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ein junges

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das Tanzb<strong>ein</strong><br />

schwingen<br />

Tanzbär... Tanzmaus... auf mehreren Hochzeiten tanzen...<br />

auf der Nase herumtanzen... Gedankensprünge...<br />

das Herz hüpft... springlebendig... sprungbereit... sprunghaft...<br />

auf dem Sprung s<strong>ein</strong>... wie man sich auch dreht und wendet...<br />

<strong>ein</strong>e Last auf den Schultern tragen... die Haare stehen zu Berge...<br />

Nackenhaare sträuben sich... die Nase voll haben...<br />

die Hand reichen... per Handschlag besiegeln...<br />

das hat Hand und Fuß... laß den Kopf nicht hängen...<br />

die Nase im Wind... Hand anlegen... aus der Hand fressen...<br />

mit Füßen treten... Schmetterlinge im Bauch...<br />

den kl<strong>ein</strong>en Finger reichen und gleich die ganze Hand wollen...<br />

es kribbelt mir in den Fingern... Hummeln im Hintern...<br />

Fingerspitzengefühl... Wadenbeißer...<br />

von hinten durch die Brust ins Auge... kalte Füße kriegen...<br />

wieder auf die B<strong>ein</strong>e kommen... ich zieh dir die Hammelb<strong>ein</strong>e lang...<br />

von der Hand in den Mund...<br />

da sind mir die Augen aus dem Kopf gefallen...<br />

die B<strong>ein</strong>e in die Hand nehmen... <strong>ein</strong> f<strong>ein</strong>es Näschen haben...<br />

so <strong>ein</strong>en Hals haben... willst du mit mir gehen?...<br />

<strong>ein</strong> dickes Fell haben... dünnhäutig s<strong>ein</strong>... bewegt s<strong>ein</strong>...<br />

unter die Haut gehen... außer sich s<strong>ein</strong>... Schlag ins Gesicht...<br />

geknickt s<strong>ein</strong>... wackelige Knie haben...<br />

in die Knie gehen... k<strong>ein</strong> Rückrat haben... die Nase hoch tragen...<br />

Haare auf den Zähnen... die Zähne zeigen...<br />

auf dem Zahnfleisch gehen... die Muskeln spielen lassen...<br />

Pudding in den B<strong>ein</strong>en... Schlag in den Magen... Nackenschlag...<br />

Ellenbogengesellschaft... Fingerspitzengefühl...<br />

handgreiflich werden... zupacken können...<br />

was man nicht im Kopf hat, muss man in den B<strong>ein</strong>en haben...<br />

sich verkriechen... Arschkriecher... den Mund voll nehmen...<br />

an den Haaren herbeigezogen... b<strong>ein</strong>hart...<br />

die Augen vor etwas verschließen... zwei linke Hände haben...<br />

Faust in der Tasche... viel um die Ohren haben...<br />

mit beiden B<strong>ein</strong>en fest im Leben stehen...<br />

in der Sache bewegt sich gar nix... Bewegung in <strong>ein</strong>e Sache bringen...<br />

Tanz für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum GZT NRW / NRW Landesbüro Tanz<br />

Tanz für<br />

<strong>ein</strong> <strong>junges</strong><br />

Publikum


Dokumentation des ersten internationalen<br />

TanzTheaterTreffens TRANSIT<br />

Veranstalter: MONTEURE, Köln und<br />

ASSITEJ Deutschland<br />

Tanz für<br />

<strong>ein</strong> <strong>junges</strong><br />

Publikum<br />

und Dokumentation der Fachkonferenz<br />

“Tanz für das junge Publikum von heute –<br />

die Zuschauer von morgen”<br />

Veranstalter: NRW Landesbüro Tanz<br />

in Zusammenarbeit mit dem Land Nordrh<strong>ein</strong>-Westfalen<br />

und der Stadt Köln


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Berry Doddema:<br />

Die Brille des Publikums -<br />

was erwarten Zuschauer vom Tanz? S. 27<br />

Angela Rannow:<br />

Inseln der Unordnung S. 37<br />

Wir danken / FestivalTeam S. 4<br />

Vorwort des NRW Landesbüro Tanz S. 5<br />

Andi Lucas:<br />

Warum überhaupt tanzen? S. 6<br />

Andi Lucas:<br />

Bewegtes und Bewegendes S. 9<br />

Wolfgang Schneider:<br />

Choreographie des Alltags –<br />

TanzTheater als Kindertheater S. 13<br />

Thèrése Boshoven:<br />

Tanzproduktionen für die Jugend –<br />

Tanzpädagogik in den Niederlanden<br />

nach 1945 S. 19<br />

MONTEURE:<br />

TanzTheaterKunst für <strong>junges</strong> Publikum S. 45<br />

mind the gap:<br />

Eine Tanzkompanie leistet Breitenarbeit S. 51<br />

daCi:<br />

Eine starke Lobby für den Kindertanz S. 57<br />

Nationales Zentrum für Amateurtanz<br />

in den Niederlanden, Amsterdam S. 60<br />

Zur ASSITEJ Deutschland S. 62<br />

Impressum S. 65<br />

2 3


WIR DANKEN. . .<br />

FESTIVALTEAM<br />

Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrh<strong>ein</strong>-<br />

Westfalen<br />

Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung,<br />

Kultur und Sport des Landes Nordrh<strong>ein</strong>-Westfalen<br />

Stadtsparkasse Köln<br />

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen<br />

und Jugend<br />

Svenska Institut Stockholm<br />

Fonds Darstellende Künste e.V.<br />

Kulturamt der Stadt Köln<br />

Svenska Kulturradet<br />

Kultursekretariat Nordrh<strong>ein</strong>-Westfalen, Wuppertal<br />

Niederländisches Generalkonsulat<br />

Belgisches Generalkonsulat<br />

Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW<br />

Hotels Park Plaza International<br />

Hotel Regent International<br />

Spielstätten und Veranstaltungsorte<br />

Alte Feuerwache<br />

Studiobühne Köln<br />

Arkadas-Theater Köln<br />

Bürgerhaus Stollwerck<br />

Freies Werkstatt Theater<br />

Christuskirche<br />

Mammut-Tanzstudio<br />

Kölner Tanzagentur<br />

KOMED-Saal SK-Stiftung Kultur<br />

Künstlerische Leitung: Andi Lucas<br />

Auswahlkommission: Aat Hougee, Christine Post,<br />

Andi Lucas<br />

Organisationsleitung: Cathrin Blöss<br />

Assistenz: Marika Südbeck<br />

Technische Leitung: Jan St<strong>ein</strong>fatt<br />

Fotodokumentation: Frank Domahs<br />

Best boys: Joachim von der Heiden, Thomas Marey<br />

Dansgroep DE<br />

MEEKERS<br />

„OPBLAASHELDEN“,<br />

Foto © Lutgerink<br />

VORWORT<br />

VORWORT<br />

DES NRW LANDESBÜROS TANZ<br />

In den Niederlanden ist es seit Jahrzehnten üblich, Tanzproduktionen<br />

für Kinder und Jugendliche zu erarbeiten. Ensembles wie<br />

„Scapino” und „Introdans” haben dabei wichtige Entwicklungsarbeit<br />

geleistet.Renommierte Choreographen wie Hans van Manen<br />

und Jiří Kylián schufen Stücke auch für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum.<br />

In Großbritannien ist jedes Ensemble, das Subventionen erhält,<br />

verpflichtet, Programme für Kinder zu entwickeln. In Deutschland<br />

ist dies noch k<strong>ein</strong> großes Thema. Vielen Tanzkompanien widerstrebt<br />

es, sich auf diese spezielle Zielgruppe <strong>ein</strong>zulassen. Dabei<br />

ist es <strong>ein</strong>e besonders wichtige Aufgabe, Kinder und Jugendliche<br />

an diese Kunstsparte heranzuführen.<br />

Tanz ist die körperlichste, sinnlichste und flüchtigste aller Künste.<br />

Bei Kindern ist das Bedürfnis nach Bewegung und Tanz groß.<br />

Leider wird dieses kreative Tun in unserem Bildungssystem viel<br />

zu wenig gepflegt. Über die Kunstsparte Tanz erfährt man in<br />

der Schule nichts, und auch in der Freizeit begegnet man ihr<br />

nur zufällig. Andere Länder bemühen sich schon seit langem<br />

um <strong>ein</strong>e Verbesserung der Situation.<br />

Auch in Deutschland ist es jetzt an der Zeit, vielfältige Initiativen<br />

zu entwickeln.<br />

Wir möchten dies befördern. Deshalb veröffentlichen wir die<br />

Vorträge, die während des Festivals und der Fachtagung gehalten<br />

wurden.<br />

Anne Neumann-Schultheis<br />

Geschäftsführerin<br />

4<br />

5


WARUM ÜBERHAUPT TANZEN ?<br />

WARUM ÜBERHAUPT TANZEN ?<br />

Tanz ist <strong>ein</strong> elementares Gegengewicht zur Körperf<strong>ein</strong>dlichkeit<br />

unserer Zeit.<br />

Wir tanzen gegen die tradierte Minderwertigkeit des Physischen an,tanzen gegen<br />

das Versteckspiel des Selbst an, mit dem wir unsere Kinder zum Stillsitzen in der<br />

Ellenbogengesellschaft erziehen,<br />

wir tanzen gegen die Funkstille zwischen Körper und Seele<br />

an. Tanzsprache ist Körpersprache.<br />

Wir versuchen, die Weisheit des Körpers spürbar werden zu lassen. Das bedeutet<br />

eben nicht nur, unser artistisches Können vorzustellen, sondern den lebendigen,<br />

atmenden Körper als Wohnstatt der Gefühle und damit als Ausdrucksmedium der<br />

Seele, des Herzens zu zeigen, als Kommunikationsmittel zwischen Menschen.Wir<br />

versuchen, die jedem Menschen innewohnende Intelligenz des Körpers zu stimulieren.<br />

Schließlich genügt die Beobachtung <strong>ein</strong>er Bewegung, um sie potentiell<br />

nachahmen zu können. Unser zentrales Nervensystem schlägt die Brücke vom<br />

visuellen zum motorischen System, übersetzt Sehinformation in Aktivierungsmuster<br />

von Muskeln.<br />

Stell dir vor, wie du dich fühlst, wenn du dich so bewegen würdest.<br />

Deshalb „funktioniert” Tanz auf der Bühne.<br />

Egal also, ob Sie <strong>ein</strong> Bewegungsmuffel sind oder regelmäßig Sport treiben –<br />

Ihr Körper spricht zu Ihnen:<br />

Wenn Ihnen was auf den Magen schlägt, Sie <strong>ein</strong>en Nackenschlag hinnehmen<br />

müssen, wenn Sie Herzklopfen haben, wenn Sie sich verkriechen möchten, auf<br />

mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen oder Sie sich springlebendig fühlen…<br />

Ihr Körper spricht also. Die Frage ist nur: können Sie zuhören? Und: ob Sie <strong>ein</strong><br />

dickes Fell haben oder dünnhäutig sind – Tanzstücke versuchen, unter die Haut<br />

zu gehen. Sie schlagen die Brücke vom Sehen zum Fühlen – machen Beschreibungen<br />

vom Innenleben, von den inneren Landschaften des Menschens –<br />

Zeigen Zustände,Atmosphären, Stimmungen, Gefühle,... – beschreiben jenes oftmals<br />

Namenlose, das man mit Worten nur unzureichend ausdrücken kann –<br />

zeigen, daß die Sprache des Tanzes das bessere Ausdrucksmittel s<strong>ein</strong> kann, wenn<br />

es um unkonkrete, also nicht faßbare oder verbalisierbare Zustände geht.<br />

Tanz lotet <strong>ein</strong>e Befindlichkeit in ihren physischen Dimensionen aus und überläßt das<br />

Woher und Wohin der Phantasie des Betrachters und s<strong>ein</strong>en eigenen Deutungen.<br />

Dabei sind die Bewegungsqualitäten, die der Tanz veröffentlicht, die traditionellerweise<br />

„unerlaubten”: der fühlende Körper, der zuckende oder fallende Körper, der<br />

rasende, der leidenschaftliche Körper, dessen animalisches Potential so spürbar wird.<br />

Die Sehnsucht nach Entäußerung, nach Extase.<br />

Aber auch die Sehnsucht nach dem Gehaltenwerden, der bedürftige Körper mit<br />

s<strong>ein</strong>em Wunsch nach physischem Kontakt.<br />

Die Sehnsucht, die Seele fliegen oder baumeln zu lassen...<br />

- es sind die Sehnsüchte, die der tanzende Körper erzählt.<br />

Die Sprache des Tanzes, in der Vielzahl s<strong>ein</strong>er „Dialekte” ist <strong>ein</strong>e internationale<br />

Sprache. In unserem Globalen Dorf, das immerhin schon im Klassenzimmer beginnt,<br />

erlaubt sie uns <strong>ein</strong>e weitere Art der Verständigung. Vielleicht gelingt es uns ja mit<br />

Hilfe des Tanzes wieder, die Wurzeln künstlerischer und kultureller Ausdrucksformen<br />

zu spüren und große gem<strong>ein</strong>schaftliche Rituale zu feiern, in denen weder die Künste<br />

streng von<strong>ein</strong>ander getrennt sind,noch Akteure und Betrachter von<strong>ein</strong>ander getrennt<br />

sind. Das Theater kehrt in die Körper zurück.<br />

All diese schönen Eigenschaften der Tanzkunst wollen und dürfen wir unseren<br />

Kindern nicht vorenthalten, sondern im Gegenteil gerade ihnen<br />

schenken und ihnen damit weitere Möglichkeit an die Hand geben, ihr<br />

Leben zu gestalten. Ihren Spielraum zu erweitern. Ihre Ausdrucksfähigkeit<br />

zu bereichern. Ihr Selbstbewußts<strong>ein</strong> zu stärken.<br />

Kunst ist <strong>ein</strong> Wegweiser zur Lebenskunst. Tanz gehört dazu.<br />

Er zeigt Menschen auf der Bühne, die bewegt sind -im doppelten Sinn des<br />

Wortes.<br />

Und möchte s<strong>ein</strong>e Betrachterinnen und Betrachter bewegen -im doppelten<br />

Sinn des Wortes.<br />

Tanz ist, auch mit s<strong>ein</strong>er Nähe zu den anderen Kunstformen, die Kunstform<br />

im neuen Jahrhundert.<br />

Andi Lucas, MONTEURE<br />

6 7


Andi Lucas, MONTEURE<br />

BEWEGTES UND BEWEGENDES<br />

BEWEGTES UND BEWEGENDES<br />

Andi Lukas<br />

Im September 1999 fand das erste internationale<br />

TanzTheaterTreffen für <strong>junges</strong><br />

Publikum TRANSIT statt. Ein kl<strong>ein</strong>er Blick<br />

zurück: Für <strong>ein</strong>e Woche waren zwölf Ensembles<br />

aus Belgien, den Niederlanden,<br />

der Schweiz, Schweden, Rußland, Frankreich<br />

und Deutschland zu Gast in Köln,präsentierten Vorstellungen<br />

für Kinder und Jugendliche, Familien- und Fachpublikum, begegneten<br />

in Workshops KollegInnen, diskutierten mit den heimischen<br />

Tanz- und Theaterschaffenden.<br />

Der Beginn <strong>ein</strong>es Austausches. Eine bewegte und bewegende Zeit:<br />

das Konzept mit s<strong>ein</strong>en drei Säulen Aufführungen, Workshops<br />

und Gespräche setzte dabei <strong>ein</strong>e Mischung aus kritischen Nachfragen<br />

und Neugier frei, die Lust auf mehr macht. Erstaunen und<br />

Überraschung über die Vielfältigkeit der künstlerischen Formen<br />

- Tanz ist nicht gleich Tanz! - pragmatische Erkenntnisse im Selbstversuch<br />

während der Workshops und wacher und engagierter<br />

Austausch über die Strukturen in den verschiedenen Ländern.<br />

TRANSIT hat Kunstforen und Publikum <strong>ein</strong>en Ball zugeworfen,<br />

der im Spiel bleibt. Als künstlerisches Genre, als kontroverses<br />

diskutiertes Thema, macht es sich breit. Die Gesellschaft für Zeitgenössischen<br />

