Der Europäer und das Andere
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136 유럽사회문화 제8호<br />
Im Hinblick auf Deutungen dieses Werkes gilt mein Interesse zunächst<br />
seinem Selbstkommtar, wobei betont werden sollte, <strong>das</strong>s Autobiographisches an<br />
sich nicht im Zentrum dieser Betrachtung steht. Nach Thomas Mann ist also<br />
die Venedig-Novelle als “Zeitenwende” in der Geschichte seines Werkes zu<br />
verstehen, während sie “ein Letztes <strong>und</strong> Äußerstes, einen Abschluß” bedeutet. 4)<br />
Das heißt, die Novelle lässt sich als “die moralisch <strong>und</strong> formal zugespitzteste<br />
<strong>und</strong> gesammelteste Gestaltung des Decadence- <strong>und</strong> Künstlerproblems” deuten,<br />
“in dessen Zeichen seit >Buddenbrooks< [s]eine Produktion gestanden hatte,<br />
<strong>und</strong> <strong>das</strong> mit dem >Tod in Venedig< tatsächlich ausgeformt war.” 5) Thomas<br />
Mann macht noch klarer, worum es sich in der Novelle handelt, indem er sie<br />
im Blick auf ihr Konzept mit seinem Roman <strong>Der</strong> Zauberberg vergleicht. <strong>Der</strong><br />
Roman, der ihm zufolge weitgehend als “ein romantisches Buch, ein Buch der<br />
Sympathie mit dem Tod” 6) gelesen werden sollte, sei doch als ein<br />
“Gegenstück” 7) zur Venedig-Novelle konzipiert worden, <strong>und</strong> zwar in dem<br />
Sinne, <strong>das</strong>s es den “Weg hinaus aus einer individuellen Schmerzenswelt in eine<br />
Welt neuer sozialer <strong>und</strong> menschlicher Moralität” 8) markiere. Das heißt, die<br />
Novelle schildere nichts anderes als die “Faszination des Todes, de[n] Triumph<br />
rauschhafter Unordnung über ein der höchsten Ordnung geweihtes Leben” 9) ,<br />
wobei es nicht vergessen werden darf, <strong>das</strong>s sie für den Autor, wie erwähnt,<br />
‘ein Letztes <strong>und</strong> Äußerstes, einen Abschluß’ bedeutet. Dies besagt vor allem,<br />
<strong>das</strong>s die Novelle im Zeichen der Selbstkritik gelesen werden sollte, die im<br />
4) Thomas Mann: [On Myself] (1940) In: Gesammelte Werke in Dreizehn Bänden.<br />
Frankfurt a. M. 1990, Bd. XIII, S. 127-169: 151. Zum biographischen <strong>und</strong> werkgeschichtlichen<br />
Kontext vergleiche auch u. a. Hermann Kurzke: Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk.<br />
Eine Biographie. 4. Aufl. Frankfurt a. M. 2005, S. 193ff.<br />
5) Thomas Mann: ebd.<br />
6) Thomas Mann: a. a. O., S. 152.<br />
7) Thomas Mann: a. a. O., S. 155.<br />
8) Thomas Mann: a. a. O., S. 152.<br />
9) Thomas Mann: a. a. O., S. 155.