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Mai 2011 - VASKO+PARTNER

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BAUEN 09<br />

MAI.11<br />

Eissportlandschaft<br />

Der Tribünenzubau und die bestehende Halle sind auch über das Dach direkt miteinander verknüpft. Das Hallendach musste dazu eigens angehoben werden. Rendering: Berger+Parkkinen Architekten<br />

Bauzustand<br />

Die 1994 eröffnete, von Sepp Müller, Alfred Berger und Werner Krismer geplante Albert-Schultz-Eishalle in Wien-<br />

Donaustadt wird derzeit großzügig umgebaut und erweitert. Berger+Parkkinen Architekten entwickeln mit dem<br />

Großprojekt den Ursprungsentwurf konsequent weiter und schaffen dabei architektonisch markante Zu- und<br />

Neubauten, die in ein stark landschaftlich orientiertes Gesamtkonzept eingebettet sind.<br />

Die Albert-Schultz-Eishalle in Wien-Donaustadt wurde<br />

ursprünglich im Hinblick auf die Eishockey-A-WM<br />

1996 errichtet. Die Stadt Wien führte dazu 1990 einen<br />

Architekturwettbewerb durch, 1994 wurde schließlich die neue<br />

Halle nach den Plänen von Sepp Müller, Alfred Berger und<br />

Werner Krismer eröffnet. Die Architekten hatten für die Halle<br />

einen markanten Entwurf mit einem über dem Dach liegenden<br />

großen Raumtragwerk aus Stahl geliefert. Mit den sich zur Mitte<br />

hin absenkenden Dachschrägen zitiert der Bau ganz bewusst<br />

auch ein wenig die Form der Wiener Stadthalle, wobei die Eissportarena<br />

mit einem Fassungsvermögen von 4.500 Zuschauern<br />

freilich um einiges kompakter ausgefallen ist.<br />

Die Halle wird unter anderem vom Eishockeyclub der Vienna<br />

Capitals, aber auch von anderen Vereinen genutzt. Neben<br />

der Haupthalle gehörten noch eine überdachte Trainingshalle<br />

und ein Freilufteislaufplatz zum Ursprungskonzept. Allerdings<br />

waren die bestehenden Bauten zuletzt den geänderten Anforderungen<br />

und vor allem dem in den vergangenen Jahren stark<br />

gestiegenen Publikumsaufkommen nicht mehr gewachsen.<br />

Nach einigen Diskussionen entschied man sich anstatt eines<br />

Neubaus an einem anderen Ort in Wien schließlich für eine Erweiterung<br />

der bestehenden Halle samt einiger großformatiger<br />

Zubauten. Dafür, dass die alte Halle und die Ergänzungsbauten<br />

eine aufeinander abgestimmte architektonische Formensprache<br />

erhalten, ist jedenfalls gesorgt: Auch für die neuen Bauteile<br />

zeichnet wieder Alfred Berger mit dem Büro Berger+Parkkinen<br />

verantwortlich, wobei die Architekten das Projekt diesmal in<br />

einer Arge mit dem Ingenieurbüro Vasko+Partner als Generalfachplaner<br />

entwickelt haben.<br />

„Die Hauptchallenge war, dass der zentrale Träger über der<br />

Halle bestehen bleiben musste, weil es sonst einem Neubau<br />

von Thomas Prlic<br />

gleichgekommen wäre“, sagt Architekt Berger. Zudem beschloss<br />

man, die südliche Hallenhälfte und auch die Haustechnik bestehen<br />

