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40 vpod bildungspolitik 143-144 /05

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Nr. <strong>143</strong>/44, Dezember 20<strong>05</strong><br />

Sonderheft / numéro spécial<br />

Bildung für alle<br />

Chancengleichheit und Selektion in<br />

Schule und Berufsbildung<br />

Formation pour toutes et tous<br />

Egalité des chances et sélection à l'école<br />

et dans la formation professionnelle<br />

Dokumentation zur <strong>vpod</strong>-Tagung vom 15. Januar 20<strong>05</strong><br />

Actes de la journée d’étude du ssp du 15 janvier 20<strong>05</strong>


inhalt / sommaire<br />

deutsch seite 7 - 37<br />

4 Editorial: Für die Zukunft der öffentlichen Schule<br />

7<br />

8<br />

Zum Einstieg: Persönliches zu Selektion und Schulkarriere<br />

Jugendliche berichten von ihren Erfahrungen<br />

NCBI-Fairness-Broschüre<br />

français pages <strong>40</strong> à 70<br />

5 Éditorial: Pour l’avenir de l’école publique<br />

<strong>40</strong><br />

41<br />

Entrée en matière: sélection et filière scolaire<br />

à l’aide de quelques exemples personnels<br />

Les jeunes parlent de leurs expériences ...<br />

10<br />

Eine starke Volksschule – Chance für alle<br />

Begrüssungsansprache von Edith Olibet<br />

43<br />

Une école obligatoire forte – une chance pour tou-te-s<br />

Allocution de bienvenue de Edith Olibet<br />

Direktorin für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern<br />

Cheffe du Département de l’éducation, de la sécurité sociale et des sports de la<br />