Tanz NRW hat die Rubrik Familienvorstellung in<br />

ihren Kalender <strong>ein</strong>geführt; die schwedische Choreographin<br />

Brigitta Egebladh ist für das Arbeitstreffen Spurensuche der<br />

ASSITEJ <strong>ein</strong>geladen; das Tanzhaus NRW bemüht sich mit der Programmschiene<br />

„Tanzmaxx” um den Tanz für Kinder und Jugendliche:<br />

die ersten Anfragen junger Choreographen aus NRW, die<br />

<strong>ein</strong> Stück für Kinder produzieren wollen, sind <strong>ein</strong>gegangen...<br />

Contemporary Dance School, Ekaterinenburg Russland,<br />

8 Foto © Kaufmann<br />

9


Danstheater<br />

Arena<br />

„Duet Zagreb“,<br />

Foto ©<br />

Brinkgreve<br />

TRANSIT wollte und will weiterhin Öffentlichkeit für<br />

den Tanz und das TanzTheater für <strong>junges</strong> Publikum<br />

schaffen. Es wird <strong>ein</strong> zweites TRANSIT geben, wenn<br />

auch - aus finanziellen Gründen - erst 2003.<br />

Über die Unterschiedlichkeit der nationalen Produktionserfahrungen<br />

und -bedingungen hinweg tauchten ähnliche Fragen,<br />

Forderungen, Wünsche auf:<br />

1.<br />

2.<br />

TanzTheater muß sich als selbstverständlicher Bestandteil<br />

der ästhetischen,kulturellen Bildung für junge<br />

Menschen etablieren können.<br />

Kinder und Jugendliche sind nicht morgen Abonnenten,<br />

sondern heute ganze Menschen, die auch heute die<br />

ganze Kunst brauchen.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

10 .<br />

11 .<br />

Kinder und Jugendliche brauchen TänzerInnen nicht<br />

nur auf der Bühne, sondern auch, um Erfahrungen am<br />

eigenen Leib zu sammeln.<br />

Ohne ihre Eigenständigkeit zu leugnen, sind die Tanzschaffenden<br />

interessiert am Austausch mit den<br />

KollegInnen der Kinder- und Jugendtheater, um ihre<br />

Erfahrungen mit dem jungen Publikum zu teilen.<br />

Die Kunst der Dramaturgie braucht mehr Beachtung.<br />

Es braucht „Autorenförderung” auch für TanzTheater.<br />

Tanz ist <strong>ein</strong>e internationale Sprache und braucht auch<br />

den internationalen Fachaustausch und die vermehrten<br />

Aktivitäten durch Arbeitstreffen, Kooperationen<br />

und Koproduktionen.<br />

Tanzsprache ist Körpersprache und gewinnt in <strong>ein</strong>er zunehmend<br />

körperf<strong>ein</strong>dlichen Welt enormen Stellenwert.<br />

Mit dem TanzTheater schaffen die darstellenden Künste<br />

den Sprung ins 21. Jahrhundert.<br />

Compagnie<br />

du Sillage,<br />

Foto © Fleuroux<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

Der junge Mensch mit s<strong>ein</strong>en Fragen an die Welt steht<br />

im Mittelpunkt und nicht die formale Frage,ob denn nun<br />

Ballett, Modern Dance oder TanzTheater „besser” sei.<br />

Der Tanz für Erwachsene kann beim Tanz für <strong>junges</strong><br />

Publikum lernen und sich von den dort zu erfahrenden<br />

Kommunikationsansätzen zwischen Bühne und Zuschauerraum<br />

inspirieren lassen.<br />

Es gilt, Strukturen zu entwickeln, die Multiplikatoren<br />

bilden, damit sie Kindern Tanzkunst nicht vorenthalten,<br />

sondern mit ihnen zuschauen lernen.<br />

Kinder und Jugendliche müssen in den Tanzausbildungsstätten<br />

als potentielles Publikum vorkommen.<br />

10 11


Wolfgang Schneider<br />

Vorsitzender der ASSITEJ Deutschland<br />

CHOREOGRAPHIE<br />

DES ALLTAGS – –<br />

TANZTHEATER ALS<br />

KINDERTHEATER<br />

Wenn die Geschichte des Märchens zu kurz war für <strong>ein</strong>e Aufführung<br />

auf der Bühne, dann wurde schon <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong> Ballett<br />

dazwischengeschoben - ob es zur Handlung paßte oder nicht.<br />

Das m<strong>ein</strong>e ich gewiß nicht.<br />

Dr. Wolfgang<br />

Schneider<br />

Foto © Zouari<br />

Als das Publikum knapp wurde, erfand man die Weihnachtsrevue<br />

mit Spitzentanz und Tüll und Nußknacker, Schwäne und<br />

anderes Getier tümelten zur klassischen Musik. N<strong>ein</strong>, auch das<br />

m<strong>ein</strong>e ich nicht! Am besten sei - sagen nicht wenige - man lasse<br />

Kinder für Kinder tanzen; denn die Ballettschulen haben nach<br />

Carambole Tanz & Theater „1/8 mm man“<br />

12 Foto © Mattis<br />

13


wie vor Hochkonjunktur und <strong>ein</strong>mal im Jahr müssen sie sich ja<br />

präsentieren dürfen! Das ist nicht von mir gem<strong>ein</strong>t, n<strong>ein</strong>. Ich m<strong>ein</strong>e<br />

TanzTheater, wie ich es seit <strong>ein</strong>igen Jahrzehnten beobachten durfte.<br />

Zum Beispiel in Köln. Bei dem Theater MONTEURE. Wo 1992 <strong>ein</strong><br />

Regenwald gegeben wurde. Andi Lucas und Joachim von der<br />

Heiden trollten durch die Imagination, die Ralf Werner am Cello<br />

akustisch begleitete. Auf der Bühne waren Röhren, kurze, lange,<br />

stehend, liegend, durch das Anspielen der Tänzer sah man aber die<br />

bunte Vielfalt von Flora und Fauna subtropischer Gegenden, erlebte<br />

den Zauber der Wildnis, aber auch den Raubbau an der Natur,<br />

wurde gewahr, was uns fehlen wird, bekam den Überlebenskampf<br />

vermittelt, spielerisch, unmittelbar.<br />

Er sollte aber vielmehr die inhaltliche und ästhetische Debatte<br />

herausfordern. Welches Theater brauchen wir? Und wie soll es<br />

gemacht s<strong>ein</strong>, damit Kinder es brauchen?<br />

Viel Kindertheater sch<strong>ein</strong>t noch lange nicht künstlerisch wertvolles<br />

Kindertheater zu bedeuten. Es regiert mehr Masse als<br />

Klasse, mehr Einfalt als Vielfalt. Und viele Zuschauer sagen noch<br />

lange nichts über die Qualität der Theaterkunst aus. Auf der<br />

Strecke bleibt die Idee <strong>ein</strong>es Kindertheaters, das s<strong>ein</strong> Publikum<br />

ernst nimmt. Wenn vierjährige in Reihe 12 im 2. Rang sitzen,<br />

können sie von der Bühne aus nicht gem<strong>ein</strong>t s<strong>ein</strong>. Probleme der<br />

Disziplin sind die Folge. Laut und rauh die Aufführungen.<br />

TanzTheater für Kinder, wie ich es m<strong>ein</strong>e, wie ich es<br />

aus Frankreich kenne, in Dänemark anschaulich vorgeführt<br />

bekommen habe, in Italien im Repertoire<br />

der Kinder- und Jugendtheater erleben konnte, wie<br />

es sich in den Niederlanden zu <strong>ein</strong>er künstlerischen<br />

Gattung entwickelt hat.<br />

Ein Anfang. Denn ansonsten ist die deutsche Theaterszene zwar<br />

reich an Ballettensembles, aber arm dran, wenn es um Aufführungen<br />

für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum geht. Ausnahmen bestätigen da wie immer<br />

die Regel. Zum Beispiel Sascha Waltz` „Travelogue”, die in Kooperation<br />

mit der Schauburg München entstand, das Ballett Schindowski<br />

in Gelsenkirchen, das abwechselnd auch für Kinder und Jugendliche<br />

produziert, oder das Theater MONTEURE in Köln. Ansonsten begeistern<br />

wir uns für Pina Bausch und William Forsythe, für die<br />

Schlömers, Kresniks und Ivos exclusiv für Erwachsene. Das ist - wie<br />

gesagt - woanders anders.<br />

Introdans „Ajakaboembie“<br />

Ch: Hans van Manen,<br />

Foto © Gerritsen<br />

Deshalb <strong>ein</strong> Forum. TRANSIT. Eine Bewegung mit<br />

Gastspielen und Gesprächen. Ein europäischer Austausch.<br />

Zur Propagierung <strong>ein</strong>es Desiderats. Eine<br />

jugendpolitische Forderung. Für <strong>ein</strong>e kulturpolitische<br />

Förderung.<br />

Theater für Kinder bedarf der besonderen Pflege. Was Produktion<br />

und Rezeption betrifft. Es ist höchste Zeit, dem Alltagsgeschäft die<br />

Konzeption <strong>ein</strong>es Kindertheaters gegenüberzustellen, das frei ist<br />

von Zwängen und Zufällen, das durch soziale und künstlerische<br />

Ansprüche geprägt ist, das sich besinnt auf s<strong>ein</strong>e kulturellen Möglichkeiten,<br />

Schule des Sehens zu s<strong>ein</strong>, Kommunikation in Gang zu<br />

setzen und Mut zum Leben zu machen. Der Slogan „Kinder machen<br />

Theater“ klingt zwar ganz gut. Kulturpolitisch muß er immer wieder<br />

wiederholt werden.<br />

Introdans,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Dem gegenüber versuchen die rund 300 Mitglieder der ASSITEJ,<br />

der Deutschen Sektion des internationalen Kinder- und Jugendtheaterverbands,Stoffe<br />

und Stile zu etablieren,die das junge<br />

Publikum ernst nehmen und vielseitig anregen.Von Flensburg bis<br />

Konstanz und von Bedburg Hau bis Senftenberg engagieren sich<br />

14<br />

15


Birgitta Egerbladt „Geheime Räume“,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Theaterkünstler in freien Gruppen, privaten und städtischen Häusern,pflegen<br />

<strong>ein</strong>e Spielpraxis der unterschiedlichen Gattungen und<br />

mit den verschiedensten Mitteln. Um das Theater für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong><br />

Publikum muß aber immer kuturpolitisch gekämpft werden. Und<br />

es muß sich künstlerisch weiterentwickeln. Auch als TanzTheater.<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

TanzTheater für Kinder ist <strong>ein</strong>e eigene künstlerische<br />

Gattung,neben dem Schauspiel und dem Puppenspiel.<br />

Standb<strong>ein</strong> ist das Geschichtenerzählen, Spielb<strong>ein</strong> das<br />

assoziative Bildertheater.<br />

TanzTheater für Kinder ist <strong>ein</strong>zig und all<strong>ein</strong> unterhaltsame<br />

ästhetische Bildung und hat k<strong>ein</strong>e Funktion,weder<br />

inhaltliche noch didaktische.<br />

Und gerade deswegen hat TanzTheater für Kinder ganz<br />

viel mit den jungen Rezipienten von heute zu tun. Ihr<br />

Alltag und ihre Geschichten sind Gegenstand der Choreographien.<br />

Was sie bewegt, bewegt auch die Tänzer.<br />

TanzTheater für Kinder reformiert das Kindertheater.<br />

Neben die Dramaturgie tritt die Choreographie, neben<br />

die Literatur die Bewegung. Die Bühnensprache wird<br />

vielfältiger, die Körperlichkeit noch mehr betont.<br />

Die Rolle der Musik in Zeiten von Hiphop,Techno,House<br />

and more gewinnt an Bedeutung. Diese zeitgenössische<br />

Entwicklug von junger Musik dient der Modernisierung<br />

des Theaters. Das Kindertheater sollte deshalb<br />

dem TanzTheater nicht nur zusehen, sondern auch gut<br />

zuhören.<br />

Und daß auch niemand falsch versteht, was ich m<strong>ein</strong>e.<br />

Dies hier ist nicht die Aufforderung an die Kindertheater<br />

in Deutschland, sich nun allesamt dem TanzTheater<br />

zu widmen. M<strong>ein</strong>e Überlegungen mögen eher als Plädoyer verstanden<br />

werden, die „Dritte Sparte” an den „Großen Häusern”<br />

auch für Kinder zu öffnen. Mit eigenen Produktionen, mit neuen<br />

Geschichten für <strong>ein</strong> dankbares Publikum der Gegenwart – vielleicht<br />

auch der Zukunft. Auch die öffentlichen und privaten<br />

Förderer der darstellenden Kunst mögen angeregt werden, neue<br />

Kompanien in die Lage zu versezen, TanzTheater für Kinder<br />

agil und mobil anzubieten. Wir brauchen mehr Kindertheater.<br />

Eine Bereicherung wäre das TanzTheater.<br />

Ballett Schindowski<br />

Gelsenkirchen<br />

„Die Erschaffung<br />

der Erde“,<br />

Foto © Meyer-Finkes<br />

16<br />

17


Thèrése Boshoven<br />

Tanzproduktionen für die die Jugend Jugend – –<br />

Tanzpädagogik in den<br />

Niedeerlanden Niederlanden nach nach 1945 1945<br />

1.<br />

Schüler gehen zum Tanz ins Theater (1945 bis<br />

ca. 1970)<br />

Unmittelbar nach der Befreiung von der deutschen Besatzung im<br />

Jahr 1945 gründete Hans (Johanna) Snoek in den Niederlanden<br />

das Scapino Ballett – <strong>ein</strong> Tanzensemble, das sich zum Ziel setzte,<br />

das jugendliche Publikum mit der Tanzkunst in Kontakt zu<br />

bringen. Dieser Ansatz war damals weltweit <strong>ein</strong>malig. Das<br />

Repertoire bestand vor allem aus pantomimischen Werken und<br />

Handlungsballetten, die von niederländischen Choreographen,<br />

Bühnenbildnern und Musikern eigens für die Tanzkompanie<br />

entwickelt wurden. Hunderte von Schulkindern und ihre Eltern<br />

besuchten die Theater,in denen die Ballette von der Scapino-Figur<br />

(dem Bruder vonColombine in der Commedia dell’arte) erläutert<br />

wurden. Die Rolle des Scapino-Balletts in der Geschichte der<br />

„Tanzvermittlung” sollte nicht unterschätzt werden.<br />

Das Ensemble, das über k<strong>ein</strong>erlei finanzielle Absicherung<br />

verfügte, wurde in den Anfangsjahren<br />

aus verschiedenen spärlichen Quellen finanziert,<br />

unter anderem dem Privatvermögen von Hans<br />

Snoek selbst. Seit den 60er Jahren erhielt Scapino<br />

als erste und <strong>ein</strong>zige pädagogische Gesellschaft<br />

<strong>ein</strong>e institutionelle staatliche Unterstützung.<br />

Die Leitlinien von Hans Snoek blieben bis zu ihrem Abschied 1970<br />

in Kraft. Der neue künstlerische Leiter Armando Navarro wandte<br />

sich an <strong>ein</strong> breites Publikum von „8 bis 80”. Die Scapino-Figur<br />

verschwand von der Bühne. Neben Handlungsballetten wurden<br />

auch Klassiker wie Nußknacker und Coppélia sowie abstrakte<br />

Ballette in das Repertoire aufgenommen. Äußerst erfolgreich in<br />

diesem Genre waren Stücke von Hans van Manen, wie etwa<br />

„Snipers” und „Ajakaboembie”.<br />

In dieser Zeit wurde viel Kritik an der Ausrichtung Scapinos laut:<br />

Die erzählenden Ballette seien zu kindlich, bei den eher abstrakten<br />

Stücken bestehe <strong>ein</strong>e zu große Diskrepanz zwischen<br />

Scapino „Pulcinella“ CH: Nils Christe,<br />

18 Foto © Gerritsen<br />

19


Scapino Ballett, Picolo Mondo<br />

CH: Jiri Kylian, Foto: © Fatauros<br />

2.<br />

20<br />

Inhalt und Auffassungsvermögen jugendlicher Zuschauer. In<br />

den klassischen Stücken blieb das tanztechnische Niveau hinter<br />

dem zurück, was man inzwischen von Het Nationale Ballett<br />

(HNB) und dem Nederlands Danstheater (NDT) gewohnt war.<br />

Für die Tänzer selbst war Scapino lediglich der Einstieg in <strong>ein</strong>e<br />

echte Tanzlaufbahn. Zudem führte Navarro <strong>ein</strong>e Trennung zwischen<br />

r<strong>ein</strong> pädagogischen und künstlerischen Aktivitäten <strong>ein</strong>:<br />

