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Der Europäer und das Andere

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<strong>Der</strong> <strong>Europäer</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong> *<br />

- <strong>Der</strong> Tod in Venedig von Thomas Mann <strong>und</strong> der Eurozentrismus<br />

Hong, Kil-Pyo (Yonsei Uni)<br />

I. Einleitung<br />

Mit dem Tod in Venedig erwirbt sich Tomas Mann nach Hans R. Vaget den<br />

“Nimbus des Klassikers”, den er auf den Helden der Novelle projiziert, <strong>und</strong><br />

sein Gesamtwerk gewinnt mit dieser Novelle zum erstenmal “Weltläufigkeit” 1) .<br />

Er geht sogar davon aus, <strong>das</strong>s Thomas Mann anhand dieser Arbeit zum<br />

Nobelpreis-Kandidaten avanciert. 2) Auch Thomas Mann war vor allen überzeugt,<br />

ein Meisterwerk geschaffen zu haben, wenn er im Jahr 1913 schreibt:<br />

“Es scheint, daß mir hier einmal etwas vollkommen geglückt ist, [...]. Es<br />

stimmt einmal Alles, es schließt zusammen, <strong>und</strong> der Kristal ist rein.” 3)<br />

* This work was supported by the Yonsei University Research Grant of 2012.<br />

1) Hans R. Vaget: <strong>Der</strong> Tod in Venedig. In: H. Koopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch.<br />

3 Aufl. Stuttgart: Kröner 2001, S. 580-591: 580f.<br />

2) Vgl. Hans R. Vaget: a. a. O., S. 581.<br />

3) Zit. n. Werner Frizen: Thomas Mann. <strong>Der</strong> Tod in Venedig. 2 Aufl. München: Oldenbourg<br />

1993, S. 7.


136 유럽사회문화 제8호<br />

Im Hinblick auf Deutungen dieses Werkes gilt mein Interesse zunächst<br />

seinem Selbstkommtar, wobei betont werden sollte, <strong>das</strong>s Autobiographisches an<br />

sich nicht im Zentrum dieser Betrachtung steht. Nach Thomas Mann ist also<br />

die Venedig-Novelle als “Zeitenwende” in der Geschichte seines Werkes zu<br />

verstehen, während sie “ein Letztes <strong>und</strong> Äußerstes, einen Abschluß” bedeutet. 4)<br />

Das heißt, die Novelle lässt sich als “die moralisch <strong>und</strong> formal zugespitzteste<br />

<strong>und</strong> gesammelteste Gestaltung des Decadence- <strong>und</strong> Künstlerproblems” deuten,<br />

“in dessen Zeichen seit >Buddenbrooks< [s]eine Produktion gestanden hatte,<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> mit dem >Tod in Venedig< tatsächlich ausgeformt war.” 5) Thomas<br />

Mann macht noch klarer, worum es sich in der Novelle handelt, indem er sie<br />

im Blick auf ihr Konzept mit seinem Roman <strong>Der</strong> Zauberberg vergleicht. <strong>Der</strong><br />

Roman, der ihm zufolge weitgehend als “ein romantisches Buch, ein Buch der<br />

Sympathie mit dem Tod” 6) gelesen werden sollte, sei doch als ein<br />

“Gegenstück” 7) zur Venedig-Novelle konzipiert worden, <strong>und</strong> zwar in dem<br />

Sinne, <strong>das</strong>s es den “Weg hinaus aus einer individuellen Schmerzenswelt in eine<br />

Welt neuer sozialer <strong>und</strong> menschlicher Moralität” 8) markiere. Das heißt, die<br />

Novelle schildere nichts anderes als die “Faszination des Todes, de[n] Triumph<br />

rauschhafter Unordnung über ein der höchsten Ordnung geweihtes Leben” 9) ,<br />

wobei es nicht vergessen werden darf, <strong>das</strong>s sie für den Autor, wie erwähnt,<br />

‘ein Letztes <strong>und</strong> Äußerstes, einen Abschluß’ bedeutet. Dies besagt vor allem,<br />

<strong>das</strong>s die Novelle im Zeichen der Selbstkritik gelesen werden sollte, die im<br />

4) Thomas Mann: [On Myself] (1940) In: Gesammelte Werke in Dreizehn Bänden.<br />

Frankfurt a. M. 1990, Bd. XIII, S. 127-169: 151. Zum biographischen <strong>und</strong> werkgeschichtlichen<br />

Kontext vergleiche auch u. a. Hermann Kurzke: Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk.<br />

Eine Biographie. 4. Aufl. Frankfurt a. M. 2005, S. 193ff.<br />

5) Thomas Mann: ebd.<br />

6) Thomas Mann: a. a. O., S. 152.<br />

7) Thomas Mann: a. a. O., S. 155.<br />

8) Thomas Mann: a. a. O., S. 152.<br />

9) Thomas Mann: a. a. O., S. 155.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 137<br />

Sinne von “Auseinandersetzung mit Möglichkeiten <strong>und</strong> Tendenzen seiner<br />

eigenen Schriftstellerschaft” 10) verstanden wird. Nach dem Selbstverständnis<br />

Thomas Manns wäre es zu sagen, <strong>das</strong>s er sich mit der Venedig-Novelle am<br />

Ende einer Etappe befindet, die er vor allem als ‘unpolitisch’ bezeichnen<br />

würde. <strong>Der</strong> Begriff ‘politisch’ spielt hier insofern eine entscheidende Rolle, als<br />

er seine Identität bekanntermaßen vor der etwa 1919 vollzogenen (politischen)<br />

weltanschaulichen Umorientierung 11) im Unpolitischen findet. 12) Die Venedig<br />

-Novelle als Geschichte der “tragische[n] Verirrung eines Künstlers” 13) könnte<br />

in diesem Kontext trotz der Entstehungszeit vor der politischen Umorientierung<br />

des Autors sogar als Appell an die Vernunft im Zeichen der (Selbst)Kritik<br />

gelesen werden, wenn man vor allem in Betracht ziehen würde, <strong>das</strong>s Thomas<br />

Mann in seinem Essay Bruder Hitler die Novelle als Beweis für sein<br />

seismographisches Gespür für den kommenden Faschismus halten will. 14)<br />

Im Zentrum folgender Betrachtung steht die Frage nach dem Tragischen des<br />

Verfalls eines Künstlers, also eines Unpolitischen, der dem Autor zufolge im<br />

Zeichen der Faszination des Todes steht, wobei <strong>das</strong> Augenmerk auf den<br />

politischen Aspekt des Textes im weiteren Sinne gerichtet wird. Dies bedeutet<br />

10) Hans R. Vaget: a. a. O., S. 582.<br />

11) Vgl. Manfred Dierks: Kultursymbolik <strong>und</strong> Seelenlandschaft: ≫Ägypten≪ als Projektion.<br />

In: Heinrich Detering (Hrsg.): Thomas Mann. Neue Wege der Forschung. Darmstadt<br />

2008, S. 98-117: 106.<br />

12) Thomas Mann schreibt z. B während des Ersten Weltkrieges wie folgt: “der deutsche<br />

Weltbürger ist kein politischer Bürger, er ist nicht politisch, - während die Demokratie<br />

nicht nur politisch, sondern die Politik selber ist. Politik aber, Demokratie, ist an <strong>und</strong><br />

für sich etwas Undeutsches, Widerdeutsches.” (Thomas Mann: Betrachtung eines<br />

Unpolitischen. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XII, S. 7-589: 262.)<br />

13) Z. n. Hans R. Vaget: a. a. O., S. 585.<br />

14) Thomas Mann behauptet in dem Essay wie folgt: “Ich war nicht ohne Kontakt mit dem<br />

[...], was kommen wollte <strong>und</strong> sollte, mit Strebungen, die zwanzig Jahre später zum<br />

Geschrei der Gasse wurde.” (Thomas Mann: Bruder Hitler (1939). In: Gesammelte<br />

Werke, a. a. O., Bd. XII, S. 845-852: 850.) Vgl. dazu: Hans R. Vaget: a. a. O., S. 582.