12<br />

Irrtümer der Selektion. Über die Tücken eines hierarchisch<br />

gestuften Bildungssystems<br />

Winfried Kronig<br />

Privatdozent, Heilpädagogisches Institut, Universität Freiburg<br />

13 Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs<br />

46<br />

Ville de Bern<br />

Les erreurs commises dans la sélection. Les défauts d’un<br />

système éducatif à structure hiérarchique<br />

Winfried Kronig<br />

Privat-docent, Institut de pédagogie curative, Université de Fribourg<br />

15<br />

Sozial und erfolgreich Das Schweizer Bildungssystem im<br />

internationalen Vergleich<br />

Judith Hollenweger<br />

48<br />

Système social, système performant<br />

Le système éducatif suisse en comparaison internationale<br />

Judith Hollenweger<br />

Professorin, Pädagogische Hochschule Zürich<br />

Professeur, Haute école pédagogique Zurich<br />

20<br />

Ist unsere Schule in den Augen der BürgerInnen gerecht<br />

Walo Hutmacher,<br />

53<br />

L’école est-elle juste aux yeux des citoyens<br />

Walo Hutmacher,<br />

Soziologe, Universität Genf<br />

Sociologue, Université de Genève<br />

25 Thesen des <strong>vpod</strong> zur Tagung<br />

58 Thèses pour la journée d’étude du ssp<br />

26<br />

atelier 1 Schule ohne Ausgrenzung<br />

Möglichkeiten und Vorbilder einer integrativen Schule<br />

59<br />

atelier 1 École sans exclusion<br />

Possibilités et modèles d’une école intégrative<br />

27 atelier 2<br />

Integrative Schulsysteme auf der Sekundarstufe I<br />

60 atelier 2<br />

Systèmes scolaires hétérogènes au degré secondaire I<br />

29<br />

30<br />

atelier 3 Altersdurchmischtes Lernen<br />

Die wieder entdeckte Schulungsform der Zukunft<br />

atelier 4 Bessere Förderung des Potenzials für mehr<br />

Jugendliche in der Sekundarstufe II<br />

31 atelier 5<br />

Neue Beurteilungsformen im Chancengleichheitstest<br />

Trendbericht 9: Chancengleichheit im schweizerischen Bildungswesen<br />

62 atelier 3<br />

L’enseignement dispensé à des élèves de différentes classes<br />

d’âge – redécouverte d’un type d’enseignement d’avenir<br />

64<br />

65<br />

atelier 4 Pour une meilleure promotion du potentiel pour<br />

davantage de jeunes au degré secondaire II<br />

atelier 5 Nouvelles formes d’évaluation jugées à l’aune de<br />

l’égalité des chances<br />

32<br />

atelier 7 Nach der Schule in die Leere<br />

Chancen(un)gleichheit und Selektion beim Übergang in<br />

Lehren oder weiter führende Schulen<br />

66<br />

atelier 7 Après l’école, le grand saut dans le vide<br />

(In)égalité des chances lors de la transition vers<br />

l’apprentissage et les écoles du degré secondaire II<br />

34<br />

atelier 8 Berufsvorbereitung, Brückenangebote,<br />

Zwischenlösungen Modelle und Forderungen<br />

67<br />

atelier 8 Préparation de la profession, offres passerelles,<br />

solutions transitoires – modèles et revendications<br />

35<br />

atelier 9 / 10<br />

Wie kann eine Schule Fairness für MigrantInnen fördern<br />

69<br />

atelier 9 / 10 Comment l’école peut-elle favoriser une<br />

attitude impartiale (fairness) à l’égard des migrant-e-s<br />

36<br />

Gesellschaft im Wandel – Schule im Wandel<br />

Beitrag zum Gedenken an Alex Zeitz zur Selektion in der<br />

Volksschule<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 3


edito<br />

Für die Zukunft der öffentlichen<br />

Schule<br />

Ein Grundpfeiler der öffentlichen Schule besteht in der Vorstellung, dass Angebot<br />

und Qualität des Unterrichts überall gleich seien. Nur so lässt sich rechtfertigen,<br />

dass im Rahmen der Schulpflicht in der Regel die Schule am Wohnort, bzw. in grösseren<br />

Orten die am nächsten gelegene Schule zu besuchen ist.<br />

Dass diese Vorstellung mehr mit Fiktion als Realität zu tun hat, ist schon lange kein<br />

Geheimnis mehr. Aber wenn die öffentliche Schule ein gemeinsamer Ort für alle<br />

Kinder bleiben soll – unabhängig von Schicht, Einkommen, Nationalität, Status,<br />

Geschlecht und was der Kategorien mehr sind – und damit auch eine zentrale Funktion<br />

bei der gesellschaftlichen Integration erfüllen kann, dann darf Chancengleichheit<br />

nicht ins Reich der Fiktion abgeschoben werden, muss sie eine zentrale<br />

Vision, ein Leitmotiv der öffentlichen Schule bleiben.<br />

Je früher Selektion erfolgt und je selektiver ein Schulsystem ist, desto stärker unterminiert<br />

es die Chancengleichheit. Aber nicht genug damit, der Erfolg des Gesamtsystems<br />

wird dadurch ebenfalls deutlich beeinträchtigt. Und noch mehr werden<br />

dadurch die Chancen jener Jugendlichen beschnitten, die in die «weniger anspruchsvollen»<br />

Zweige der Oberstufe verbannt werden.<br />

Dies ist der Grund, weshalb das PIB (Projekt Interkulturelle Bildung des <strong>vpod</strong>) die<br />

Initiative ergriffen hat für die Tagung «Bildung für alle – Chancengleichheit und Selektion<br />

in Schule und Berufsbildung». Und wir freuen uns nun, mit diesem Sonderheft<br />

die Dokumentation zu dieser Tagung auf deutsch und französisch vorlegen<br />

zu können und so deren Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />

Im Namen der Redaktionsgruppe<br />

Ruedi Tobler<br />

Foto: Barrigue<br />

Adressänderung<br />

Nachdem das Zentralsekretariat des <strong>vpod</strong> und das Regionalsekretariat<br />

Zürich ihren gemeinsamen Sitz im «Haus<br />

zum Korn» (beim Bahnhof Wiedikon) haben, hat auch die<br />

Koordinationsstelle der <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> dort ein Büro<br />

erhalten. Die neue Adresse lautet:<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong><br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279, 8036 Zürich<br />

Tel. 044 266 52 17, oder wie bisher 071 888 3 888<br />

Fax 044 266 52 53, oder wie bisher 071 888 08 51<br />

mail: redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

Barrigue<br />

Am 7. Juli 1950 in Paris geboren, erschien seine erste Zeichnung für die Presse<br />

1971 in der Rockzeitschrift Extra. Als Zeichner für die Presse und Journalist seit<br />

1972 arbeitete er in Paris für rund ein Dutzend Zeitungen. 1979 verlässt er<br />

Frankreich in Richtung Schweiz und tritt in die Redaktion des Matin (ehemals<br />

Tribune de Lausanne) ein.<br />

Illustriert seit 20 Jahren die Schulbücher für Mathematik zum besonderen Vergnügen<br />

der Lehrkräfte und der Behörden! Zahlreiche Mitwirkungen beim Westschweizer<br />

Fernsehen und 2001 Schaffung eines Kleinkunstprogramms «Les dessous<br />

du dessin de presse». Belebt mit Vergnügen Konferenzen durch direkt auf dem Hellraumprojektor<br />

gezeichnete Bilder – so auch am 15. Januar unsere Tagung in Bern.