Eine eigenständige pädagogische Sparte, Scapino 10, trat in<br />

Schulen auf, gab Einführungen zu den Inhalten der Vorstellungen<br />

und führte Tanzprojekte<br />

an Schulen<br />

durch. Damit<br />

zog das Theater<br />

in die Schule um.<br />

Der<br />

Introdans Ch: Jirí Kylián<br />

Foto © Kaufmann<br />

Tanz sucht die Jugend in den Schulen auf (ca.<br />

1970 bis ca. 1990)<br />

Mit dieser Verselbständigung der erzieherischen Aktivitäten folgte<br />

Scapino dem neuen Trend in der Tanz- und Kunstwelt. In den 70er<br />

Jahren entstanden weitere edukative Tanzensembles, wie zum<br />

Beispiel Studio LP (das spätere Introdans) in Arnheim, das Werk-<br />

3.<br />

zentrum Dans in Rotterdam (die spätere Rotterdamse Dansgroep)<br />

und die Noord Nederlandse Dansgroep (das spätere Reflex) in<br />

Groningen. All diese kl<strong>ein</strong>en und nur minimal subventionierten<br />

Gesellschaften waren sowohl pädagogisch als auch als darstellende<br />

Ensembles aktiv. Die pädagogischen Zielsetzungen in den<br />

70er Jahren lagen vor allem auf den Gebieten der Kreativität<br />

und der Bildung: Die Künste (Tanz, Theater, Literatur, bildende<br />

Kunst, Musik) standen im Dienst der Persönlichkeitsbildung von<br />

Schülern und deren kreativer Entwicklung. Durch die Künste<br />

erhielten die Schüler Gelegenheit, sich mit politischen und gesellschaftskritischen<br />

Themen aus<strong>ein</strong>anderzusetzen. Die Möglichkeit,<br />

sich selbst auszudrücken, befähigte die Kinder zu <strong>ein</strong>er bewußten<br />

und kritischen Haltung gegenüber der Welt. Die Künste kamen<br />

in die Schulen. In Mittanzstunden machten die Schüler aktive<br />

Tanzerfahrungen.<br />

Die Tänzer dieser Gesellschaften waren oft<br />

ausgebildete Tanzpädagogen. Es entstanden<br />

Gruppen, die ausschließlich aus Tanzpädagogen<br />

bestanden, die ihre Choreographien selbst erarbeiteten<br />

und auch die Vor- und Nachbereitung<br />

in der Schule übernahmen (DIN, D3, Fel Pastel).<br />

Choreographien als Kunstform an sich mußten<br />

den pädagogischen Zielen weichen.<br />

In den 80er Jahren vernachlässigten die edukativen Ensembles<br />

(Introdans, Werkzentrum Dans und Reflex) ihre pädagogische<br />

Aufgabe und konzentrierten sich auf Aufführungen und auf das<br />

Erwachsenen-Repertoire. Introdans entwickelte sich zur vierten<br />

Repertoiregesellschaft in den Niederlanden (neben HNB, NDT<br />

und Scapino). Das Werkzentrum Dans übertrug die erzieherische<br />

Aufgabe der Stiftung Kunstzinnige Vorming Rotterdam, und Reflex<br />

trat nur noch selten vor Schulkindern auf.<br />

Von der künstlerischen Bildung zur Kunsterziehung:<br />

Tanzerziehung auf dem Kunstmarkt<br />

(Die 90er Jahre)<br />

Nach rund vierzigjährigem Bestehen beendete Scapino 1988 als<br />

erstes und ältestes Mitglied die tanzpädagogische Tätigkeit. Die<br />

pädagogische Abteilung Scapino 10 wurde aufgelöst. Ihre Arbeit<br />

wurde von der gem<strong>ein</strong>nützigen Gruppe „Scapino in der Schule”<br />

übernommen.„Scapino in der Schule”veranstaltete eigene Tanzprojekte<br />

innerhalb des regulären Unterrichts und wurde 1997<br />

vom LOKV, den Nederlands Institut voor Kunsteducatie, weiter-<br />

21


geführt. Die Tanzcompany Scapino heißt seit 1990 „Scapino<br />

Ballett Rotterdam”, das sich unter der Leitung von Nils Christe<br />

und danach unter Ed Wubbe zu <strong>ein</strong>em ausschließlich darstellenden<br />

Ensemble entwickelte, das allerdings immer noch <strong>ein</strong> eher<br />

<strong>junges</strong> Publikum anspricht. Introdans hauchte mit der Gründung<br />

von Introdans Education 1989 der pädagogischen Abteilung nach<br />

Jahren der Vernachlässigung wieder neues Leben <strong>ein</strong>. Damit<br />

entstand neben der Repertoiregesellschaft Introdans <strong>ein</strong>e neue<br />

Gesellschaft, die nicht nur in den Schulen wirkte, sondern auch<br />

in Theatern Jugendvorstellungen gab. Nach <strong>ein</strong>er weiteren Namensänderung<br />

heißt diese Jugendgesellschaft heute „Introdans,<br />

Ensemble für die Jugend”. Das alte Attribut „edukativ” empfand<br />

man als zu „bevormundend”.<br />

Reflex in Groningen ist inzwischen aufgelöst worden. Die<br />

Rotterdamse Dansgroep ist Namensnachfolgerin des Werkzentrum<br />

Dans. Die Gruppe ist ausschließlich darstellerisch tätig und<br />

besitzt k<strong>ein</strong>e spezifisch pädagogische Zielsetzung mehr. Allerdings<br />

wurden neue Gesellschaften gegründet, wie z.B. Dansend<br />

Hart, De Stilte, Unieke Zaken, De Meekers, Danstheater Arena,<br />

Opus One usw., die in das Vermittlungsangebot des LOKV aufgenommen<br />

wurden. Schulen und unterstützende Einrichtungen<br />

können die Datenbank des LOKV in Anspruch nehmen, wenn sie<br />

<strong>ein</strong> innerschulisches Tanzangebot auswählen wollen.<br />

(www.lokv.nl) (www.dansbewegtje.nl)<br />

Aktuelle Entwicklungen<br />

•<br />

Läßt man die Ereignisse der 90er Jahre Revue passieren,<br />

dann wird deutlich, daß sich auf erzieherischem<br />

Gebiet <strong>ein</strong>e starke Neuorientierung<br />

vollzieht. Diese Neuorientierung hängt mit zwei<br />

Bewegungen zusammen:<br />

Zum <strong>ein</strong>en verändert sich die Auffassung vom Verhältnis zwischen<br />

den Künsten und Erziehung/Unterricht. Das Konzept „künstlerische<br />

Bildung” wurde fallengelassen. Pädagogische Zielsetzungen<br />

sollen nicht mehr durch die künstlerische Tätigkeit angestrebt<br />

werden. Kunst wird nicht mehr als Transportmittel für außerhalb<br />

der Kunst gelegene Leitziele gesehen.Die künstlerische Ausbildung<br />

selbst rückt in den Vordergrund – nicht mehr als Mittel, sondern<br />

als Ziel an sich. Diese neue Sichtweise der Kunsterziehung begreift<br />

„Kunsteducatie”als breitgefächerte Schulung in den Künsten – sowohl<br />

in aktiver und rezeptiver als auch in reflektiver Hinsicht.<br />

Tanzerziehung betrifft also nicht nur das aktive, selbsterfahrende<br />

Lernen, sondern auch das rezeptive Zuschauen-Lernen.<br />

De Stilte<br />

Ch. und Foto © Timmermans<br />

Beide Arbeitsformen werden durch Hintergrundmaterial und<br />

Faktenwissen (reflektiv) ergänzt. Diese konzeptionell neue Sichtweise<br />

trifft sowohl für die außerschulische als auch für die<br />

schulische Kunsterziehung zu.<br />

•<br />

Die zweite Bewegung hängt mit der Bewegung<br />

des Unterrichts zusammen, wie sie seit den 90er<br />

Jahren in den Niederlanden stattfindet. Der Einfluß<br />

dieser Unterrichtsreform auf die Tanzwelt<br />

bewegt sich auf verschiedenen Ebenen.<br />

1993 wurde für alle Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und<br />

16 Jahren die sogenannte Mittelstufenreform <strong>ein</strong>geführt. Diese<br />

Mittelstufenreform bietet Schulen erstmals die gesetzliche<br />

Möglichkeit, Tanz als ordentliches Schulfach anzubieten. Genau<br />

wie alle anderen regulären Schulfächer hat das Unterrichtsfach<br />

Tanz festgelegte Leitziele und <strong>ein</strong>en Lehrplan, an denen die Tanzpädagogen<br />

ihren Unterricht orientieren können. Zur Zeit gibt es<br />

in den Niederlanden etwa zehn Schulen der weiterführenden<br />

Unterrichtsstufe, in denen Tanz regulär auf dem Lehrplan steht.<br />

Damit besitzen die an den Kunsthochschulen (Amsterdam, Tilburg,<br />

Arnheim, Rotterdam) ausgebildeten Tanzpädagogen zum<br />

erstenmal <strong>ein</strong>e erweiterte Berufsperspektive:<br />

22<br />

23


Neben Tanzunterricht im außerschulischen Bereich kann jetzt<br />

auch an staatlichen Schulen Tanzunterricht erteilt werden.<br />

Obwohl der Abschluß als Tanzpädagoge <strong>ein</strong>e Unterrichtserlaubnis<br />

an staatlichen Schulen bereits b<strong>ein</strong>haltete, war die tatsächliche<br />

Vorbereitung auf den Lehrerberuf im (weiterführenden)<br />

Unterricht an den meisten Hochschulen gleich null, nicht nur<br />

hinsichtlich des aktiven Tanzunterrichts, sondern vor allem hinsichtlich<br />

der rezeptiven und reflektiven Komponenten der<br />

Tanzerziehung. Die Tanzakademien, die den Hochschulen angeschlossen<br />

sind, mußten ihre Ausbildungsprogramme vor allem in<br />

v.l.n.r. Marc Jonkers, Anne Neumann-Schultheis,<br />

Gisela Peters-Rohse, Hans (Johanna) Snoek,<br />

Thèrése Boshoven; Foto © Zouari<br />

Introdans Ch: Jirí Kylián<br />

Foto © Kaufmann<br />

den Bereichen Tanzmethodik und -pädagogik sowie Tanztheorie<br />

und Tanzgeschichte an die Erfordernisse des Unterrichtens<br />

anpassen. An vielen Hochschulen wurde die Entwicklung und<br />

Durchführung von Tanzproduktionen für Kinder als Teil der<br />

Ausbildung mit aufgenommen.<br />

Seit August 1998 haben weiterführende Schulen<br />

die Möglichkeit, die reformierte „zweite Phase”<br />

<strong>ein</strong>zuführen. Ab August 1999 sind sie dazu verpflichtet.<br />

Die reformierte zweite Phase des weiterführenden<br />

Unterrichts (16 bis 18 Jahre) ziehlt<br />

vor allem darauf ab, Schüler besser auf das Studium<br />

vorzubereiten. Sie läßt sich im Konzept des<br />

„Studiehuis” (Haus des Lernens) zusammenfassen,<br />

wonach die Schüler selbstverantwortlich<br />

lernen. Lehrer sind eher Trainer und Mentoren<br />

und nicht mehr diejenigen, die ausschließlich die<br />

Inhalte und den Verlauf des Lernprozesses bestimmen.<br />

Hans (Johanna) Snoek,<br />

Foto © Zouari<br />

Neben den allgem<strong>ein</strong>en lerntheoretischen Konsequenzen<br />

b<strong>ein</strong>haltet die Erneuerung in der zweiten Phase <strong>ein</strong>e Reihe weitgreifender<br />

Konsequenzen auch für die Tanzpädagogen.<br />

24 25


Berry Doddema<br />

Die Die Brille des des Publikums Publikums<br />

was was erwarten junge<br />

Zuschauer vom Tanz?<br />

?<br />

Auch wenn spezielle Tanzvorstellungen für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum<br />

k<strong>ein</strong> Novum mehr in Europa sind, können wir in Bezug auf<br />

Deutschland, abgesehen von <strong>ein</strong>igen Pionieren wie Bernd<br />

Schindowski, von <strong>ein</strong>em tanzhistorischen Wendepunkt sprechen.<br />

Alle Produktionen, die wir beim Festival TRANSIT anschauen<br />

konnten, sind für Kinder und Jugendliche gedacht, also für <strong>ein</strong>e<br />

ganz bestimmte Zielgruppe. Für die Tanzwelt ist das, m<strong>ein</strong>e ich,<br />

fast revolutionär. Warum?<br />

Bis jetzt gab es in Deutschland <strong>ein</strong>e recht <strong>ein</strong>seitige<br />

Fokussierung des Tanzangebots. Potenzielle Zuschauer<br />

haben lediglich die Möglichkeit, das Angebot zu akzep<br />

tieren:entweder sie gehen ins Theater - oder bleiben weg,<br />

wie die meisten Kinder und Jugendlichen. Bei Tanzproduktionen,<br />

die sich speziell an Kinder und Jugendliche<br />

richten, müssen sich Choreographen fast zwangsläufig<br />

im Vorfeld mit ihrem Publikum aus<strong>ein</strong>andersetzen.Diese<br />

Annäherung zwischen dem Produkt Tanz <strong>ein</strong>erseits und<br />

Wünschen und Erwartungen des Publikums andererseits<br />

kann sich nur positiv auf die Zuschauerresonanz<br />

auswirken.<br />

Eine Zielgruppenorientierung, wie man so schön sagt, muß nicht<br />

zu <strong>ein</strong>em Qualitätsverlust des Produktes führen. Das läßt sich am<br />

Beispiel Holland sehr leicht nachweisen.<br />

26 27<br />

Compagnie Irene K.<br />

Foto © Marks


Choreographisches Theater<br />

Bonn, CH: Mikulas˘tik,<br />

Foto © Thilo Beu<br />

Tanzen ist für viele Kinder und Jugendliche - quer durch alle<br />

sozialen Schichten und Nationalitäten - nicht nur <strong>ein</strong>e angenehme<br />

Nebensache, sondern lebensnotwendig. Es ist für sie sowohl <strong>ein</strong>e<br />