138 유럽사회문화 제8호<br />

jedoch nicht, <strong>das</strong>s wir in dem Text etwas Sozialkritisches, <strong>das</strong> den politischen<br />

Werdegang Thomas Manns antizipieren sollte, herausarbeiten wollen. Bei der<br />

Geschichte des tragischen Verfalls handelt es sich m. E. nicht bloß um die<br />

selbstkritische Reflexion eines krisenhaften Autors, der in einer quasi ‘individuellen<br />

Schmerzenswelt’ steckt, sich aber auf dem Weg zum ges<strong>und</strong>en, sozialpolitischen<br />

Bewußtsein befindet. Im Zentrum der Geschichte steht vor allem die politische<br />

Frage nach der Identität des europäischen Subjekts, <strong>das</strong> sich im kritischen<br />

Zustand befindet. Was sich in der dargestellten Verfallsgeschichte ablesen lässt,<br />

ist <strong>das</strong> Krisenbewusstsein eines Schriftstellers, für dessen (Selbst)Bewusstsein<br />

<strong>das</strong> Europäische die Hauptrolle spielt, <strong>das</strong> aber im Blick auf <strong>das</strong> ‘<strong>Andere</strong>’ im<br />

Sinne von Verneinung des Europäischen seinen ganzen Sinn erhält.<br />

In diesem Kontext wollen wir uns vor allem mit dem <strong>Andere</strong>n als dem<br />

Nicht-Europäischen befassen, <strong>das</strong> Thomas Mann in der Novelle als<br />

Gefährliches konstruiert. Direkt am Anfang des Textes ist von der Gefahr die<br />

Rede, die häufig im Blick auf die dunkle Ahnung des Krieges gelesen wird 15) ,<br />

die doch m. E. im Laufe der Geschichte als <strong>das</strong> gefahrdrohende Nicht-<br />

Europäische identifiziert wird. Zunächst soll in diesem Zusammenhang<br />

aufgezeigt werden, wie der Protagonist der Novelle als der Europäische<br />

charakterisiert wird.<br />

II. K nstler Aschenbach oder der europ ische Held<br />

Das als Prolog zur Todesgeschichte zu lesende, erste Kapitel der Novelle<br />

fängt direkt mit dem Namen des Protagonisten an, der gleich als Schriftsteller/Künstler<br />

bezeichnet wird, wobei er, “überreizt von der schwierigen <strong>und</strong> gefährlichen [...]<br />

Arbeit” 16) , einen Nachmittagsspaziergang unternimmt. Dieser beim ersten<br />

15) Vgl. Hans Rudolf Vaget: a. a. O., S., 582.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 139<br />

Anblick harmlose Spaziergang, der im Englischen Garten, 17) also scheinbar in<br />

der beherrschten Natur geschieht, erweist sich für ihn insofern alles andere als<br />

harmlos, als er auf dem Heimweg von diesem Spaziergang einem Mann<br />

begegnet, “dessen nicht ganz gewöhnliche Erscheinung seinen Gedanken eine<br />

völlig andere Richtung gab” (TV 445): Diese Begegnung stellt sich am Ende<br />

nichts anderes als den Anfang des Endes, d. h. der Todesgeschichte dar.<br />

In Bezug auf die Frage nach dem Wesen der Figur Aschenbach gilt <strong>das</strong><br />

Interesse zunächst der Begegnung mit diesem Mann, der “ein Gepräge des<br />

Fremdländischen <strong>und</strong> Weitherkommenden” (TV 445) trägt. Kennzeichnend ist,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong>/der Fremd(ländisch)e am Anfang der Thematisierung des Ich-Problems<br />

des Protagonisten steht. Durch die Konfrontation mit diesem Fremden bekommt<br />

<strong>das</strong> Ich des Aschenbach quasi einen Riss, <strong>und</strong> dies zeigt vor allem, worum es<br />

bei seiner Identitätsproblematik geht, die sich weder im philosophischen noch<br />

im psychologischen erschöpft.<br />

Wer ist also dieser Fremde, der vor dem Heimkehrenden urplötzlich<br />

auftaucht <strong>und</strong> dann spurlos verschwindet, während er ihn in dessen Bann zu<br />

ziehen scheint? Was beinhaltet die Faszination dieses Fremden? Aschenbach<br />

sieht in ihm nicht bloß einen ungewöhlichen Wanderer, wenn man vor allem in<br />

Betracht zieht, <strong>das</strong>s seine Gesichtszüge folgendermaßen dargestellt werden:<br />

seine Lippen schienen zu kurz, sie waren völlig von den Zähnen zurückgezogen,<br />

dergestalt, daß diese, bis zum Zahnfleisch bloßgelegt, weiß <strong>und</strong> lang dazwischen<br />

hervorbleckten. (TV 446)<br />

16) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Tod in Venedig, In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VIII. S. 444.<br />

(Bei der Zitatangabe für die Novelle wird im folgenden die Abkürzung ‘TV’ mit<br />

Seitenzahl benutzt)<br />

17) Werner Frizen geht davon aus, <strong>das</strong>s der Englische Garten für Aschenbach als “erstes<br />

Zeichen der [...] sich entgrenzenden Natur” zu lesen ist. (Werner Frizen: a. a. O., S. 22.)


