Re-Education Zeitung.pdf - hebbel am ufer
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FREITAG, 18. JANUAR<br />
HOW nancy wished that everything was an<br />
april fool‘S joke<br />
20.30 UHR HAU ZWEI<br />
s<strong>am</strong>sTAG, 19. JANUAR<br />
DEMOCRAZY/TRAILER FOR A REMAKE OF GORE VIDAL’S CALIGULA<br />
VIDEOS UND LECTURE<br />
19.00 UHR HAU EINS<br />
Francesco Vezzoli, Mailand<br />
Francesco Vezzoli spielt in seinen Arbeiten auf der Klaviatur der Medien.<br />
„You too can be like us“ bekommt im Kontext seiner auf der Biennale in Venedig<br />
2007 erstmals gezeigten Arbeit „Democrazy“ einen völlig neuen Klang. In<br />
einer dem Oval Office nachempfundenen Installation treten zwei fiktive Kandidaten<br />
gegeneinander an. Beide wollen ins Weiße Haus einziehen und<br />
benutzen dafür wohlbekannte Slogans von „Freedom“ bis „Democracy“. „Crazy“<br />
scheint an den Filmen eigentlich nichts zu sein, nicht einmal die Präsenz<br />
von Sharon Stone, hat der Wechsel vom Schauspiel ins ernste Politikfach in<br />
den USA doch eine wohl etablierte Tradition. Was zählt sind nicht die politischen<br />
Progr<strong>am</strong>me, es zählt die Medienwirks<strong>am</strong>keit der Kandidaten, die Strategien<br />
von Marketingexperten, die Wirkmächtigkeit der Slogans.<br />
Im HAU zeigt Vezzoli neben „Democrazy“ noch den „Trailer for a <strong>Re</strong>make of<br />
Gore Vidals ‚Caligula‘“ und wird anschließend mit Holger Liebs von der<br />
Süddeutschen <strong>Zeitung</strong> über seine Arbeit sprechen.<br />
Das Poster zu „Democrazy“ ist Cover dieser Progr<strong>am</strong>mzeitung.<br />
DAS INSTITUT FÜR ÜBERLEBENSSTRATEGIEN (IFÜ)<br />
19.00 BIS 22.00 UHR. EINLASS ALLE 15 MIN. HAU EINS<br />
<strong>Re</strong>gie: Rabih Mroué, Beirut<br />
Es erfordert Rabih Mroués erlesenen Sinn für Humor, zus<strong>am</strong>men mit Fadi Toufic<br />
den Libanonkrieg auf die Bühne zu bringen. Nicht, weil der <strong>Re</strong>gisseur und<br />
Schauspieler im Land der Zedern geboren ist, sondern weil er ein Gespür für<br />
die soziale Funktion des Theaters und eine surreale Ader für die Verwandlung<br />
von Fakten in Abstraktion hat und die harte und tragische Wahrheit auf eine<br />
sanfte und gefährliche Absurdität reduziert. Er hat keine Skrupel, schwierige<br />
Fragen zu stellen. Ausgelöst 1975 hat die Tragödie, die den glücklichen Hafen<br />
des Orients ergriff, im Verlauf von über dreißig Jahren die Form einer der<br />
schlimmsten Alpträume unserer Zeit angenommen: Der Zus<strong>am</strong>menbruch einer<br />
Gesellschaft, ihr Zerfall in gewalttätige Fraktionen, die mit der bereitwilligen<br />
Beteiligung aller monotheistischen <strong>Re</strong>ligionen einen Bandenkrieg auslöste,<br />
der durch Trägheit und zorngesteuerte Vervielfachung chronisch und endlos<br />
geworden ist.<br />
Die Portraits der „Märtyrer“ zieren seit vielen Jahren die Mauern Beiruts: Jetzt<br />
interagieren sie auf der Bühne, in Monologen voll Angst und Paradoxie, in<br />
einem prekären Gleichgewicht von Farce und Tragödie. In der Auseinandersetzung<br />
mit diesen wichtigen Fragen setzt Mroué den Akzent auf das Wesen<br />
des Theaters, auf die Beziehung zwischen Schauspieler und Publikum, den<br />
Einsatz von Technik als spektakulärem Medium und Instrument einer<br />
autoritären Medienstrategie, in einem Maß, das sein Werk als „Performance“<br />
gelten lässt, mit emblematischem Wert, nicht nur als kurzlebige Äußerung.<br />