Möglichkeit, ihre Emotionen und Gefühle darzustellen und zu<br />

gestalten, als auch Konfliktsituationen zu verarbeiten. Darüber<br />

hinaus bietet der Tanz ausgezeichnete Integrationsmöglichkeiten.<br />

Etwas anderes ist es, Tanz auf der Bühne richtig <strong>ein</strong>ordnen und<br />

verstehen zu können. Das junge Publikum braucht Hilfestellung,<br />

damit s<strong>ein</strong> Interesse am Tanz geweckt und erhalten bleibt. Kinder<br />

und Jugendliche dürfen dabei nicht überfordert werden,sonst<br />

besteht die Gefahr, daß ihre erste Vorstellung möglicherweise<br />

auch die letzte war.<br />

Es ist <strong>ein</strong> großes Mißverständnis zu denken, daß<br />

<strong>ein</strong>e vorsichtige, kindgerechte Herangehensweise<br />

nur beim Sprechtheater, im Musiktheater<br />

oder im Museum notwendig wäre. Gerade beim<br />

Tanz mit s<strong>ein</strong>er mehr als komplexen Sprache ist<br />

<strong>ein</strong> schrittweises Hin<strong>ein</strong>wachsen wichtig.<br />

Tanz ist für viele wie <strong>ein</strong>e unbekannte Fremdsprache. Damit Kinder<br />

und Jugendliche am Gespräch teilhaben können, müssen sie<br />

die Möglichkeit bekommen, die Sprache des Tanzes zu begreifen.<br />

Die Behauptung: „Kinder können doch auch Vorstellungen für<br />

Erwachsene besuchen”, trifft schon gar nicht zu. Vielleicht sind mit<br />

dieser Äußerung romantische oder klassische Handlungsballette<br />

gem<strong>ein</strong>t. Da besteht gewiß die Möglichkeit, die Bewegungsfolgen<br />

pur, die Technik als solche, <strong>ein</strong>gebettet in <strong>ein</strong>e leicht verständliche<br />

Handlung,zu genießen und zu bewundern.Der Bühnentanz in s<strong>ein</strong>en<br />

jetzigen Ersch<strong>ein</strong>ungsformen ist jedoch nicht so <strong>ein</strong>fach zu<br />

entschlüsseln.<br />

Es geht immer mehr darum, die Bedeutung, die Sinngebung des<br />

Tanzes,mit ihrer Überfülle an Zeichen,herauszufinden.Und gerade<br />

hier sind unsere Heranwachsenden dann hoffnungslos überfordert.<br />

In zeitgenössischen Balletten wird fast immer <strong>ein</strong>e verschlüsselte<br />

Bildsprache benutzt: Metaphern, Vergleiche und <strong>ein</strong>e Symbolik,<br />

die nur von Erwachsenen verstanden werden kann. Seelische<br />

Schäden werden Kinder nicht davon tragen, wenn sie dennoch<br />

zu <strong>ein</strong>er Vorstellung für Erwachsene mitgenommen werden. Ob<br />

sie jedoch emotional angesprochen werden, ob sie innerlich<br />

berührt werden, ist fraglich.<br />

Wenn der Tanz als Kommunikation verstanden<br />

s<strong>ein</strong> will und wir die Phantasie der jungen Zuschauer<br />

ansprechen wollen, müssen wir bedenken,<br />

daß sie über k<strong>ein</strong>e nennenswerten Seherfahrungen<br />

im Theater verfügen.<br />

Im Tanz wie im Theater möchten wir <strong>ein</strong>e neue Sichtweise oder<br />

Interpretation, Originalität in Musik und Bewegung, Innovationen<br />

im Bühnenbild und dergleichen kennenlernen. Ohne Anleitung<br />

können unsere Heranwachsenden dieses Neuland, das<br />

Ungewöhnliche, das Besondere gar nicht erkennen. Ebenso<br />

entgehen <strong>ein</strong>em jungen Publikum Verweise zu Tagesereignissen<br />

kultureller oder politischer Art. Die eigentliche Botschaft geht<br />

verloren, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht gezielt auf den Kern<br />

gelenkt wird. Ihre persönlichen Lebenserfahrungen sind dafür<br />

noch zu gering, sie haben k<strong>ein</strong>e Anknüpfungspunkte. Das gilt<br />

auch für die bereits vorher erwähnte Bildsprache.<br />

Damit die Zuschauer den roten Faden erkennen,<br />

erstellen niederländische Tanzensembles Lehrbriefe<br />

und schriftliches Begleitmaterial. Es ist<br />

bedauerlich und grenzt an Ignoranz, wenn <strong>ein</strong><br />

<strong>junges</strong> Publikum k<strong>ein</strong> Programmheft oder lediglich<br />

<strong>ein</strong>e Fotokopie mit nur <strong>ein</strong>igen Namen der<br />

Tänzer in die Hand bekommt.<br />

Wichtig ersch<strong>ein</strong>t es, Kindern ästhetische Erfahrungen in <strong>ein</strong>em<br />

überschaubaren Kontext zu ermöglichen.Unter Ästhetik verstehe<br />

ich in diesem Zusammenhang, wie <strong>ein</strong>er Bedeutung Form gegeben<br />

wird.Die Herausforderung besteht darin,<strong>ein</strong>e Harmonie,<strong>ein</strong>e<br />

Einheit zwischen Formgebung, Sinngebung und tanztechnischen<br />

Elementen zu erreichen.<br />

28<br />

29


Gelungene Choreographien vermitteln den Zuschauern das<br />

Gefühl, daß alles stimmt. Zuschauer haben die Möglichkeit,<br />

ästhetisch oder auch nicht ästhetisch zu schauen.Wenn nicht-ästhetisch<br />

zugeschaut wird, werden eher Fehler oder tanztechnische<br />

Kunststückchen als wichtig empfunden. Erstaunlicherweise sind<br />

das oft die Kriterien, die wir uns von erwachsenen Zuschauern<br />

anhören dürfen. Kinder hingegen betrachten alles Geschehen auf<br />

der Bühne mit der gleichen Aufmerksamkeit. Selbst die unauffälligsten<br />

Nebensachen finden plötzlich ihr Interesse.<br />

Für Kinder ist die emotionale Ebene sehr wichtig. Auf dieser<br />

Ebene versuchen wir, die Gefühle und Emotionen der Kinder zu<br />

sensibilisieren. Hier sind Identifikation und Distanz Schlüsselbegriffe.<br />

Die TänzerInnen bringen ihre Persönlichkeit, ihre Präsenz<br />

und Ausstrahlung, ihre Körpergröße, Hautfarbe und Geschlecht<br />

mit <strong>ein</strong>.<br />

Im folgenden möchte ich am Beispiel des Scapino Balletts<br />

kurz schildern,wie diese Erkenntnis konkret in der<br />

Praxis umgesetzt wurde.<br />

daß SchülerInnen erwünschte persönliche Eigenschaften entwickeln,<br />

wenn sie mit den notwendigen Bildungsinhalten konfrontiert<br />

werden.<br />

Der Schwerpunkt lag nicht mehr auf künstlerischen, sondern auf<br />

pädagogischen Zielsetzungen und somit außerhalb des Mediums<br />

Tanz. Diese Periode war von <strong>ein</strong>er sozialkritischen Sichtweise<br />

geprägt. Die Kunst wurde als Mittel, als Bildungsmittel <strong>ein</strong>gesetzt.<br />

Der Tanz stand im Dienst der Persönlichkeitsentwicklung<br />

oder der Kreativitätsentwicklung.<br />

Junge Zuschauer sollten<br />

wehrhaft gemacht werden.<br />

Raus aus der Zuckerdose des<br />

Märchens, und r<strong>ein</strong> in die<br />

harte Wirklichkeit. Manchmal<br />

wurde dabei sogar <strong>ein</strong>e<br />

richtige Anti-Moral gepredigt,<br />

besonders gegen absolute<br />

Gehorsamkeit und<br />

Ordnung.<br />

Dansend Hart<br />

„K<strong>ein</strong> Aschenputtel,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Damit jedes Kind in den<br />

Genuß dieser Erziehung<br />

kommen konnte, wurden<br />

diese Produktionen oft direkt in der Schule, vor Ort, aufgeführt.<br />

Rückblickend war dieser Ansatz, auch wenn ich<br />

das immer gerne <strong>ein</strong> wenig zynisch schildere, sehr wichtig<br />

und bahnbrechend. Er führte dazu, daß in den Niederlanden<br />

Tanz als reguläres Schulfach <strong>ein</strong>geführt wurde.<br />

Scapino Ballett,<br />

„Greetings“<br />

CH: Nils Christe<br />

Foto: ©<br />

Fatauros<br />

Kurz nach dem Krieg bestand das Anliegen des Amsterdamer<br />

Scapino Balletts, <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum mit Tanzkunst in Kontakt<br />

zu bringen. Als leitende Idee behielt dieses Ziel über 20 Jahre<br />

Gültigkeit, bis etwa 1970. Und selbst heute hat dieses Ziel offensichtlich<br />

nicht an Aktualität <strong>ein</strong>gebüßt. Das Repertoire des<br />

Scapino Ballett bestand damals vor allem aus Handlungsballetten,<br />

aus Märchen.<br />

In den 70er Jahren wurde diese Anfangsperiode in Holland von bildungsorientierten<br />

Theaterformen abgelöst. Das Kind sollte sich<br />

emanzipieren. Dieser bildungstheoretische Ansatz ging davon aus,<br />

Das letzte Jahrzehnt wird durch <strong>ein</strong>e geänderte, eher artifizielle<br />

Sichtweise geprägt. Weg vom Belehren, hin zu mehr sinngebenden<br />

und assoziativen Aspekten, werden Kindern ästhetische<br />

Erfahrungen ermöglicht. Tanz auf der Bühne darf wieder Spaß<br />

machen und unterhaltsam s<strong>ein</strong>.<br />

Die formgebenden Aspekte erhalten verstärkt Aufmerksamkeit.<br />

Da, wo früher bereits <strong>ein</strong>e gehörige Portion Moral oder Gesellschaftskritik<br />

ausreichte, um Kinderproduktionen zu legitimieren,<br />

sind jetzt künstlerische Schwerpunkte und Ansätze zentral. Die<br />

Kunst ist nicht mehr Mittel, sondern Ziel.<br />

30<br />

31


Der Zeigefinger soll draußen bleiben. Das<br />

suggestive Theater, in dem das Denken und die<br />

Vorstellungsfähigkeit der Kinder stimuliert<br />

werden, befindet sich seitdem stark im Aufwind.<br />

Parallel dazu ist <strong>ein</strong>e antipädagogische<br />

Haltung zu erkennen, bei der die Beteiligten<br />

- die erwachsenen Künstler und die jungen<br />

Zuschauer - gleichberechtigt sind.<br />

Variationen und Veränderungen im Stil, bei Lichtdesign, Kostümierung,<br />

Bühnenbild sowie beim Veranstaltungsraum erhalten<br />

seitdem <strong>ein</strong>en höheren Stellenwert. Auch werden bestehende<br />

Mauern zwischen den <strong>ein</strong>zelnen Sparten abgebaut. Es wird getanzt,<br />

gesungen und gespielt. Damit diese Aufgabenbereiche<br />

bewältigt werden können, gehört zu den Angeboten der niederländischen<br />

Tanzhochschulen neben Tanz auch Schauspiel- und<br />

Gesangsunterricht.<br />

Zuschauer möchten unterhalten werden: das ist für die meisten,<br />

ob jung oder alt, die entscheidende Motivation, um ins Theater zu<br />

gehen. Es dürfte klar s<strong>ein</strong>, daß die Unterhaltung beim bildungsorientierten<br />

Ansatz mit ihrer sozialkritischen Sichtweise etwas zu kurz<br />

gekommen ist.Mit Unterhaltung m<strong>ein</strong>e ich nicht Gefälligkeitskunst,<br />

sondern die Gesamtheit von Faktoren, die <strong>ein</strong>e Vorstellung spannend<br />

und sehenswert machen: wie ChoreographInnen es schaffen,<br />

<strong>ein</strong>en Spannungsbogen zwischen Bewegungsmaterial, Bedeutung<br />

und Formgebung herzustellen - wie auf Emotionen angespielt<br />

wird, wie Informationen übertragen und dabei auch noch die Phantasie<br />

und Kreativität stimuliert werden.<br />

Ballett Detmold<br />

Ch: Sabine Seume<br />

„Aus <strong>ein</strong>er anderen Welt“,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Fast zwangsläufig hat sich mit dieser Entwicklung<br />

auch die Thematik verändert. Kinder und<br />

Jugendliche werden tagtäglich mit <strong>ein</strong>er Überdosis<br />

an Konflikten, Trennungen im Elternhaus,<br />

Leistungsproblemen in der Schule, Kriminalität,<br />

Arbeitslosigkeit, Rassenkonflikten, u.s.w. konfrontiert.<br />

Es gibt <strong>ein</strong>e Verschiebung hin zu anderen Themen, die sich indirekt<br />

oder direkt mit ihrer Lebenswelt beschäftigen. Die Jüngsten<br />

erwärmen sich für Themen aus bekannten Kinderbüchern, für<br />

Sport und Spiele und <strong>ein</strong>e Rückbesinnung auf Märchen. Themen<br />

wie Liebe, Angst und Sexualität sind bei den Teenies und Twens<br />

aktuell.<br />

Ob wir in Deutschland den gleichen Weg<br />

a.<br />

b.<br />

c.<br />

in Kontakt bringen mit Tanz als Kunstform<br />

den bildungsorientierten Ansatz<br />

den artifiziellen Ansatz<br />

in <strong>ein</strong>er ähnlichen Form durchlaufen müssen, ist fraglich. Ich vermute,es<br />

gibt hier k<strong>ein</strong>en Königsweg.Wir sollen nicht über <strong>ein</strong> „entweder<br />

-oder”,sondern eher über <strong>ein</strong> „sowohl- als- auch”sprechen.<br />

Noch <strong>ein</strong>ige Überlegungen zum Humor. Humor<br />

stimuliert Kreativität und Phantasie. Er befreit<br />

uns aus dem Korsett des logischen, geradlinigen<br />

Denkens und Handelns. Es hilft uns, Tabus<br />

zu durchbrechen. Populäre Helden in der Kinderliteratur<br />

wie Pippi Langstrumpf oder Harry<br />

Potter sind oft witzige und lustige Anarchisten.<br />

Damit wir das Denken überwinden, daß Kinder, oder noch schlimmer,<br />

Jugendliche, primär erzogen werden müssen, bitte ich alle<br />

ChoreographInnen:Zeigt Euch bitte von Eurer witzigen Seite.Seid<br />

nicht so ernst.<br />

Das Gefühl für Humor bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet<br />

sich erheblich von dem der Erwachsenen. Slapstick, Tabuwörter<br />

und überzogene Situationskomik, für die sich Kinder grenzenlos<br />

begeistern können, werden von Erwachsenen schnell als Effekthascherei<br />

abgetan. Dafür sind Ironie und Doppeldeutigkeit (z.B. bei<br />

Metaphern) bei Kindern bis etwa 9 Jahren verschwendete Energie.<br />

32<br />

33


Carambole Tanz<br />

&Theater<br />

„1/8 mm man“,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Jugendliche dagegen lieben es eher skurril. Absurdes Verhalten<br />

ist gefragt. Später kommt das Gefühl für Parodie, Satire und<br />

schwarzen Humor hinzu.<br />

Wer schon mal mit Kindern gearbeitet hat, kennt<br />

die Notwendigkeit, Humor zu besitzen. Habt<br />

Mut, Humor <strong>ein</strong>zusetzen. Das befreiende Lachen<br />

tut gut. Das Publikum wird dankbar s<strong>ein</strong>.<br />

Qualitativ hochwertige Produktionen für diese Zielgruppe zu<br />

erstellen, ist sehr schwierig. Jeder Künstler beschäftigt sich am<br />

liebsten mit dem, was ihn selbst bewegt. Jetzt soll er sich auch<br />

noch in andere hin<strong>ein</strong>versetzen - das ist nicht <strong>ein</strong>fach.<br />

