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WENDEPUNKT<br />
Informationen zu <strong>Depression</strong> und Angststörungen 1/2006<br />
SEITE 3 | DEPRESSION<br />
« Eine sol<strong>ch</strong>e Krise kann einen<br />
Mens<strong>ch</strong>en stärker ma<strong>ch</strong>en»<br />
Der Zür<strong>ch</strong>er Filmema<strong>ch</strong>er<br />
Rolf Lyssy im Interview.<br />
SEITE 7 | LEBENSGEFÜHL<br />
S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Stimmung? So finden<br />
Sie die Balance wieder<br />
Bewegung, gesunde Ernährung und<br />
Entspannung für mehr Wohlbefinden.<br />
SEITE 8 | ANGSTSTÖRUNG<br />
Wenn die Angst der<br />
ständige Begleiter ist<br />
Jeder Fünfte leidet mindestens<br />
einmal im Leben unter starken<br />
oder anhaltenden Ängsten.
EDITORIAL<br />
INHALT<br />
EDITORIAL 2<br />
DEPRESSION 3<br />
«Eine sol<strong>ch</strong>e Krise kann 3<br />
einen Mens<strong>ch</strong>en stärker ma<strong>ch</strong>en»<br />
Porträt Rolf Lyssy, Zür<strong>ch</strong>er Filmema<strong>ch</strong>er<br />
«<strong>Depression</strong>skranke sind keine 4<br />
Versager. Sie leiden unter einer<br />
medizinis<strong>ch</strong>en Krankheit.»<br />
Interview mit John P. Kummer,<br />
Ehrenpräsident Verein Equilibrium<br />
Links zum Thema <strong>Depression</strong> 4<br />
LEBENSGEFÜHL 7<br />
S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Stimmung? 7<br />
So finden Sie die Balance wieder<br />
Mit der ri<strong>ch</strong>tigen Strategie<br />
zu mehr Wohlbefinden<br />
ANGSTSTÖRUNG 8<br />
Wenn die Angst der ständige 8<br />
Begleiter ist<br />
Jeden Fünften ma<strong>ch</strong>t Angst krank<br />
Heilung mögli<strong>ch</strong> 9<br />
Interview mit Dr. med.<br />
Christine Huwig-Poppe, Fa<strong>ch</strong>ärztin<br />
für Psy<strong>ch</strong>iatrie und Psy<strong>ch</strong>otherapie<br />
«Mi<strong>ch</strong> interessieren die geheimen 11<br />
Sehnsü<strong>ch</strong>te, Triebe und Ängste»<br />
Gesprä<strong>ch</strong> mit Roger Graf, Krimiautor<br />
Links zum Thema Angststörungen <strong>12</strong><br />
Impressum<br />
Wendepunkt<br />
Informationen zu <strong>Depression</strong><br />
und Angsterkrankungen<br />
Herausgeber<br />
Lundbeck (S<strong>ch</strong>weiz) AG<br />
Cherstrasse 4, Postfa<strong>ch</strong>, 8152 Glattbrugg<br />
info@lundbeck.<strong>ch</strong><br />
www.lundbeck.<strong>ch</strong><br />
www.depression.<strong>ch</strong><br />
Konzept und Redaktion<br />
Bir<strong>ch</strong>meier und Partner AG, Zug<br />
Gestaltung und Druck<br />
Victor Hotz AG, Steinhausen<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser<br />
«Reiss di<strong>ch</strong> ein wenig zusammen», «Wenn du wolltest, dann könntest du». Diese und<br />
ähnli<strong>ch</strong>e Worte kriegen <strong>Depression</strong>skranke oft zu hören. Die Angehörigen meinen<br />
es gut, wollen motivieren. Sie erkennen aber ni<strong>ch</strong>t, dass sie mit diesen Aufforderungen<br />
ni<strong>ch</strong>ts bewirken, sondern im Gegenteil beim Betroffenen nur S<strong>ch</strong>uldgefühle auslösen.<br />
Eine <strong>Depression</strong> ist eine Krankheit, bei der es zu einer traurigen Verstimmung verbunden<br />
mit Angstzuständen, innerer Unruhe sowie Denk- und S<strong>ch</strong>lafstörungen kommt. Das Denken<br />
ist verlangsamt und dreht si<strong>ch</strong> meistens um ein Thema, nämli<strong>ch</strong> darum, wie s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t es geht,<br />
wie aussi<strong>ch</strong>tslos die jetzige Situation und wie hoffnungslos die Zukunft ist. <strong>Depression</strong>en<br />
unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> vom «normalen» Traurigsein dadur<strong>ch</strong>, dass Betroffene unfähig sind,<br />
si<strong>ch</strong> über etwas zu freuen, und grösste S<strong>ch</strong>wierigkeiten haben, Ents<strong>ch</strong>eidungen zu treffen.<br />
Der bekannte Filmema<strong>ch</strong>er Rolf Lyssy sagt, dass ihm das Leben während seiner s<strong>ch</strong>weren<br />
<strong>Depression</strong> abhanden gekommen sei. «I<strong>ch</strong> war in einem lamentablen Zustand.» Ihm sei<br />
damals bewusst geworden, dass er alleine ni<strong>ch</strong>t aus dem s<strong>ch</strong>warzen Lo<strong>ch</strong> herausfinden<br />
werde. Wie er die Hilfe, die er dringend benötigte, erhielt, lesen Sie ab Seite 3.<br />
Jeder Fünfte leidet im Verlauf seines Lebens einmal unter sehr starken oder anhaltenden<br />
Ängsten. Diese Ängste sind derart gross, dass Betroffene den Alltag beinahe ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
meistern können und si<strong>ch</strong> mehr und mehr zurückziehen. Viele wissen ni<strong>ch</strong>t, dass sie krank<br />
sind. Auf Seite 8 beri<strong>ch</strong>ten Gertrud Heinz, Hans Furrer und Cornelia Grossenba<strong>ch</strong>er über<br />
ihre Angsterkrankung und wie sie den Weg zurück in ein normales Leben gefunden haben.<br />
<strong>Depression</strong> und Angsterkrankungen sind zwar vielen ein Begriff. Nur wenige wissen<br />
allerdings, was si<strong>ch</strong> hinter diesen beiden Krankheitsbildern tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> verbirgt.<br />
Was es für die Betroffenen heisst, an einer <strong>Depression</strong> oder Angsterkrankung zu leiden,<br />
was die Gründe dafür sein können und wie eine erfolgrei<strong>ch</strong>e Therapie aussieht. Mit<br />
«Wendepunkt» will die Lundbeck (S<strong>ch</strong>weiz) AG als Herausgeberin des Magazins eine Lücke<br />
s<strong>ch</strong>liessen und Betroffenen und Angehörigen aktuelle Informationen zu <strong>Depression</strong>en<br />
und Angsterkrankungen zur Verfügung stellen.<br />
Wir wüns<strong>ch</strong>en Ihnen eine anregende Lektüre.<br />
PD Dr. Rico Nil<br />
Medical Director<br />
Lundbeck (S<strong>ch</strong>weiz) AG<br />
2
DEPRESSION<br />
«Eine sol<strong>ch</strong>e Krise kann<br />
einen Mens<strong>ch</strong>en stärker ma<strong>ch</strong>en»<br />
Enis Etwa enis jeder del Fünfte erat amet leidet iusto in der od S<strong>ch</strong>weiz te volesectem im Laufe quis seines aute Lebens molobor an ilisciliquat einer <strong>Depression</strong>. wis aliquatisl Der S<strong>ch</strong>weizer exercil ex et<br />
wis Filmema<strong>ch</strong>er, auguerat ercilis Regisseur niamet und utat. Autor Obore Rolf Lyssy venisis ist seniam einer davon. zzrit accum Seine Filmkomödie et, consed eu «Die feuisse S<strong>ch</strong>weizerma<strong>ch</strong>er»<br />
facipis wurde dolesed zum grössten mincin velit Publikumserfolg vullutpatue des faccum S<strong>ch</strong>weizer augait Kinos<strong>ch</strong>affens. laoreet velenim In vel einem iusci ers<strong>ch</strong>ütternden<br />
bla facidunt<br />
quamcon secte<br />
magna<br />
utat und mutigen utpatue do Bu<strong>ch</strong> odio s<strong>ch</strong>ildert dolor autpat er die Stationen vendit ulputat. seiner Dolortie <strong>Depression</strong>. ming erilit nonsequat.<br />
Er ging dur<strong>ch</strong> die Hölle, war ein halbes<br />
Jahr arbeitsunfähig und im wahrsten Sinn<br />
geistig und seelis<strong>ch</strong> behindert, bar jeder<br />
Hoffnung auf Besserung, ohne Perspektiven<br />
für die Zukunft. «Wenn der Mens<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t mehr hoffen kann, aus was für Gründen<br />
au<strong>ch</strong> immer, dann vegetiert er nur no<strong>ch</strong>.<br />
Genau das traf auf mi<strong>ch</strong> zu», s<strong>ch</strong>reibt der<br />
Zür<strong>ch</strong>er Filmema<strong>ch</strong>er Rolf Lyssy in seinem<br />
Bu<strong>ch</strong> «Swiss Paradise», in dem er offen und<br />
s<strong>ch</strong>onungslos über seine s<strong>ch</strong>were <strong>Depression</strong><br />
beri<strong>ch</strong>tet. S<strong>ch</strong>einbar kam die Krankheit<br />
aus heiterem Himmel. Im Na<strong>ch</strong>hinein<br />
realisierte er, dass er s<strong>ch</strong>on Jahre vorher<br />
« ICH WAR IN EINEM<br />
LAMENTABLEN ZUSTAND.»<br />
immer wieder kraft-, mut- und lustlos gewesen<br />
war. «I<strong>ch</strong> stellte fest, dass die jahrelangen<br />
nervenaufreibenden, zeitraubenden,<br />
zermürbenden und verletzenden Auseinandersetzungen<br />
mit dem s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Filmszenenfilz Spuren hinterlassen hat-<br />
ten.» Es brau<strong>ch</strong>te die Trennung von seiner<br />