thomas tode präsentiert re-education filme und atrocity<br />
pictures<br />
17.00 UHR HAU EINS<br />
harun farocki präsentiert seinen film „Aufschub“<br />
19.00 UHR HAU EINS<br />
anschl. Gespräch mit Harun Farocki und Thomas Tode<br />
(siehe S. 8-9)<br />
softcore<br />
18.00 UHR HAU drEI<br />
Lesung von Tirdad Zolghadr, berlin<br />
Tirdad Zolghadr ist Kunstkritiker, Kurator und Autor eines Romans.<br />
„Softcore“ spielt im zeitgenössischen Tehran. Dort gerät der Protagonist in allerlei<br />
Verstrickungen, während er versucht, in der Innenstadt eine einstige Cocktail<br />
Bar als Kunstgalerie wieder zu eröffnen. Zwischen Spionage Thriller und<br />
Kunstszenen Schlüsselroman situiert, erzählt „Softcore“ auch von den Tücken<br />
des Kulturtransfers. Die Lesung bezieht verschiedene Textpassagen auf Englisch<br />
mit ein, andere werden auf Deutsch gelesen.<br />
des Hebbel-Theaters dämmert! Erstmals wird sie nun der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht:<br />
Werden Sie Probant in der temporären Forschungsstation des IFÜ!<br />
Unser Forscherte<strong>am</strong> wird Ihnen helfen, Ihr demokratisches Denken zu testen!<br />
Waschen Sie Vergangenes ab und entwickeln Sie innovative Visionen für<br />
die Zukunft!<br />
Schauen Sie in den Spiegel und entdecken Sie Ihre neue Identität!<br />
Seien Sie Sie selbst, seien Sie wie wir!<br />
Wir zeigen Ihnen wie auch Sie ein Zertifikat mit Allgemeingültigkeit bekommen!<br />
we are, after all, at war – vortrag<br />
19.00 UHR HAU zwEI<br />
Richard Schechner<br />
anschl. Gespräch mit Frédéric Moser und Philippe<br />
Schwinger, Berlin<br />
BRICKNER CONFERENCE<br />
20.00 UHR HAU DREI<br />
Jackson Pollock Bar, Freiburg<br />
Grotest Maru: IFÜ, Fotograf: Falk Messerschmidt<br />
Abteilung Waschen und Sein<br />
Performance von GROTEST MARU, Berlin<br />
Ein Forscherte<strong>am</strong> begibt sich in urbane, soziale und ökonomische Brennpunkte<br />
und observiert das dort herrschende System. In einer interaktiven,<br />
multimedialen Performance werden die Forschungsergebnisse für das<br />
Publikum erlebbar.<br />
Im Rahmen des thematischen Wochenendes „<strong>Re</strong>–<strong>Education</strong>“ hat unser Forscherte<strong>am</strong><br />
für Sie eine neue Abteilung ans Licht geholt, die sonst im Verborgenen<br />
Es war Richard Brickner, der mit seinem Buch „Is Germany Incurable?“ eine<br />
Diskussion über die Behandlung Deutschlands nach dem Krieg in Gang setzte.<br />
Auf Basis des Ende 1944 erschienen „<strong>Re</strong>port of a Conference on Germany<br />
after the war“, der die Ergebnisse der geheimen Brickner Konferenzen von<br />
1944 zus<strong>am</strong>menfasste, rekonstruiert die Freiburger Gruppe Jackson Pollock<br />
Bar einen Konfernzverlauf. Richard Brickner, Talcott Parsons, Margaret<br />
Mead, Ruth Benedict und Erich Fromm diskutieren und kreieren die Geschicke<br />
Deutschlands nach 1945.<br />
ein geglücktes stück stunde null<br />
20.45 UHR HAU DREI<br />
Die Konferenz „Germany After the War" und die<br />
Demokratisierung der Deutschen nach dem Ende des<br />
Nationalsozialismus<br />
Uta Gerhardt, Heidelberg<br />
Wer eigentlich waren genau die Teilnehmer der Brickner Konferenz? Und<br />
wo hat sie stattgefunden? Die wichtigsten Teilnehmer der Brickner-Konferenz<br />
werden vorgestellt unter der Leitfrage: Was hatten sie mit den Kriegsanalysen<br />
zu tun, die dem Verständnis des Verbrechensregimes dienten, und wie waren<br />