Darum müssen die Voraussetzungen hierfür in der Ausbildung<br />

erworben werden. Die Tanzhochschulen sind gefordert, ihr Studienprogramm<br />

so zu gestalten, daß Studierende Gelegenheit<br />

bekommen,choreographisch für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum tätig zu s<strong>ein</strong>.<br />

In Holland erfreuen wir uns an <strong>ein</strong>em vielseitigen<br />

Studienangebot. Die meisten Initiativen im<br />

Bereich des Tanzes für Kinder entstanden nicht<br />

an der Fakultät für Bühnentanz, sondern an den<br />

tanzpädagogischen Fakultäten, die <strong>ein</strong> sehr<br />

hohes tänzerisches Leistungsniveau besitzen.<br />

Um den Prozeß zu beschleunigen, sollen verstärkt Workshops<br />

angeboten werden und weitere Choreographenwettbewerbe<br />

ausgeschrieben werden. Hier leistet das Choreographische Zentrum<br />

NRW in Essen bereits wichtige Vorarbeit. Es ist zu hoffen,<br />

daß die Arbeit strukturell gefestigt wird.<br />

Parallel dazu ist es wichtig, daß Kinder und Jugendliche Gelegenheit<br />

bekommen, selbst aktiv zu werden und rezeptive<br />

Erfahrungen in Tanz umsetzen können.Die Landesarbeitsgem<strong>ein</strong>schaften<br />

Tanz (LAG Tanz) und der Deutsche Bundesverband Tanz<br />

können hier in die Pflicht genommen werden. Das Ganze kann<br />

nur gut funktionieren, sinnvoll weiterentwickelt werden, wenn<br />

die Organisation stimmt. Eine Agentur - nur für Kinder und<br />

Jugendproduktionen und Projektarbeit - wie die LOKV in den<br />

Niederlanden, könnte wichtige Arbeit leisten. Die LOKV in<br />

Utrecht hat mehr als 20 Tanzgesellschaften - mit „Gütesiegel” -<br />

im Programm, die von Veranstaltern gebucht werden können.<br />

Auch regelmäßige Tanzfestivals wie TRANSIT,<br />

kombiniert mit Musik oder Sprechtheater,<br />

können dazu beitragen, daß der Zug nicht zum<br />

Stehen kommt. Ich glaube, es liegt an uns. Bei den<br />

Politikern spüre ich den Willen, Kinder und<br />

Jugendliche zu unterstützen und finanzielle Mittel<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Packen wir es an, damit dieser Zug, „der Kölner Tanzexpress”,<br />

bald in <strong>ein</strong>en Tanzrapid verwandelt werden kann!<br />

www.moderndancecenter.de<br />

34<br />

35


Angela Rannow<br />

INSELN DER UNORDNUNG<br />

Betrachtungen zum Tanz für <strong>ein</strong><br />

<strong>junges</strong> Publikum anhand von Beispielen<br />

aus der Tradition des Kinder- und<br />

Jugendtheaters der DDR<br />

In <strong>ein</strong>em Text zu Althusser denkt H<strong>ein</strong>er Müller über<br />

Geschichtsverlust und Perspektivlosigkeit nach und<br />

zieht dabei das Bild trickfilmsüchtiger Kinder heran.<br />

Nachdem er das Ausbleiben analytischer Impulse konstatiert,<br />

sagt er:<br />

„In gewisser Weise ist ja Kunst <strong>ein</strong>e blinde Praxis. Ich sehe darin<br />

<strong>ein</strong>e Möglichkeit: das Theater für ganz kl<strong>ein</strong>e Gruppen (für<br />

Massen existiert es ja schon lange nicht mehr) zu benutzen, um<br />

Phantasieräume zu produzieren, Freiräume für Phantasie -<br />

gegen diesen Imperialismus der Besetzung von Phantasie und<br />

der Abtötung von Phantasie durch die vorfabrizierten Klischees<br />

und Standards der Medien. Ich m<strong>ein</strong>e, das ist <strong>ein</strong>e primäre politische<br />

Aufgabe, auch wenn die Inhalte überhaupt nichts mit<br />

politischen Gegebenheiten zu tun haben....<br />

Es ist zunächst ziemlich gleichgültig, wie oder woraus diese<br />

Freiräume für Phantasie gemacht werden,ob die Inhalte nun böse<br />

sind oder gutartig, das ist ziemlich gleichgültig.”<br />

Theater stellt - in welcher Form auch immer -<br />

modellhaft Leben dar. Es ist <strong>ein</strong>e unmittelbar körperbezogene<br />

Kommunikationsform, die in geordneter<br />

Form „Inseln der Unordnung“ inszenieren<br />

kann, wie H<strong>ein</strong>er Müller sie nennt, und damit auf<br />

andere mögliche Ordnungen verweist.<br />

36<br />

Ballett der Staatsoper Berlin „Peter und der Wolf“,<br />

37<br />

Foto © Radley


Welche Chancen der Begegnung mit Tanz im und als Theater<br />

haben Kinder und Jugendliche? Wie erleben sie die künstlerische<br />

Kommunikationsform Tanz?<br />

Da raffinierte visuelle Inszenierungen mit Bewegung und Tanz<br />

auch im alltäglich-medialen Leben ihre spektakuläre Rolle spielen,<br />

sind Kindern und Jugendlichen vielfältige Formen von Tanz<br />

aus und in aller Welt gegenwärtig. Darüber hinaus können sie<br />

zwischen <strong>ein</strong>er Vielzahl tänzerischer Freizeitangebote wählen.<br />

Tanz ist k<strong>ein</strong> eigenständiges Unterrichtsfach, sondern bestenfalls<br />

sporadisch Bestandteil des Sportunterrichts. Er wird von Sportlehrern<br />

unterrichtet, nicht jedoch von speziell ausgebildeten<br />

Tanzpädagogen.<br />

Während sich Kinder und Jugendliche in<br />

Fächern wie Literatur, Kunst, darstellendes<br />

Spiel und Musik produktive und rezeptive<br />

Fähigkeiten aneignen, wird weder tänzerisches<br />

Tun noch die Wahrnehmung von Tanz auf<br />

annähernd vergleichbare Weise „geschult“.<br />

Deutsche<br />

Tanzkompanie<br />

„Hänsel &<br />

Gretel“,<br />

Foto © Radley<br />

38<br />

Wie intensiv und prägend solche Begegnungen mit und im Tanz<br />

auch s<strong>ein</strong> mögen, bleibt Tanz im und als Theater noch immer <strong>ein</strong><br />

außer-alltägliches Ereignis.<br />

Es bedarf bewußter Entscheidung, ins Theater<br />

zu gehen. Tanz verlangt intensive Wahrnehmung,<br />

ist im wahrsten Sinne des Wortes interaktiv.<br />

Die Einstiegshürden, tänzerische „Inseln der Unordnung“ im<br />

Theater überhaupt entdecken zu dürfen, wenn sie denn inszeniert<br />

werden, sind also hoch...<br />

Für Kinder und Jugendliche in diesem Deutschland sind sie sogar<br />

besonders hoch. Nach wie vor existiert <strong>ein</strong>e erhebliche Diskrepanz<br />

zwischen der Allgegenwart tänzerischer Phänomene im<br />

täglichen Leben und der geringen Bedeutung, die Tanz in Bildung<br />

und Erziehung beigemessen wird.<br />

Auch in der DDR war Tanz k<strong>ein</strong> eigenständiges Lehrfach, blieb die<br />

über Jahrzehnte beharrlich wiederholte Forderung nach <strong>ein</strong>er<br />

stärkeren Präsenz von Tanz in Erziehung und Bildung unerfüllt.<br />

Jedoch wurde nicht nur die außerschulische tänzerische Tätigkeit,<br />

sondern auch die Begegnung von Kindern und Jugendlichen<br />

mit Tanz im und als Theater großzügig gefördert.<br />

So gehörten Kinderballette bzw. Tanzprogramme für Kinder und<br />

Jugendliche in der DDR selbstverständlich zum Repertoire aller<br />

großen professionellen Ensembles, sowohl der Opernhäuser als<br />

auch der Staatlichen Tanzensembles.<br />

Auch wenn die staatlichen Kinder- und<br />

Jugendtheater eher relativ literatur- bzw.<br />

sprechtheaterorientiert inszenierten, standen<br />

Tanzaufführungen als Gastspiele durchaus auf<br />

ihren Spielplänen.<br />

Es gab <strong>ein</strong>e Vielfalt von Ballett- und Tanzwerken der DDR-Bühnen<br />

für Kinder und Jugendliche ,deren Spektrum von Kinderballetten mit<br />

märchenhaften oder „realistischen“ Sujets bis zu Ballettklassikern,<br />

von Folkloreballetten mit märchenhafter oder direkt gegenwartsbezogener<br />

Thematik bis zu TanzTheaterproduktionen reichte.<br />

Darüber hinaus wurden Traditionen entwickelt,<br />

um Kindern und Jugendlichen die Welt des<br />

Tanzes als und im Theater zu eröffnen. Sie konnten<br />

punktuell bis in die Gegenwart fortgeführt<br />

werden.<br />

Eine solche Form der „organisierten Begegnung“ <strong>ein</strong>es jungen<br />

Publikums mit Tanz sind die Leipziger und Dresdner Schulkonzerte.<br />

Es ist an dieser Stelle unmöglich, auf die Entwicklung<br />

des Tanzes für <strong>ein</strong> <strong>junges</strong> Publikum in 40 Jahren DDR<br />

<strong>ein</strong>zugehen. Dennoch läßt sich durchaus behaupten, daß die<br />

Schulkonzerte beispielhaft für den Anspruch stehen,der das Tanzgeschehen<br />

für Kinder und Jugendliche in der DDR prägte.<br />

39


Die Tradition der Schulkonzerte für Leipziger Kinder und Jugendliche,<br />

in deren Mittelpunkt Musik in allen nur denkbaren Facetten musikalischer<br />

Aufführungspraxis steht, geht auf das Jahr 1950 zurück.<br />

Die Reihe umfaßt etwa 180 Angebote mit etwa 60 verschiedenen<br />

Programmen pro Spielzeit und wird vom Schulamt betreut.<br />

Während das konzertante Erleben von Musik von der sogenannten<br />

E-Musik über Pop, Rock bis Jazz im Vordergrund steht,<br />

schließen die Programme andere Genres <strong>ein</strong>, in denen Musik <strong>ein</strong>e<br />

Rolle spielt - selbstverständlich auch den Tanz.<br />

Zu den Akteuren gehören das Gewandhausorchester Leipzig,<br />

das Forum Zeitgenössische Musik Leipzig, die Oper Leipzig,<br />

die Ballettschule der Oper Leipzig, die Hochschule für Musik<br />

und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, der Fachbereich<br />

Tanz der Musikschule „J. S. Bach“, sowie verschiedene<br />

Bands, Künstler und Künstlergruppen. Der musikalischen Dimension<br />

von Tanz widmete sich das MDR-Sinfonieorchester mit<br />

s<strong>ein</strong>em Konzertprogramm „Der Tanz im Wandel der Zeiten“.<br />

An den Dresdner Schulkonzerten, die schon vor 100 Jahren begründet<br />

wurden, beteiligen sich die Dresdner Philharmonie, die<br />

Sächsische Staatskapelle, die Hochschule für Musik „Carl Maria<br />

von Weber“, das Sorbische Nationalensemble Bautzen, sowie<br />

Bands, Chöre, Künstler und Künstlergruppierungen.Wie in Leipzig<br />

stehen in Dresden viele Tanzprogramme auf dem Konzertplan des<br />

Schul- und Kulturamts.<br />

So betreten Kinder und Jugendliche jene geheimnisvollen<br />

Stätten, die normalerweise Erwachsenen<br />

vorbehalten sind. Sie sitzen in Sitzen,<br />

in die sie nicht hin<strong>ein</strong>passen, ob es sich nun um<br />

die harten Sitzbänke <strong>ein</strong>er umfunktionierten<br />

Fabrik oder die Samtsessel <strong>ein</strong>es Opernhauses<br />

handelt. Sie erleben den Zauber all dessen, was<br />

Tanz als und im Theater von professionell ausgebildeten<br />

Künstlern für Kinder und Jugendliche<br />

bis zu Tanz von Kindern für Kinder bedeutet.<br />

Sie sehen Programme, die sich auf ihre spezielle Erlebniswelt<br />

beziehen, oder sogar Aufführungen, die normalerweise für<br />

Erwachsene gedacht sind. Als spätere Erwachsene werden sie<br />

sich vielleicht mit <strong>ein</strong>er gewissen Nostalgie an diese ersten aufregenden<br />

Begegnungen mit Tanz und Musik erinnern. Die Auswahl<br />

der Schulkonzerte erfolgt in Hinblick auf die Musiklehrpläne der<br />

jeweiligen Klassenstufen. Sie werden von Schulklassen, besondere<br />

Angebote auch von Familien besucht. Der Bezug auf die Lehrpläne<br />

ermöglicht, daß sich Kinder und Jugendliche im Unterricht<br />

über Tanz austauschen, z. B. über verschiedene Tanztechniken,<br />

außergewöhnliche Bewegungsfindungen oder inszenatorische Besonderheiten.Sie<br />

können sich im Sprechen über Tanz erproben, den<br />

sie als Theatergattung mit ganz eigenen Traditionen erleben.<br />

Unabhängig davon, ob die Schulkonzerte in der Schule tatsächlich<br />

„pädagogisch ausgewertet“ werden, sind Kinder und Jugendliche<br />

herausgefordert, sich als <strong>ein</strong> ganz spezielles Publikum zu<br />

begreifen.All<strong>ein</strong> durch den Vergleich unterschiedlicher Angebote<br />

können sie Kriterien für die Wahrnehmung von Tanz entwickeln.<br />

Ähnlich wie vergleichbare Modelle des Kinder- und Jugendtheaters,<br />

etwa das „Theater der Schulen“, erleichtern die<br />

Schulkonzerte die Begegnung mit Tanz, wobei die Besonderheit<br />

darin besteht, daß hier der Zusammenhang von Tanz und Musik<br />

im Vordergrund steht.<br />

Es handelt sich also um <strong>ein</strong>e „konzertierte Aktion”, Kindern und<br />

Jugendlichen organisierte Einbrüche in die Welt der Erwachsenen,<br />

in die Welt des Tanzes als Kunst zu gestatten. Sie beruht auf dem<br />

gem<strong>ein</strong>samen Engagement von Kunstkommune und Öffentlichkeit,<br />

ohne deren Bekenntnis sich die Schulkonzerte unter den<br />

gegenwärtigen Bedingungen nicht aufrechterhalten ließen.Da sich<br />

sehr unterschiedliche Partner zusammen präsentieren und <strong>ein</strong>e<br />

Vielfalt bieten, die <strong>ein</strong>zelne Ballett-Ensembles oder TanzTheater<br />

nicht zu leisten imstande wären, „profitieren“ alle.<br />

In vielen Stücken erleben Kinder Tanz als hochspezialisierte<br />

und extrem aufwendige Kunst mit<br />

allem, was ihn als traditionsreiche europäische<br />

Theatergattung ausmacht. Sie werden mit Fragen<br />

nach Gut und Böse, mit der Macht von Witz<br />

und Vernunft konfrontiert. Wenn auch in <strong>ein</strong>em<br />

Rahmen, der das Bühnengeschehen nicht<br />

sprengt, werden sie bewußt herausgefordert,<br />

verbal und nonverbal zu reagieren.<br />

40<br />

41


...<br />

So sch<strong>ein</strong>t doch punktuell möglich zu s<strong>ein</strong>, was als besondere<br />