140 유럽사회문화 제8호<br />

Es ist eindeutig, <strong>das</strong>s es sich bei dieser Beschreibung um die Todesfratze<br />

handelt. 18) Das heißt, dieser Fremde verweist im Zeichen des Mythischen auf<br />

keinen anderen als den Totengeleiter, der nach Werner Frizen als Thanatos<br />

betrachtet werden sollte, wobei er außer dem kennzeichnenden Habitus des<br />

Fremden auf die Magerkeit, die Bartlosigkeit, die Stumpfnase <strong>und</strong> die farblosen<br />

Augen hinweist. 19) Was aber in diesem Kontext von großem Belang ist, ist,<br />

was durch diese Begegnung mit dem Fremden/Todesboten im Inneren<br />

Aschenbachs geschieht. <strong>Der</strong> Erzähler nennt diesen Einfluss bei Aschenbach<br />

zunächst “eine seltsame Ausweitung seines Innern” (TV 446), die er dann als<br />

“ein jugendlich durstiges Verlangen in die Ferne”, als “Reiselust” (TV 446)<br />

bestimmt. Dass aber diese Lust alles andere als harmlos ist, lässt sich zeigen, wenn<br />

sie sich nach dem Erzähler “als Anfall auftretend <strong>und</strong> ins Leidenschaftliche, ja bis<br />

zur Sinnestäuschung” (TV 446f.) zu steigern tendiert. Es gilt der Aufmerksamkeit,<br />

<strong>das</strong>s der Erzähler Aschenbachs Verlangen in die Ferne/Fremde unter <strong>das</strong><br />

Krankhafte zu subsumieren sucht. Und was <strong>das</strong> beinhaltet, wird verdeutlicht, wenn<br />

man die folgende Vision Aschenbachs in Betracht zieht:<br />

er sah, sah eine Landschaft, ein tropisches Sumpfgebiet unter dickdunstigem<br />

Himmel, feucht, üppig <strong>und</strong> ungeheuer, eine Art Urweltwildnis aus Inseln,<br />

Morästen <strong>und</strong> Schlamm führenden Wasserarmen, - sah aus geilem Farrengewucher,<br />

aus Gründen von fettem, gequollenem <strong>und</strong> abenteuerlich blühendem Pflanzenwerk<br />

haarige Palmenschäfte nah <strong>und</strong> ferne emporstreben, sah w<strong>und</strong>erlich ungestalte<br />

Bäume ihre Wurzeln durch die Luft in den Boden, [...], sah zwischen den<br />

knotigen Rohrstämmen des Bambusdichts die Lichter eines kauernden Tigers<br />

funkeln - <strong>und</strong> fühlte sein Herz pochen vor Entsetzen <strong>und</strong> rätselhaftem Verlangen.<br />

(TV 447) (Hervorhebung von mir)<br />

18) Vgl. Werner Frizen: a. a. O., S. 24.<br />

19) Vgl. Werner Frizen: ebd.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 141<br />

Bei der Vision handelt es sich eindeutig um die tropische Welt, die jenseits<br />

aller Zivilisation im Zeichen des Bedrohlichen liegt. Es ist hervorzuheben, <strong>das</strong>s<br />

der Erzähler die gesehene Landschaft der tropischen Welt bei Aschenbach auf<br />

die Nicht-Vernunft, also “die Begierde” (TV 447) zurückführt. An dieser<br />

Darstellung ist abzulesen, was man unter der ‘seltsamen Ausweitung des<br />

Inneren’ verstehen sollte. Hierbei handelt es sich nicht einfach um den “Kampf<br />

zwischen Verdrängung <strong>und</strong> dem Verdrängten” 20) , der den (eines Individuums)<br />

zwischen dem Bewusstsein <strong>und</strong> dem Unbewusstem bedeutet, sondern die<br />

Ausweitung verweist eindeutig auf <strong>das</strong> gefährlich Entgrenzende, <strong>das</strong> den<br />

Identitätsverlust eines vernünftigen Subjekts impliziert.<br />

Im Blick auf die Bedeutung des Identitätsverlustes stellt sich hier die Frage,<br />

wer der Künstler Aschenbach ist. Er ist kein bloßes Künstlerindividuum, <strong>das</strong><br />

vom persönlich Verdrängten bedroht wird. Worum es sich bei dieser<br />

Identitätsfrage handelt, lässt sich klären, wenn man betrachtet, wovon der<br />

Erzähler nach dem Szene der Vision redet. Er schreibt wie folgt, während er<br />

zu bestimmen sucht, wer Aschenbach ist:<br />

Zu beschäftigt mit den Aufgaben, welche sein Ich <strong>und</strong> die europäische Seele<br />

ihm stellten, zu belastet von der Verpflichtung zur Produktion, der Zerstreuung<br />

zu abgeneigt, um zum Liebhaber der bunten Außenwelt zu taugen, hatte er sich<br />

durchaus mit der Anschauung begnügt, die jedermann, ohne sich weit aus<br />

seinem Kreise zu rühren, von der Oberfläche der Erde gewinnen kann, <strong>und</strong> war<br />

niemals auch nur versucht gewesen, Europa zu verlassen. (TV 447) (Hervorhebung<br />

von mir)<br />

20) Werner Frizen: a. a. O., S. 26: Frizen versucht meiner Ansicht nach <strong>das</strong> hier von<br />

Aschenbach Visionierte zu verharmlosen, während er <strong>das</strong> politisch Implizierte<br />

verdrängt oder nicht sehen will.


142 유럽사회문화 제8호<br />

Es ist kein bloßer Zufall, <strong>das</strong>s der Erzähler im Anschluss an die<br />

Visionserfahrung Aschenbachs, der gerade mit dem Todesboten konfrontiert<br />

wurde, den Begriff Europa/europäisch einführt, während er dessen problematisches<br />

Ich thematisiert. An diesem Zitat lässt sich ablesen, <strong>das</strong>s die Welt des<br />

Tropischen, die Aschenbach halluzinationsartig im Zeichen der Nicht-Vernunft<br />

sieht, die Negation des Europäischen bedeutet. Dies besagt, <strong>das</strong>s für <strong>das</strong><br />

Selbstbewusstsein Aschenbachs <strong>das</strong> Nicht-europäische als <strong>das</strong> <strong>Andere</strong><br />

entscheidend ist, also <strong>das</strong> Ausschließen des <strong>Andere</strong>n für sein Ich konstitutiv ist.<br />

In diesem Kontext wäre es zu sagen, <strong>das</strong>s sich der Künstler Aschenbach vor<br />

allem als <strong>Europäer</strong> identifiziert, der sich ausschließlich mit dem Europäischen<br />

befasst <strong>und</strong> befassen will: Für Aschenbach besteht die Welt bloß aus dem<br />

Europäischen <strong>und</strong> dem Nicht-europäischen, während sie gleichzeitig auf der<br />

Unterscheidung zwischen der Vernunft <strong>und</strong> der Nicht-Vernunft basiert. In<br />

diesem Zusammenhang ist es zu verstehen, <strong>das</strong>s Aschenbach jene für ihn als<br />

Gefahr zu geltende Reiselust “bald durch Vernunft <strong>und</strong> von jung auf geübte<br />

Selbstzucht” (TV 448) zu mäßigen <strong>und</strong> richtigzustellen sucht.<br />

Wenn sich <strong>das</strong> erste Kapitel der Novelle als Anzeichen für <strong>das</strong><br />

problematische Ich des Protagonisten im Rahmen des Prologs lesen lässt, dann<br />

gilt <strong>das</strong> zweite Kapitel als noch direktere Auseinandersetzung mit der<br />

Problematik. Es gilt jedoch hervorzuheben, <strong>das</strong>s es sich dabei in erster Linie<br />

nicht um die Künstlerfigur an sich handelt, auf deren Künstlertum <strong>das</strong><br />