zu lassen, sonst wäre auch der Umbau nicht wirtschaftlich<br />

realisierbar gewesen. Eine weitere Herausforderung: Auch<br />

während der Bauarbeiten musste eine Bespielung der Halle<br />

weiter möglich sein. Während der kürzlich beendeten Wintersaison<br />

bildeten deshalb große, temporäre Stahlgerüststege den<br />

Ersatz für die baustellenbedingt blockierten Zu- und Abgänge<br />

auf der Nordseite.<br />

Mit dem großen Tribünenzubau am Nordteil vergrößert sich<br />

die Zuschauerkapazität der Halle auf 7.000, zudem bringt der<br />

Anbau Verbesserungen der Infrastruktur: In der untersten Ebene<br />

neue Einrichtungen für die Kampfmannschaft – die sogenannten<br />

Spielerlofts –, darüber ebenenweise gestaffelte, ausdifferenzierte<br />

Zuschauerbereiche von der „Businessclass“ bis zum<br />

VIP-Bereich, und in der obersten Ebene einen neuen Pressebereich<br />

sowie Technikräume. Dazu kommen eine standesgemäße<br />

Gastronomie und Shops sowie eine Tiefgarage für die Matchbesucher.<br />

Als weitere große Baumaßnahme wird der bereits bestehende<br />

Freilufteislaufplatz überdacht und so zu einer 1.000<br />

Zuschauer fassenden neuen Halle (der Halle 3) umgebaut, die<br />

Platz für weitere Vereine und Sportarten (auch für solche ohne<br />

Eisanlage) bietet und zusammen mit der vorhandenen Halle 2<br />

(die nordseitig verglast wird) ausreichend neue Trainingsmöglichkeiten<br />

schafft. Insgesamt also ein Projekt von beachtlichen<br />

Dimensionen – die Errichtungskosten betragen immerhin rund<br />

40 Millionen Euro.<br />

In Sachen Ausformulierung der neuen Baukörper waren für<br />

die Architekten auch die städtebaulichen Veränderungen des<br />

Umfelds von Bedeutung: Rund um das Areal entstanden in den<br />

vergangenen Jahren zahlreiche neue Wohnbauten (etwa von den<br />

Kollegen von Artec, Baumschlager/Eberle oder Elsa Prochazka)<br />

– inklusive einem dazwischen frei gebliebenen, großen Acker<br />

samt Gewächshäusern. Berger+Parkkinen nehmen auf dieses<br />

Umfeld vor allem über die Formen und Höhenentwicklung der<br />

Gebäudedächer Bezug. Auf diese Weise entstanden architektonisch<br />

markante und eigenständige Bauköper, die sich aber<br />

trotzdem in das Gesamtkonzept einfügen.<br />

Als wichtiges verbindendes Element fungieren dabei die Erschließungsbereiche,<br />

wobei die Architekten die Zuschauer über<br />

fast hügelig angelegte Rampen und Treppen in die Gebäude und<br />

auf die Haupterschließungsebene führen, deren Höhenniveau<br />

von der bestehenden Halle übernommen wurde. Die Zuschauer<br />

werden so auch weiter auf einer Ebene von der Haupthalle<br />

durch den Zubau und zur neuen Halle geführt. Damit setzt sich<br />

auch ein Thema aus dem Bestandsbau fort: Die offene Raumstruktur<br />

lädt hier zum Durchschreiten des Raums, beinahe<br />

zum Flanieren ein, was sich nun auch in den Außenbereichen<br />

fortsetzt. Auf die Ausgestaltung der zusammen mit den Landschaftsarchitekten<br />