Frau, das S<strong>ch</strong>eitern eines Filmprojekts und<br />
einen für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>en Sturz in seiner Wohnung,<br />
die das Fass zum Überlaufen bra<strong>ch</strong>ten.<br />
Und er fiel immer tiefer in das s<strong>ch</strong>warze<br />
Lo<strong>ch</strong>, unaufhörli<strong>ch</strong>, wüns<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> nur eins:<br />
einzus<strong>ch</strong>lafen und nie mehr aufzuwa<strong>ch</strong>en.<br />
Einweisung<br />
Die Diagnose «S<strong>ch</strong>were <strong>Depression</strong>»<br />
lehnte Rolf Lyssy am Anfang ab. «I<strong>ch</strong> war<br />
do<strong>ch</strong> nur enttäus<strong>ch</strong>t, verzweifelt, traurig,<br />
weil ein Film, der mir viel bedeutet hätte,<br />
ni<strong>ch</strong>t zustande gekommen war, aber ni<strong>ch</strong>t<br />
depressiv! Und s<strong>ch</strong>on gar ni<strong>ch</strong>t suizidgefährdet!»<br />
Und wenn es dann do<strong>ch</strong> eine<br />
<strong>Depression</strong> sein sollte, würde sie si<strong>ch</strong>er in<br />
ein paar Tagen oder spätestens zwei Wo<strong>ch</strong>en<br />
vers<strong>ch</strong>wunden sein, da<strong>ch</strong>te er. Do<strong>ch</strong><br />
die Spirale von Panik, Angst und Verzweiflung<br />
drehte si<strong>ch</strong> immer weiter. Das Leben<br />
war ihm abhanden gekommen, er konnte<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr kommunizieren, entglitt si<strong>ch</strong> selber.<br />
«I<strong>ch</strong> war in einem lamentablen Zustand,<br />
damals im Mai vor a<strong>ch</strong>t Jahren.» Es wur-<br />
ZUR PERSON<br />
Rolf Lyssy wurde 1936 geboren<br />
und wu<strong>ch</strong>s in Züri<strong>ch</strong> und Herrliberg<br />
auf. Einen einzigartigen<br />
Erfolg erzielte er mit dem Film<br />
«Die S<strong>ch</strong>weizerma<strong>ch</strong>er». Dieser<br />
wurde zum grössten Publikumserfolg<br />
des S<strong>ch</strong>weizer Kinos<strong>ch</strong>affens.<br />
Es folgten u. a. Filme wie<br />
«Kassettenliebe», «Teddy Bär»<br />
und «Leo Sonnyboy». Daneben<br />
hat er Theaterstücke inszeniert<br />
und Dokumentarfilme<br />
gedreht. Sein nä<strong>ch</strong>stes Projekt:<br />
ein Bu<strong>ch</strong>, in dem seine Kolumnen<br />
aus dem «Tagblatt der Stadt<br />
Züri<strong>ch</strong>» zusammengefasst sind.<br />
3
DEPRESSION<br />
LINKS ZUM THEMA DEPRESSION<br />
Der Verein Equilibrium hat es si<strong>ch</strong> zum<br />
Ziel gesetzt, <strong>Depression</strong>en in all ihren Ers<strong>ch</strong>einungsformen<br />
gemeinsam mit den<br />
Betroffenen zu bewältigen. Er vermittelt<br />
Informationen über Entstehung, Verlauf<br />
und Therapiemögli<strong>ch</strong>keiten. Equilibrium<br />
setzt si<strong>ch</strong> für eine zeitgemässe Psy<strong>ch</strong>iatrie<br />
und Psy<strong>ch</strong>ologie ein, räumt aber au<strong>ch</strong><br />
Platz für alternative Therapieansätze ein.<br />
Der Verein arbeitet mit einem Fa<strong>ch</strong>beirat<br />
aus Psy<strong>ch</strong>iatern und Psy<strong>ch</strong>ologen zusammen.<br />
www.depressionen.<strong>ch</strong><br />
Informationen anfordern unter<br />
Telefon 0848 143 144<br />
bei aktuellen Problemen:<br />
help@depressionen.<strong>ch</strong><br />
www.depression.<strong>ch</strong>: Was passiert bei<br />
einer <strong>Depression</strong> im Gehirn? Wie wird<br />
eine <strong>Depression</strong> erkannt? Wann ist Selbstmordgefahr<br />
gegeben? All diese Fragen<br />
werden auf der Informationswebsite be -<br />
antwortet. Hilfrei<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> ein Forum,<br />
in dem Betroffene, ihre Angehörigen und<br />
am Thema Interessierte miteinander<br />
kommunizieren können.<br />
www.depression.unizh.<strong>ch</strong>: Wel<strong>ch</strong>e Therapieansätze<br />
haben si<strong>ch</strong> bei einem manis<strong>ch</strong>-depressiven<br />
Verlauf der Krankheit<br />
bewährt? Wem hilft die Li<strong>ch</strong>ttherapie,<br />
und brau<strong>ch</strong>t es eine begleitende Psy<strong>ch</strong>otherapie?<br />
Die Home<strong>page</strong> der Psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en<br />
Universitätsklinik Züri<strong>ch</strong> mit<br />
dem fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Hintergrundwissen informiert<br />
umfassend über <strong>Depression</strong>en.<br />
Die «Dargebotene Hand» hilft Betroffenen,<br />
die das Gesprä<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>en. Das muss<br />
ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig über die Telefonnummer<br />
143 erfolgen. Der Verband bietet<br />
au<strong>ch</strong> Beratung per E-Mail und im Einzel-<br />
Chat. Gewählt wird die gewüns<strong>ch</strong>te Region<br />
und ans<strong>ch</strong>liessend erfolgt die Registrierung<br />
mit dem Passwort. Datens<strong>ch</strong>utz<br />
und Anonymität geniessen bei der «Dargebotenen<br />
Hand» oberste Priorität.<br />
Telefon 143<br />
basel-beratung@143.<strong>ch</strong><br />
osts<strong>ch</strong>weiz-beratung@143.<strong>ch</strong><br />
zueri<strong>ch</strong>-beratung@143.<strong>ch</strong><br />
www.143.<strong>ch</strong><br />
de ihm bewusst, dass er alleine ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
aus diesem s<strong>ch</strong>warzen Lo<strong>ch</strong> herausfand. Er<br />
brau<strong>ch</strong>te Hilfe. In einem li<strong>ch</strong>ten Moment,<br />
zwei Tage vor Pfingsten, wies der Filmema<strong>ch</strong>er<br />
si<strong>ch</strong> selber in die Psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>e Klinik<br />
ein in der Hoffnung, dass die Ärzte ihm<br />
helfen könnten. Er ri<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong> auf einige<br />
Tage ein, do<strong>ch</strong> der Arzt spra<strong>ch</strong> von einigen<br />
Wo<strong>ch</strong>en. Dieser Gedanke s<strong>ch</strong>ien ihm unerträgli<strong>ch</strong>:<br />
«Länger als zwei Wo<strong>ch</strong>en in dieser<br />
Umgebung, mit den Irren. . . Das würde i<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t aushalten, nie, unmögli<strong>ch</strong>», s<strong>ch</strong>reibt<br />
er in seinem Bu<strong>ch</strong>. Er blieb se<strong>ch</strong>s Monate.<br />
«<strong>Depression</strong>skranke sind keine Versager.<br />
Sie leiden unter einer medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Krankheit.»<br />
Der Verein Equilibrium mit seinen Selbsthilfegruppen in der ganzen S<strong>ch</strong>weiz<br />
verhilft depressiven Mitmens<strong>ch</strong>en zu einem psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en, physis<strong>ch</strong>en und sozialen<br />
Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Oberstes Ziel ist die gemeinsame Bewältigung von <strong>Depression</strong>en.<br />
Betroffenen und Angehörigen hilft Equilibrium, das Li<strong>ch</strong>t am Ende des<br />
Tunnels zu sehen.<br />
Leiden depressive Mens<strong>ch</strong>en heute<br />
no<strong>ch</strong> immer unter einem Stigma?<br />
John P. Kummer: Ja, leider ist das no<strong>ch</strong> immer<br />
der Fall. <strong>Depression</strong>en werden verniedli<strong>ch</strong>t.<br />
Man hört oft: «Der will bloss<br />
ni<strong>ch</strong>t», «Es fehlt ihm am Willen»,<br />
«Er könnte, wenn er wollte», «Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
liegts am Charakter».<br />
Ni<strong>ch</strong>t nur das Wort <strong>Depression</strong> ist ein stigmatisierender<br />
Begriff. Au<strong>ch</strong> Burnout, ein<br />
Modewort, steht für den medizinis<strong>ch</strong>en Begriff<br />
«Ers<strong>ch</strong>öpfungsdepression». Die Überbeanspru<strong>ch</strong>ung,<br />
Überarbeitung, die Hektik<br />
unserer Zeit führen vielfa<strong>ch</strong> zu einer<br />
<strong>Depression</strong>. Unsere Zeit ist depressionsfördernd.<br />
In einer Studie, die vor 15 Jahren<br />
gema<strong>ch</strong>t wurde, gaben 90 Prozent der<br />
Leute bei einer Umfrage an, ni<strong>ch</strong>t zu wissen,<br />
was eine <strong>Depression</strong> ist. Die meisten<br />
spra<strong>ch</strong>en einer <strong>Depression</strong> den Krankheits<strong>ch</strong>arakter<br />
ab. Symptome, die ras<strong>ch</strong> wie-<br />
Widerstand<br />
Anfangs wehrte Rolf Lyssy si<strong>ch</strong> gegen die<br />
Medikamente: «Dreimal tägli<strong>ch</strong>, morgens,<br />
