaltlich so<br />

abgefasst sein muss, dass der Auftraggeber über die Sachlage richtig, vollständig<br />

und zweifelsfrei informiert wird ist dem Auftragnehmer nicht zu<br />

raten, sich auf mündliche Hinweise zu verlassen. Der Auftragnehmer trägt<br />

die Beweislast dafür, dass er richtig, vollständig und zweifelsfrei informiert<br />

hat. Ohne eine schriftliche Bedenkenmitteilung kann er dies später nur<br />

durch Zeugenaussagen beweisen, was nur selten gelingt.<br />

- Ausreichender Inhalt der Mitteilung (Begründung der Bedenken)<br />

Der Auftraggeber muss über die Sachlage richtig, vollständig und zweifelsfrei<br />

informiert werden. Der Bedenkenhinweis muss so eindeutig sein, dass<br />

dem Auftraggeber die Tragweite einer Nichtbefolgung klar wird.


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 5 -<br />

- <strong>Recht</strong>sfolgen bei einer Verletzung dieser Mitteilungsverpflichtung von Bedenken<br />

- § 13 Nr. 3 VOB/B: Ausdehnung der Gewährleistungsverpflichtung<br />

- § 10 Nr. 2 VOB/B: Mithaftung gegenüber geschädigtem <strong>Dr</strong>itten<br />

3. Die kaufvertragsrechtliche Untersuchungs- und Rügepflicht des Auftragnehmers<br />

gegenüber dem Baustoffhändler/Lieferanten/Hersteller<br />

§ 377 HGB hat folgenden Wortlaut:<br />

„(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer<br />

die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer,<br />

soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich<br />

ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem<br />

Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.<br />

(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt,<br />

es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei<br />

der Untersuchung nicht erkennbar war.<br />

(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, muss die Anzeige unverzüglich<br />

nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die<br />

Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.<br />

(4) Zur Erhaltung der <strong>Recht</strong>e des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung<br />

der Anzeige.<br />

(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er<br />

sich auf diese Vorschrift nicht berufen.“<br />

Die Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers vom Baustoffhändler/Lieferanten/Hersteller<br />

findet in der <strong>Praxis</strong> kaum Beachtung. Folgende Beispielsfälle<br />

1 und 2 aus der <strong>Recht</strong>sprechung zeigen auf, wie wichtig die Untersuchungs-<br />

und Rügepflicht für den Auftragnehmer sein kann.<br />

Fall 1:<br />

Mangelhafte Kiefern aufgrund von Ringwurzeln, Urteil des Landgericht<br />

Itzehoe – 3 O 160/05 vom 02.04.2007, nicht veröffentlicht<br />

Die Klägerin, eine auf den Garten und Landschaftsbau spezialisierte<br />

Baufirma bestellt bei einer Baumschule 361 Stück Waldkiefern und<br />

pflanzt diese nach der Anlieferung ein. Der Auftraggeber bemängelt<br />

über ein Jahr später die Qualität der gepflanzten Kiefern; die Kiefern<br />

seien mangelhaft, da sie erhebliche Ringwurzelbildungen aufwiesen


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 6 -<br />

und daher mittelfristig keine ausreichende Standsicherheit erwarten<br />

lassen. Die Garten- und Landschaftsbaufirma tauscht hieraufhin die<br />

bemängelten Kiefern aus und macht gegenüber ihrem Lieferanten<br />

Mängelansprüche geltend. Das Landgericht weist die Klage u. a. mit<br />

dem Hinweis ab, dass die Garten- und Landschaftsbaufirma wegen<br />

Nichtbeachtung ihrer Rügepflicht gemäß § 377 Abs. 1 HGB mit<br />

Mängelansprüchen ausgeschlossen ist. Wortwörtlich heißt es in dem<br />

Urteil:<br />

„Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Bewurzelung für die Güte<br />

und Qualität der Pflanzen hält das Gericht im Rahmen der gemäß<br />

§ 377 Abs. 1 HGB gebotenen Untersuchung – Untersuchung,<br />

soweit dies nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang<br />

tunlich ist – eine stich-probenartige Öffnung des Ballens, eine<br />

Entfernung des Ballentuchs, eine Freilegung der Bewurzelung<br />

durch Schütteln und eine Sichtprüfung der Bewurzelung von wenigen<br />

angelieferten Kiefern beim Einpflanzen der angelieferten<br />

Kiefern für geboten.“<br />

Fall 2:<br />

Mangelhafte Türen aufgrund zu geringer Abriebfestigkeit der Lackoberflächen,<br />