sie in die Planungen für Nachkriegsdeutschland eingebunden. Die wichtigsten<br />
Aspekte der soziologischen Überlegungen werden historisch beleuchtet,<br />
vor allem die These des Soziologen Parsons aus dem Jahr 1944, dass eine<br />
Vollbeschäftigungswirtschaft der beste Weg zur Demokratisierung Deutschlands<br />
nach der bedingungslosen Kapitulation sei.<br />
Rabih Mroué: How Nancy wished that everything wa an April Fool’s Joke, Fotograf: Kohei Matsushima<br />
dälek, newark / heavy trash, new york – konzerte<br />
21.00 UHR HAU EINS<br />
Mit Heavy Trash (Psychobilly) und Dälek (Hypnotischer HipHop) trifft Amerikanischer<br />
Nachkriegs-Optimismus auf aktuellen apokalyptischen <strong>Re</strong>alismus.<br />
Jon Spencer (Blues Explosion) und Matt Verta-Ray (Speedball Baby) gelten<br />
mit Heavy Trash und ihrer sensationellen Rockabilly-<strong>Re</strong>konstruktion als Anführer<br />
des neuen <strong>Re</strong>vivals. Die dunklen, abgründigen Soundcollagen von Dälek<br />
(MC Dälek und the Ottopus), Macher der „Avant-HipHop-Platte des Jahres“<br />
(Intro, 26.02.2007), sorgen <strong>am</strong> Eröffnungsabend des <strong>Re</strong>-<strong>Education</strong>-Wochenendes<br />
für eine finstere Antwort auf diese positive Weltsicht.<br />
Zweimal Trash. Zweimal Naturgewalt. Zweimal Heavy. Zwei Duos die nicht<br />
kontrastreicher sein könnten, aber gerade in Kombination die <strong>Re</strong>-<strong>Education</strong>-<br />
Prozesse von d<strong>am</strong>als und heute musikalisch repräsentieren.<br />
Dälek verkörpert die Kehrseite des American Dre<strong>am</strong>s. Das Duo untergräbt die<br />
Mainstre<strong>am</strong> Rap-Diktion und entscheidet sich stattdessen für angreifende<br />
hypnotische <strong>Re</strong>ime mit einem beizenden, elektronisch beeinflussten Hard-Rock-<br />
Sinn. Kombiniert mit zweifellos intelligenten Texten ohne Illusionen über die<br />
Welt, in der wir leben. Dälek beschreitet Genres von HipHop über Jazz, Metal<br />
Punk und Noisecore zurück zu HipHop.<br />
Heavy Trash vertritt <strong>am</strong> gleichen Abend die Amerikanische Lebensfreude der<br />
fünfziger Jahre. Die beiden auf allen Ebenen perfektionierten Rock´n Roll-<br />
Ikonen rocken den Abend mit ihren aufgeheizten Rootsabilly-Kompositionen.<br />
The Performance Group: Commune, The Performing Garage, 1971. Copyright: Richard Schechner<br />
Wie unterscheiden sich die politischen und künstlerischen <strong>Re</strong>aktionen in<br />
Amerika auf den Vietn<strong>am</strong>krieg und den Irakkrieg? Was sagen diese Unterschiede<br />
über die Zukunft der <strong>am</strong>erikanischen Kunst als gesellschaftlicher<br />
Praxis? Der Vietn<strong>am</strong>krieg schien „ungewöhnlich“, „falsch“, eine „Verzerrung“<br />
des wahren Wesens Amerikas. Im Fall Irak war der „Kriegszustand“ bereits<br />
normal geworden, nicht unerwartet, das übliche. In „Commune“ (1970-2)<br />
versuchte ich mit The Performance Group die „Geschichte der <strong>am</strong>erikanischen<br />
Geschichte“ zu erzählen, einschließlich des Vietn<strong>am</strong>krieges, wie Charles<br />
Manson ihn sich vorgestellt hätte. Es war ein Stück, das den Blick in eine dunkle<br />
Zukunft richtete. Ich inszenierte auch mehrere Guerilla-Theaterprojekte gegen<br />
den Krieg. Aktuell habe ich kein Projekt zum Irakkrieg entwickelt. Ebensowenig<br />
wie andere Künstler. Warum nicht? Was bedeutet das für die Zukunft?