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Der Kindergarten während der NS-Herrschaft - Paedagogika

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Zeugung stärker ist als Erziehung und machten damit dem Traum von <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong><br />

Erziehung ein Ende.“ Für die Erzieherschaft sei das freilich nur ein scheinbarer Verlust<br />

gewesen. Denn was sie an eingebildeter Bedeutung hergeben musste, gewann sie an klarer<br />

Einsicht in die wahren Möglichkeiten ihrer Arbeit -- mehr als doppelt -- zurück. „Wir wollen<br />

ein hartes Geschlecht heranziehen, das stark ist, zuverlässig, treu, gehorsam und anständig!“<br />

So Hitler auf dem Reichsparteitag 1935.<br />

Wie so ganz an<strong>der</strong>s sprach zur selben Zeit Maria Montessori: „Die Pädagogik hat also<br />

For<strong>der</strong>ungen aufzustellen, die sich an den Erwachsenen richten und nicht an das Kind.“<br />

Wenn ich von meinem Projekt erzähle, meinen manche Leute: „HJ, BdM, <strong>NS</strong>V, Schule und<br />

Heer -- O.K., aber <strong>NS</strong>.- Erziehung im <strong>Kin<strong>der</strong>garten</strong> ?“ Nun, gerade weil das Kleinkind eher<br />

subjektiv bestimmt lebt, seine Umwelt noch überwiegend gefühlsbetont aufnimmt und ebenso<br />

auf sie reagiert, ist es relativ wehrlos gegenüber den Erziehungseinflüssen ! Die „frühkindliche<br />

Amnesie“, die etwa mit dem Schuleintrittsalter einsetzt, löscht die Erinnerung an die<br />

frühe Kindheit nicht, son<strong>der</strong>n verdrängt sie bloß ins Unbewusste, von wo aus sie unerkannt,<br />

weil unbewusst, weiter wirken. In einer Festzeitschrift, herausgegeben anlässlich <strong>der</strong> 100-<br />

Jahrfeier des deutschen <strong>Kin<strong>der</strong>garten</strong>s im Jahr 1940, ist zu lesen: „Wie die Erziehung im<br />

nationalsozialistischen Deutschland selbst , so ist auch <strong>der</strong> <strong>Kin<strong>der</strong>garten</strong> ein wesentlich<br />

politisches Erziehungsmittel, in dem alle Grundsätze nationalsozialistischer Menschenführung<br />

ihre Verwirklichung finden.“ An erster Stelle stand die körperliche Erziehung, die – so<br />

meinen die nationalsozialistischen Autoren – den stärksten Einfluss auf die Charakterbildung<br />

ausübt. Es geht um die „Heranzüchtung kerngesun<strong>der</strong> Körper“, die Entschlusskraft,<br />

Leistungswillen, Angriffslust und die Fähigkeit zum Ertragen von Unbilden und Wi<strong>der</strong>wärtigkeiten<br />

gewährleisten sollten.<br />

Die Kin<strong>der</strong>gärtnerinnen bekamen detaillierte Anweisungen über Dauer, Durchführung und<br />

Intensität <strong>der</strong> jeweiligen turnerischen Übungen. Dabei berief man sich auch auf Friedrich<br />

Fröbel, <strong>der</strong> zum „Vorkämpfer deutscher Leibeserziehung“ hochstilisiert wurde. Demgegenüber<br />

verzichteten die nationalsozialistischen Erziehungsideologen ganz bewusst auf eine<br />

beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> geistigen und intellektuellen Fähigkeiten. Richard Benzing schreibt<br />

hierzu: „<strong>Der</strong> bisherige Erzieher muss sich einen Einbruch in das streng umhegte System<br />

seiner Maßnahmen gefallen lassen, da uns we<strong>der</strong> Stäbchen- noch Legespiele (siehe Fröbel)<br />

noch die methodisch geleitete Beschäftigung mit Würfeln, Prismen und Hohlwürfeln (siehe<br />

Montessori) eine genügende Gewähr bieten, dass die erreichte Stufe <strong>der</strong> Körperertüchtigung<br />

nunmehr erhalten bleibt......... Wir sind ebenso überzeugt (wie <strong>der</strong> Führer, Anmerkung M.B.),<br />

dass in <strong>der</strong> geistigen Entwicklung des Kleinkindes auf die Ausbildung beson<strong>der</strong>er geistiger<br />

Fähigkeiten , soweit sie nicht unmittelbar als Erlebnisquell aus <strong>der</strong> Anschauung stammen, viel<br />

stärker als bisher verzichtet werden soll.“<br />

Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal <strong>der</strong> Nationalsozialistischen Erziehung war <strong>der</strong><br />

„Führerkult“ -- darunter verstand man Autorität <strong>der</strong> Führers nach unten und Verantwortung<br />

<strong>der</strong> Geführten nach oben -- ; er wurde den Kin<strong>der</strong>n von klein auf eingeimpft. Hitlerbil<strong>der</strong>,<br />

Hitlergruß, Hackenkreuzfahne, Bil<strong>der</strong>bücher mit rassistischen Inhalten, ebensolche Reime,<br />

Lie<strong>der</strong>, Geschichten......Ich frage mich: Waren die sieben Jahre Nazi-<strong>Herrschaft</strong> in Österreich<br />

wirklich nicht lang genug, bzw. <strong>der</strong> Schock des Endes dieser <strong>Herrschaft</strong> so groß, dass die<br />

Nachhaltigkeit ihrer Beeinflussung vollkommen ausgelöscht und daher in keiner Weise mehr<br />

wirksam sein konnte (wie von den Autoren des eingangs angeführten Didaktik-Lehrbuchs<br />

angenommen ) ? (Zwei Beispiele aus <strong>der</strong> Praxis S.51, M.B.)<br />

Eng mit dieser autoritären Haltung ist auch die militaristische und chauvinistische Erziehung<br />

zu verstehen. Hierzu wird festgestellt, das diese in <strong>der</strong> katholischen Fachzeitschrift, solange es<br />

sie gab, weit weniger ausdrücklich angesprochen wurde als in <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> evangelischen

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