Agence Ter entwickelten Freiräume legten<br />

die Planer besonderen Wert. So erhält das Projekt eine ganz eigene,<br />

fast landschaftliche Qualität.<br />

Bauliche Verbindung zum Bestand und zugleich markantestes<br />

Neubauelement ist das geschwungene Dach über dem Tribünenbau,<br />

das direkt an das bestehende Hallendach anschließt,<br />

welches zu diesem Zweck eigens etwas angehoben werden<br />

musste. Getragen wird das Tribünendach von V-Stützen, die als<br />

architektonisch prägendes Element auch im Gebäudeinneren<br />

sichtbar bleiben. Nicht nur bei der Entwicklung der statisch<br />

anspruchsvollen Dachkonstruktion arbeitete Alfred Berger eng<br />

mit dem Statiker Lothar Heinrich von Vasko+Partner zusammen.<br />

Architektonisch völlig anders, aber nicht weniger markant<br />

hat Berger das Dach von Halle 3 angelegt, die er als scheinbar<br />

über der Landschaft schwebenden, kristallin geformten Metallkörper<br />

konzipierte. Die Gebäudehaut ist dabei mehrfach geknickt<br />

und flacht sich an den Rändern ab. Auf diese Weise wirkt<br />

der Bau niedriger, als er tatsächlich ist, und passt sich –> 19<br />

Das Fachmagazin<br />

für Objekteinrichtung:<br />

Office, Bath,<br />

Interior und Lighting<br />

www.bauforum.at<br />

Das Fachmagazin für die<br />

intelligente Gebäudehülle<br />

www.bauforum.at<br />

www.gebaeudeinstallation.at<br />

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Lüftung, Klima, Energie und Wellness<br />