Qualität des elisabethanischen Theaters gilt. Es wagte Enthüllung<br />

und Aus<strong>ein</strong>andersetzung, und führte zu Analyse und<br />

Verständnis für Vorgänge der äußeren Welten und innerer<br />

menschlicher Befindlichkeiten. Das schloß handfeste Publikumsreaktionen<br />

in theatralen Größenordnungen <strong>ein</strong>.<br />

Theater als Ort zu begreifen, in dem “Inseln der Unordnung“,<br />

Freiräume für Phantasie produziert werden,mag <strong>ein</strong> kühner Anspruch<br />

s<strong>ein</strong>. Doch müßte nicht angesichts der ungebrochenen<br />

Faszination, die Tanz, Bewegung und Körperinszenierung auch<br />

im 21. Jahrhundert ausüben, dem Tanz für Kinder und Jugendliche<br />

dabei <strong>ein</strong>e herausragende Rolle zukommen?<br />

Vollständiger Text: http://www.tanzwissenschaft-ev.de<br />

Ballett der Staatsoper<br />

Berlin „Max & Moritz“,<br />

Foto © Radley<br />

Deutsche Tanzkompanie<br />

„Der verschwundene Traumsand“<br />

Ch: Aenne Goldschmidt, Foto © Kunstmann<br />

42 43


MONTEURE<br />

TanzTheaterKunst für <strong>junges</strong>Publikum<br />

Ein Ein Name ist ist Programm<br />

Knochenbau<br />

MONTEURE ist <strong>ein</strong> freies Ensemble, künstlerisch geleitet von<br />

Joachim von der Heiden und Andi Lucas.<br />

Seit ihrer Gründung 1988 bringen MONTEURE im Schnitt jährlich<br />

mindestens <strong>ein</strong>e Uraufführung auf die Bühne - Eigenproduktionen,<br />

die über Improvisationen entwickelt wurden, über die Begegnung<br />

verschiedener KünstlerInnen aller Kunstsparten entstanden sind.<br />

DarstellerInnen - egal,welche “Sprache”sie nutzen - sind so immer<br />

auch MitautorInnen der Stücke. Zahlreiche nationale und internationale<br />

Preise und Festival<strong>ein</strong>ladungen im In- und Ausland begleiten<br />

ihre oftmals kontrovers diskutierte Arbeit von Anfang an.<br />

Zu den MONTEUREN gehören neben den beiden<br />

Köpfen “feste freie” und “freie freie”<br />

KünstlerInnen sowie MitarbeiterInnen in den<br />

Bereichen Technik und Organisation.<br />

Organisiert sind sie als Tourneebetrieb - d. h., sie verfügen nicht<br />

über <strong>ein</strong>e eigene Spielstätte, erhalten auch k<strong>ein</strong>e festen Subventionen,<br />

sondern organisieren ihr Theater in <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Büro,<br />

haben Lager und wechselnde Produktionsräume in Köln. Hier ist<br />

der Standort, an dem die Stücke entstehen und an verschiedenen<br />

Spielstätten zur Uraufführung kommen. Von hier aus fahren sie<br />

auf ihre Gastspielreisen - mit ca. 130 Vorstellungen im Jahr sind<br />

sie in Schulen, Theatern, Bürgerhäusern, Kulturzentren usw. in<br />

ganz Deutschland und im Ausland zu Gast. Darüberhinaus werden<br />

Projekte konzipiert, die mit Kindern oder Jugendlichen in<br />

unterschiedlichen Städten durchgeführt werden und die immer<br />

in Aufführungen der jungen Menschen münden.<br />

Am Standort Köln haben sie auch TRANSIT,TanzTheater für <strong>junges</strong><br />

Publikum, erfunden und im September 1999 dieses erste<br />

internationale Treffen durchgeführt, bei dem acht internationale<br />

und drei Produktionen aus NRW zu erleben waren.Weil es an der<br />

Zeit war: endlich mehr Öffentlichkeit für diese junge Kunstsparte<br />

44<br />

Tanzkompanie Running Out „Die Kiste“,<br />

Foto © Hügli<br />

45


Monteure<br />

„Glück gehabt“,<br />

Foto © Domahs<br />

zu schaffen, endlich mehr Austausch über <strong>ein</strong> Genre, das zwar in<br />

Deutschland nahezu unbekannt ist, aber in den europäischen<br />

Nachbarländern, wenn nicht üppig, aber immerhin vorkommt<br />

und mit be<strong>ein</strong>druckenden Stücken dokumentiert, was Tanzschaffende<br />

<strong>ein</strong>em jungen Publikum zu “sagen” haben.<br />

Hirnstrom<br />

Allerdings:MONTEURE sind k<strong>ein</strong> Tanzensemble.Sie kreieren nicht<br />

nur Tanzstücke, es sind nicht nur TänzerInnen auf der Bühne zu<br />

sehen. Und sie sind aber auch k<strong>ein</strong> Theaterbetrieb. Sie inszenieren<br />

k<strong>ein</strong>e “klassischen” Vorlagen neu und selbst Schauspieler<br />

kommen manchmal ohne Sprache aus.<br />

Sie sind sowohl-als-auch.<br />

Sie sind ja-aber-nicht-nur.<br />

Wenn MONTEURE von sich als Theater sprechen - dann ist Theater<br />

immer im Sinne von Bühnenereignis gem<strong>ein</strong>t, nie als Begriff<br />

für die r<strong>ein</strong>e Schauspielkunst. Deshalb: der Name ist Programm.<br />

Die Montage-Ästhetik ist der rote Faden,der sich durch alle Stücke<br />

zieht - unabhängig von den jeweiligen Stilmitteln oder Formen,<br />

die genutzt werden. Egal, ob mit TänzerInnen, MusikerInnen oder<br />

SpielerInnen gearbeitet wird - ihre Stücke lassen immer das<br />

“dritte Bild” im Kopf/im Herz der ZuschauerInnen entstehen.<br />

Jenes Bild also, das durch eigene Deutung und durch Assoziation<br />

zum Bühnengeschehen entsteht.<br />

MONTEURE erzählen von den Geheimnissen des<br />

Mensch-S<strong>ein</strong>s, von den Geheimnissen dieser<br />

Welt. Sie machen Mut zu Individualität und<br />

Sinnlichkeit, Mut für persönliche, soziale und<br />

gesellschaftliche Verantwortung.<br />

Und dies mit der ganzen Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen<br />

für Kinder und Jugendliche. K<strong>ein</strong>e Kinderteller-Kunst,<br />

sondern inhaltliches und formales Ernstnehmen der jungen Menschen<br />

mit ihren Fragen an die Welt, an ihre Welt.<br />

MONTEURE sitzen mit ihren konzeptionell grenz- und genreüberschreitenden<br />

Arbeiten zwischen den Stühlen:<br />

Dieses Profil ergibt sich zwangsläufig aus der Kombination, der<br />

Zusammenarbeit von Joachim von der Heiden (Regie und<br />

Schauspiel) und Andi Lucas (Choreographie und Tanz). Aus unterschiedlichen<br />

Künsten kommend, sind beide interessiert am<br />

Überschreiten allzu enger Begrenzungen und lassen vorsichtig<br />

den Begriff “Gesamtkunstwerk”anklingen. Sie glauben an die<br />

Gleichberechtigung der verschiedenen Kunstsprachen, die reibend<br />

und harmonisch, ritual- und rauschhaft das ihre zur Geschichte<br />

beitragen. In Stücken, die kommuniziert werden wollen. Die mitgeteilt<br />

s<strong>ein</strong> wollen. Gerade Kindern und Jugendlichen: denn die<br />

brauchen verdammt viel Phantasie, um in dieser immer komplexer<br />

werdenden Welt klarzukommen. Sie brauchen Spielräume und<br />

Freiräume, um emotionale und soziale Kompetenz zu erlernen.<br />

Herzschlag<br />

Kinder und Jugendliche seien <strong>ein</strong> so tolles Publikum, so direkt<br />

und so unmittelbar, heißt es immer wieder. Höflichkeit ist ihnen<br />

(noch) fremd, sie sind gnadenlos oder bezaubernd - in jedem Fall<br />

ehrlich in ihren Kommentaren auf das Bühnengeschehen.Sie sind<br />

so offen,so kommunikativ und sie hätten ja auch überhaupt k<strong>ein</strong>e<br />

Probleme mit Tanz auf der Bühne, eben weil sie ja so offen sind...<br />

Zwölf Jahre Tourneerfahrung mit TanzTheaterstücken<br />

können aber auch so kommentiert werden:<br />

“Seien wir mal ehrlich - ist es nicht doch auch so, daß Jugendliche<br />

finden, selber denken ist anstrengend und erinnert im<br />

Zweifelsfall eher an den Deutschunterricht mit der letzten Literaturinterpretation,<br />

Theater & Kunst ist ganz allgem<strong>ein</strong> nicht besonders<br />

hip, prima dagegen, wenn wenigstens die Techno-Bässe<br />

über <strong>ein</strong> Stück dröhnen? Und Kinder? Die wollen den Lilalaune<br />

Bär, stehen auf Märchen und bekannte Geschichten mit hüpfenden<br />

Fröschenstreichen usw, die machen “O!O!”, weil sie von den<br />

Teletubbies schwärmen, die finden nackte Füsse auf der Bühne<br />

iiihhh!, und fragen 20 min. nach Stückanfang Wann fängt der<br />

Film an? oder Warum sprecht ihr denn gar nicht?“<br />

46 47


Natürlich ist auch den MONTEUREN diese Frage <strong>ein</strong> wenig<br />

befremdlich. Für sie ist die Sprache des Tanzes <strong>ein</strong>e Selbstverständlichkeit,<br />

aber sie tanzen eben auch gegen die Sehgewohnheiten<br />

des jungen Publikums an. Gewohnheiten, in denen die<br />

Vorstellung von Tanz in der Regel eher von MTV u. ä. geprägt ist,<br />

als vom Tanz und von der Körpersprache als Ausdrucksmittel der<br />

Seele.<br />

Deshalb legen MONTEURE in Bühnenereignissen <strong>ein</strong> besonderes<br />

Augenmerk auf die Beantwortung der Frage nach dem Warum<br />

eigentlich? Schließlich sind ihre Stücke k<strong>ein</strong>e folkloristische<br />

oder artistische Darstellung von verschiedenen Tänzen oder Tanzstilen,<br />

sondern:<br />

Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare.<br />

(Christian Morgenstern)<br />

Dramaturgische Begründungen jedweder Bewegung versuchen<br />

MONTEURE daher sehr sorgfältig und transparent zu machen. So<br />

ist es für sie immer wieder <strong>ein</strong>e besondere Herausforderung, sich<br />

den Fragen nach dem Publikum zu stellen: Für wen tanzen wir,<br />

warum, was wollen wir teilen, was wollen wir mitteilen?<br />

Bauchweh<br />

Kinder und Jugendliche haben teilweise mit schweren Irritationen<br />

zu kämpfen aufgrund ihrer Seherfahrungen, oder besser:<br />

SehUN-erfahrungen. Aber auch für die begleitenden Erwachsenen<br />

mit ihren mehr oder weniger nebulösen Vorstellungen von<br />

Tanz = Ballett o. ä. sind Tanz - /TanzTheatervorstellungen oft<br />

<strong>ein</strong>e große Herausforderung: Die erwachsene Frage<br />

Verstehen Kinder das überhaupt?<br />

ist noch der harmloseste Ausdruck davon. Allzuviele Klischees<br />

oder altmodische Erwartungen an bunte Unverfänglichkeit und<br />

leichtverdauliche Beliebigkeit nisten sch<strong>ein</strong>bar in “großen” Köpfen.<br />

Das gilt natürlich auch für das Kinder- und Jugendtheater.<br />

Aber mit jeder Kinder- und Jugendtanzvorstellung muß der Beweis<br />

angetreten werden, daß junge Menschen auch <strong>ein</strong> Recht auf<br />

TanzKunst haben. Und zwar gerade weil Kunst, egal, welcher<br />

Formensprache sie sich bedient, “wehtun” kann. “Wehtun”<br />

im Sinne von: mit Realität konfrontiert werden. Und real ist nun<br />

mal die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen - und dazu<br />

gehören eben auch die sogenannten großen Gefühle:<br />

Liebe und Wut, Geburt und Tod, Schmerz und<br />

Freude... eben Lachen UND W<strong>ein</strong>en...<br />

Das sind die Themen, die Erwachsene auf der Bühne interessieren<br />

- und das sind natürlich auch die Themen, die junge Menschen<br />

interessieren - gerade, weil diese Themen, diese Gefühle<br />

so groß und so neu sind. Vor dieser Größe nicht zu erschrecken,<br />

und vor all der Neuheit nicht die Neugierde zu verlieren -, das<br />

möchten MONTEURE mit ihren Stücken vermitteln.<br />

Auch wenn der “Exotenstuhl” des sowohl-als-auch manchmal<br />

unbequem ist, da die von außen angelegten Definitionen zu eng<br />

sind:<br />

Ach, ja, MONTEURE-das sind die, die für Kinder<br />

tanzen... Ja-aber-nicht-nur... MONTEURE als<br />

Schmelztiegel, als Labor. Ohne Schubladen. Freiheit<br />

des Geistes.<br />

Mit dieser Unberechenbarkeit werden Genre-Puristen auf<br />

beiden Seiten der Theater-Tanzgrenze verstört und Schubladendenker<br />

gekitzelt.<br />

Fußweg<br />

Ihr unbedingtes Mit-Teilungsbedürfnis teilen MONTEURE mit den<br />

meisten Ensembles, die sich der Herausforderung stellen, für <strong>junges</strong><br />

Publikum zu tanzen/zu spielen.Ein Publikum aus Kindern und<br />

Jugendlichen macht deutlich, daß Bühnenkunst <strong>ein</strong> Kommunikationsprozeß<br />

ist.Sie erinnern auf teilweise lautstarke Art und Weise<br />

daran, daß dazu eben immer zwei Partner gehören. Und: sie<br />

erfordern <strong>ein</strong>e inhaltliche Genauigkeit in der Darstellung von<br />

Welt- und Seelenleben, die über die moderne Ratlosigkeit mancher<br />

Abendproduktion für Erwachsene weit hinausgeht.<br />

Obwohl MONTEURE weit davon entfernt sind,<br />

ihre Theater oder Bühnenkunst im allgem<strong>ein</strong>en<br />

als didaktisch-moralische Instanz, als Ersatz sozusagen<br />

für fehlende Wertevermittlung in Elternhaus<br />

und Schule zu sehen, so haben sie doch den<br />

Wunsch, dem Publikum etwas mit auf den Weg<br />

zu geben.<br />

Damit Kinder und Jugendliche Fragen stellen, Lebensentwürfe<br />

durchspielen und individuelle Lebenswege finden und immer<br />

wieder neu erfinden. Um ihren Weg gehen zu können. Oder besser:<br />

den eigenen Weg zu tanzen.<br />

www.theater-monteure.de<br />

48<br />

49


mind the gap<br />

Eine Eine Tanzkompanie leistet<br />

Breitenarbeit<br />

Wer ist mind the gap - und warum arbeiten wir mit Kindern<br />

und Jugendlichen?- Ein grundsätzlicher Text<br />

•<br />

•<br />

Kultur muß allen Menschen zugänglich s<strong>ein</strong><br />

Tanz ist <strong>ein</strong> vernachlässigter Bestandteil unserer<br />

Theaterkultur.<br />

•<br />

Eine lebendige Tanzkultur bedarf vieler, aus unterschiedlichen<br />

Schichten kommender junger Menschen.<br />

•<br />

Deshalb gehört Tanz als Kulturform an die Schule.<br />

Unterricht von Tänzerinnen und Tänzern.<br />

Hinter diesen Projekten steht die Idee, jungen Menschen mit sehr<br />

unterschiedlichen Vorraussetzungen durch Tanz die Möglichkeit<br />

zu geben, ihr eigenes kreatives Potential, ihre Sensibilität, ihre<br />

körperlichen Fähigkeiten, ihre Lebensfreude und ihre Persönlichkeit<br />

zu entdecken und zu entwickeln.<br />

Tanz als elementare Kulturform überschreitet<br />

alle Sprachbarrieren und läßt Kommunikation,<br />

Verständnis und Respekt zwischen den Menschen<br />

unterschiedlichster Herkunft und Kultur<br />

entstehen.<br />

50<br />

Birgitta Egerbladh „Geheime Räume“,<br />

Foto © Kaufmann<br />

51


In <strong>ein</strong>er Zeit, in der soziale und politische Gefüge aus<strong>ein</strong>anderbrechen<br />

und <strong>ein</strong> gesellschaftlicher Umorientierungsprozeß es<br />

jungen Menschen ungeheuer erschwert, ihren Weg zu finden,<br />

fühlen wir uns als darstellende Künstler aufgerufen, mit unseren<br />

Mitteln, Werte und Möglichkeiten aufzuzeigen, die jungen<br />

Menschen als Orientierungshilfen dienen können.<br />

Künstler treffen Kinder. Was dabei herauskommt, ist nicht vorherzusehen,<br />

für beide Seiten ist es <strong>ein</strong> Prozeß, der Überraschungen<br />

birgt und Phantasie freilegt,die Unkonventionelles plötzlich machbar<br />

ersch<strong>ein</strong>en läßt. Die Arbeit von Tänzern, sei es passiv, als<br />