édito<br />

Pour l'avenir de l'école publique<br />

Un des piliers du système scolaire public est la conception que le programme des cours et<br />

la qualité de l'enseignement sont partout identiques. C'est la seule manière de justifier le<br />

fait que dans le cadre de l'instruction scolaire obligatoire, les élèves doivent s'inscrire à<br />

l'école de leur lieu de résidence, ou, dans les grandes agglomérations, à l'école la plus proche<br />

de leur domicile.<br />

Or, nous savons depuis bien longtemps – car ce n'est plus un secret – que cette conception<br />

est plutôt une fiction qu'une réalité. Mais si l'école doit rester un espace commun pour tous<br />

les enfants – indépendamment de l'origine sociale, du revenu, de la nationalité, du statut,<br />

du sexe, etc. – et si elle doit pouvoir remplir une fonction primordiale dans l'intégration<br />

sociale, alors le principe de l'égalité des chances ne doit pas rester dans le domaine de la<br />

fiction, mais il doit constituer une vision centrale, une ligne directrice pour l'école publique.<br />

Plus la sélection scolaire est précoce et plus elle est sévère, plus le principe de l'égalité des<br />

chances est remis en cause. Et ce n'est pas tout. Cette situation diminue considérablement<br />

le succès de l'ensemble du système. De plus, cela réduit encore davantage les chances des<br />

jeunes qui sont relégués dans les filières «moins exigeantes» du premier cycle secondaire.<br />

C'est la raison pour laquelle le projet PEI (Projet Education interculturelle du ssp) a pris<br />

l'initiative d'organiser une journée de conférence sur le thème suivant: «Formation pour toutes<br />

et tous – égalité des chances et sélection à l'école et dans la formation professionnelle».<br />

Aujourd'hui, nous sommes heureux de pouvoir vous présenter dans ce numéro spécial une<br />

documentation relative à cette journée de conférence en français et en allemand, afin de<br />

rendre accessibles les résultats des travaux effectués dans ce cadre à un public plus large.<br />

Pour le groupe de rédaction<br />

Ruedi Tobler, traduction: Patrick Vogt<br />

Barrigue<br />

Né le 7 juillet 1950 à Paris, son premier dessin a paru dans la presse pour la revue<br />

de rock Extra en 1971. Dessinateur de presse, journaliste depuis 1972, il collabore<br />

à Paris pour une douzaine de journaux. En 1979 il quitte la France pour rejoindre<br />

la Suisse et la rédaction du Matin (ex Tribune de Lausanne). Illustre depuis 20 ans<br />

les ouvrages scolaires de mathématiques pour le plus grand bonheur du corps<br />

enseignant et des autorités!<br />

De nombreuses collaborations à la Télévision Suisse Romande et création, en<br />

2001, d’un spectacle de cabaret: Les dessous du dessin de presse. Pratique avec<br />

plaisir l’animation de nombreuses conférences par des dessins réalisés en direct<br />

sur rétroprojecteur – par exemple le 15 janvier à notre journée d’étude à Berne.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 5


impressum<br />

Adressen des <strong>vpod</strong> / Adresses du ssp<br />

<strong>vpod</strong> Zentralsekretariat<br />

Christine Flitner<br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279<br />

8036 Zürich<br />

Tel. 044 266 52 52<br />

christine.flitner@<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />

ssp secrétariat central<br />

Agostino Soldini<br />

Av. Ruchonnet 45 bis, case postale 1360<br />

1001 Lausanne<br />

Tél. 021 3<strong>40</strong> 00 00<br />

soldini@ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp-<strong>vpod</strong> Regione Ticino<br />

Raoul Ghisletta<br />

Piazza Collegiata, c.p. 1216<br />

6501 Bellinzona<br />

Tel. 091 826 12 78<br />

<strong>vpod</strong>.bellinzona@ticino.com<br />

www.<strong>vpod</strong>-ticino.ch<br />

<strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung Erziehung Wissenschaft<br />

ssp Commission fédérative formation, éducation et recherche<br />

ssp-<strong>vpod</strong> Commissione nazionale formazione, educazione e scienze<br />