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18 | Bauzustand<br />

Fotos: Berger+Parkkinen Architekten<br />

Schnitt Halle 3 Schnitt Halle 1<br />

Renderings: Berger+Parkkinen Architekten<br />

Grundriss Ebene 1<br />

Fortsetzung von Seite 17<br />

besser in die Umgebung ein. Ebenerdig bleibt die Halle über ein<br />

umlaufendes Fensterband optisch offen und transparent.<br />

Konstruktiv wird die Halle von geknickten Stahlfachwerkträgern<br />

getragen, die den Raum 40 Meter quer überspannen. Die<br />

über einem Holzdach angebrachte äußere Gebäudehaut wird<br />

von aus einem Aluminiumgleitbügeldach gebildet, welches dem<br />

Bau auch sein metallisches Äußeres verleiht. Immerhin neun<br />

Meter ist die Halle 3 bis unter die Träger hoch – wobei diese<br />

Höhe weniger aufgrund hochfliegender Eishockey-Pucks als<br />

vielmehr etwa wegen Ballsportarten notwendig ist.<br />

Ab der südwestlichen Seite öffnet sich die Zusatzhalle zu<br />

einem eigenen Vorbereich hin. Die Architekten haben das Dach<br />

in diesem Abschnitt nach oben gezogen, die Treppen führen<br />

hinauf zur Haupterschließungsebene, so entsteht hier eine eigene<br />

Zugangssituation zu den Hallen 3 und 2 sowie zur Gastronomie.<br />

Die Architekten haben das Areal auf diese Weise je nach<br />

Zugangsseite mit verschiedenen, eigenständigen Entreesituationen<br />

ausgestattet. Das Eissportzentrum erhält so auch je nach<br />

Standort und Blickwinkel ganz unterschiedliche Fassadenansichten.<br />

Zusammen genommen entsteht hier ein beeindruckender Gebäudekomplex,<br />

wobei die Arbeiten derzeit zügig voranschreiten<br />

– allerdings ist auch der Termindruck enorm. Die Eröffnung<br />

des Eissportzentrums steht mit Anfang September schon unumstößlich<br />

fest. Denn schließlich muss die Eishockeysaison ja<br />

auch heuer wieder pünktlich starten.<br />

Berger+Parkkinen Architekten<br />

Foto: Ludwig Rusch<br />

1995 gegründet von Alfred<br />

Berger und Tiina Parkkinen<br />

Alfred Berger<br />

(*1961 in Salzburg) studierte<br />

Architektur an der Akademie<br />

der bildenden Künste in Wien<br />

in der Meisterschule von Prof.<br />

Timo Penttilä.<br />

1987 Meisterschulpreis, Diplom<br />

1989. 1990 Gewinn des 1. Wettbewerbs<br />

für die Eishalle in Wien-<br />

Donaustadt mit Werner Krismer<br />

und Sepp Müller. Vier Jahre lang<br />

Zusammenarbeit als Hochschulassistent<br />

an der Akademie der<br />

bildenden Künste in Wien mit<br />

den Professoren Timo Penttilä<br />

und Massimiliano Fuksas<br />

Tiina Parkkinen<br />

(*1965 in Wien) aufgewachsen in Helsinki/Finnland. Studium der<br />

Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien in<br />

der Meisterschule von Prof. Timo Penttilä. 1994 Meisterschulpreis,<br />

Diplom mit Auszeichnung. 1994 Mitglied der finnischen Architektenkammer<br />

und Gründung eines eigenen Büros<br />

Auswahl von Bauten und Wettbewerbserfolgen<br />

1995–2000 Die Botschaften der Nordischen Länder, Berlin<br />

(Wettbewerb 1. Preis, realisiert)<br />

2000 Bahnhofzentrum Altona, Hamburg (Wettbewerb, 1. Preis)<br />

2002–2005 Fachhochschule Hagenberg, Oberösterreich (Wettbewerb<br />

1. Preis, realisiert)<br />

2002–2005 Villa Veit 6, Wien (realisiert)<br />

2003–2004 British Council Austria, Wien (Wettbewerb 1. Preis,<br />

realisiert)<br />

2004–2007 Residenz der Königlich Norwegischen Botschaft, Wien<br />

(realisiert)<br />

2005–2006 Jabal Omar Development Project Mekka, Saudi-Arabien<br />

(städtebauliche Studie)<br />