mittags, abends, eine Pille. Aber was würde<br />
mi<strong>ch</strong> erwarten, wenn i<strong>ch</strong> die Therapie verweigerte?<br />
Eine no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>limmere Höllenfahrt, an<br />
deren Ende die totale Verblödung wartete?»,<br />
fragte er si<strong>ch</strong>. «Ein Medikament gegen eine<br />
Infektion kann i<strong>ch</strong> von meinem Verstand und<br />
Gefühl her akzeptieren. Damit verbunden ist<br />
die Hoffnung, dass die Symptome besser werden»,<br />
sagt er heute. «Bei einer psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Erkrankung befindet man si<strong>ch</strong> in einem Aus-<br />
der vorbeigehen. Nur gerade 10 Prozent<br />
der Befragten wussten, was eine <strong>Depression</strong><br />
ist, und stuften sie als Krankheit ein.<br />
Aber es leiden verglei<strong>ch</strong>sweise viele<br />
Mens<strong>ch</strong>en an einer <strong>Depression</strong>?<br />
John P. Kummer: Man spri<strong>ch</strong>t davon, dass<br />
die Hälfte der Bevölkerung einmal in ihrem<br />
Leben unter psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Störungen<br />
leidet, allein ein Viertel unter <strong>Depression</strong>en.<br />
Häufiger betroffen sind Frauen. Viellei<strong>ch</strong>t,<br />
weil Frauen ehrli<strong>ch</strong>er sind, eher zugeben,<br />
dass sie leiden. Männer flü<strong>ch</strong>ten<br />
si<strong>ch</strong> in Aktivitäten, Alkohol oder sonst eine<br />
Su<strong>ch</strong>t. <strong>Depression</strong>en gehören zu den prominentesten<br />
psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Störungen.<br />
Wie kann der Verein Equilibrium helfen?<br />
John P. Kummer: Wir leiten den Patienten zur<br />
Selbsthilfe an. Das ist unerhört wi<strong>ch</strong>tig für<br />
den Betroffenen, denn er fühlt si<strong>ch</strong> mit sei-<br />
4
DEPRESSION<br />
nahmezustand.» In der ganzen Verzweiflung,<br />
in der si<strong>ch</strong> Rolf Lyssy eh s<strong>ch</strong>on befand, wurde<br />
er no<strong>ch</strong> verzweifelter, weil die Hoffnung<br />
auf Besserung auf si<strong>ch</strong> warten liess. Über sieben<br />
Wo<strong>ch</strong>en war er s<strong>ch</strong>on in der Klinik und<br />
eine Änderung seines Gemütszustandes war<br />
ni<strong>ch</strong>t in Si<strong>ch</strong>t. «Die Tage waren na<strong>ch</strong> wie vor<br />
von Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und Ents<strong>ch</strong>eidungsunfähigkeit<br />
geprägt. Immer wieder<br />
überfielen mi<strong>ch</strong> Verzweiflung und Suizidfantasien»,<br />
s<strong>ch</strong>reibt er in «Swiss Paradise». Die einzigen<br />
erträgli<strong>ch</strong>en Augenblicke waren für ihn<br />
die Zeit vor dem Eins<strong>ch</strong>lafen, wenn die Medikamente<br />
zu wirken begannen und das quälende<br />
Grübeln für ein paar Stunden aufhörte.<br />
« IMMER WIEDER ÜBERFIELEN<br />
MICH VERZWEIFLUNG UND<br />
SUIZIDFANTASIEN.»<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungsnot<br />
Neben den zermürbenden Grübeleien<br />
ma<strong>ch</strong>te ihm die Ents<strong>ch</strong>eidungsunfähigkeit<br />
zu s<strong>ch</strong>affen. Das begann s<strong>ch</strong>on beim Aufwa<strong>ch</strong>en.<br />
Sollte er aufstehen, si<strong>ch</strong> wieder einem<br />
sinnlosen Tag ausliefern? Was sollte er anziehen?<br />
«Wie ein Vollidiot stand i<strong>ch</strong> vor dem<br />
s<strong>ch</strong>malen Kleiders<strong>ch</strong>rank, in dem drei Hosen<br />
und einige Hemden hingen. Soll i<strong>ch</strong> die grüne<br />
Hose anziehen, aber da passt das Hemd<br />
ni<strong>ch</strong>t dazu, dann könnte i<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> die blaue<br />
Hose anziehen, aber die ist ni<strong>ch</strong>t mehr so<br />
sauber.» Er s<strong>ch</strong>ildert diese Ents<strong>ch</strong>eidungsnot<br />
so quälend, dass er damit sogar die Leserinnen<br />
und Leser seines Bu<strong>ch</strong>es fast in den<br />
Wahnsinn treibt. Man mö<strong>ch</strong>te helfen, Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />
fällen, die Verzweiflung mildern.<br />
ner Krankheit sehr allein, ist in si<strong>ch</strong> abges<strong>ch</strong>lossen,<br />
verlässt oft das Haus ni<strong>ch</strong>t mehr,<br />
hat kein Selbstwertgefühl, kann oft ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr arbeiten. In dieser Abkapselung ist<br />
der Betroffene komplett hilflos. Er hat keine<br />
Kraft zu lesen, si<strong>ch</strong> über die Krankheit<br />
zu informieren. Es hilft ihm, wenn man ihm<br />
sagt, dass er irgendwann wieder aus dem<br />
s<strong>ch</strong>warzen Lo<strong>ch</strong> herauskommt. In unseren<br />
Kursen informieren wir Betroffene über die<br />
Krankheit, sodass sie Bes<strong>ch</strong>eid darüber wissen,<br />
was auf sie zukommt. Wir haben alle<br />
14 Tage einen Gruppenabend. Zwei Stunden<br />
spre<strong>ch</strong>en wir über die Krankheit, eigene<br />
Erfahrungen werden ausgetaus<strong>ch</strong>t.<br />
Was ist für Depressive wi<strong>ch</strong>tig zu wissen?<br />
John P. Kummer: Angehörige werden wegen<br />
des Arztgeheimnisses oft ni<strong>ch</strong>t vollumfängli<strong>ch</strong><br />
informiert. Do<strong>ch</strong> es gibt immer mehr<br />
Ärzte, die die nä<strong>ch</strong>sten Angehörigen miteinbeziehen.<br />
Aktiv kann einem psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> Kranken<br />
nur bedingt geholfen werden. Das Anerkennen<br />
der Krankheit gibt den Betroffenen<br />
s<strong>ch</strong>on viel. Und au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ihre Anwesenheit<br />
helfen Angehörige. Wi<strong>ch</strong>tig ist es, dem<br />
Betroffenen Aufgaben zu geben, die er erledigen<br />
muss. Das beginnt s<strong>ch</strong>on am Morgen<br />
beim Aufstehen. Ein Mens<strong>ch</strong> in der depressiven<br />
Phase will ni<strong>ch</strong>t aufstehen. Angehörige<br />
sollen ihn immer wieder antreiben. Irgendwann<br />
einmal fühlt si<strong>ch</strong> der Betroffene do<strong>ch</strong><br />
angespro<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> wenn es ihm s<strong>ch</strong>wer<br />
fällt, am S<strong>ch</strong>luss ist er stolz, diese Aufgabe<br />
erfüllt zu haben. Allerdings brau<strong>ch</strong>t es Mens<strong>ch</strong>en,<br />
die das überhaupt aushalten können.<br />
Nä<strong>ch</strong>ste Angehörige müssen au<strong>ch</strong> darauf<br />
a<strong>ch</strong>ten, dass ihr eigenes körperli<strong>ch</strong>es<br />
und seelis<strong>ch</strong>es Wohl ni<strong>ch</strong>t zu kurz kommt.<br />
John P. Kummer<br />
Ehrenpräsident Verein Equilibrium<br />
John P. Kummer: Es ist wi<strong>ch</strong>tig für Betroffene<br />
zu wissen, dass <strong>Depression</strong>en behandelbar<br />
sind. Man muss ihnen das Gefühl<br />
nehmen, dass sie Versager sind, ihnen bewusst<br />
ma<strong>ch</strong>en, dass sie unter einer medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Krankheit leiden. Sie sollten si<strong>ch</strong> bei<br />
den ersten Anzei<strong>ch</strong>en an ihren Arzt wenden<br />
und si<strong>ch</strong> ihren Angehörigen anvertrauen. Betroffene<br />
müssen lernen, in dieser s<strong>ch</strong>wierigen<br />
Lebensphase Geduld mit si<strong>ch</strong> selber zu<br />
haben, und ni<strong>ch</strong>t zu viel von si<strong>ch</strong> erwarten.<br />
Was können Angehörige von Depressiven<br />
tun, wie helfen sie den Kranken am besten?<br />
Was sind Erfolg verspre<strong>ch</strong>ende Therapien?<br />
John P. Kummer: Medikamente und ein Coa<strong>ch</strong>ing<br />
dur<strong>ch</strong> einen Psy<strong>ch</strong>iater oder Psy<strong>ch</strong>ologen.<br />
Praktis<strong>ch</strong> alle Betroffenen lehnen am<br />
Anfang Medikamente ab, vor allem Frauen.<br />
Die Leute haben Angst, dass dur<strong>ch</strong> Medikamente<br />
der Charakter verändert wird, etwas<br />
im Hirn passiert, das sie ni<strong>ch</strong>t kontrollieren<br />
können. Aber gerade Betroffene, die eine<br />
<strong>Depression</strong> ni<strong>ch</strong>t zum ersten Mal erleben,<br />
sind dankbar, dass es gut wirksame Medikamente<br />
gibt, die das S<strong>ch</strong>limmste verhindern.<br />
Antidepressiva ma<strong>ch</strong>en zudem ni<strong>ch</strong>t sü<strong>ch</strong>tig.<br />
Kognitive Gesprä<strong>ch</strong>stherapien gehören<br />