Regina Stauffer (Präsidentin)<br />

Zweiackerstr. <strong>40</strong><br />

8<strong>05</strong>3 Zürich<br />

Tel. 044 382 08 55<br />

regina-stauffer@bluewin.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />

<strong>vpod</strong> Projekt interkulturelle Bildung (PIB)<br />

ssp projet d’écuation interculturelle<br />

ssp-<strong>vpod</strong> progetto per una formazione interculturale<br />

Urs Loppacher<br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8180<br />

8036 Zürich<br />

Tel. 044 295 30 00<br />

urs.loppacher@<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong><br />

Ruedi Tobler<br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279<br />

8036 Zürich<br />

Tel. 044 266 52 17<br />

redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong><br />

www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

Regionaladressen in der Deutschweiz<br />

<strong>vpod</strong> Aargau / Solothurn<br />

Jürg Keller<br />

Bachstr. 43, Postfach 4209<br />

5001 Aarau<br />

Tel. 062 834 94 35<br />

sekretariat@<strong>vpod</strong>-agso.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-agso.ch<br />

<strong>vpod</strong> Region Basel (BL + BS)<br />

Marianne Meyer<br />

Rebgasse 1, Postfach<br />

<strong>40</strong><strong>05</strong> Basel<br />

Tel. 061 685 98 98<br />

marianne.meyer@<strong>vpod</strong>-basel.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-basel.ch<br />

<strong>vpod</strong> Region Bern<br />

Corinne Schärer<br />

Monbijoustr. 61<br />

3007 Bern<br />

Tel. 031 371 67 45<br />

corinne.schaerer@<strong>vpod</strong>bern.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>bern.ch<br />

<strong>vpod</strong> grischun<br />

Peter Peyer<br />

Gürtelstr. 24, Postfach<br />

7001 Chur<br />

Tel. 081 284 49 06<br />

<strong>vpod</strong>-grischun@<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />

<strong>vpod</strong> Luzern<br />

Rosmarie Stocker-Koch<br />

Theaterstr. 7<br />

6003 Luzern<br />

Tel. 041 2<strong>40</strong> 66 16<br />

<strong>vpod</strong>lu@bluewin.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-luzern.ch<br />

<strong>vpod</strong> ostschweiz (SG/TG/AR)<br />

Maria Huber<br />

Hintere Poststr. 18<br />

9000 St. Gallen<br />

Tel. 071 223 80 43<br />

<strong>vpod</strong>.ost@bluewin.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-ostschweiz.ch<br />

<strong>vpod</strong> Schaffhausen<br />

Esther Bänziger<br />

Irchelstr. 8<br />

8200 Schaffhausen<br />

Tel. <strong>05</strong>2 624 65 44<br />

r+b@email.ch<br />

<strong>vpod</strong> Schwyz<br />

Otto Kümin<br />

Hüöbli 36<br />

8808 Pfäffikon<br />

Tel. <strong>05</strong>5 410 16 19<br />

okuemin@bluewin.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-schwyz.ch<br />

<strong>vpod</strong> zürich Lehrberufe<br />

Urs Loppacher<br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8180<br />

8036 Zürich<br />

Tel. 044 295 30 00<br />

urs.loppacher@<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />

Adresses régionales de Suisse romande<br />

ssp fribourg<br />

Bernard Fragnière<br />

rue des Alpes 11, c.p. <strong>144</strong>4<br />

1701 Fribourg<br />

Tél. 026 322 29 60<br />

ssp-cft@bluewin.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp genève<br />

Margarita Castro<br />

6, rue des Terreaux-du-Temple<br />

1201 Genéve<br />

Tél. 022 741 50 80<br />

sspge@vtxnet.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp jura<br />

Thomas Sauvain<br />

Rue de la Molière 13, c.p. 875<br />

2800 Delémont<br />

Tél. 032 423 28 23<br />

ssp-jura@span.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp Région Neuchâtel<br />

Thierry Clément<br />

Place de la Gare 4a, c.p.<br />

2301 La Chaux-de-Fonds<br />

Tél. 032 913 18 01<br />

ssp-rn@bluewin.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp Valais<br />