Augenmerk gerichtet werden sollte. Das heißt, was Aschenbach als<br />

Protagonisten kennzeichnet, ist nicht seine künstlerische Genialität. Im<br />

Gegensatz zu dem absolut “genialen” 21) Adrian Leverkühn oder Hanno<br />

Buddenbrook “von einer nicht ganz gewöhnlichen Veranlagung” 22) stellt er kein<br />

Genie dar. Was Aschenbach als Künstler charakterisiert, dessen “Lieblingwort”<br />

21) Thomas Mann: Doktor Faustus. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VI. S. 9.<br />

22) Thomas Mann: Buddenbrooks. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. I. S. 619.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 143<br />

nach dem Erzähler “Durchhalten” (TV 451) sei, ist nichts anderes als seine<br />

“Willensdauer <strong>und</strong> Zähigkeit” (TV 452): <strong>Der</strong> Erzähler lobt ihn<br />

charakteristischerweise für dessen “Tapfer-Sittliche[s]”, während er darauf<br />

hinweist, “daß seine Natur von nichts weniger als robuster Verfassung <strong>und</strong> zur<br />

ständigen Anspannung nur berufen, nicht eigentlich geboren war” (TV 451).<br />

Diese Charakteristik darf aber keinesfalls als Hinweis auf die Zweitrangigkeit<br />

des Künstlers gelten lassen 23) . Sie macht vielmehr auf seine “Zucht” (TV 452),<br />

‘Selbstzucht’ aufmerksam, die explizit zum Ausdruck bringt, <strong>das</strong>s Aschenbach,<br />

der Verfasser “der leidenschaftlichen Abhandlung über ”<br />

(TV 450), als ein Vernunft-Subjekt betrachtet werden sollte.<br />

Was noch in diesem Kontext an der Figur Aschenbach von Belang ist, ist<br />

nicht nur sein Wesen als Vernunft-Subjekt, <strong>das</strong> “dem Geiste gefrönt” (TV 454)<br />

<strong>und</strong> “<strong>das</strong> Gefühl gezügelt <strong>und</strong> erkältet” (TV 449) hat. Die folgende Darstellung<br />

weist noch darauf hin, wer Aschenbach überhaupt ist oder warum er als<br />

Protagonist, als Held im Vordergr<strong>und</strong> steht:<br />

Gustav Aschenbach war der Dichter all derer, die am Rande der Erschöpfung<br />

arbeiten, der Überbürdeten, schon Aufgeriebenen, sich noch Aufrechthaltenden, all<br />

dieser Moralisten der Leistung, die, [...], durch Willensverzückung <strong>und</strong> kluge<br />

Verwaltung sich wenigstens eine Zeitlang die Wirkungen der Größe abgewinnen.<br />

Ihrer sind viele, sie sind die Helden des Zeitalters. Und sie alle erkannten<br />

sich wieder in seinem Werk, sie fanden sich bestätigt, [...]. (TV 453f.) (Hervorhebung<br />

von mir)<br />

Hier ist vom “Heldentum” (TV 453) die Rede, während darauf hingewiesen<br />

wird, in welchem Sinne Aschenbach die Heldenrolle der Geschichte spielt: Es<br />

23) Es ist ohne Zweifel davon die Rede, <strong>das</strong>s “die Nation” seine “Meisterschaft” ehrt (TV 449).


144 유럽사회문화 제8호<br />

geht um die Repräsentanz. Das Zitat macht zunächst deutlich, <strong>das</strong>s der<br />

Künstler Aschenbach stellvertretend für die Helden/Menschen seiner Zeit steht.<br />

<strong>Der</strong> Erzähler führt die “breite <strong>und</strong> tiefe Wirkung” des “Geistesprodukt[es]” (TV<br />

452) (von Aschenbach) in der Gesellschaft eindeutig auf die “Übereinstimmung<br />

zwischen dem persönlichen Schicksal seines Urhebers <strong>und</strong> dem allgemeinen<br />

des mitlebenden Geschlechtes” (TV 452) zurück.<br />

Bei dieser Repräsentanz handelt es sich jedoch nicht bloß um <strong>das</strong> allgemeine<br />

Künstlerbild Thomas Manns, nach dem der Künstler “überindividuelle<br />

Bedeutung hat wie der Fürst.” 24) Aschenbach, dessen Bewusstsein, wie <strong>das</strong> erste<br />

Kapitel zeigt, von der Unterscheidung zwischen dem Europäischen <strong>und</strong> dem<br />

Nicht-europäischen lebt, soll den <strong>Europäer</strong> im Allgemeinen repräsentieren, der<br />

vor allem im Zeichen des Politischen zu identifizieren ist. In diesem Sinne<br />

richtet sich <strong>das</strong> Problembewusstsein des Autors meines Erachtens weniger auf<br />

<strong>das</strong> “Wesen <strong>und</strong> Gepräge des Künstlertums” (TV 494) als auf die Krise des<br />

<strong>Europäer</strong>s. Dieser <strong>Europäer</strong> ist für Thomas Mann in Gefahr, befindet sich am<br />

Rande des Verfalls. Dem Autor geht es darum, diesen <strong>Europäer</strong> zu<br />

diagnostizieren, <strong>das</strong> heißt, ihn im kritischen Zustand zu zeigen. Was sich im ersten<br />

<strong>und</strong> zweiten Kapitel der Novelle abzeichnet, ist <strong>das</strong> Krisenbewusstsein des Autors,<br />

für dessen Weltanschauung die Unterscheidung, also die Gegenüberstellung<br />

‘europäisch/nicht-europäisch’ die entscheidende Rolle spielt.<br />

Im folgenden soll aufgezeigt werden, <strong>das</strong>s <strong>und</strong> wie <strong>das</strong> im Süden des<br />

Europas liegende Venedig als Surrogat für <strong>das</strong> Nicht-europäische die Welt des<br />

<strong>Andere</strong>n repräsentiert, in der <strong>das</strong> europäische Subjekt dem Tode verfällt.<br />

24) Werner Frizen: a. a. O., S. 14.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 145<br />

III. <strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong><br />

III. 1. Venedig oder <strong>das</strong> Land des <strong>Andere</strong>n<br />

Noch in der 1903 erschienenen Novelle Tonio Kröger sieht Italien nicht sehr<br />

gefährlich aus, obwohl der Protagonist Tonio Kröger, der “verirrte[] Bürger” 25) ,<br />

sagt, <strong>das</strong>s er die “fürchterlich lebhaften Menschen dort unten mit dem<br />

schwarzen Tierblick nicht leiden” 26) mag. Diese Abneigung gegen den<br />

europäischen Süden oder seine “nördliche Neigung” 27) lässt sich quasi im<br />

Nord-Süd-Konflikt 28) , der für den Autor nichts anderes als die ästhetische<br />

Künstlerproblematik darstellt, verstehen, was zu einem Gemeinplatz der<br />

Thomas-Mann-Forschung gehört. Aber in der Venedig-Novelle verkörpert<br />

Italien in einem ganz anderen Kontext einen tödlichen Ort, <strong>und</strong> es ist zu sagen,<br />