immer dazu bei einer Therapie. Der Psy<strong>ch</strong>iater<br />
muss na<strong>ch</strong>fors<strong>ch</strong>en, wie es überhaupt<br />
zur <strong>Depression</strong> kommen konnte, dem Betroffenen<br />
den Weg zeigen, ihn anleiten, wie<br />
er aus der <strong>Depression</strong> herausfindet.<br />
ZUR PERSON<br />
John P. Kummer ist Ehrenpräsident des<br />
Vereins Equilibrium, den er 1994 in Zug<br />
mitbegründet hat. Er litt selber unter<br />
<strong>Depression</strong>en, das letzte Mal vor 13 Jahren.<br />
In seiner na<strong>ch</strong>folgenden se<strong>ch</strong>sjährigen<br />
hypo-manis<strong>ch</strong>en Phase hat der Vereinsvorstand<br />
unter seiner Führung eine<br />
Selbsthilfeorganisation in der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz<br />
und im Tessin auf die Beine<br />
gestellt. Die Idee ging von der ersten<br />
Selbsthilfegruppe in Zug aus. Heute<br />
gibt es 11 Anlaufstellen mit über 60 Gruppen<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz. Der Verein zählt<br />
1000 Mitglieder. In den Gruppen versammeln<br />
si<strong>ch</strong> zweimal monatli<strong>ch</strong> zirka<br />
1000 Betroffene.<br />
5
DEPRESSION<br />
«SWISS PARADISE»<br />
Ein Auszug aus dem autobiographis<strong>ch</strong>en<br />
Beri<strong>ch</strong>t von Rolf Lyssy<br />
«I<strong>ch</strong> hätte mi<strong>ch</strong> ohrfeigen können. Freiwillig<br />
war i<strong>ch</strong> in die Klinik eingetreten,<br />
auf Anraten meines Psy<strong>ch</strong>iaters Dr. K.<br />
Zuvor hatten wir es drei Monate lang<br />
mit ambulanter Gesprä<strong>ch</strong>stherapie und<br />
Psy<strong>ch</strong>opharmaka versu<strong>ch</strong>t. Vergebli<strong>ch</strong>.<br />
Am Gründonnerstag hatte si<strong>ch</strong> mein<br />
Zustand massiv vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tert: Die<br />
Angst und das zwanghafte Grübeln waren<br />
kaum mehr zu ertragen. I<strong>ch</strong> tigerte<br />
in der Wohnung herum, s<strong>ch</strong>lug zwis<strong>ch</strong>endur<strong>ch</strong><br />
immer wieder verzweifelt<br />
den Kopf an einen Türrahmen, um das<br />
wahnsinnige Rotieren der wirren, unkontrollierten<br />
Gedanken zu stoppen. I<strong>ch</strong><br />
ma<strong>ch</strong>te das tägli<strong>ch</strong>, s<strong>ch</strong>on seit Wo<strong>ch</strong>en.<br />
Ein Wunder, dass mein S<strong>ch</strong>ädel no<strong>ch</strong><br />
keinen S<strong>ch</strong>aden genommen hatte. Mir<br />
graute vor den bevorstehenden Pfingstfeiertagen:<br />
leere Tage, Alleinseinstage.<br />
In einem Anflug von Klarheit bes<strong>ch</strong>loss<br />
i<strong>ch</strong>, mi<strong>ch</strong> selbst einzuliefern, in die Klinik,<br />
die i<strong>ch</strong> zwei Wo<strong>ch</strong>en vorher s<strong>ch</strong>on<br />
mal vorsorgli<strong>ch</strong> beguta<strong>ch</strong>tet hatte.»<br />
«Swiss Paradise»<br />
Ein autobiographis<strong>ch</strong>er Beri<strong>ch</strong>t von Rolf Lyssy,<br />
Rüffer & Rub, Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>verlag, Züri<strong>ch</strong>, 2001<br />
Angehörigen-Hilfe<br />
Wie Angehörige reagieren sollten, ist<br />
für Rolf Lyssy no<strong>ch</strong> heute eine ungelöste<br />
Frage. «Überreagieren ist das Fals<strong>ch</strong>e, si<strong>ch</strong><br />
übermässig engagieren kann problematis<strong>ch</strong><br />
werden, denn der Kranke befindet si<strong>ch</strong> in<br />
einer negativen Spirale, die au<strong>ch</strong> Angehörige<br />
mitreissen kann», gibt er zu bedenken.<br />
Und er ist überzeugt, dass Freunde<br />
« DIE KRISE HAT MICH AN<br />
EINEN PUNKT GEBRACHT,<br />
WO ICH FRÜHER NICHT<br />
WAR.»<br />
und Bekannte einem Betroffenen in dieser<br />
Situation nur bedingt helfen können.<br />
«Man ist allein auf si<strong>ch</strong> gestellt und muss<br />
allein dur<strong>ch</strong> diese Krise. Das ist für Aussenstehende<br />
sehr s<strong>ch</strong>wer zu verstehen.»<br />
Heilung<br />
Waren es die Medikamente, der Klinikaufenthalt,<br />
die liebevollen Bemühungen seiner<br />
Familie, der Freundinnen und Freunde,<br />
die immer da waren, oder war es ganz einfa<strong>ch</strong><br />
die Zeit? Na<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s Monaten verspürte<br />
Rolf Lyssy zuerst zaghaft ein positives<br />
Lebensgefühl, das von Tag zu Tag<br />
stärker wurde. Er konnte die Klinik verlassen<br />
und hatte ganz stark das Gefühl, dass er<br />
diesen Ort bestenfalls als Besu<strong>ch</strong>er, jedo<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t mehr als Patient aufsu<strong>ch</strong>en würde.<br />
«I<strong>ch</strong> hatte die Gewissheit, die <strong>Depression</strong><br />
überstanden zu haben.» Und er ist überzeugt,<br />
dass au<strong>ch</strong> eine sol<strong>ch</strong>e Krise einen<br />
Mens<strong>ch</strong>en stärker ma<strong>ch</strong>en kann. «Die Krise<br />
hat mi<strong>ch</strong> an einen Punkt gebra<strong>ch</strong>t, wo<br />
i<strong>ch</strong> früher ni<strong>ch</strong>t war. I<strong>ch</strong> fühle heute eine<br />
grosse Ausgegli<strong>ch</strong>enheit in mir.»<br />
6
LEBENSGEFÜHL<br />
S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Stimmung?<br />
So finden Sie die Balance wieder<br />
Wer kennt diese Tage ni<strong>ch</strong>t: Man ist verstimmt, fühlt si<strong>ch</strong> antriebslos, ist müde und ers<strong>ch</strong>öpft und<br />
kann si<strong>ch</strong> zu ni<strong>ch</strong>ts aufraffen. Um in sol<strong>ch</strong>en Momenten das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t wiederzufinden,<br />
si<strong>ch</strong> besser zu fühlen und si<strong>ch</strong> selbst Kraft zu geben, gibt es einfa<strong>ch</strong>e Strategien. Das Rezept heisst<br />
Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannung.<br />
Für die Gesundheit kann man viel tun,<br />
und das mit wenig Aufwand: Regelmässige<br />
Bewegung, eine gute Ernährung und Entspannungsmomente<br />
im Alltag rei<strong>ch</strong>en aus,<br />
um die eigene Befindli<strong>ch</strong>keit massiv zu verbessern<br />
und die Lebensqualität zu erhöhen.<br />
Wer Bewegung, gesunde Ernährung und<br />
Entspannung in seinen Alltag einbauen will,<br />
muss lernen, Egoist zu sein und si<strong>ch</strong> dafür<br />
Zeit zu nehmen. Nur auf die eigenen Bedürfnisse<br />
zu a<strong>ch</strong>ten und etwas für si<strong>ch</strong> selbst zu<br />
ma<strong>ch</strong>en: ein Bu<strong>ch</strong> lesen, endli<strong>ch</strong> den Aquarell-Kurs<br />
besu<strong>ch</strong>en, mit guten Bekannten einen<br />
Ausflug unternehmen oder mit einem<br />
lieben Mens<strong>ch</strong>en wieder einmal ausgiebig<br />
s<strong>ch</strong>watzen. Wi<strong>ch</strong>tig ist, dass die Aktivitäten<br />
einem gut tun und Freude ma<strong>ch</strong>en.<br />
1. Bewegen Sie si<strong>ch</strong>!<br />
Bewegung ist ein hervorragender Stimmungsaufheller.<br />
Es muss ja ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> ein<br />
Marathon sein! Ein zügiger Spaziergang,<br />
S<strong>ch</strong>wimmen oder Walking in einer Gruppe<br />
tun es au<strong>ch</strong>. Dur<strong>ch</strong> die körperli<strong>ch</strong>e Anstrengung<br />
kommt es zu einer psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Entspannung.<br />
Der Körper reagiert na<strong>ch</strong> sport-<br />
li<strong>ch</strong>en Aktivitäten mit einer angenehmen<br />
Müdigkeit, und Alltagsbelastungen lassen si<strong>ch</strong><br />
mit wohldosierten, ni<strong>ch</strong>t überfordernden Bewegungs-<br />
und Sportaktivitäten gut abbauen.<br />
2. Ernähren Sie si<strong>ch</strong> gut und gesund!<br />
Eine ausgewogene Ernährung, die eine<br />
ausrei<strong>ch</strong>ende Zufuhr von Energie sowie von<br />
lebensnotwendigen Nähr- und S<strong>ch</strong>utzstoffen<br />
gewährleistet, trägt massgebli<strong>ch</strong> zu unserem<br />
Wohlbefinden bei. Nehmen Sie si<strong>ch</strong> Zeit<br />
zum Essen und geniessen Sie in aller Ruhe<br />
ein feines Essen bei guten Gesprä<strong>ch</strong>en mit<br />
Ihrer Familie und mit Freunden. Ni<strong>ch</strong>ts zu<br />
su<strong>ch</strong>en haben beim Essen Hektik, Stress und<br />
Streit. Das s<strong>ch</strong>lägt ni<strong>ch</strong>t nur auf den Magen,<br />