Anne-Christine Bagnoud<br />

case postale 2348<br />

1950 Sion 2<br />

Tél. 027 323 26 60<br />

sspvalais@bluewin.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

ssp Région Vaud<br />

Philippe Martin<br />

Av. Ruchonnet 45, c.p. 1324<br />

1001 Lausanne<br />

Tél. 021 341 04 10<br />

vaud@ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />

Erscheint 5 x jährlich<br />

Redaktionsschluss Nr. 145: 3. Januar 2006<br />

Redaktion / Koordinationsstelle haben eine neue Adresse:<br />

Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279, 8036 Zürich<br />

Tel. 044 266 52 17 (oder wie bisher 071 888 3 888)<br />

Fax 044 266 52 53 (oder wie bisher 071 888 08 51)<br />

mail: redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

Homepage: www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

Herausgeberin: Verein <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>, Zürich<br />

Einzelabonnement: Fr. <strong>40</strong>.– pro Jahr (5 Nummern)<br />

Einzelheft: Fr. 8.–<br />

Kollektivabonnement: Sektion ZH Lehrberufe;<br />

Lehrberufsgruppen AG, BL, BE (ohne Biel), LU, SG.<br />

Satz: erfasst auf Macintosh<br />

Gestaltung und Layout: Sarah Maria Lang, New York<br />

Druck: Ropress, Zürich<br />

Auflage Heft <strong>143</strong>/44: 5’500 Exemplare<br />

Zahlungen: PC 80 - 691<strong>40</strong> - 0, <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>, Zürich<br />

Inserate: Gemäss Tarif 20<strong>05</strong>; die Redaktion kann die<br />

Aufnahme eines Inserates ablehnen.<br />

Redaktion: Verantwortlich im Sinne des Presserechts:<br />

Ruedi Tobler<br />

Redaktionsgruppe für dieses Sonderheft:<br />

Christine Flitner, Urs Loppacher, Regina Stauffer, Ruedi Tobler<br />

Weitere Beteiligte: André Allison, Béatrice Barbey, Barrigue, Martine Besse,<br />

Nihal Birkan, Rahel El-Maawi, Julia Gerber Rüegg, Ron Halbright, Judith<br />

Hollenweger, Walo Hutmacher, Winfried Kronig, Brigitta Mazzocco, Katrin<br />

Meier, Thomas Meyer, Gian Pietro Milani, Edith Olibet, Daniela Podda,<br />

Susanna Rusca, Martin Sahli, Corinne Schärer, Rosmarie Schümperli, Attilo<br />

Toptas, Markus Truniger, Martina Turnes, Urs Vögeli-Mantovani, Patrick<br />

Vogt, Pierre Voit, Katrin Wüthrich, Daniel Ziegler<br />

Verdankung / Remerciements<br />

Wir danken folgenden Organisationen und Institutionen für die Unterstützung<br />

der Tagung und/oder der Publikation «Bildung für alle – Chancengleichheit<br />

und Selektion in Schule und Berufsbildung».<br />

Nous remercions vivement les organisations et institutions suivantes pour<br />

leur soutien de la journée d’étude et/ou de la publication «Formation pour<br />

toutes et tous – Égalité des chances et sélection à l’école et dans la formation<br />

professionnelle».<br />

<strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung, Erziehung, Wissenschaft<br />

ssp Commission fédérative formation, éducation et recherche<br />

<strong>vpod</strong> Projekt interkulturelle Bildung / ssp projet d’écuation interculturelle<br />

Stiftung Kinderdorf Pestalozzi / Fondation Village d’enfants Pestalozzi<br />

Fondazione / Stiftung ECAP<br />

NCBI National Coalition Building Institute Schweiz<br />

VZB, Verein Zürcher Berufsberater<br />

Fachvereinigung für Berufsberatung, FAB<br />

HSKLVZH, HSK-Lehrerinnen- und Lehrerverein Kt. Zürich<br />

SP Schweiz / PS Suisse und Kanton Zürich;<br />

Grüne Partei Schweiz / Les Verts (Parti écologiste suisse)<br />

Grünes Bündnis Bern<br />

UNIA<br />

SGB Migrationskommission / USS Commission de la migration<br />

Finanzielle Beiträge / Soutien financier:<br />

Eidgenössische Ausländerkommission EKA<br />

Commission fédérale des étrangers CFE<br />

Schul- und Sportdepartement Stadt Zürich<br />

Erziehungsdepartement Basel-Stadt<br />

Aebli-Näf-Stiftung / Fondation Aebli Näf<br />

Stiftung Elternsein<br />

Migros-Kulturprozent / Pour-cent culturel<br />

6 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


einleitung<br />

Zum Einstieg<br />

Persönliches zu Selektion<br />

und Schulkarriere<br />

Der Einstieg in die Tagung war dem internationalen Jahr des Sports würdig. Durch eine AufstIeh-/Absitzübung machten<br />

sich die Anwesenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede vor allem in ihrer Bildungskarriere bewusst. Dann gaben drei<br />