Zuschauer, die mit frühzeitig geschultem Blick die künstlerische<br />

Arbeit zu genießen gelernt haben. Denn neben der unmittelbaren<br />

Erfahrung im Unterricht geht es darum, Kunst und Kultur in unserer<br />

Gesellschaft weiterhin zu ermöglichen und fortzuentwickeln.<br />

Wir verstehen Kultur nicht als freiwillige und damit<br />

- im Bedarfsfall - überflüssige Leistung. Kultur<br />

braucht Räume, in denen Kunstvermittlung möglich<br />

ist, und Kultur braucht den kritischen Blick<br />

sowohl von innen als auch von außen. Dafür ist die<br />

Tanzarbeit in den Schulen <strong>ein</strong>e wichtige Grundlage.<br />

Mind the gap gründete sich Mitte der achtziger Jahre in London.<br />

Initiatorin, Ideengeberin und Choreographin ist <strong>ein</strong>e junge Tänzerin<br />

aus Deutschland, die gerade ihre Ausbildung beendet hat.<br />

Kristine Sommerlade, die mit dem Ziel, Performing arts zu studieren,<br />

nach Großbritannien gekommen ist und über Umwege<br />

Tanz als passende theatrale Ausdrucksform für sich entdeckte.<br />

Ende der achtziger Jahre siedelte mind the gap<br />

nach Wuppertal über. Als kl<strong>ein</strong>es, kontinuierlich<br />

zusammenarbeitendes Ensemble lebt und arbeitet<br />

die Company in <strong>ein</strong>em alten Fabrikgelände im<br />

Rotlichtviertel. In dieser Zeit entstehen neben<br />

Literaturbearbeitungen, zum Beispiel von Samuel<br />

Beckett und Elfriede Jelinek, auch Bewegungsexperimente<br />

mit hohem Unterhaltungswert.<br />

1993 erhält Kristine Sommerlade <strong>ein</strong> choreographisches Stipendium<br />

des Landes NRW, das sie für <strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>jährigen Aufenthalt<br />

in England nutzt, um mit zeitgenössischen Choreographen wie<br />

z. B. Lea Anderson, Victoria Marks und Ian Spink zu arbeiten.<br />

Währenddessen zieht die Company nach Köln in das Kulturzentrum<br />

Wachsfabrik. Hier in der Kölner Tanz Agentur hat mind the<br />

gap ihren heutigen Produktionsort.<br />

Mind the gap<br />

„Achtung!!!<br />

Vampire“,<br />

Foto © Weimer<br />

Seit 1994 tourt mind the gap erfolgreich im In- und Ausland.<br />

Zwischen 1997 und 2000 gastierte die Company in Estland, Bolivien,<br />

Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und<br />

Venezuela.<br />

Mit ihrer spröden Bewegungssprache findet die Company<br />

spezielle Beobachtung. Die Choreographien von Kristine<br />

Sommerlade sind oft bitterböse, schräge Kommentare zum<br />

menschlichen Mit<strong>ein</strong>ander, aber immer wieder auch vergnügliche<br />

und unterhaltsame Betrachtungen alltäglicher Ungereimtheiten.<br />

Seit 1989 betreiben wir im Rahmen unserer künstlerischen<br />

Arbeiten - zusätzlich zu Produktion und Tourneebetrieb - <strong>ein</strong> „dance<br />

in education”- Programm. Wir verstehen „dance in education”<br />

weniger als <strong>ein</strong> tanzpädagogisches Projekt, sondern vielmehr als<br />

<strong>ein</strong>e künstlerische motivierte Breitenarbeit,die darauf angelegt ist,<br />

Kinder und Jugendliche mit allen Aspekten des künstlerischen<br />

Bühnentanzes bekannt zu machen. Aus der anfänglichen naiven<br />

Überlegung, daß es doch ganz toll s<strong>ein</strong> müsse, wenn man Kinder<br />

und Jugendliche verschiedenster Herkunft, Nationalität, verschiedenen<br />

Alters und Bildungsgrades durch praktische Arbeit für den<br />

Tanz gewinnen und es nur sinnvoll s<strong>ein</strong> könnte, das an <strong>ein</strong>em Ort<br />

zu tun, der <strong>ein</strong> umfassendes Spektrum unserer Gesellschaft<br />

repräsentiert, nämlich in der Schule, haben wir <strong>ein</strong> vielschichtig<br />

motiviertes Anliegen entwickelt:<br />

grundsätzlich<br />

Wir möchten möglichst viele Kinder und Jugendliche mit der<br />

Kunstform Tanz bekannt machen.Wir möchten ihnen zeigen, daß<br />

es Theater gibt und ihnen Theater als <strong>ein</strong>e Ergänzung ihrer<br />

sonstigen Beschäftigungen vorstellen.<br />

52<br />

53


strukturell<br />

Wir legen Wert darauf , daß die TänzerInnen, die mit Kindern<br />

und Jugendlichen arbeiten, selbst am künstlerischen Prozeß in<br />

der Company beteiligt sind. Die Kombination aus Company und<br />

Dance in education-Abteilung ist sinnvoll, da sie <strong>ein</strong>e unmittelbare<br />

Verbindung zwischen Kunstproduktion und Kunstrezeption<br />

erleichtert, wenn nicht sogar bedingt: Die Tänzer der Company<br />

gehen in die Schulen. Die Kinder und Jugendliche besuchen uns<br />

bei der Arbeit - im Studio oder im Theater. Wollte man das<br />

zwischen Theaterarbeit und Breitenarbeit auf <strong>ein</strong>e Spielzeit<br />

umrechnen, käme man zu <strong>ein</strong>en Verhältnis von zwei Drittel<br />

Theaterarbeit zu <strong>ein</strong> Drittel Breitenarbeit. Die Anforderung an<br />

die TänzerInnen der Company sind vielschichtig: Für die künstlerische<br />

Arbeit müssen sie tanztechnisch und darstellerisch auf<br />

<strong>ein</strong>em hohen Niveau arbeiten. Für die dance in education-Arbeit<br />

fordern wir <strong>ein</strong>e ausgeprägte Kommunikationsbegabung und<br />

hohe soziale Kompetenz. Hier haben unsere Kollegen in Großbritannien<br />

<strong>ein</strong>en sehr schönen Begriff geprägt: „a dancer plus”. Die<br />

Kombination dieser Aspekte prägen die Company. Nach unserer<br />

Erfahrung ist <strong>ein</strong>/e TänzerIn nach drei Jahren Vorbereitungszeit in<br />

der Comapny und in dance in education-Projekten soweit, daß<br />

er/sie sinnvoll in der Breitenarbeit <strong>ein</strong>gesetzt werden kann.<br />

sozial-psychologisch-gesellschaftlich...<br />

Wir glauben, daß KünstlerInnen die Aufgabe haben, mit und<br />

durch ihre Kunst an gesellschaftlichen Prozessen mitzuwirken,und<br />

daß wir mit unseren Mitteln und unserem Handwerkszeug Werte<br />

und Perspektiven formulieren können,die sich für junge Menschen<br />

als Orientierungshilfe eignen. Kinder und Jugendliche erhalten<br />

durch Tanz die Möglichkeit, ihre eigene Kreativität, ihe Sensibilität,<br />

ihre körperlichen Fähigkeiten, ihre Lebensfreude und ihre<br />

Persönlichkeit zu entdecken und zu entwickeln. Sie lernen Gruppengefüge<br />

kennen und respektieren. Sie lernen sich zu entscheiden.<br />

Sie lernen, daß ihr Handeln Konsequenzen hat. Sie erfahren<br />

innerhalb <strong>ein</strong>es Projektes den Moment der Selbstachtung und<br />

Selbstbestätigung. In der Zusammenarbeit mit „ihrem” Tänzer,<br />

„ihrer” Tänzerin werden Gefüge, die im Schulalltag kaum noch<br />

aufzulösen sind, aufgebrochen, und es wird Raum geschaffen für<br />

Integration, neue Rollenverteilungen, das Entdecken neuer Stärken.<br />

LehrerInnen berichten immer wieder von den positiven Veränderungen<br />

ihrer SchülerInnen nach <strong>ein</strong>em Projekt.<br />

Zum anderen fördert die Arbeit mit den TänzerInnen die Bereitschaft<br />

der SchülerInnen, aktiv am Kulturleben teilzunehmen: So<br />

schaffen wir Nachwuchs auf beiden Seiten der Theaterrampe.<br />

kulturpolitisch<br />

Ohne Publikum k<strong>ein</strong> Theater.<br />

Ohne Breitenarbeit ist Spitzenförderung unökonomisch und<br />

elitär. Ohne Verständnis für - oder Vertrautheit mit <strong>ein</strong>er Kunstsparte<br />

k<strong>ein</strong>e Bereitschaft sie zu fördern - sie zu nutzen - sie zu<br />

erhalten. Insofern ist künstlerische Breitenarbeit <strong>ein</strong> kulturpolitisch<br />

relevantes Förderinstrument zum Erhalt und der Entwicklung<br />

<strong>ein</strong>es zukünftigen Theater-/Tanzpublikums, gegen den Trend<br />

zur kulturellen Verwahrlosung.Wir finden, daß von Künstlern organisierte<br />

und durchgeführte Breitenarbeit <strong>ein</strong> nicht wegzudenkender<br />

Bestandteil kulturpolitischer Überlegungen s<strong>ein</strong> muß.<br />

Im Laufe der letzten zehn Jahre hat sich dieses Projekt immer<br />

wieder gewandelt und konzeptionell entwickelt. Seit fünf Jahren<br />

ist der „dance in education”-Bereich von mind the gap in dem<br />

Bonner Kulturzentrum Brotfabrik angesiedelt. Durch diese feste<br />

Partnerschaft konnten zahlreiche Projektprototypen entwickelt<br />

und erprobt werden. Wie zum Beispiel: spezielle Programme für<br />

LehrerInnen, Linkprojekte zu anderen Organisationen, Lectures<br />

zu eigenen und fremden Tanzproduktionen, Publikumspflege und<br />

noch vieles mehr. So erhalten zum Beispiel LehrerInnen die<br />

Möglichkeit, sich umfassend praktisch und theoretisch mit Tanz<br />

zu beschäftigen und ihre Klassen best möglich zu begleiten. Im<br />

Laufe der vergangenen fünf Jahre haben sich die LehrerInnen zu<br />

zuverläßigen Multiplikatoren entwickelt, die in den Schulen Projektarbeit<br />

kompetent mitbetreuen können. Ohne diese Anbindung<br />

wären solche Erprobungsphasen schwer umsetzbar. Durch<br />

die strukturelle Unterstützung der regionalen Kulturförderung<br />

war es uns möglich, Projekte auf ihre Kompatibilität hin in verschiedenen<br />

Städten zu testen und dadurch für jede Stadt auf sie<br />

speziell abgestimmte Programme zu entwickeln. Durch die unterschiedlichen<br />

Anforderungen in den verschiedenen Städten<br />

hat sich unser Projektangebot weiter differenziert.<br />

„Dance in education” darf also als <strong>ein</strong> sehr erfolgreiches<br />

Kulturprojekt bezeichnet werden.<br />

Wir würden uns wünschen, daß das Projekt wissenschaftlich<br />

begleitet und ausgewertet würde. Mit dem Ziel, verbindliche<br />

Aussagen zu formulieren, wie die Zukunft künstlerischer Breitenarbeit<br />

in diesem Bundesland aussehen könnte.<br />

www.mindthegap-tanztheater.de<br />

54<br />

55


Andrea Marton<br />

daCi daCi Dance – Dance and and the the – – Child International<br />

Deutschland e. V.<br />

Eine starke Lobby für den Kindertanz<br />

Eine starke Lobby für den Kindertanz<br />

daCi ist <strong>ein</strong> Netzwerk von Menschen, die lehrend und forschend<br />

mit Kindern tanzen, und inzwischen viele hundert Mitglieder in<br />

30 Ländern verbindet - gegründet 1978 in Kanada.<br />

Die vier Buchstaben stehen für <strong>ein</strong>en Verband ohne permanente<br />

Adresse und ohne festen Etat, doch mit <strong>ein</strong>em wertvollen Schatz:<br />

Einer Liste von Adressen rund um den Erdball.So knüpft die Kunstform<br />

TANZ auf internationalen Kongressen im 3-Jahresrhythmus<br />

mühelos Kontakte zu fremden Kulturen. Das nächste Treffen findet<br />

im Jahr 2003 in Brasilien statt, wo Kinder, PädagogInnen und<br />

TänzerInnen aus der ganzen Welt zusammentreffen, um gem<strong>ein</strong>sam<br />

zu proben, zu performen und zu tanzen. Für das Jahr<br />

2006 steht Deutschland als Veranstalter zur Diskussion.<br />

Gestützt von den Grundsätzen der UNESCO, hat sich daCi als Mitglied<br />

des „Conseil international de la danse, UNESCO Paris” die<br />

Verbreitung und Entwicklung des Kindertanzes zur Aufgabe gemacht.<br />

Mit dem Zielen:<br />

auf der ganzen Welt Möglichkeiten zu schaffen,<br />

•<br />

dem Tanz als Schöpfer, Darsteller und Zuschauer<br />

zu begegnen<br />

•<br />

•<br />

•<br />

darauf zu achten, daß die Anschauungen und<br />

Interessen der Kinder in Hinblick auf den Tanz<br />

dargelegt und respektiert werden<br />

Tanzforschung zu allen Aspekten der kindlichen<br />

Bewegung zu unterstützen<br />

in allen Ländern der Welt Tanzerziehung im<br />

Schulwesen und im Freizeitbereich <strong>ein</strong>zuführen<br />

oder zu stärken<br />

56<br />

Ballett des Theaters Dortmund „Das Dschungelbuch“<br />

Ch: Eva R<strong>ein</strong>thaler, Foto © Kremper<br />

57


Compagnie<br />

du Sillage,<br />

Foto © Fleuroux<br />

Vorreiter dieser Idee war Großbritannien mit s<strong>ein</strong>em kulturell weit<br />

ausgreifenden Einfluß auf die Länder des Commonwealth. Tanz<br />

gehört dort als Schulfach sozusagen zum Allgem<strong>ein</strong>gut und damit<br />

selbstverständlich zum Leben. Unterrichtet werden die<br />

Schüler selten von Tänzern, wie es in den USA längst üblich ist,<br />

sondern von Schullehrern mit <strong>ein</strong>er tänzerischen Zusatzausbildung.<br />