sondern drückt au<strong>ch</strong> auf die Stimmung.<br />
3. Entspannen Sie si<strong>ch</strong>!<br />
Belastungs- und Ers<strong>ch</strong>öpfungszustände<br />
können mit Entspannungs-Te<strong>ch</strong>niken<br />
positiv beeinflusst werden. Bewusstes Atmen,<br />
Musikhören, Autogenes Training oder<br />
Yoga lenken ab und entspannen Körper und<br />
Geist. Zurück bleibt ein befriedigendes Gefühl,<br />
das Sie dur<strong>ch</strong> den Tag trägt.<br />
INFORMATIONEN ZU<br />
BEWEGUNG, ERNÄHRUNG<br />
UND ENTSPANNUNG<br />
Ausführli<strong>ch</strong>e Informationen rund<br />
um gesundes Essen bietet die<br />
Website der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft für Ernährung:<br />
www.sge-ssn.<strong>ch</strong><br />
Zu den Themen Entspannung<br />
und Bewegung finden si<strong>ch</strong> vielfältige<br />
Informationen und Angebote<br />
auf der Website der Gesundheitsförderung<br />
S<strong>ch</strong>weiz:<br />
www.gesundheitsfoerderung.<strong>ch</strong><br />
7
ANGSTSTÖRUNG<br />
ANSTSTÖRUNG<br />
Wenn die Angst<br />
der ständige Begleiter ist<br />
Wenn Angst ein normales Mass übers<strong>ch</strong>reitet, wird das Leben zur Qual. Denno<strong>ch</strong> dauert es oft mehrere<br />
Jahre, bis Mens<strong>ch</strong>en mit einer Angsterkrankung zum Arzt gehen. Denn die S<strong>ch</strong>am, über die eigene Angst<br />
zu reden, ist gross. Häufig wissen Betroffene au<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t, dass sie krank sind.<br />
«Mit 16 Jahren hielt i<strong>ch</strong> ein Wasserglas in<br />
der Hand und hatte plötzli<strong>ch</strong> Angst davor, zu<br />
zittern und das Wasser zu vers<strong>ch</strong>ütten. Mir blieb<br />
nur die Mögli<strong>ch</strong>keit, das Glas mit beiden Händen<br />
festzuhalten», erzählt Gertrud Heinz*, 60.<br />
Na<strong>ch</strong> diesem ersten Angsterlebnis blieb die<br />
Angst vor weiteren Episoden. Trotz ihrer Ängste<br />
zwang sie si<strong>ch</strong> als junge Frau dazu, im Ausland<br />
zu arbeiten. Die Angst wurde zwar weniger,<br />
ging aber nie weg. Na<strong>ch</strong> ihrer Rückkehr su<strong>ch</strong>te<br />
sie deshalb eine Psy<strong>ch</strong>iaterin auf. 35 Jahre lang<br />
wurden ihre Ängs te wie eine <strong>Depression</strong> behandelt,<br />
obwohl sie an einer Generalisierten Angststörung<br />
litt. Denn damals kannte man diese<br />
Erkrankung mit den Symptomen der ständigen<br />
Besorgtheit und Ängstli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t. Äusserli<strong>ch</strong><br />
war ihr zudem nie etwas anzusehen. «Abgespielt<br />
hat si<strong>ch</strong> alles nur innerli<strong>ch</strong>», so Gertrud<br />
Heinz. Erst seit zwei Jahren wird ihre Krankheit<br />
spezifis<strong>ch</strong> behandelt. Sie bekommt Antidepressiva<br />
und geht in die Psy<strong>ch</strong>otherapie. Körperli<strong>ch</strong>e<br />
Ursa<strong>ch</strong>en wurden dur<strong>ch</strong> Tests ausges<strong>ch</strong>lossen.<br />
Jeden Fünften ma<strong>ch</strong>t Angst krank<br />
Zirka 20 Prozent der Bevölkerung leiden<br />
mindestens einmal im Leben unter sehr<br />
starken oder anhaltenden Ängsten. 1 Angst an<br />
si<strong>ch</strong> ist ein normales Gefühl. Es gehört zum<br />
Leben wie Wut oder Traurigkeit. Angst kann<br />
bei Prüfungen helfen, si<strong>ch</strong> besser vorzubereiten,<br />
und ohne Angst, die Energie freisetzt,<br />
hätten unsere Vorfahren keine Jagdbeute erlegen<br />
können. Denn bei Angst bereitet si<strong>ch</strong><br />
der Körper auf s<strong>ch</strong>nelles Handeln vor, indem<br />
Stresshormone ausges<strong>ch</strong>üttet werden. Als<br />
Konsequenz steigen der Blutdruck und die<br />
Herzfrequenz, der Mens<strong>ch</strong> wird leistungsfähiger.<br />
Angst wird aber dann ein Problem,<br />
wenn sie als Bedrohung erlebt wird, lange<br />
anhält und die Lebensqualität dur<strong>ch</strong> Vermeidungsverhalten<br />
stark beeinträ<strong>ch</strong>tigt 2 , so<br />
wie bei Gertrud Heinz. Das Glei<strong>ch</strong>e war au<strong>ch</strong><br />
bei Cornelia Grossenba<strong>ch</strong>er, 42, der Fall.<br />
«I<strong>ch</strong> fühlte mi<strong>ch</strong> blöd,<br />
weil da ni<strong>ch</strong>ts war.»<br />
Als ihr Mann einen Herzinfarkt erlitt und<br />
sie zu diesem Zeitpunkt in Istanbul weilte,<br />
entwickelte si<strong>ch</strong> erstmals die Angst, «dass<br />
etwas passiert, wenn i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t da bin». Ein<br />
halbes Jahr na<strong>ch</strong> diesem dramatis<strong>ch</strong>en Erlebnis<br />
entwickelte sie einen nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Anfall<br />
mit Herzrasen, S<strong>ch</strong>weissausbru<strong>ch</strong>, Engegefühl<br />
in der Brust, der si<strong>ch</strong> über eine Stunde hinzog.<br />
Na<strong>ch</strong>dem im Spital alle Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
normal ausfielen, ging Cornelia Grossenba<strong>ch</strong>er<br />
wieder na<strong>ch</strong> Hause. Eine Wo<strong>ch</strong>e später<br />
trat das glei<strong>ch</strong>e Gefühl auf. Sie stand<br />
am Buffet im eigenen Restaurant. Übelkeit<br />
trat ein, sie atmete zu s<strong>ch</strong>nell, es wurde ihr<br />
s<strong>ch</strong>windelig. Der Ehemann rief den Notarzt<br />
an. Wiederum wurde ni<strong>ch</strong>ts entdeckt:<br />
«I<strong>ch</strong> fühlte mi<strong>ch</strong> blöd, weil da ni<strong>ch</strong>ts war.»<br />
Als Konsequenz vers<strong>ch</strong>wieg sie weitere<br />
Attacken. Aus Angst, mitten im Restaurant<br />
tot umzufallen, konnte sie aber au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr arbeiten. Dieser Teufelskreis der Angst<br />
vor der Angst führte dazu, dass sie si<strong>ch</strong> aus<br />
dem Leben zurückzog. Die genauen Ursa<strong>ch</strong>en<br />
der Angsterkrankungen sind na<strong>ch</strong> Angaben<br />
von Dr. med. Christine Huwig-Poppe, Leitende<br />
Ärztin an der Tagesklinik Kil<strong>ch</strong>berg, Züri<strong>ch</strong>,<br />
bis heute ni<strong>ch</strong>t bekannt. Ein genetis<strong>ch</strong>er Faktor<br />
ist vorhanden, da Angsterkrankungen familiär<br />
gehäuft auftreten. Mehrheitli<strong>ch</strong> beginnt<br />
die Angststörung im Alter von 15 bis<br />
25 Jahren. Frauen sind, ausser bei Zwangsstörungen,<br />
häufiger betroffen als Männer.<br />
8
ANGSTSTÖRUNG<br />
Was passiert bei einer Angststörung?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Bei einer Angststörung<br />
kommt es zu einer katastrophisierenden<br />
Fehlbewertung von Situationen und<br />
eigenen Körperreaktionen. Aus der Wahrnehmung<br />
eines unregelmässigen Herzs<strong>ch</strong>lags entsteht<br />
beispielsweise die Befür<strong>ch</strong>tung, einen<br />
Herzanfall zu erleiden und mögli<strong>ch</strong>erweise daran<br />
zu sterben. Das verursa<strong>ch</strong>t Angst und führt<br />
zur Auss<strong>ch</strong>üttung von körpereigenen Stresshormonen,<br />
verbunden mit körperli<strong>ch</strong>en Stressreaktionen<br />
wie bes<strong>ch</strong>leunigter Herzs<strong>ch</strong>lag,<br />
s<strong>ch</strong>nelles Atmen, kalte Hände und S<strong>ch</strong>witzen.<br />
Betroffene ri<strong>ch</strong>ten ihre Aufmerksamkeit zuneherst<br />
seit einem Jahr. Alles fing mit 16 Jahren<br />
an, als auf einmal zwei Programme in<br />
seinem Kopf abliefen: Eines, bei dem er si<strong>ch</strong><br />
beoba<strong>ch</strong>tet fühlte und deshalb Angst bekam,<br />
ein weiteres, das die Realität widerspiegelte.<br />
Es endete damit, dass si<strong>ch</strong> der<br />
heutige Akademiker in seine privaten vier<br />
Wände zurückzog. Die SAD gehört zu den<br />
dritthäufigsten psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Störungen<br />
hinter <strong>Depression</strong> und Alkoholabhängigkeit.<br />
Trotzdem wird die Störung oft übersehen.<br />
Denn soziale Unsi<strong>ch</strong>erheit und Ängstli<strong>ch</strong>keit<br />
sind ein Alltagsphänomen, das<br />
au<strong>ch</strong> von Fa<strong>ch</strong>leuten unters<strong>ch</strong>ätzt wird. 4<br />
Andere auslösende Faktoren sind traumatis<strong>ch</strong>e<br />
Ereignisse, mangelnde soziale Fertigkeiten<br />
wie geringe Dur<strong>ch</strong>setzungskraft,<br />
länger andauernde belastende Situationen<br />
wie Tod, Trennung oder S<strong>ch</strong>eidung und ein<br />