2006–2009 Wohnhaus Silbergasse, Wien (realisiert)<br />

2009–2012 Wohnbau Ypsilon, Ljubljana (Wettbewerb 1. Preis,<br />

in Planung)<br />

2008–2013 Competence Center, Salzburg (Wettbewerb 1. Preis,<br />

in Planung)<br />

Auszeichnungen und Preise<br />

• „Bauwerk des Jahres“, 2005<br />

Auszeichnung des Landes Oberösterreich für die Fachhochschule<br />

Hagenberg<br />

• AIT Preis „Best of Europe: Office – Die Bilanz”, 2004<br />

für die Botschaften der Nordischen Länder Kategorie:<br />

bestes Bürogebäude Europas<br />

• DuPont Benedictus Award 2003<br />

für die Botschaften der Nordischen Länder Kategorie:<br />

bestes Regierungsgebäude<br />

• European Union Prize for contemporary architecture<br />

Mies van der Rohe Award, 2001<br />

Finalist: Die Nordischen Botschaften in Berlin<br />

Projektdaten<br />

Eissportzentrum Wien<br />

Erweiterung der bestehenden Albert-Schultz-Eishalle von 4.500 auf<br />

7.000 Pax mit Erweiterung der Trainingsräume sowie gastronomische<br />

Einrichtungen. Überbauung ehemaligen Freieisfläche als<br />

zusätzliche Trainingshalle<br />

Bauherr<br />

Generalplaner<br />

Architekt<br />

Generalfachplaner<br />

Projektsteuerung<br />

ÖBA<br />

Brandschutz<br />

Eissport Errichtungs- Betriebs- und<br />

Management GmbH<br />

Arge Generalplaner Eissportzentrum Wien<br />

Berger+Parkkinen Architekten/<br />

Vasko+Partner Ingenieure<br />

Schönbrunnerstr. 213–215, 1120 Wien<br />

Berger+Parkkinen Architekten ZT GmbH<br />

Vasko+Partner ZT GmbH<br />

IS-Consult GmbH<br />

Retter & Partner Ziviltechniker Ges.m.b.H<br />

IBS – Institut für Brandschutztechnikund<br />

Sicherheitsforschung GesmbH<br />

Fassadentechnik MDE, 4840 Vöcklabruck<br />

Landschaftsarchitekten agence TER, 76135 Karlsruhe<br />

Renderings<br />

Erich Höll, www.hoell.at, 1040 Wien<br />

Unabhängiger Berater ÖISS – Österreichisches Institut für Schulund<br />

Sportstättenbau, 1040 Wien<br />

Holzdach<br />

Elektroinstallation<br />

Tiefgarage<br />

Projektablauf<br />

Bestandsobjekt<br />

Wiehag GmbH<br />

Linzer Straße 24, A-4950 Altheim<br />

T: (0 77 23) 465-0, F: (0 77 23) 465-636<br />

E: office@wiehag.com, I: www.wiehag.com,<br />

www.eco2building.com<br />

Elektro-Kagerer GmbH & CoKG<br />

Schärdingerstraße 15, 4061 Pasching<br />

T: (0 72 29) 51 155<br />

F: (0 72 29) 511 55-9020<br />

E: elektro@kagerer.at<br />

I: www.kagerer.at<br />

Allgemeine Baugesellschaft - A. Porr AG<br />

Absberggasse 47, 1100 Wien<br />

T: (0)50 626-0, F: (0)50 626-1111<br />

E: zentrale@porr.at<br />

I: www.porr.at<br />

Architekturwettbewerb: April 1990 (Architekten<br />

Müller, Berger, Krismer). Eröffnung:<br />

August 1994<br />

Erweiterung<br />

Machbarkeitsstudie September 2008<br />

Planungsbeginn Februar 2009<br />

Baubeginn Oktober 2009<br />

Fertigstellung September <strong>2011</strong><br />

Errichtungskosten 40 Mio. €<br />

Grundstücksfläche 23.800 m²<br />

Bruttogeschoßfläche 40.300 m²<br />

Nutzflächen<br />

Halle 1: 17.300 m², Halle 2: 2.400 m²,<br />

Halle 3: 8.100 m², TG: 8.060 m²


Baudokumentation | 16. <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

BAUEN 19<br />

Fotos: Markus Pillhofer<br />

Bewusster Zufall<br />

Baudokumentation<br />

Der 30. April wird der Pfarrgemeinde des beschaulichen Städtchens Hainburg an der Donau sicher länger<br />

im Gedächtnis bleiben. Denn an diesem Tag, an dem vor genau 1.700 Jahren die Christenverfolgung beendet<br />

wurde, öffnen sich mitten im Stadtzentrum die Pforten des Herzensprojekts von Architekt Wolf D. Prix von Coop<br />