1987 hatte die in Berlin beheimatete Amerikanerin Leonore<br />

Ickstatt von <strong>ein</strong>em internationalen daCi-Kongress in London<br />

gelesen, nahm dort teil - selbst Choreographin, Schauspielerin,<br />

Tanzpädagogin und Ausbilderin zum kreativen Kindertanzlehrer<br />

- und führte schließlich 1989 die verschlafene daCi-Mitgliedschaft<br />

Deutschlands zu <strong>ein</strong>er wachsenden Zahl von Interessierten und<br />

aktiven Mitgliedern (seit 1997 ist sie stellvertretende Präsidentin<br />

von daCi international). Seither treffen sich Mitglieder und<br />

Interessierte <strong>ein</strong>mal jährlich, um Erfahrungen auszutauschen und<br />

Arbeitskreise zu gründen, sowie Workshops während des Jahres<br />

an verschiedenen Orten in Deutschland zu planen.<br />

Seit 1989 ist daCi <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>getragener, gem<strong>ein</strong>nütziger<br />

Ver<strong>ein</strong>, was den finanziellen und damit<br />

Handlungsrahmen von daCi langfristig erweitern<br />

wird.<br />

Wunsch und Ziel aller Beteiligten: Fachlicher Austausch, darüber<br />

hinaus Diskussion zur Anhebung des Lernniveaus, Erweiterung<br />

des Wissens im Umgang mit immer schwieriger werdenden<br />

Kindern. (Mangelnde Perspektive, negative Erwartungshaltung,<br />

Depression, Angst und Gewaltbereitschaft spiegeln sich schon<br />

früh in den Körpern der Kinder wieder.)<br />

So kam in jüngster Vergangenheit die Diskussion über (bisher<br />

nicht existierende) Ausbildungsrichtlinien hinzu. Lehrerinnen<br />

haben sich daCi angeschlossen, die Tanz als <strong>ein</strong>e Bereicherung des<br />

Schulunterrichts erfahren haben,und ihn als Gegengewicht zu dem<br />

intellektuellen, leistungsbetonten und streßauslösenden Schullernen<br />

sehen. Ferner sollen Möglichkeiten geschaffen werden,<br />

SchülerInnen jeden Alters als Zuschauer in Theater zu holen.<br />

Während in England schon seit langem LehrerInnen Tanz als Schulfach<br />

unterrichten, ist das in Deutschland noch <strong>ein</strong> Zukunftstraum.<br />

Im Januar 1999 begann nun erstmals in Baden-Württemberg <strong>ein</strong>e<br />

zweijährige Lehrerfortbildung (in 14 Wochenend<strong>ein</strong>heiten) mit<br />

kultusministraler Anerkennung,den Richtlinien daCi´s folgend,mit<br />

dem Ziel, LehrerInnen <strong>ein</strong> “Handwerkszeug” zu vermitteln, Tanz<br />

als Kunst in den Schulalltag zu integrieren.<br />

Während seit Jahren vor allen Dingen Pädagoginnen <strong>ein</strong>e<br />

Mitgliedschaft daCi´s anstrebten, gibt es in Deutschland kaum<br />

Tänzerinnen oder Choreographinnen bei daCi. So ist <strong>ein</strong> Nahziel<br />

des Ver<strong>ein</strong>s, künftig auch die Arbeit von professionellen Tänzerinnen<br />

für Kinder zu fördern und zu unterstützen. Es müssen Möglichkeiten<br />

geschaffen werden, das junge Publikum nicht nur als<br />

Darsteller an den Tanz heranzuführen,sondern auch als Zuschauer;<br />

Künstler an Schulen zu holen oder Schulen ins Theater.<br />

Aktuell möchte daCi allen für Kinder und Jugendlichen produzierenden<br />

Gruppen anbieten, ihre Termine von Aufführungen und<br />

Festivals in ihrer Homepage (www.PUK.de/daCi) anzukündigen.<br />

Ferner wäre es sicherlich hilfreich, z.B mit Organisationen wie der<br />

ASSITEJ <strong>ein</strong>e Zusammenarbeit anzustreben, um künftig “an<br />

<strong>ein</strong>em gem<strong>ein</strong>samen Strang zu ziehen”. Eine Mitgliedschaft wird<br />

derzeit erwogen.<br />

Informationen zu daCi-D:<br />

Andrea Marton (geb. Stöger),<br />

Nationale Vertretung Deutschland<br />

Hartmannweg 9, 73431 Aalen,<br />

Tel./Fax: 07361-931885<br />

E-Mail: Au M.Marton t-online.de<br />

ferner unter: www.Puk.de/daCi.<br />

58<br />

59


Strootman Wiggers<br />

Nationales Nationales Zentrum für für Amateurtanz Amateurtanz<br />

in in den Niederlanden<br />

Amsterdam<br />

Beide Zeitschriften ersch<strong>ein</strong>en monatlich. Die<br />

<strong>ein</strong>e beschäftigt sich mit Tanz im weitesten<br />

Sinne, die andere speziell mit Volkstanz. Beide<br />

informieren ihre Leser über neue Entwicklungen,<br />

Choreographen, Produktionen, Workshops und<br />

Auftritte.<br />

In den Niederlanden tanzen schätzungsweise<br />

800.000 Menschen. Die Mehrzahl betreibt Tanz<br />

als Hobby, <strong>ein</strong>e Minderheit kann zu den Profis<br />

gezählt werden. Das Landelij Zentrum Amateurdans<br />

(LCA) ist <strong>ein</strong>e Dienstleistungsorganisation<br />

für die große Gruppe der Amateurtänzer. Das<br />

LCA hilft jedem, der mit Amateurtänzern arbeitet,<br />

auf den richtigen Weg. Das LCA bietet Unterstützung<br />

bei allen Tanzdisziplinen: klassisches<br />

Ballett, Jazzballett, Showtanz, Volkstanz, moderner<br />

Tanz, Tanzexpression, Welttanz sowie allen<br />

anderen Tanzformen.<br />

Landelijk Centrum Amateurdans<br />

Postbus 452 / 3500 AL UTRECHT / Niederlande<br />

Tel.: 0031-30-2334255<br />

Fax: 0031-30-2332721<br />

Email: dans_Ica@knoware.nl<br />

www.dansweb.nl<br />

Das LCA entwickelt Projekte, mit Hilfe derer die Qualität des<br />

Amateurtanzes der Podiumskunst gefördert wird. Qualität<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang, die Möglichkeiten und physischen<br />

Eigenschaften der Amateurtänzer zu respektieren und in<br />

die Formgebung <strong>ein</strong>fließen zu lassen. Jedes Jahr beauftragt das<br />

LCA <strong>ein</strong>en professionellen Choreographen, <strong>ein</strong> Stück für Amateurtänzer<br />

zu schaffen. So zeigt das LCA, daß Amateure qualitativ<br />

hochrangige Produktionen tanzen können. Dies hat zur Folge,<br />

daß Amateuren mehr Aufführungsmöglichkeiten zur Verfügung<br />

gestellt werden, weil Programm-Macher sehen, daß auch Amateurtanzproduktionen<br />

sehenswert sind.<br />

Tansit Festival-<br />

Besucher<br />

Außerdem hat das LCA <strong>ein</strong>e Funktion als Informations- und<br />

Beratungszentrum sowohl für Amateure, die sich mit Theatertanz<br />

beschäftigten, als auch für Amateure, die zur Erholung tanzen.<br />

Das LCA ist über Trends und neue Entwicklungen gut informiert<br />

und spielt daher die Rolle des Vorläufers im Amateurtanz. Ihre<br />

Zielgruppe, die Amateurtänzer, erreicht das LCA hauptsächlich<br />

durch Vermittler: Amateurkunst- oder Tanzberater, die bei Unterstützungsorganisationen<br />

der Provinzen arbeiten; Tanzdozenten<br />

und Tanzakademien ebenso wie Berufstänzer, die als Dozenten<br />

oder Choreographen arbeiten.Außerdem gibt es Angebote direkt<br />

für Tänzer, zum Beispiel große Tanzfestspiele, finanzielle Unterstützung<br />

und <strong>ein</strong>en Beratungsservice. Ferner gibt das LCA zwei<br />

Zeitschriften heraus.<br />

60<br />

61


Zur ASSITEJ Deutschland<br />

Zur ASSITEJ Deutschland<br />

62<br />

Die ASSITEJ (Association Internationale du Théâtre pour<br />

l` Enfance et la Jeunesse), die “Internationale Ver<strong>ein</strong>igung des<br />

Theaters für Kinder und Jugendliche” ist <strong>ein</strong>e der UNESCO assoziierte<br />

Organisation. Gegründet wurde sie 1965. Gegenwärtig<br />

sind 65 nationale Sektionen aus allen Kontinenten in ihr vertreten.<br />

Sitz des Generalsekretariats ist derzeit Stockholm. Zweck der<br />

ASSITEJ ist die Erhaltung, Entwicklung und Förderung des Kinder-<br />

und Jugendtheaters innerhalb der <strong>ein</strong>zelnen Nationen sowie<br />

die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.<br />

Gegründet 1966 in der DDR und in der BRD, ist die ASSITEJ<br />

Deutschland seit 1991 der Zusammenschluß der ehemaligen<br />

Sektionen Bundesrepublik Deutschland und DDR der ASSITEJ.<br />

Geleitet wird die ASSITEJ als gem<strong>ein</strong>nütziger <strong>ein</strong>getragener<br />

Ver<strong>ein</strong> von <strong>ein</strong>em neunköpfigen ehrenamtlichen Vorstand.Die Geschäftsstelle<br />

in Frankfurt am Main ist mit <strong>ein</strong>em hauptamtlichen<br />

Geschäftsführer besetzt. Unter den derzeit 325 Mitgliedern sind<br />

125 professionelle Kinder- und Judendtheater (Kinder- und Jugendtheater-Sparten<br />

an Stadt-, und Staatstheatern. Zu den Mitgliedern<br />

zählen Verlage, Verbände und Organisationen, die<br />

für das Kinder- und Jugendtheater arbeiten und sich für s<strong>ein</strong>e<br />

Interessen <strong>ein</strong>setzen. Außerdem unterstützen Theaterleute,<br />

Wissenschaftler, Journalisten und andere am Kinder- und Jugendtheater<br />

Interessierte die ASSITEJ durch ihre persönliche<br />

Mitgliedschaft.<br />

Die kulturpolitische Gewichtung des Theaters<br />

für Kinder und Jugendliche zu stärken und die<br />

künstlerischen Entwicklungen und Tendenzen<br />

auf nationaler und internationaler Ebene zu beobachten,<br />

zu reflektieren und durch Tagungen,<br />

Seminare, Theatertreffen und Symposien zu<br />

fördern, ist das grundlegende Ziel der ASSITEJ<br />

Deutschland.<br />

Die folgenden Veranstaltungen finden im zweijährigem<br />

Turnus statt:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Werkstatt-Tage des Kinder- und Jugendtheaters in Halle an<br />

der Saale<br />

Internationales Regieseminar an regelmäßig wechselnden<br />

Orten<br />

Spurensuche. Arbeitstreffen freier Kindertheater an regelmäßig<br />

wechselnden Orten<br />

•<br />

Anläßlich des Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffens<br />

in Berlin wird der ASSITEJ-Preis an Persönlichkeiten verliehen,<br />

die sich um das Kinder- und Jugendtheater in Deutschland verdient<br />

gemacht haben.<br />

Werkstatt-Tage und Internationales Regieseminar<br />

führen die Tradition der DDR-Sektion der<br />

ASSITEJ fort, wobei die notwendige Neukonzeption<br />

von den politischen Veränderungen in<br />

Deutschland und Europa be<strong>ein</strong>flußt ist.<br />

Publikationen<br />

Zudem bringt die ASSITEJ vierteljährlich die Beilage Grimm &<br />

Grips heraus. Jährlich ersch<strong>ein</strong>t außerdem das vorliegende Jahrbuch<br />

für Kinder- und Jugendtheater Grimm & Grips. Das AS-<br />

SITEJ-Fax informiert die Mitglieder regelmäßig über Aktuelles<br />

aus der nationalen und internationalen Szene.<br />

Zu den Aufgaben der ASSITEJ Deutschland gehört<br />

neben der Vermittlung und Pflege von nationalen<br />

und internationalen Kontakten auch die Kooperation<br />

mit internationalen Festivals, sowie die<br />

Durchführung von Austauschprojekten auf bilateraler<br />

und multilateraler Ebene.<br />

Kulturpolitik<br />

Die Vertretung von kulturpolitischen Interessen der professionellen<br />

Kinder- und Jugendtheater bei den politisch verantwortlichen<br />

Stellen auf allen Ebenen ist <strong>ein</strong> weiteres wichtiges Betätigungsfeld<br />

der ASSITEJ Deutschland. So werden an unterschiedlichen<br />

Orten der gesamten Bundesrepublik Podiumsdiskussionen und<br />

kulturpolitische Gespräche für das Kinder- und Jugendtheater von<br />

oder mit Beteiligung der ASSITEJ Deutschland veranstaltet.<br />

Der Verband vertritt darüber hinaus die Interessen des professionellen<br />

Kinder- und Jugendtheaters im Deutschen Kulturrat, im<br />

Rat für darstellende Künste und in der BKL (Bundesver<strong>ein</strong>igung<br />

Kulturelle Jugendbildung).<br />

63


Um das Kinder- und Jugendtheater in den Regionen zu stärken,<br />

arbeitet die ASSITEJ Deutschland eng mit den Arbeitsgem<strong>ein</strong>schaften<br />

für Kinder- und Jugendtheater in den Bundesländern<br />

zusammen.<br />

Ballett des<br />

Theaters Detmold,<br />

Ch: Jaccard/<br />

Schelling,<br />

Foto © Kaufmann<br />

Die ASSITEJ ist anerkannter Träger der Jugendhilfe<br />

und wird aus Mitteln des Bundeskinder- und Jugendplanes<br />

durch das Bundesministerium für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

GZT NRW /<br />

NRW Landesbüro Tanz<br />

in Zusammenarbeit mit MONTEURE Köln<br />

und Tanzwissenschaft e.V., Dresden<br />

IDEE / KONZEPTION<br />

Anne Neumann-Schultheis<br />

REDAKTION / LEKTORAT<br />

Angela Rannow<br />

DESIGN / GESTALTUNG<br />

Both Grafik, Köln<br />

DRUCK<br />

Agence Zwo, Köln<br />

Seit der Gründung des “Kinder- und Jugendzentrums in der Bundesrepublik<br />

Deutschland” 1989 ist die ASSITEJ Deutschland<br />

zudem Rechtsträger des “Zentrums”und gewährleistet damit die<br />

fachlich selbständige Arbeit des “Zentrums”, dessen Aufgabe die<br />

Förderung aller Bereiche des Kinder- und Jugendtheaters ist.<br />

ASSITEJ e.V. der Bundesrepublik Deutschland<br />

Eckhard Mittelstädt<br />

Schützenstr. 12<br />

60311 Frankfurt<br />

Tel: 069-29 15 39<br />

Fax: 069-29 23 54<br />

zentrum@kjtz.de<br />

www.kjtz.de<br />

KONTAKT<br />

TITELFOTO<br />

Ursula Kaufmann<br />

„K<strong>ein</strong> Aschenputtel“ von Dansend Hart<br />

Das Copyright der Artikel liegt bei den<br />

Autoren<br />

ISBN 3-9803626-3-7<br />

H 2001 Tanzwissenschaft e.V., Dresden<br />

www.tanznrw.de<br />

www.theater-monteure.de<br />

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