<strong>das</strong>s sich die Bedeutung der Stadt Venedig keinesfalls im Schauplatz der<br />

“tragische[n] Verirrung eines Künstlers” 29) erschöpft.<br />

Im Hinblick auf die Frage, warum Venedig der Spielort der tragischen<br />

Verfallsgeschichte sein sollte, weist Werner Frizen schon mit Recht auf deren<br />

“Beziehungsreichtum als Schnittstelle zwischen Ost <strong>und</strong> West” 30) hin. Als alte<br />

Hafen- <strong>und</strong> Handelsstadt stellt die Stadt für Thomas Mann, so Frizen, den<br />

multikulturellen Raum dar, der dem Fremden sozusagen als Eingang ins<br />

Europa dient. Er macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, <strong>das</strong>s der<br />

Nord-Süd-Gegensatz beim frühen Thomas Mann jetzt auf Ost-West-<br />

25) Thomas Mann: Tonio Kröger. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VIII. S. 305.<br />

26) Thomas Mann: Tonio Kröger, a. a. O., S. 306.<br />

27) Ebd.<br />

28) Vgl. Werner Frizen: a. a. O., S. 40; Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche-Werk-<br />

Wirkung. 2. Aufl. 1991, S. 99.<br />

29) Hans R. Vaget: a. a. O., S. 587.<br />

30) Werner Frizen: a. a. O., S. 40.


146 유럽사회문화 제8호<br />

Antagonismus verlagert wird 31) . Zu beachten ist, <strong>das</strong>s sich Frizen dabei<br />

ausschließlich auf <strong>das</strong> Mythologische konzentriert, während er sich auf die alte,<br />

europäische Tradition beruft. Frizen stellt Thomas Mann entpolitisierend in<br />

Bezug auf den Ost-West-Konflikt bloß in die alte “antike Tradition, für die<br />

schon die Abwehr der Perser durch die Griechen gleichbedeutend war mit der<br />

Rettung der europäischen Zivilisation vor der Dämonie Asiens” 32) . Meines<br />

Erachtens stellt er bewusst oder unbewusst nicht die wichtige Frage, ob dieser<br />

Antagonismus quasi ‘politically correct’ wäre.<br />

Ich gehe davon aus, <strong>das</strong>s dieser in der Novelle thematisierte Ost-West-<br />

Antagonismus im politischen Kontext gelesen werden soll. Das bedeutet, <strong>das</strong>s<br />

der Antagonismus nicht im Zeichen der alten Tradition gelesen werden darf.<br />

<strong>Der</strong> in der Novelle dargestellte Ost-West-Antagonismus spiegelt den<br />

Bewusstseinsinhalt des durchschnittlichen <strong>Europäer</strong>s der Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

wider. Was sich in der Verfallsgeschichte ablesen lässt, ist nichts anderes als<br />

<strong>das</strong> Krisenbewusstsein des modernen <strong>Europäer</strong>s, in dessen Bewusstsein<br />

Eurozentrismus herrscht, der von einer im Sinne von Edward Said<br />

orientalistischer Ost-West-Dichotomie geprägt ist 33) .<br />

Wie wird also die Stadt Venedig als <strong>das</strong> Land des <strong>Andere</strong>n, des<br />

“Bezugslose[n]” (TV 457) dämonisiert, in <strong>das</strong> der europäische Held Aschenbach<br />

anhand des Teufelspaktes 34) gelangt?<br />

31) Vgl. Werner Frizen: a. a. O., S. 40f.<br />

32) Werner Frizen: a. a. O., S. 40.<br />

33) Für Said bedeutet Orientalismus “a style of thought based upon an ontological and<br />

epistemological distinction between the ‘Orient’ and (most of the time) the ‘Occident’”<br />

(Edward Said: Orientalism. London 1978, S. 2.), während er nichts anderes als “product<br />

of certain political forces and activities” (Edward Said: Orientalism, a. a. O., S. 203)<br />

ist. Es gilt zu betonen, <strong>das</strong>s er in dem Orient vom Orientalismus “a system of<br />

representations framed by a whole set of forces that brought the Orient into Western<br />

learning, Western consciousness, and later, Western empire”(Edward Said: Orientalism,<br />

a. a. O., S. 203f.) sieht.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 147<br />

Um aus Venedig ein Land des <strong>Andere</strong>n zu machen, setzt der Autor zunächst<br />

<strong>das</strong> Klima als <strong>das</strong> Nicht-europäische ein. Er weist wiederholt auf den<br />

tropischen “Scirocco” (TV 509) hin, der von Afrika stammend die Stadt in<br />

seine Gewalt zu nehmen scheint. In Venedig ist schon realisiert, was die<br />

Begierde Aschenbachs am Anfang der Geschichte anfallsmäßig im Zeichen der<br />

Vision sieht. “Lau angerührt vom Hauch des Scirocco” (TV 464) ist Venedig<br />

nicht mehr die sichere “Wasserstadt” (TV 464) des zivilisierten Europas. “Eine<br />

widerliche Schwüle” (TV 480), die die ganze Stadt beherrscht, <strong>und</strong> “die faul<br />

riechende Lagune”(TV 479) besagen, <strong>das</strong>s die Stadt nichts anderes als “ein<br />

tropisches Sumpfgebiet unter dickdunstigem Himmel” (TV 447) ist, wo die<br />

tödliche Krankheit floriert. Es ist in diesem Kontext von großer Bedeutung zu<br />

betrachten, wovon gerade über die Venedig erkrankende, fatale Cholera die<br />

Rede ist.<br />

Seit mehreren Jahren schon hatte die indische Cholera eine verstärkte Neigung<br />

zur Ausbreitung <strong>und</strong> Wanderung an den Tag gelegt. Erzeugt aus den warmen<br />

Morästen des Ganges-Deltas, aufgestiegen mit dem mephitischen Odem jener<br />

üppiguntauglichen, von Menschen gemiedenen Urwelt- <strong>und</strong> Inselwildnis, in deren<br />

Bambusdickichten der Tiger kauert, hatte die Seuche in ganz Hindustan<br />

andauernd <strong>und</strong> ungewöhnlich heftig gewütet, hatte östlich nach China, westlich<br />

nach Afghanistan <strong>und</strong> Persien übergriffen <strong>und</strong>, den Hauptstraßen des<br />

Karawanenverkehrs folgend, ihre Schrecken bis Astrachan, ja selbst bis Moskau<br />

getragen. (TV 512)<br />

34) Werner Frizen sieht in dem “ziegenbärtige[n] Mann” (TV 458) des Polesaner Schiffs,<br />

der Aschenbach einen Fahrschein nach Venedig verkauft <strong>und</strong> dessen Haltung “etwas<br />

Betäubendes <strong>und</strong> Ablenkendes” (TV 459) hat, die Mephistofigur: Vgl. Werner Frizen: a.<br />

a. O., S. 39.