Jugendliche Einblick in ihre Erfahrungen mit dem Schulsystem.<br />

Ron Halbright, NCBI Fairness<br />

Durch eine «Aufwärmeübung» wurden<br />

die Teilnehmenden ermutigt, sich<br />

persönlich mit verschiedenen Themen<br />

auseinander zu setzen.<br />

Bildungsbiographie, Herkunft,<br />

Umgebung<br />

Manche Teilnehmende haben Schuljahre<br />

repetiert, einen längeren Bildungsweg gemacht,<br />

wurden diskriminiert. Andere haben<br />

eine geradlinige oder eine steile Laufbahn<br />

gemacht. Manche hatten Eltern oder<br />

Lehrpersonen mit (zu) hohen Erwartungen,<br />

andere mussten sich trotz Widerstand<br />

oder Skepsis von Erziehenden durchsetzen.<br />

Was sagt das über uns und unsere Reaktionen<br />

auf das Ziel: Bildung für alle<br />

Alltagstheorien und Vorurteile<br />

Viele Teilnehmende haben Sprüche gehört<br />

wie:<br />

Besser eine gute Real- als eine schlechte<br />

Sekschülerin.<br />

Wenn die Eltern nicht helfen können,<br />

wäre das Kind sowieso überfordert.<br />

Man tut einem ausländischen Kind keinen<br />

Gefallen, in einem Grenzfall «aufzurunden».<br />

Das Kind benimmt sich wie ein Realschüler.<br />

Einige Teilnehmende haben eingestanden,<br />

selber schon solche Gedanken gehabt<br />

oder sogar ausgesprochen zu haben. Ist<br />

«Bildung für alle» oder Chancengleichheit<br />

möglich, wenn solche Alltagstheorien und<br />

Vorurteile zirkulieren<br />

Verinnerlichte Unterdrückung<br />

Eingewanderte Kinder merken schnell,<br />

dass ihre Verwandten und andere Kinder<br />

mit Migrationshintergrund in den anspruchsvolleren<br />

Schultypen seltener anzutreffen<br />

sind. Sie merken, welche Erwartungen<br />

sie begleiten, und die meisten orientieren<br />

sich danach. Das heisst die Erwartungen<br />

prägen die Leistungen der Kinder,<br />

was auch als Pygmalion-Effekt bezeichnet<br />

wird.<br />

Wenn diskriminierende Botschaften<br />

– wie «Albaner gehören in die Realschule,<br />

nicht ins Gymnasium» – verinnerlicht werden,<br />

heisst das «verinnerlichte Unterdrückung».<br />

Ein Ergebnis davon: wenn Jugendliche<br />

nicht ernst genommen werden,<br />

nehmen sie sich oft weniger ernst: Zuverlässigkeit<br />

leidet, Zukunftsorientierung verschwindet,<br />

Hoffnungslosigkeit herrscht.<br />

Rolle der Lehrerinnen und Lehrer<br />

Sind Lehrpersonen bereit, sich als «Verbündete»<br />

der eingewanderten Kinder zu<br />

sehen Das heisst, Vorurteilen sowie der<br />

verinnerlichten Unterdrückung aktiv zu<br />

widersprechen. Lehrpersonen, die diese<br />

Rolle annehmen, riskieren in manchen<br />

Schulgemeinden Isolation im Team oder<br />

Widerstand von Eltern.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 7


einleitung<br />

Jugendliche<br />

berichten von<br />

ihren<br />

Erfahrungen<br />

Drei Jugendliche haben ihre Erlebnisse<br />

beeindruckend geschildert. Ihre<br />

und die Erlebnisse von anderen sind<br />

zu finden in der Broschüre «Fairness<br />

für Jugendliche fremder Herkunft in<br />

der Schule und auf der Lehrstellensuche».<br />

Kübra, Türkin<br />

Ich bin Türkin, in der Schweiz geboren und<br />

20 Jahre alt. Ich war eine gute Primarschülerin<br />

und wollte nach der sechsten<br />

Klasse eigentlich die Sekundarschule besuchen.<br />

Da kam die Phase, in der man mir<br />

überall sagte, für die beruflichen Chancen<br />

sei es besser, eine gute Realschülerin als<br />