Urteil des OLG Nürnberg vom 11.10.2005 –<br />

9 U 804/05 = BauR 2007, 122 – die Nichtzulassungsbeschwerde ist<br />

zurückgewiesen worden, BGH, Beschluss vom 28.09.2006 –<br />

VII ZR 255/05 –<br />

Die Klägerin verlangt von dem Auftragnehmer restliche Vergütung<br />

für 100 Haustüren. Sie hat die Türen hergestellt und dem Auftragnehmer<br />

geliefert, der sie eingebaut hat. Nach Einbau der Türen rügt<br />

der Auftragnehmer die fehlende Abriebfestigkeit des Lackes an den<br />

Türen. Wegen der zu geringen Abriebfestigkeit der Lackoberflächen<br />

seien bei Reinigungsarbeiten Ablösungen und matte Stellen entstanden.<br />

Es sei eine Neulackierung aller Türen erforderlich, um den<br />

Mangel zu beseitigen. Die Kosten für die Mangelbeseitigung würden<br />

den Vergütungsanspruch der Klägerin der Höhe nach übersteigen.<br />

Das Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten zur<br />

Zahlung des Werklohns verurteilt und seine Mangelrüge wegen Verspätung<br />

als unbegründet zurückgewiesen. Die Herstellerin der Türen<br />

hat mit der Auftragnehmerin einen Werklieferungsvertrag nach<br />

§ 651 BGB abgeschlossen. Ein Werkvertrag ist nicht zustande gekommen,<br />

da die Herstellerin der Türen keine Einbauarbeiten schuldete.<br />

Auch auf einen solchen Werklieferungsvertrag, bei dem die<br />

Türen nach Aufmaß für das konkrete Gebäude hergestellt werden,<br />

gilt die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377, vgl. § 381 Abs. 2<br />

HGB. Dementsprechend hätte die Auftragnehmerin die Türen unverzüglich<br />

nach der Anlieferung untersuchen und etwaige Mängel


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 7 -<br />

bei dem Hersteller anzeigen müssen. Sie hätte die Türen nicht nur<br />

einer Sichtprüfung unterziehen dürfen sondern diese durch einfache<br />

technische Überprüfungen auf ihre vertragsgemäße Beschaffenheit<br />

untersuchen müssen. Bei einem Reibeversuch mit einem feuchten<br />

Tuch hätte sie den Mangel ohne weiteres feststellen können und ihr<br />

wäre die geringe Abriebfestigkeit nicht verborgen geblieben.<br />

Diese beiden Fälle zeigen sehr deutlich, dass die kaufmännische Untersuchungs-<br />

und Rügepflicht des § 377 HGB ernst zu nehmen ist und hierüber<br />

nicht leichtfertig hinweggegangen werden kann. Diese beiden Fälle<br />

machen auch klar, dass die Untersuchungspflicht aus § 377 Abs. 1 HGB<br />

dem Auftragnehmer im Verhältnis zum Lieferanten/Baustoffhändler/Hersteller<br />

weitergehende Prüfpflichten auferlegt als dem Auftraggeber<br />

eines Werkvertrages. Der Auftragnehmer kann sich daher nicht<br />

darauf berufen, dass sein Auftraggeber die eingepflanzten Kiefern bzw.<br />

die eingebauten Türen keiner Untersuchung unterzogen hat.<br />

Als Fazit bleibt daher festzuhalten, dass dem Auftraggeber als Käufer von<br />

herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (vertretbar oder<br />

unvertretbar) die Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 Abs. 1<br />