Himmelb(l)au: der neuen evangelischen Martin-Luther-Kirche.<br />

Die rund 5.900-Seelen-Stadt im Bezirk Bruck an der Leitha<br />

(Niederösterreich) ist um eine Sehenswürdigkeit reicher.<br />

Im Kontrast zu den mittelalterlichen Stadtmauern besticht die<br />

neu errichtete Martin-Luther-Kirche durch ihre avantgardistische<br />

Erscheinung, ohne dabei wie ein Fremdkörper zu wirken.<br />

Obwohl Religion im Leben des Wolf D. Prix keine besondere Rolle<br />

spielt, lag ihm der Bau der evangelischen Kirche besonders<br />

am Herzen: „Als ich gehört habe, wo die neue Kirche hinkommen<br />

soll, habe ich sofort Ja gesagt. Sie steht schräg gegenüber<br />

meines Elternhauses. Ein weiterer Grund ist, dass ich es sehr<br />

spannend gefunden habe, in unserer schnelllebigen, egomanischen<br />

Zeit Räume für eine Gemeinschaft zu entwerfen.“ Den<br />

Entwurf für die Kirche hat er der evangelischen Pfarrgemeinde<br />

ohne Honorar zur Verfügung gestellt.<br />

Für Prix war das im Jahr 2008 entworfene Projekt eine besondere<br />

Herausforderung: Im Gegensatz zu den Großprojekten, mit<br />

denen sich Coop Himmelb(l)au sonst beschäftigt, ist die Baufläche<br />

der Kirche mit 420 Quadratmetern recht knapp bemessen.<br />

Auch das Budget liegt mit 1,4 Millionen Euro weit unter den<br />

Baukosten der üblichen Projekte des gebürtigen Hainburgers.<br />

Inspirieren ließ sich Prix von einem seiner Lieblingsbauten, der<br />

Kapelle im Kloster „La Tourette“ von Le Corbusier. Er griff die<br />

Idee der Lichtführung durch Röhren von oben auf und interpretierte<br />

sie neu. Im August 2010 begann die Martin-Luther-Kirche<br />

Form anzunehmen.<br />

Das Stahldach ist mit Sicherheit das Highlight der modernen<br />

Kirche. Drei schneckenförmige Öffnungen leiten das Licht<br />

nach innen und lassen jede Menge Interpretationsspielraum.<br />

„Dass die Öffnungen die Dreifaltigkeit symbolisieren, ist ein bewusster<br />

Zufall“, verrät der Architekt. Der Schwung der Röhren<br />

wurde aus der Geometrie eines Beinhauses entwickelt, das noch<br />

heute als Residuum aus dem 17. Jahrhundert hinter der Martin-Luther-Kirche<br />

steht. Mithilfe der Computersoftware Rhinoceros<br />

und Grashopper wurden die acht Millimeter starken,<br />

3-D-verformten Stahlplatten in eine zeitgemäße Form gebracht.<br />

Aufgrund der komplexen Form entwarf der Architekt das Dach<br />

als selbsttragende Stahlkonstruktion mit Stuckuntersicht. Dem<br />

Schiffsbau entlehnt, wurden dabei die Stahlplatten auf eine<br />

Spantenkonstruktion aufgeschweißt, die wiederum auf einem<br />

Trägerrost sitzt, der die 23 Tonnen Gesamtlast des Dachs auf die<br />

Massivwände überträgt. Gebaut wurde diese komplexe Geometrie<br />

in der Werft der Firma Ostseestaal in Strahlsund. „Werften<br />

von Undine Renner<br />

haben Technologien – auch in der Verarbeitung von Metall –,<br />

die es erlauben, der komplexen Geometrie zu folgen“, begründet<br />

Prix die ungewöhnliche Vorgehensweise. Von der Werft aus wurde<br />

die Schalenkonstruktion nach Hainburg transportiert, mittels<br />

Tieflader durch die mittelalterlichen Stadttore gefädelt und<br />

vor Ort verschweißt. Nach der Beschichtung setzte ein Hebekran<br />

das silbern schimmernde Dach mit den drei schneckenförmigen<br />

Röhren auf vier Stahlstützen, die die Kräfte in die Massivwände<br />

des Gottesdienstraums ableiten.<br />

Der Kirchenraum in der Form eines Tisches bietet 50 Personen<br />

Platz. Der Kubus aus Stahlbeton wurde mit einer speziellen<br />

Eternitfassade verkleidet, deren Form gewellte Sanddünen<br />

nachahmt. Im Inneren des Gottesdienstraumes wurde die<br />

abgehängte Spantenkonstruktion mit mehreren Lagen Stahlgewebe<br />