eine schlechte Sekundarschülerin zu sein.<br />

Ich ging also in die Realschule und war<br />

dort eine sehr gute Schülerin.<br />

In der dritten Real begann ich eine<br />

Lehrstelle als kaufmännische Angestellte<br />

zu suchen. Ich verschickte fünfzig Bewerbungen,<br />

doch gefunden habe ich nichts.<br />

Ich hatte viele Bewerbungsgespräche und<br />

kam in die engere Wahl, trotzdem scheiterte<br />

es immer an meinem Kopftuch. So<br />

entschloss ich mich, das 10. Schuljahr zu<br />

machen, das ich mit lauter Noten zwischen<br />

5 und 5,5 abschloss. Erneut verschickte<br />

ich fünfzig Bewerbungen, aber<br />

wieder fand ich keine Lehrstelle. Ich war<br />

sehr enttäuscht und wurde immer demotivierter.<br />

Meine Eltern schafften es, mich<br />

wieder zu motivieren. An einer Privatschule<br />

habe ich dann eine Ausbildung zur<br />

diplomierten Bürofachfrau gemacht und<br />

danach die Handelsdiplomprüfung bestanden.<br />

Daraufhin schrieb ich wieder etwa<br />

zwanzig Bewerbungen für eine Praktikumsstelle,<br />

ich fand jedoch keine. Es kamen<br />

immer die gleichen Fragen: Arbeiten<br />

Sie mit dem Kopftuch Wie viel halten Sie<br />

bedeckt Zum Teil hiess es, Muslime seien<br />

nicht erwünscht.<br />

Schliesslich besuchte ich das erste Hearing<br />

von NCBI-Fairness. Ich erzählte meine<br />

Geschichte, die daraufhin im Zürcher Tages<br />

Anzeiger erschien. Mein Lehrer sprach<br />

mich an dem Tag auf den Artikel an und<br />

meinte, jetzt würde ich bestimmt etwas<br />

finden – ich aber glaubte nicht mehr daran.<br />

Weshalb sollte es jetzt plötzlich klappen,<br />

nach über zwei Jahren<br />

Drei Tage später erhielt ich einen Anruf<br />

der Fairness-Projektkoordinatorin Nihal<br />

Birkan. Sie erzählte, es habe sich eine Firma<br />

gemeldet als Reaktion auf den Artikel,<br />

man möchte mich kennen lernen. Ich war<br />

einfach überwältigt. Ich weinte vor Glück.<br />

Alles war so schwierig und demotivierend<br />

gewesen und so vieles war falsch gelaufen.<br />

Ich konnte dem Unternehmen meine Unterlagen<br />

senden und nach 14 Tagen hatte<br />

ich die Stelle. Ich war überglücklich. Im August<br />

werde ich mein Praktikum beenden.<br />

Mexhit Ademi, Albaner<br />

Ich hatte das Glück, schon von klein auf in<br />

der Schweiz zu sein. So habe ich meine<br />

ganze Schulausbildung in diesem Land gemacht.<br />

Obwohl ich am Anfang sehr grosse<br />

Probleme mit der Sprache hatte, habe ich<br />

mich schnell integriert. Als Kind fühlte ich<br />

mich nie benachteiligt, zumindest nicht<br />

bis in die fünfte Klasse, bis es darum ging,<br />

in die Oberstufe eingeteilt zu werden. Ich<br />

hatte schon als Kind den Traum, einmal<br />

Arzt, Schauspieler oder Sänger zu werden.<br />

Die Broschüre zum Thema<br />

Ruedi Tobler<br />

Kernstück der Ende 2004 erschienen Broschüre «Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der<br />

Schule und bei der Lehrstellensuche» sind die Erfahrungsberichte von Jugendlichen und Erwachsenen,<br />

Lehrstellensuchenden und Lehrmeistern, Berufsberatern sowie Berufsschullehrern. Durch<br />

die unterschiedlichen Blickwinkel ergibt sich ein plastisches Bild der Diskriminierung von ausländischen<br />

Kindern und Jugendlichen in Schule und Berufswahl. Wem dies zu subjektiv ist, findet dazu<br />

auch zwei Statistiken aus dem Kanton Zürich. Wer genauer hin schaut, kann gerade in diesem<br />