HGB trifft. Der Auftragnehmer muss daher die Ware<br />

- unverzüglich untersuchen, d. h. ggf. auch Stichproben durchführen<br />

und<br />

- dem Verkäufer unverzüglich anzeigen, d. h. innerhalb von 1 bis 2<br />

Tagen.<br />

4. Der Ersatzanspruch des Auftragnehmers für die Aus- und Einbaukosten<br />

einer mangelhaften Kaufsache<br />

Nimmt der Auftragnehmer die Hürde des § 377 Abs. 1 HGB und untersucht<br />

die mangelhafte Kaufsache ohne einen Fehler zu entdecken und stellt sich später<br />

dennoch eine Mangelhaftigkeit heraus, so stellt sich die Frage: Sind die<br />

Kosten des Ausbaus der mangelhaften Sache und die Kosten des Wiedereinbaus<br />

einer mangelfreien Sache vom Verkäufer zu ersetzen. Bezogen auf die<br />

oben genannten 2 Fälle lautet die Frage:<br />

Ist die Baumschule verpflichtet die Aus- und Einbaukosten der mangelhaften<br />

Kiefern zu tragen bzw. ist die Herstellerfirma der 100 Haustüren verpflichtet<br />

die Kosten für den Aus- und Wiedereinbau dieser Haustüren zu tragen?<br />

Die bisher ergangene <strong>Recht</strong>sprechung hierzu ist nicht einheitlich. Das Oberlandesgericht<br />

Köln und das Oberlandesgericht Karlsruhe beurteilen den Fall<br />

eingebauter mangelhafter Bodenfliesen unterschiedlich.


RAe <strong>Dr</strong>. <strong>Kainz</strong> & <strong>Partner</strong> - Seite 8 -<br />

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 02.09.2004, Az. 12 U 144/04 =<br />

IBR 2004, 621 = BauR 2005, 109) hat den beklagten Baumarkt als Verkäufer<br />

zur Beseitigung und Neuverlegung der verlegten schadhaften Bodenfliesen<br />

verurteilt:<br />

„Beim Kauf von zum Einbau bestimmten Materialien zählen zu den<br />

Aufwendungen im Sinne von § 439 Abs. 2 BGB auch die Kosten des Ausbaus<br />

einer mangelhaften Kaufsache und die Einbaukosten im Rahmen der<br />

Nacherfüllung.“<br />

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.12.2005, Az. 11 U 46/05 =<br />

IBR 2006, 140) kommt zu einem anderen Ergebnis:<br />

„Beim Kauf von zum Einbau bestimmten Materialien haftet der Verkäufer<br />

zwar verschuldensunabhängig für die Kosten des Ausbaus der mangelhaften<br />

Kaufsache, nicht aber auch für die Kosten des Wiedereinbaus der<br />

nachgelieferten Kaufsache.“<br />

Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Thürmann NJW 2006,<br />

3457) haftet der Verkäufer einer mangelhaften Sache für den Ausbau der<br />

mangelhaften und den Einbau der nachzuliefernden mangelfreien Sache gar<br />

nicht, es sei denn ihn trifft an der Mangelhaftigkeit ein Verschulden = Schadensersatz.<br />

Ein solches Verschulden trifft jedoch in der Regel den Verkäufer<br />

nicht, so dass er hiernach weder für den Aus- noch für den Einbau haftet.<br />

5. Zusammenfassung<br />

Angesichts der oben unter 4. beschriebenen rechtlichen Hürden des Auftragnehmers<br />

die Aus- und Einbaukosten einer mangelhaften Kaufsache bei seinem<br />

Baustoffhändler/Lieferanten/Hersteller durchzusetzen, kann jedem Auftragnehmer<br />

nur dringenst empfohlen werden, seine Untersuchungs- und Rügepflichten,<br />

die ihm das Werkvertragsrecht gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B und das<br />

Kaufvertragsrecht gemäß § 377 HGB auferlegt, auch ernst zu nehmen und zu<br />

100 % zu erfüllen. Die Aus- und Einbaukosten einer mangelhaften Kaufsache<br />

können zu erheblichen Kosten führen. Der Unternehmer sollte daher alles daran<br />

setzen, durch seine Bedenkenhinweispflicht und Untersuchungs- und Rügepflicht<br />

zu erreichen, dass ein mangelhafter Baustoff überhaupt nicht eingebaut<br />

wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!