ungesunder Lebensstil mit wenig körperli<strong>ch</strong>er<br />
Bewegung, Drogenkonsum, wenig<br />
S<strong>ch</strong>laf, Nikotin und Alkohol. Eine gestörte<br />
Neuro<strong>ch</strong>emie des Gehirns wird ebenfalls als<br />
Ursa<strong>ch</strong>e für Angstentstehung diskutiert. 3<br />
Den Teufelskreis unterbre<strong>ch</strong>en<br />
«Als i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> meinem Studium auf<br />
eine sehr gute Stelle verzi<strong>ch</strong>tete und ni<strong>ch</strong>t<br />
wusste, ob dies aufgrund meiner Angst der<br />
Fall ist oder weil die Stelle mir ni<strong>ch</strong>t entspra<strong>ch</strong>,<br />
wollte i<strong>ch</strong> endli<strong>ch</strong> mein Leben ändern»,<br />
meint Hans Furrer*, 30. 14 Jahre litt<br />
er da bereits unter diesen Ängsten. Dass er<br />
an der Sozialen Angststörung (Social Anxiety<br />
Disorder, SAD) erkrankt ist, weiss er<br />
Heute befinden si<strong>ch</strong> Gertrud Heinz,<br />
Cornelia Grossenba<strong>ch</strong>er und Hans Furrer<br />
in Therapie. Es geht ihnen besser, obwohl<br />
immer wieder die alten Ängste auftreten.<br />
Was jedo<strong>ch</strong> alle in der Therapie<br />
gelernt haben, ist das Gefühl, Angst zulassen<br />
zu können. Und dieser unterbro<strong>ch</strong>ene<br />
Teufelskreis der Angst wirkt befreiend. Die<br />
Medikamente geben den nötigen Halt. Für<br />
Hans Furrer ist sein heutiges Leben im Verglei<strong>ch</strong><br />
zu früher ein Unters<strong>ch</strong>ied wie Tag<br />
und Na<strong>ch</strong>t. In der jetzigen Firma muss er<br />
öffentli<strong>ch</strong> reden und reist ins Ausland, wo<br />
er fremde Mens<strong>ch</strong>en trifft. Erstmals hat er<br />
das Gefühl, frei ents<strong>ch</strong>eiden zu können und<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr angstgesteuert zu sein.<br />
Heilung mögli<strong>ch</strong><br />
Angststörungen sind ernst zu nehmende Erkrankungen. Je früher mit der<br />
Therapie begonnen wird, desto grösser sind die Heilungs<strong>ch</strong>ancen.<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe<br />
Fa<strong>ch</strong>ärztin für Psy<strong>ch</strong>iatrie und<br />
Psy<strong>ch</strong>otherapie und Leitende Ärztin<br />
an der Tagesklinik Kil<strong>ch</strong>berg, Züri<strong>ch</strong><br />
mend auf mögli<strong>ch</strong>e Gefahrensignale aus und<br />
geraten so in einen Teufelskreis der Angst. Ähnli<strong>ch</strong>e<br />
Situationen werden in Zukunft gemieden<br />
oder nur no<strong>ch</strong> in Begleitung Dritter aufgesu<strong>ch</strong>t.<br />
Wie werden Angststörungen therapiert?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Die moderne<br />
Therapie von Angststörungen baut auf fünf<br />
Elementen auf: die Krankheitsaufklärung, die<br />
Psy<strong>ch</strong>otherapie und medikamentöse Behandlung,<br />
die sozialarbeiteris<strong>ch</strong>e Unterstützung,<br />
die Angehörigenarbeit und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> eine<br />
gute Rückfallprophylaxe. Na<strong>ch</strong> einer ausführli<strong>ch</strong>en<br />
diagnostis<strong>ch</strong>en Abklärung zu Beginn<br />
9
ANGSTSTÖRUNG<br />
GERTRUD HEINZ*, 60:<br />
Der Angstinhalt hüpft von einem Gegenstand<br />
zum nä<strong>ch</strong>sten. Es kann tagelang<br />
die glei<strong>ch</strong>e Angst sein oder aber sie<br />
kann innerhalb eines Tages x-mal we<strong>ch</strong>seln:<br />
Dann ist es die Angst vor Donnerstag,<br />
da arbeite i<strong>ch</strong> allein, vor dem<br />
Essen in der Kantine, wenn ni<strong>ch</strong>t die gewohnten<br />
Kolleginnen da sind, vor dem<br />
Alleinsein, vor der neuen Putzfrau. Vor<br />
allem, was neu ist. Das Angstgefühl ist<br />
immer präsent. S<strong>ch</strong>limm finde i<strong>ch</strong> diffuse<br />
Ängste, bei denen i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t genau<br />
weiss, wovor i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für<strong>ch</strong>te.<br />
CORNELIA GROSSENBACHER, 42:<br />
Es begann vor se<strong>ch</strong>s Jahren. I<strong>ch</strong> hatte<br />
plötzli<strong>ch</strong> Herzste<strong>ch</strong>en, Atemnot, ein<br />
Engegefühl in der Brust. I<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te, i<strong>ch</strong><br />
müsste sterben. Na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> zweimal<br />
beim Notarzt war und ni<strong>ch</strong>ts gefunden<br />
wurde, kam i<strong>ch</strong> mir dumm vor. I<strong>ch</strong> hatte<br />
weiterhin ständig Angst, auf einmal<br />
tot umzufallen. Deshalb zog i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> zurück,<br />
konnte fast niemanden mehr grüssen.<br />
I<strong>ch</strong> konnte ni<strong>ch</strong>t im Tunnel Auto<br />
fahren, war unzufrieden und unausstehli<strong>ch</strong>.<br />
I<strong>ch</strong> konnte au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr arbeiten.<br />
Dur<strong>ch</strong> Zufall haben Freunde von<br />
meiner Situation erfahren und mir einen<br />
Psy<strong>ch</strong>iater genannt. I<strong>ch</strong> weiss ni<strong>ch</strong>t,<br />
was i<strong>ch</strong> ohne diese Hilfe gema<strong>ch</strong>t hätte.<br />
I<strong>ch</strong> kam mir so nutzlos vor, wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
hätte i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> umgebra<strong>ch</strong>t.<br />
HANS FURRER*, 30:<br />
In meinem 16. Lebensjahr fing es an: I<strong>ch</strong><br />
fühlte mi<strong>ch</strong> beoba<strong>ch</strong>tet, wenn i<strong>ch</strong> etwas<br />
tat. «Der la<strong>ch</strong>t wegen mir», war meine<br />
Meinung. I<strong>ch</strong> reagierte mit S<strong>ch</strong>weissausbrü<strong>ch</strong>en.<br />
Mein Studium habe i<strong>ch</strong> so<br />
ausgewählt, dass si<strong>ch</strong> freies Spre<strong>ch</strong>en<br />
vor Publikum vermeiden liess. Zusammensein<br />
in grossen Gruppen bei sozialen<br />
Anlässen oder mit mehr als zwei Freunden<br />
glei<strong>ch</strong>zeitig war mir unmögli<strong>ch</strong>. Ein<br />
Restaurantbesu<strong>ch</strong> war beispielsweise<br />
nur denkbar, wenn neben meinem Tis<strong>ch</strong><br />
re<strong>ch</strong>ts und links kein anderer ans<strong>ch</strong>loss.<br />
* Name von der Redaktion geändert<br />
wird gemeinsam mit dem Patienten ein individueller<br />
Therapieplan erstellt und ents<strong>ch</strong>ieden,<br />
wel<strong>ch</strong>e dieser fünf Elemente zur Anwendung<br />
kommen sollen. Wir klären die Patienten<br />
ausführli<strong>ch</strong> über ihre Erkrankung und die Behandlungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
auf. Sie sollen zu Experten<br />
ihrer eigenen Erkrankung werden. Das<br />
s<strong>ch</strong>afft Si<strong>ch</strong>erheit und vermindert das Gefühl,<br />
der Erkrankung ausgeliefert zu sein. Zudem<br />
können wir die Patienten so in die therapeutis<strong>ch</strong>en<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungen einbeziehen.<br />
Eines der fünf Elemente in der Therapie<br />
von Angststörungen ist die Psy<strong>ch</strong>otherapie.<br />
Wie sieht diese aus?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Am besten untersu<strong>ch</strong>t<br />
ist die kognitive Verhaltenstherapie in<br />
der Behandlung von Angststörungen. Zentraler<br />
Therapiebaustein ist das Expositionstraining.<br />
Dabei su<strong>ch</strong>t der Patient na<strong>ch</strong> einer entspre<strong>ch</strong>enden<br />
therapeutis<strong>ch</strong>en Vorbereitung angstbesetzte<br />
und bislang gemiedene Situationen<br />
wieder auf und kann so seine Befür<strong>ch</strong>tungen<br />
realistis<strong>ch</strong> überprüfen. Er ma<strong>ch</strong>t die Erfahrung,<br />
dass die Angst mit der Zeit na<strong>ch</strong>lässt und er<br />
diese mit Hilfe von bestimmten Strategien<br />
bewältigen kann. Dies s<strong>ch</strong>afft neue Zuversi<strong>ch</strong>t<br />
in die eigenen Mögli<strong>ch</strong>keiten, erfordert<br />
aber au<strong>ch</strong> intensives und regelmässiges Üben.<br />
Wann werden Medikamente in der<br />
Therapie eingesetzt?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Die Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
für oder gegen ein Medikament hängt<br />
ab von der Art und S<strong>ch</strong>were der Erkrankung,<br />
