Frühe Bildung - vpod-bildungspolitik
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Vermittlung von <strong>Bildung</strong> geht von einem<br />
Durchschnittskind aus, das auf jeder Stufe<br />
der <strong>Bildung</strong>ssystematik in der vorgegebenen<br />
Zeit die vordefinierten <strong>Bildung</strong>sziele erreicht.<br />
Der Ansporn der Kinder richtet sich<br />
darum nicht in erster Linie darauf, in der<br />
für sie vorgegebenen Schulzeit, möglichst<br />
vielfältige und nachhaltige <strong>Bildung</strong>serfahrungen<br />
zu machen, sondern möglichst der<br />
Vorstellung einer Durchschnittsentwicklung<br />
zu entsprechen. Werden, wie durch<br />
die PISA-Studien offenbart, die <strong>Bildung</strong>sziele<br />
nicht mehr in befriedigender Weise<br />
erreicht, dann braucht es veränderte Rohstoffe<br />
und Prozessoptimierungen, sprich<br />
eine längere Schulzeit, <strong>Frühe</strong>nglisch und<br />
mehr Lektionen in den Schlüsselbereichen.<br />
Es ist klar, dass eine solche Idee von<br />
<strong>Bildung</strong> unangenehme Gefühle weckt und<br />
nicht wenige wohl an eigene leidvolle Schulerfahrungen<br />
erinnert. Man ruft nach Disziplin<br />
und mehr Strenge um Kinder einzupassen,<br />
die sich aus einem der vielen Gründe,<br />
die es dafür gibt, Mühe mit dem <strong>Bildung</strong>smechanismus<br />
bekunden. Dies führt dann<br />
wohl auch zum Reflex vieler Eltern, ausserhalb<br />
der Schulzeit alles heraushalten zu<br />
wollen, was nach Schule aussieht. Dieser<br />
Reflex wird schliesslich auch der Schule<br />
nicht gerecht, die vielerorts nicht mehr diesem<br />
mechanistischen Bild entspricht.<br />
<strong>Bildung</strong> beschränkt sich nicht auf den<br />
schmalen, aber durchaus wichtigen Ausschnitt<br />
des Wissens und der Fertigkeiten,<br />
welche die Schule vermittelt. <strong>Bildung</strong> findet<br />
nicht nur in den dafür vorgesehenen Institutionen<br />
statt. Der kleinere Teil der <strong>Bildung</strong><br />
erfolgt nach Lehr- und nach Stundenplan,<br />
vermittelt und angeleitet. Die Mehrheit von<br />
<strong>Bildung</strong>sprozessen wird nicht von speziell<br />
ausgebildetenen Fachpersonen begleitet.<br />
Es gilt also von der mechanistischen Sicht<br />
auf die <strong>Bildung</strong> Abschied zu nehmen. Der<br />
Erfolg von <strong>Bildung</strong> liegt definitiv nicht in<br />
der Optimierung des Produktionsprozesses.<br />
Viel entscheidender ist die Frage, wie<br />
es gelingt, Kinder mit ihren eigenen Voraussetzungen<br />
auf ihren eigenen, individuellen<br />
Entwicklungswegen mitzunehmen und sie<br />
dabei zu unterstützen. Es kann also nicht<br />
darum gehen, <strong>Bildung</strong> möglichst gut zu<br />
«machen», sondern alles daran zu setzen,<br />
dass <strong>Bildung</strong> möglichst gut gedeihen kann.<br />
<strong>Bildung</strong><br />
als gemeinsamer Nenner<br />
Die Frage, die sich für die FEB also stellt ist<br />
nicht, ob <strong>Bildung</strong> stattfinden soll oder nicht.<br />
Die Frage lautet viel mehr, ob man sich bewusst<br />
den Entwicklungs- und <strong>Bildung</strong>sbedürfnissen<br />
der betreuten Kinder stellen<br />
oder ob man Lern- und <strong>Bildung</strong>sprozesse<br />
einfach dem Zufall überlassen will. Geht<br />
man von einem weitgefassten <strong>Bildung</strong>sbegriff<br />
aus und sieht man <strong>Bildung</strong> nicht als<br />
Produktionsprozess an, sondern als aktive<br />
Weltaneignung jedes einzelnen Menschen,<br />
dann wird es offensichtlich, dass <strong>Bildung</strong> in<br />
allen Lebensräumen der Kinder eine wichtige<br />
Rolle spielt. <strong>Bildung</strong> ist so gesehen der<br />
gemeinsame Nenner für alle Erwachsenen,<br />
die sich um das Wohl und eine möglichst<br />
gute Entwicklung der Kinder sorgen. <strong>Bildung</strong><br />
wird so zur gemeinsamen Aufgabe der<br />
Familien, der Schule und der FEB.<br />
Im Krisenfall hat man die FEB bereits<br />
als <strong>Bildung</strong>s- und Erziehungsort entdeckt.<br />
Nämlich dann, wenn es darum geht, gegen<br />
die grossen herkunftsbedingten Unterschiede<br />
von Kindern beim Schuleintritt<br />
anzukämpfen oder die grosse Zahl der unbetreuten<br />
Kinder zu vermindern. In Frühförderkonzepten<br />
oder in Integrations- oder<br />
Sprachförderungsprojekten spielen Kindertagesstätten<br />
oder Horte bereits heute eine<br />
wichtige Rolle. Das weist darauf hin, dass<br />
man sich zum Beispiel von Behördenseiten<br />
bewusst ist, dass die Institutionen der FEB<br />
mehr bieten als die Versorgung der Grundbedürfnisse<br />
der Kinder, und etliche Einrichtungen<br />
schon seit langer Zeit ihren Beitrag<br />
zur Integration und zur Sprachförderung<br />
leisten.<br />
Die Einrichtungen der Kinderbetreuung<br />
haben das Potential, um einen Beitrag für<br />
die Entwicklung, das Lernen und die <strong>Bildung</strong><br />
der Kinder leisten zu können. Dies gilt<br />
nicht nur für Kinder aus benachteiligten<br />
Situationen. Integration ist eine Aufgabe,<br />
die sich allen Kindern stellt, dasselbe gilt<br />
für den Erwerb der Sprache oder die Aneignung<br />
von kognitiven und motorischen<br />
Kompetenzen.<br />
Wenn dieses Potential heute noch nicht<br />
ausgeschöpft wird, dann hängt dies mit den<br />
fehlenden Rahmenbedingungen und mit<br />
der unklaren Aufgabe der familienergänzenden<br />
Kinderbetreuung zusammen. Grundsätzlich<br />
kann die FEB einen Betreuungsrahmen<br />
bieten, der es ermöglicht, auf die<br />
Interessen und Bedürfnisse der einzelnen<br />
Kinder einzugehen und <strong>Bildung</strong>sprozesse<br />
von Kindern zu begleiten und zu unterstützen.<br />
Für die Umsetzung fehlen aber in vielen<br />
Einrichtungen genügend qualifiziertes<br />
Personal, genügend Zeit für die pädagogi-<br />
Zeichnung: Ruedi Lambert<br />
12 <strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong> 161/09