148 유럽사회문화 제8호<br />

Es ist hier nicht nur vom tropischen Indien 35) als dem Ursprung der<br />

Krankheit die Rede 36) , sondern vom ganzen Asien als dem verseuchten Raum,<br />

der <strong>das</strong> ganze Europa bedroht. Was hierbei entscheidend ist, ist die ideelle<br />

Gegenüberstellung von Europa <strong>und</strong> Asien/Afrika, die anhand der orientalistischen<br />

Klischees funktioniert.<br />

In diesem Zusammenhang ist es kennzeichnend, <strong>das</strong>s der Erzähler von der<br />

“Pracht des morgenländischen Tempels” (TV 501) redet <strong>und</strong> <strong>das</strong>s es<br />

“[a]rabische Fensterumrahmungen” (TV 502) sind, die sich vor den Augen des<br />

Aschenbach in der faulen, “erkrankten Stadt” (TV 501) abzeichnen. Wichtig ist<br />

es auch zu betrachten, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Slawische im selben Zeichen des<br />

Nicht-europäischen, d. h. des Bedrohlichen steht. Im Unterschied zu den<br />

Engländern, Deutschen oder Amerikanern gehören Russen <strong>und</strong> Polen hier für<br />

den Autor definitiv zu dem Asien, <strong>und</strong> in diesem Kontext ist es zu verstehen,<br />

<strong>das</strong>s er unter den Touristen um Aschenbach in Venedig eindeutig den<br />

“slawische[n] Bestandteil” “vor[]herrschen” (TV 469) lässt. Das ist gar kein<br />

Zufall, wenn man an die “de[n] Osten <strong>und</strong> die Krankheit” 37) verkörpernde<br />

Russin Madame Chauchat mit “Kirgisenaugen” 38) vom Zauberberg denkt, die<br />

für den Helden Hans, den Thomas Mann als den “Sohn des Westens, des<br />

göttlichen Westens” 39) konzipiert, in diesem Roman “<strong>das</strong> asiatische Prinzip” 40)<br />

35) Es gilt anzumerken, <strong>das</strong>s Indien auch im Roman Doktor Faustus als Ursprungort der für<br />

den Protagonisten fatalen Syphilis bestimmt wird: Vgl. Thomas Mann: Doktor Faustus,<br />

a. a. O., S. 309.<br />

36) Dass man <strong>das</strong> obige Ganges-Delta-Zitat nur auf den Dionysos-Mythos bezieht, wie z. B.<br />

Terence James Reed, finde ich unzulänglich. Vgl. Terence James Reed: Zur Deutung<br />

der Novelle ["<strong>Der</strong> Tod in Venedig"]. In: Heinrich Detering (Hrsg.): Thomas Mann.<br />

Neue Wege der Forschung, a. a. O., S. 42-59: 48.<br />

37) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. III, S. 697.<br />

38) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 206.<br />

39) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 339.<br />

40) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 221.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 149<br />

repräsentiert 41) . Das im Zauberberg als <strong>das</strong> Kranke dargestellte, asiatische<br />

Prinzip kann ohne weiteres für die Venedig-Novelle gelten. Was heißt also<br />

ideell <strong>das</strong> bedrohliche Asiatische, <strong>das</strong> in Venedig, in diesem Sumpfgebiet<br />

herrscht?<br />

Im Zauberberg stellt Europa “<strong>das</strong> Land der Rebellion, der Kritik <strong>und</strong> der<br />

umgestaltenden Tätigkeit dar, während der östliche Erdteil die Unbeweglichkeit,<br />

die untätige Ruhe verkörpert[].” 42) Dies bedeutet vor allem, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> asiatische<br />

Prinzip die Verneinung der Zeit <strong>und</strong> der Geschichte ist 43) , während es mit dem<br />

“Prinzip der Unvernunft” 44) identisch ist. Dass es für Thomas Mann zwischen<br />

dem “von einem stehenden Jetzt” 45) beherrschten, also asiatischen Zauberberg<br />

<strong>und</strong> dem tropischen, “andere[n] Venedig” (TV 461) keinen Unterschied gibt,<br />

zeigt die folgende Darstellung:<br />

Stand nicht geschrieben, daß die Sonne unsere Aufmerksamkeit von den<br />

Intellektuellen auf die sinnlichen Dinge wendet? Sie betäube <strong>und</strong> bezaubere, hieß<br />

es, Verstand <strong>und</strong> Gedächtnis dergestalt, daß die Seele vor Vergnügen ihres<br />

41) Settembrini, der Mentor des Helden, spricht wie folgt, während er <strong>das</strong> Asiatische gegen<br />

<strong>das</strong> Europäische ausspielt: “Reden Sie nicht, wie es in der Luft liegt, junger Mensch,<br />

sondern wie es Ihre europäische Lebensform angemessen ist! Hier liegt vor allem viel<br />

Asien in der Luft, - nicht umsonst wimmelt es von Typen aus der moskowitischen<br />

Mongolei! Diese Leute [...] richten Sie sich innerlich nicht nach ihnen, lassen Sie sich<br />

von ihren Begriffen nicht infizieren, setzen Sie vielmehr Ihr Wesen, Ihr höheres Wesen<br />

gegen <strong>das</strong> ihre, [...].” (Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 339.) (Hervorhebung<br />

von Thomas Mann) Settembrini ist in diesem Kontext als ein prototypischer <strong>Europäer</strong><br />

anzusehen, in dessen Bewusstsein Orientalismus im Sinne von Edward Said herrscht.<br />

42) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 221.<br />

43) Edward Said schreibt: “The very possibility of divelopment, transformation, human<br />

movement - in the deepest sense of the word - is denied the Orient and the Oriental.<br />

As a known and ultimately an immobilized or unproductive quality, they come to be<br />

identified with a bad sort of eternality.” (Edward Said: Orientalism, a. a. O., S. 208.)<br />

44) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 848.<br />

45) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 258.


150 유럽사회문화 제8호<br />

eigentlichen Zustandes ganz vergesse [...]. (TV 490)<br />

Es ist klar, was hier an die Stelle des verneinten Verstandes <strong>und</strong><br />

Gedächtnises tritt. Das ‘andere’ Venedig ist <strong>das</strong> bedrohliche Land der Nicht-<br />

Vernunft <strong>und</strong> Nicht-Geschichte, wo der Held des Westens seine Identität als<br />

<strong>Europäer</strong> verliert 46) . Im folgenden soll in diesem Zusammenhang aufgezeigt<br />

werden, wie der Tod des Protagonisten der Geschichte dargestellt wird,<br />

während er sich auf <strong>das</strong> Fremde einlässt.<br />

III. 2. <strong>Der</strong> Tod des <strong>Europäer</strong>s<br />

Die Welt, die der Held des Europas, um “über Nacht <strong>das</strong> Unvergleichliche,<br />

<strong>das</strong> märchenhaft Abweichende zu erreichen” (TV 457), betritt, ist ein von dem<br />

Tödlichen, dem Nicht-europäischen verseuchtes Land. <strong>Der</strong> Prozess des Verfalls<br />

des Helden in diesem Land stellt vor allem den des Verlustes der Vernunft dar.<br />

Dass Hans Castorp vom Zauberberg aufgr<strong>und</strong> der “Schwäche für <strong>das</strong><br />