eventuellen zusätzli<strong>ch</strong>en Erkrankungen wie<br />
beispielsweise einer <strong>Depression</strong> und der individuellen<br />
Situation des Betroffenen. Bei einer<br />
einfa<strong>ch</strong>en Panikstörung kann eine alleinige<br />
Psy<strong>ch</strong>otherapie völlig ausrei<strong>ch</strong>end sein. Die<br />
Kombinationsbehandlung ist jedo<strong>ch</strong> in vielen<br />
Fällen effektiver. Wi<strong>ch</strong>tig ist es, den Patienten<br />
in die Ents<strong>ch</strong>eidung einzubeziehen.<br />
Wel<strong>ch</strong>e Medikamente werden<br />
übli<strong>ch</strong>erweise verordnet?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Heute werden<br />
moderne Antidepressiva aus der Gruppe der<br />
Serotoninwiederaufnahmehemmer eingesetzt.<br />
Insgesamt sind die modernen Antidepressiva<br />
Referenzen<br />
1. Kessler RC., McGonagle KA., Zhao S., Nelson CB., Hughes M.,<br />
Eshleman S., Witt<strong>ch</strong>en HU., Kendler KS.: Lifetime and <strong>12</strong>-month prevalence<br />
of DSM-III-R psy<strong>ch</strong>iatric disorders in the United States. Results from the<br />
National Comorbidity Survey. Ar<strong>ch</strong> Gen Psy<strong>ch</strong>iatry 1994; 51: 8-19.<br />
zwar gut verträgli<strong>ch</strong> und effektiv in der Wirkung,<br />
do<strong>ch</strong> können gerade in der Anfangsphase<br />
gewisse Nebenwirkungen auftreten. Patienten<br />
sollten darüber im Vorfeld aufgeklärt werden,<br />
genauso wie über den verzögerten Wirkungseintritt<br />
von etwa drei bis vier Wo<strong>ch</strong>en.<br />
Wie wi<strong>ch</strong>tig ist es, dass ein Patient den<br />
Grund für seine Angststörung kennt?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Die meisten<br />
Patienten mö<strong>ch</strong>ten verstehen, wie es zu ihren<br />
Ängsten gekommen ist. In der Regel tragen<br />
dazu vers<strong>ch</strong>iedene Faktoren bei wie zum Beispiel<br />
eine Tendenz zu ausgeprägten körperli<strong>ch</strong>en<br />
Stressreaktionen, lebensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Faktoren und vor allem akute Belastungssituationen.<br />
Ni<strong>ch</strong>t immer ist der Auslöser eindeutig<br />
zu finden. Viel wi<strong>ch</strong>tiger ist es, dass die<br />
Patienten verstehen lernen, wel<strong>ch</strong>e Me<strong>ch</strong>anismen<br />
ihre Ängste aufre<strong>ch</strong>terhalten und wie<br />
sie darauf Einfluss nehmen können. So erlangen<br />
die Patienten au<strong>ch</strong> mehr Selbstvertrauen.<br />
Ist bei einer Angststörung eine vollständige<br />
Heilung mögli<strong>ch</strong>?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Je früher mit<br />
der Therapie begonnen wird, desto besser ist<br />
die Prognose. Häufig gelangen die Patienten<br />
aber erst Jahre, na<strong>ch</strong>dem das Leiden begonnen<br />
hat, in unsere Praxis. Das zieht dementspre<strong>ch</strong>end<br />
längere Behandlungszeiten na<strong>ch</strong><br />
si<strong>ch</strong>. Wi<strong>ch</strong>tig ist au<strong>ch</strong>, Begleiterkrankungen<br />
zu diagnostizieren und zu behandeln. Mit einer<br />
adäquaten Therapie kann eine Verbesserung<br />
der Lebensqualität errei<strong>ch</strong>t werden.<br />
Was passiert, wenn Angststörungen<br />
ni<strong>ch</strong>t behandelt werden?<br />
Dr. med. Christine Huwig-Poppe: Wird die Angststörung<br />
ni<strong>ch</strong>t behandelt, kann dies weitere<br />
Komplikationen mit si<strong>ch</strong> bringen. Die Betroffenen<br />
ziehen si<strong>ch</strong> von ihrem sozialen Umfeld<br />
zurück, geben frühere Interessen auf<br />
und haben Mühe, ihren berufli<strong>ch</strong>en Aufgaben<br />
na<strong>ch</strong>zukommen. <strong>Depression</strong> kann dann<br />
die Folge sein. Andere versu<strong>ch</strong>en ihre Ängste<br />
dur<strong>ch</strong> vermehrten Alkohol- und Substanzmittelkonsum<br />
zu bewältigen mit der Gefahr<br />
einer Abhängigkeitsentwicklung.<br />
2. Perkonigg A., Witt<strong>ch</strong>en HU.: Epidemiologie von Angststörungen.<br />
In: Kasper S, Möller HJ (Hrsg). Angst- und Panikerkrankungen. Jena: Fis<strong>ch</strong>er 1995.<br />
3. Ba<strong>ch</strong> M., Nutzinger DO.: Langzeitverlauf von Angsterkrankungen.<br />
In: Kasper S, Möller HJ (Hrsg). Angst- und Panikerkrankungen. Jena: Fis<strong>ch</strong>er 1995.<br />
4. Sheeran T., Zimmermann M.: Social phobia: Still a neglected anxiety disorder?<br />
J Nerv Ment Dis 2002; 190: 786-788.<br />
10
ANGSTSTÖRUNG<br />
WAS IST EINE ANGSTSTÖRUNG?<br />
Angst ist eine unangenehme, aber gesunde<br />
Reaktion auf drohende Gefahr. Sie<br />
ermögli<strong>ch</strong>t entweder Flu<strong>ch</strong>t oder Kampf<br />
und kann willentli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beeinflusst<br />
werden. Bei einer Angststörung hingegen<br />
handelt es si<strong>ch</strong> um eine krankhaft<br />
veränderte, unverhältnismässige Angst,<br />
meist in Begleitung von Panikattacken.<br />
«Mi<strong>ch</strong> interessieren<br />
die geheimen Sehnsü<strong>ch</strong>te,<br />
Triebe und Ängste»<br />
Von einem, der auszog, das Für<strong>ch</strong>ten zu lernen.<br />
Oder wie geht ein Krimiautor mit dem Thema Angst um?<br />
Ein Gesprä<strong>ch</strong> mit Roger Graf.<br />
Wer liebt sie ni<strong>ch</strong>t, die spannenden Krimis,<br />
die einen na<strong>ch</strong>ts ni<strong>ch</strong>t mehr zur Ruhe<br />
kommen lassen. Es fehlt no<strong>ch</strong> das Ende, die<br />
Auflösung ist unsi<strong>ch</strong>er und man mag den<br />
Haupthelden der Handlung ni<strong>ch</strong>t gehen lassen,<br />
ohne zu wissen, was aus diesem wird.<br />
Dann wird Angst als etwas Positives erlebt;<br />
ganz anders als die Angst, bei der si<strong>ch</strong> die<br />
Gedanken im Kreise drehen und krank ma<strong>ch</strong>en.<br />
Ein Meister des Krimifa<strong>ch</strong>s ist Roger<br />
Graf, geboren 1958 in Züri<strong>ch</strong>. Wer kennt sie<br />
ni<strong>ch</strong>t, die haarsträubenden Fälle des<br />
Philip Maloney, in denen der Held alltägli<strong>ch</strong><br />
ist, uns<strong>ch</strong>ön und irgendwie uninteressant,<br />
tollpats<strong>ch</strong>ig und so unheldenhaft? S<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tweg<br />
so wie Mens<strong>ch</strong>en im e<strong>ch</strong>ten Leben<br />
au<strong>ch</strong>. Roger Graf hat einen neuen Kurzkrimi<br />
ges<strong>ch</strong>rieben, in dem dieses Mal die<br />
Angst im Zentrum steht. Ein Augens<strong>ch</strong>ein.<br />
Wie re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ieren Sie zum Thema Angst?<br />
Roger Graf: Angst ist ein derart universelles<br />
Gefühl, dass i<strong>ch</strong> dazu ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ieren<br />
muss. I<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>iere für meine Bü<strong>ch</strong>er eigentli<strong>ch</strong><br />
nur te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Details, bei allem<br />
anderen lasse i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> von meiner Inspiration<br />
und meinen Erfahrungen leiten.<br />
Lösen heute andere Themen Angst<br />
aus als früher?<br />
Roger Graf: Angst ist konjunkturabhängig.<br />
Je unsi<strong>ch</strong>erer die Zeiten, umso ängstli<strong>ch</strong>er<br />
die Mens<strong>ch</strong>en. Dazu kommt, dass es s<strong>ch</strong>wer<br />
ist zu akzeptieren, dass die Mens<strong>ch</strong>en in einer<br />
ho<strong>ch</strong> zivilisierten Welt na<strong>ch</strong> wie vor von<br />
einem Virus dahingerafft werden können.<br />
Gibt es für Sie weibli<strong>ch</strong>e und männli<strong>ch</strong>e<br />
Ängste? Oder unters<strong>ch</strong>eiden Sie da ni<strong>ch</strong>t?<br />
Roger Graf: Die Ängste sind vermutli<strong>ch</strong> die<br />
glei<strong>ch</strong>en, aber Männer und Frauen gehen oft<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> damit um. Natürli<strong>ch</strong> gibt<br />
es die eher frauentypis<strong>ch</strong>en Phobien wie<br />
Spinnen und Mäuse. Vom psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en<br />
her reizen mi<strong>ch</strong> als S<strong>ch</strong>riftsteller aber eher<br />
diffuse Ängste, die objektiv gar ni<strong>ch</strong>t vorhanden<br />
sein sollten – wenn beispielsweise<br />
jemand von einer Existenzangst getrieben<br />