und Schilfrohrmatten versehen und dient als Trägerschicht<br />

für den Stuck, der im Innenraum das dreidimensional<br />

geformte Dach und die Oberlichter abbildet. Der Raum, obwohl<br />

recht klein, deutet mit vielen Elementen auf den Aspekt der Gemeinschaft<br />

in der evangelischen Kirche hin: Offene Falttüren<br />

verbinden einen Raum mit dem anderen und lassen dadurch<br />

räumliche Weite entstehen. Die gefaltete Glasfassade auf der<br />

Außenwand lässt Blicke von der Postgasse aus zu und strahlt<br />

Offenheit aus. Ein weiterer Blickfang ist der Altar, der von der<br />

verglasten Straßenfront nur durch eine perforierte Holzwand<br />

mit eingeschnitztem Kreuz getrennt ist. Obwohl die Form des<br />

progressiven Altars durch eine Skulptur von Henry Moore beeinflusst<br />

wurde, könnte man in ihm die Grablegung und Auferstehung<br />

Christi wiedererkennen. Der Wirkung des Kirchenraums<br />

ist sich Wolf D. Prix durchaus bewusst: „Das alles kann<br />

man religiös interpretieren, ich würde aber eher sagen, auch<br />

das ist ein bewusster Zufall.“<br />

Das dreiteilige Gebäude weist aber noch einen anderen<br />

Höhepunkt auf: Der 20 m hohe und acht Tonnen schwere Glockenturm<br />

ist schon von weiter Ferne aus sichtbar. In Form<br />

Projektdaten<br />

Martin-Luther-Kirche Hainburg<br />

Planung Coop Himmelb(l)au<br />

Wolf D. Prix / W. Dreibholz & Partner ZT GmbH<br />

www.coop-himmelblau.at<br />

Design Principal Wolf D. Prix<br />

Designarchitekt Sophie-Charlotte Grell<br />

Projekt Architekt Martin Mostböck<br />

Projektteam<br />

Statik<br />

Steven Baites, Daniel Bolojan, Victoria Coaloa,<br />

Volker Kilian, Martin Neumann, Martin Jelinek<br />

Bollinger Grohmann Schneider ZT GmbH, Wien,<br />

Österreich<br />

Generalunternehmer Markus Haderer Baubetrieb Ges.m.b.H.<br />

Landstraße 43, A-2410 Hainburg/Donau<br />

T: (0 21 65) 67 365, F: (0 21 65) 67 365-4<br />

E: office@haderer.at, I: www.haderer.at<br />

Metallbau<br />

ÖBA<br />

Metallbau Eybel GmbH<br />

Betriebsstraße 3, 2412 Wolfsthal<br />

T: (0 21 65) 621 91-0, F: (0 21 65) 621 91 -22,<br />

E: metallbau@eybel.com, I: www.eybel.com<br />

Spirk & Partner Ziviltechnikergesellschaft m.b.H.<br />

Office Park 1, 4. OG, A-1300 Wien Flughafen<br />

T: (01) 7007 22 283, F: (01) 7007 22 008<br />

E: office-wien-flughafen@spirk.at<br />

I: www.spirk.at<br />

Baufläche 420 m²<br />

Kirchenraum für 50 Personen, Gemeinschaftsraum<br />

und Nebenräume<br />

Bruttogeschoßfläche total 289 m²<br />

Gebäudehöhe Riegel/Gemeindesaal 3,5 m<br />

Gebäudehöhe Kirchenraum 6 m<br />

Gebäudehöhe Lichtkegeldach 10 m<br />

Gebäudelänge<br />

25 m<br />

Gebäudebreite<br />

10–17 m<br />

Gebäudehöhe Glockenturm 20 m<br />

Entwurf 2008<br />

Baubeginn 08/2010<br />

Fertigstellung 04/<strong>2011</strong><br />

einer Riesenschlinge mit Kreuz und Glocke wurde er aus einer<br />

selbsttragenden vertikalen Stahlhaut mit acht bis 16 Millimeter<br />

Wandstärke gebaut, die nur durch Horizontalspanten<br />

ausgesteift wird. Auch er wurde in der Werft gefertigt. Prix‘<br />

Affinität zum Schiffsbau macht gerade beim Bau einer evangelischen<br />

Kirche Sinn. Immerhin spielt im christlichen Glauben<br />

das Schiff als Symbol für die Gemeinde oder in Form der<br />

Arche Noah eine tragende Rolle. Mit dem Bau der kompakten,<br />

aber schwerelos und optisch anziehend wirkenden Kirche hat<br />

der österreichische Architekt, der neben vielen anderen Auszeichnungen<br />

2009 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft<br />

und Kunst als Anerkennung für seine hochstehenden<br />

schöpferischen Leistungen erhielt, sein Ziel erreicht: den bewussten<br />

Zufall zu extemporieren.

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