Asiatische” 47) , d. h. der Liebe zu der kranken Russin, die <strong>das</strong> ‘Prinzip der<br />

Unvernunft’ darstellt, den verseuchten Berg nicht verlässt, gilt auch für<br />

Aschenbach, welcher der fatalen Liebe verfällt <strong>und</strong> <strong>das</strong> tödliche Sumpfgebiet<br />

nicht verlassen will. Es lässt sich sagen, <strong>das</strong>s an die Stelle der Russin bloß ein<br />

polnischer Knabe getreten ist. Die Slawen Chauchat <strong>und</strong> Tadzio verkörpern<br />

<strong>das</strong>selbe “Prinzip der Krankheit <strong>und</strong> des Todes” 48) : Wie Hans Castorp von der<br />

gefährlichen Liebe zur kranken Frau Bescheid weiß, ist Aschenbach bewusst,<br />

46) Wie folgt äußert Settembrini vom Zauberberg <strong>das</strong> Krisenbewusstsein des <strong>Europäer</strong>s:<br />

“Asien verschlingt uns. Wohin man blickt: tatarische Gesichter.” (Thomas Mann: <strong>Der</strong><br />

Zauberberg, a. a. O., S. 337.)<br />

47) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 811.<br />

48) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 350.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 151<br />

<strong>das</strong>s der Knabe “wahrscheinlich nicht alt werden” (TV 479) wird. Was der<br />

polnische Knabe, der “etwas zugleich Süßes <strong>und</strong> Wildes” (TV 478) hat, für<br />

den deutschen Aschenbach bedeutet, zeigt die folgende Darstellung:<br />

Aschenbach verstand nicht ein Wort von dem, was er [Tadzio] sagte, <strong>und</strong><br />

mochte es <strong>das</strong> Alltäglichste sein, es war verschwommener Wohllaut in seinem<br />

Ohr. So erhob Fremdheit des Knaben Rede zur Musik, eine übermütige Sonne<br />

goß verschwenderischen Glanz über ihn aus, <strong>und</strong> die erhabene Tiefsicht des<br />

Meeres war immer seiner Erscheinung Folie <strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>. (TV 489)<br />

Hier ist abzulesen, <strong>das</strong>s der Erzähler unmissverständlich darauf hinweist,<br />

<strong>das</strong>s bei der Anziehung, die Tadzio auf Aschenbach ausübt, <strong>das</strong> ‘Bezugslose’,<br />

d. i. <strong>das</strong> Fremde, <strong>das</strong> nur im Hinblick auf <strong>das</strong> Europäische ihre Bedeutung<br />

erhält, eine wichtige Rolle spielt. Das Zitat zeigt dabei eindeutig, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Fremde, <strong>das</strong> Tadzio für Aschenbach verkörpert, auf die Verneinung der<br />

Vernunft verweist, wenn die Musik hier im Zeichen der Verneinung des Logos<br />

steht 49) . Aschenbachs Liebe zu Tadzio bedeutet in diesem Zusammenhang den<br />

“Hang[] zum Ungegliederten, Maßlosen, Ewigen” (TV 475), <strong>das</strong> Thomas Mann<br />

im Zauberberg definitiv unter dem Asiatischen subsumiert: <strong>Der</strong> schöne Tadzio<br />

ist wie Chauchat ein ‘icon’ für <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>/Asiatische.<br />

<strong>Der</strong> vom Fremden eroberte Aschenbach ist “der Betörte” (TV 501), der sich<br />

wie Hans Castorp von einem “Ferienabenteuer, <strong>das</strong> vor dem Tribunal der<br />

Vernunft - seines eigenen vernünftigen Gewissens - keinerlei Anspruch auf<br />

Billigung erheben” 50) kann, nicht befreien kann. <strong>Der</strong> Erzähler beschreibt den<br />

49) Vgl. zur Bedeutung der Musik: “Choral-Akkorde klangen gedämpft herüber, <strong>und</strong> Hans<br />

Castorp, der Musik von Herzen liebte, da sie ganz ähnlich auf ihn wirkte wie sein<br />

Frühstücksporter, nämlich tief beruhigend, betäubend, zum Dösen überedend, lauschte<br />

wohlgefällig,[...].” (Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 57f.)


152 유럽사회문화 제8호<br />

der Nicht-Vernunft verfallenen “Abenteuernden” (TV 503) folgendermaßen, der<br />

“erhitzt <strong>und</strong> erschöpft” (TV 501) seine tödliche Liebe im Zeichen “des<br />

Rausches” (TV 503) verfolgt:<br />

Dennoch kann man nicht sagen, daß er litt. Haupt <strong>und</strong> Herz waren ihm<br />

trunken, <strong>und</strong> seine Schritte folgten den Weisungen des Dämons, dem es Lust ist,<br />

des Menschen Vernunft <strong>und</strong> Würde unter seine Füße zu treten. (TV 502)<br />

Das Zitat besagt, worum es für den Autor beim Tod seines Protagonisten in<br />

Venedig geht. Sein Tod darf nicht bloß als der eines Ästheten problematisiert<br />

werden. Hier ist die Rede von dem vom <strong>Europäer</strong> repräsentierten Menschen<br />

überhaupt, der sich in Gefahr befindet, die doch politisch zu bestimmen sein<br />

soll. Aschenbachs Verfallsgeschichte in Venedig soll als Problem des<br />

<strong>Europäer</strong>s gelesen werden, der in der europäischen Moderne als Subjekt der<br />

‘Geschichte’ <strong>und</strong> der ‘Zeit’ konzipiert wird, wie Settembrini vom Zauberberg<br />

wie folgt behauptet:<br />

Wo viel Raum ist, da ist viel Zeit, - man sagt ja, daß sie [Russen/Asiaten] <strong>das</strong><br />

Volk sind, <strong>das</strong> Zeit hat <strong>und</strong> warten kann. Wir <strong>Europäer</strong>, wir können es nicht. Wir<br />

haben so wenig Zeit, wie unser edler <strong>und</strong> zierlich gegliederter Erdteil Raum hat,<br />

wir sind auf genaue Bewirtschaftung des einen wie des anderen angewiesen, auf<br />

Nutzung, Nutzung, Ingenieur! [...] Die Zeit ist eine Göttergabe, dem Menschen<br />

verliehen, damit er sie nutze - sie nutze, Ingenieur, im Dienste des<br />

Menschheitsfortschritts. 51)<br />

Settembrini, den <strong>das</strong> Bewusstsein der europäischen Moderne beherrscht,<br />

50) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 203.<br />

51) Thomas Mann: <strong>Der</strong> Zauberberg, a. a. O., S. 339f.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 153<br />

äußert hier klar, wer der Herr der Geschichte der Menschheit ist. Dieser Herr kann<br />

aber nur im Blick auf den Fremden, d. i. den Nicht-<strong>Europäer</strong>, den <strong>das</strong> Leben im<br />

Modus der Nicht-Geschichte <strong>und</strong> Nicht-Vernunft führt, seine Identität finden.<br />