wird, obwohl er ausgesorgt hat, oder<br />
Generalisierte Angststörung: Charakteristis<strong>ch</strong><br />
sind übersteigerte, quälende und<br />
unrealistis<strong>ch</strong>e Befür<strong>ch</strong>tungen, die si<strong>ch</strong><br />
auf alle Alltagssituationen beziehen können.<br />
Au<strong>ch</strong> die Ängste selbst können zum<br />
Gegenstand der Besorgnis werden. Dadur<strong>ch</strong><br />
liegt eine körperli<strong>ch</strong>e Anspannung<br />
in Verbund mit vegetativen Symptomen<br />
wie Dur<strong>ch</strong>fall, Harndrang, S<strong>ch</strong>windel<br />
etc. vor. Der Krankheitsverlauf ist meist<br />
<strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>. Ohne Behandlung treten fast<br />
immer begleitende <strong>Depression</strong>en auf.<br />
Soziale Angststörung: Die Betroffenen<br />
für<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> vor Situationen, in<br />
denen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit<br />
stehen. Sie glauben inkompetent<br />
oder s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> zu sein. Körperli<strong>ch</strong>e<br />
Symptome rei<strong>ch</strong>en von Erröten<br />
bis hin zu Panikattacken. Dies führt<br />
dazu, diese Situationen zu meiden,<br />
was von lei<strong>ch</strong>teren Behinderungen<br />
bis hin zur sozialen Isolierung führt.<br />
Panikstörung: Panikattacken treten<br />
wiederholt und ohne erkennbaren Grund<br />
auf. Symptome sind Herzklopfen, Engegefühl<br />
in der Brust, Zittern etc., die in<br />
der Regel 10 bis 30 Minuten, aber au<strong>ch</strong><br />
Stunden andauern können.<br />
Agoraphobie: Angst, an Orten zu sein, von<br />
denen eine Flu<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>wierig oder peinli<strong>ch</strong><br />
sein könnte oder wo im Fall einer Panikattacke<br />
keine Hilfe errei<strong>ch</strong>bar sein könnte. Zum<br />
Beispiel alleine ausser Haus zu sein, in einer<br />
Mens<strong>ch</strong>enmenge zu sein, Reisen im Bus etc.<br />
Spezifis<strong>ch</strong>e Phobien: Angst wird bei<br />
bestimmten Dingen, Situationen oder<br />
Aktivitäten ausgelöst, wie dur<strong>ch</strong> Tiere<br />
(Spinnen) oder Flugreisen.<br />
Quelle: www.swissanxiety.<strong>ch</strong><br />
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ANGSTSTÖRUNG<br />
Roger Graf<br />
Krimiautor<br />
«DIE ANGST KOMMT NIE ALLEIN»<br />
Roger Graf, S<strong>ch</strong>riftsteller und Autor<br />
der haarsträubenden Fälle des Philip<br />
Maloney, hat exklusiv für Lundbeck<br />
einen Krimi ges<strong>ch</strong>rieben. Mehr Infos zu<br />
Roger Graf unter: www.rogergraf.<strong>ch</strong>.<br />
AUSZUG AUS DEM KURZKRIMI<br />
«Zanni hielt einen Moment inne und<br />
stützte si<strong>ch</strong> an einem Baum ab. Die Kleider<br />
klebten an seinem Körper und seine Knie<br />
zitterten. Er versu<strong>ch</strong>te zu laus<strong>ch</strong>en, do<strong>ch</strong><br />
sein rasselnder Atem war lauter als alles,<br />
was es sonst zu hören gab. Und eigentli<strong>ch</strong><br />
war es ganz still. Unnatürli<strong>ch</strong><br />
still. Keine Vögel, kein Wind, der dur<strong>ch</strong><br />
die Bäume raus<strong>ch</strong>te, nur sein Keu<strong>ch</strong>en.<br />
Seine S<strong>ch</strong>läfen po<strong>ch</strong>ten, als würde sein<br />
Herz das Blut in einem rasenden Tempo<br />
dur<strong>ch</strong> seinen Körper jagen, so wie sie ihn<br />
jagten, do<strong>ch</strong> jetzt s<strong>ch</strong>ien es, als hätten<br />
sie aufgegeben, endli<strong>ch</strong> aufgegeben . . . »<br />
ein kerngesunder Mens<strong>ch</strong> ständig neue<br />
Krankheitssymptome an si<strong>ch</strong> wahrnimmt.<br />
Muss man als Autor selber ein Mens<strong>ch</strong>enkenner<br />
sein, um Angst erkennen und darstellen<br />
zu können?<br />
Roger Graf: S<strong>ch</strong>riftsteller gehen in Grenzberei<strong>ch</strong>e,<br />
au<strong>ch</strong> der Psy<strong>ch</strong>e. Sie loten die<br />
Abgründe, Irrwege und Paradoxien des<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Verhaltens aus.<br />
Das heisst, als Krimiautor müssen Sie<br />
selber Angst erlebt haben, um Angst<br />
bes<strong>ch</strong>reiben zu können?<br />
Roger Graf: Jeder Mens<strong>ch</strong> hat s<strong>ch</strong>on Angst<br />
erlebt. Diese dann aber au<strong>ch</strong> in Worte oder<br />
eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zu fassen, ist etwas ganz<br />
anderes.<br />
Was ist anders?<br />
Roger Graf: Jemand, der ein Bu<strong>ch</strong> liest, befindet<br />
si<strong>ch</strong> in einem entspannten Zustand.<br />
Diese Entspannung mit Spannung zu füllen –<br />
darin besteht die Kunst des S<strong>ch</strong>reibens.<br />
Sie setzen si<strong>ch</strong> berufsmässig mit Ängsten<br />
auseinander. Sind Sie deshalb offener<br />
im Umgang mit Ihren eigenen Ängsten?<br />
Roger Graf: Angst ist ein Grundmotiv für<br />
Spannungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Als Krimiautor bewege<br />
i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> immer an den Randzonen der<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>e. Mi<strong>ch</strong> interessieren vor<br />
allem die verborgenen Lei<strong>ch</strong>en im Keller,<br />
die Geheimnisse, wel<strong>ch</strong>e die Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />
preisgeben mö<strong>ch</strong>ten, ihre geheimen Sehnsü<strong>ch</strong>te,<br />
Triebe und Ängste. Das ist immer<br />
au<strong>ch</strong> ein We<strong>ch</strong>selspiel mit der eigenen Psy<strong>ch</strong>e.<br />
Denn alles ist bei jedem Mens<strong>ch</strong>en vorhanden,<br />
nur die Mis<strong>ch</strong>ung ist unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />
und die Formen der Verdrängung au<strong>ch</strong>.<br />
ANLAUFSTELLEN<br />
Psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Probleme? Wie weiter?<br />
Ärztegesells<strong>ch</strong>aft des Kantons Züri<strong>ch</strong> (AGZ)<br />
Telefon 044 421 14 14<br />
Angst- und Panikhilfe S<strong>ch</strong>weiz<br />
Hölzlistrasse 165, 4232 Fehren<br />
Hotline 0848 801 109<br />
E-Mail: aphs@aphs.<strong>ch</strong><br />
www.aphs.<strong>ch</strong>, www.panik.<strong>ch</strong><br />
KOSCH<br />
Koordination und Förderung von<br />
Selbsthilfegruppen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Laufenstrasse <strong>12</strong>, 4053 Basel<br />
Telefon 061 333 86 01<br />
E-Mail: gs@kos<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />
www.kos<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />
Verein Equilibrium<br />
Ibelweg 20, 6304 Zug<br />
Telefon 0848 143 144<br />
E-Mail: info@depressionen.<strong>ch</strong><br />
SOS-Adresse: help@depressionen.<strong>ch</strong><br />
www.depressionen.<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Stiftung Pro Mente Sana<br />
Beratung in sozialen, psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en und<br />
re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Fragen<br />
Hardturmstr. 261, Postfa<strong>ch</strong>, 8005 Züri<strong>ch</strong><br />
Telefon 0848 800 858<br />
E-Mail: kontakt@promentesana.<strong>ch</strong><br />
www.promentesana.<strong>ch</strong><br />
Hilfe für Angehörige<br />
VASK<br />
Vereinigung der Angehörigen<br />
von S<strong>ch</strong>izophrenie-/Psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>-Kranken<br />
St. Alban-Anlage 63, 4052 Basel<br />
Telefon 061 271 16 40<br />
E-Mail: info@vask.<strong>ch</strong><br />
www.vask.<strong>ch</strong><br />
BÜCHER/BROSCHÜREN<br />
<strong>Depression</strong>en erkennen, heilen<br />
Eine Information für Patienten und<br />
deren Angehörige.<br />
Lundbeck (S<strong>ch</strong>weiz) AG<br />
Letzte überarbeitete Auflage, März 2006.<br />
Wege aus der <strong>Depression</strong><br />
So finden Betroffene und ihre Angehörigen Mut<br />
Pascale Gmür, Helga Kessler<br />
Beoba<strong>ch</strong>ter Ratgeber, ISBN 3 85569 331 5<br />
WEITERE INFORMATIONEN<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft für<br />
Angststörungen<br />
www.swissanxiety.<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft für<br />
Psy<strong>ch</strong>iatrie und Psy<strong>ch</strong>otherapie<br />
www.psy<strong>ch</strong>iatrie.<strong>ch</strong><br />
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