Das in der Venedig-Novelle zu lesende Krisenbewusstsein reflektiert nicht<br />

bloß <strong>das</strong> persönliche des Autors, <strong>das</strong> sich im Rahmen seines autobiographischen<br />

Werdeganges verstehen lässt. Das Krisenbewusstsein soll als politischer<br />

Ausdruck westlicher Hegemonie verstanden werden. Die in dieser Novelle<br />

zentrale Repräsentanz-Problematik 52) soll über die schriftstellerischen <strong>und</strong><br />

persönlichen Aspekte hinaus im politischen Kontext betrachtet werden, der vor<br />

allem auf den Aspekt des von Kolonialismus, Rassismus <strong>und</strong> Imperialismus<br />

geprägten Eurozentrismus verweist. Und was es an dieser Stelle anzumerken<br />

gilt, ist, <strong>das</strong>s der Eurozentrismus <strong>das</strong> Werk Thomas Manns, der sich als<br />

unpolitisch hält, als roter Faden durchzieht.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Primärliteratur<br />

Mann, Thomas: Buddenbrooks. In: Gesammelte Werke in Dreizehn Bänden. Frankfurt<br />

a. M. 1990, Bd. I.<br />

Mann, Thomas: Tonio Kröger. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VIII.<br />

Mann, Thomas: Betrachtung eines Unpolitischen. In: Gesammelte Werke, a. a. O.,<br />

Bd. XII, S. 7-589.<br />

Mann, Thomas: <strong>Der</strong> Tod in Venedig, In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VIII.<br />

52) Dazu siehe z. B. Oliver Jahraus: Die Geburt des Klassikers aus dem Tod der Figur.<br />

Autorschaft diesseits <strong>und</strong> jenseits des Textes. <strong>Der</strong> Tod in Venedig von Thomas Mann.<br />

In: Michael Ansel [u. a.] (Hrsg.): Die Erfindung des Schriftstellers Thomas Mann.<br />

Berlin 2009, S. 219-235: 219ff.


154 유럽사회문화 제8호<br />

Mann, Thomas: <strong>Der</strong> Zauberberg. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. III.<br />

Mann, Thomas: Bruder Hitler (1939). In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XII, S.<br />

845-852.<br />

Mann, Thomas: [On Myself] (1940) In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XIII, S.<br />

127-169.<br />

Mann, Thomas: Doktor Faustus. In: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. VI.<br />

2. Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

Dierks, Manfred: Kultursymbolik <strong>und</strong> Seelenlandschaft: ≫Ägypten≪ als Projektion.<br />

In: Heinrich Detering (Hrsg.): Thomas Mann. Neue Wege der Forschung.<br />

Darmstadt 2008, S. 98-117.<br />

Frizen, Werner: Thomas Mann. <strong>Der</strong> Tod in Venedig. 2 Aufl. München: Oldenbourg<br />

1993.<br />

Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Epoche-Werk-Wirkung. 2. Aufl. 1991.<br />

Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk. Eine Biographie. 4.<br />

Aufl. Frankfurt a. M. 2005.<br />

Reed, Terence James: Zur Deutung der Novelle ["<strong>Der</strong> Tod in Venedig"]. In:<br />

Heinrich Detering (Hrsg.): Thomas Mann. Neue Wege der Forschung, a.<br />

a. O., S. 42-59.<br />

Said, Edward: Orientalism. London 1978.<br />

Vaget Hans R.: <strong>Der</strong> Tod in Venedig. In: H. Koopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch.<br />

3 Aufl. Stuttgart: Kröner 2001, S. 580-591.


<strong>Der</strong> Europ er <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Andere</strong>ㆍHong, Kil-Pyo 155<br />

국문요약<br />

유럽인과 타자<br />

- 토마스 만의 베니스에서의 죽음과 유럽중심주의<br />

홍길표(연세대)<br />

베니스에서의 죽음은 토마스 만에 의하면 그의 전체 작품에서 중요<br />

한 ‘전환기’를 의미하며 한 시기의 끝에 위치하는데, 이 시기를 지배하는<br />

열쇠말은 데카당스와 예술가 문제라고 한다. 즉베니스에서의 죽음은 그<br />

의 첫 소설 부덴브로크 가의 사람들이래 그가 천착해온 이 문제의 완결<br />

판이라는 것이다. 그는 이 단편소설의 ‘대립작품’으로 구상된 마의 산을<br />

“개인적 아픔의 세계로부터 사회적이며 인간적인 도덕성의 새로운 세계<br />

로 나아가는 길”이라 칭하며 ‘베니스-소설’을 아직 치명적인 “죽음의 매<br />

혹”이, “도취적 무질서의 승리”가 지배하는 비극적인 소설로 읽을 것을 요<br />

구한다. 그의 정치적 의식의 변화 및 발전은 - 무엇보다도 토마스 만의 자<br />

기이해에 의하면 - 제 1차 세계 대전 이후인 1919년에 가서야 이루어진다<br />

는 것을 감안한다면 이 베니스-소설은 ‘비정치적’ 작가의 ‘위험한’ 시기의<br />

결과물인 셈이다. 하지만 토마스 만의 이 자기이해와 자기해석에서 중요<br />

한 것은 그가 이 작품을 분명히 자기비판 혹은 자아성찰의 차원에서 나온<br />

결과물로 본다는 것이다. 여기서 주목해야하는 두 가지 점은 작가는 이 작<br />

품의 비정치성과 성찰성을 동시에 강조한다는 점이다. 대부분의 연구자들<br />

또한 이것을 작품해석의 출발점으로 삼으면서 이 비정치적이고자 하는 작<br />

품을 작가의 자전적 시각에서 그리고 무엇보다도 유럽의 전통적인 신화적<br />

시각에서 해석하고자 한다.<br />

본고의 목표는 이 베니스-소설의 비정치성 안에 내재되어있는 정치성<br />

을, 성찰성 안에 내재되어있는 맹목을 읽어내는 것이다. 이 소설을 지배하<br />

는 것은 무엇보다도 유럽과 비유럽/타자의 구별에 기초하는, 결코 비정치


156 유럽사회문화 제8호<br />

적이지 않은 유럽중심주의라고 할 수 있다. 소설의 주인공은 전형적인 예<br />

술가를 재현한다기보다는 유럽중심주의적 시각에서 만들어진 ‘영웅’이라<br />

할 수 있다. 본고는 작가 토마스 만이 유럽중심주의적 시각에서 이 주인공<br />

/영웅을 통해 만들어내고자 하는 유럽인의 정체성을 살펴보며 작가가 비<br />

유럽을 재현하기위해 유럽의 남부 베니스를 어떻게 타자화하는지 고찰하<br />

고자한다.<br />

주제어 : 토마스 만 (Thomas Mann), 베니스에서의 죽음 (<strong>Der</strong> Tod in Venedig),<br />

유럽중심주의 (Eurozentrismus), 오리엔탈리즘 (Orientalismus), 타자<br />

(<strong>das</strong> <strong>Andere</strong>)<br />

(논문투고일: 2012.04.25. / 심사일: 2012.05.03. / 심사완료일: 2012.05.10.)

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