Bereich sehen, dass es nicht um ein einheitliches «Ausländerproblem» geht, denn es gibt Herkunftsländer<br />

von Jugendlichen, «die im Durchschnitt mehr Erfolg haben als Schweizer SchülerInnen».<br />

Sowohl die Nationalität wie wohl noch mehr die Schichtzugehörigkeit spielen bei der Diskriminierung<br />

eine grosse Rolle. Das wird in der Broschüre wenig herausgearbeitet. Auch die Bezeichnung<br />

«Jugendliche fremder Herkunft» ist verunglückt. Werden sie damit nicht erst recht auf ihre<br />

«Fremdheit» festgenagelt<br />

Die Broschüre bleibt aber nicht bei der Darstellung oder – je nach Perspektive – Denunzierung<br />

der Situation stehen. Im abschliessenden Kapitel gibt es eine Reihe von «Tipps für die Lehrstellensuche»<br />

und «Empfehlungen für „Fairness-Schulen“ und „Fairness“-Betriebe».<br />

Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der Schule und auf der Lehrstellensuche, von NCBI Schweiz (Hg.),<br />

K2-Verlag, Hägendorf, 2004, 70 Seiten, Fr. 12.–. Zu bestellen über www.ncbi.ch, info@ncbi.ch oder 044 721 10 50.<br />

8 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


einleitung<br />

Ich wusste, dass man dafür etwas tun<br />

musste und wollte unbedingt in die Bezirksschule.<br />

Dank dieses Ehrgeizes hatte<br />

ich Ende Primarschule den nötigen Notenschnitt:<br />

eine 4,8 oder 4,9. Meine damalige<br />

Lehrerin war aber der festen Meinung,<br />

ich sollte in die Sekundarschule, denn die<br />

Bezirksschule wäre zu schwierig für mich<br />

und ich würde sowieso zurückfallen. Ich<br />

bin meinen Eltern heute noch dankbar,<br />

dass sie sich nicht von ihrem Entschluss<br />

und ihrer Meinung abbringen liessen und<br />

das durchsetzten, wozu ich auch berechtigt<br />

war.<br />

In der Bezirksschule hatte ich nie schulische<br />

Probleme. Ich habe sie mit 4,9 und<br />

der besten Deutschprüfung der Schule abgeschlossen.<br />

In drei Monaten mache ich<br />

die Matura und werde dann an der HSG<br />

Wirtschaft studieren. Übrigens habe ich<br />

meine alte Lehrerin an einem Kurs von<br />

NCBI wieder getroffen. Sie war begeistert,<br />

als sie hörte, dass ich es so weit gebracht<br />

habe. Meinen Eltern bin ich sehr dankbar,<br />

dass sie mich stark unterstützt haben. Ich<br />

weiss, dass viele nicht die Kraft und den<br />

Mut haben, sich gegen Lehrpersonen zu<br />

wehren. Man darf nicht meinen, ausländische<br />

Kinder seien weniger intelligent,<br />

sondern muss sich fragen, warum es im<br />

Gymnasium nur wenige von ihnen gibt.<br />

Schlussendlich sind die Schulen nie<br />

schuld, denn sie handeln immer korrekt.<br />

Nur vermögen sie manchmal die Kinder<br />

und Jugendlichen so stark zu demotivieren,<br />

dass es keine weitere Diskriminierung<br />

braucht.<br />

Canan, Schweizerin<br />

(bis 1994 Türkin)<br />

Ich bin in Zürich geboren und aufgewachsen.<br />

Nach der Primar- und Sekundarschule<br />

schloss ich eine kaufmännische Lehre<br />

ab. Zurzeit studiere ich an der Universität<br />

Zürich.<br />

Als ich das 2. Sekundarschuljahr besuchte,<br />

sprach unser Lehrer gewisse<br />

SchülerInnen an und motivierte diese, an<br />

der Aufnahmeprüfung für das Gymnasium<br />

teilzunehmen. Obwohl diese SchülerInnen<br />

zum Teil kein Interesse zeigten, meinte er,<br />

er würde Bücher zur Vorbereitung der Aufnahmeprüfung<br />

bestellen und den Prüfungswilligen<br />

zusätzlich Übungsstunden<br />

erteilen. Eine ausländische Kollegin und<br />

ich wollten auch das Gymnasium besuchen.<br />

Da wir das Gespräch unseres Lehrers<br />

mitgehört hatten, gingen wir in der<br />

Pause zu ihm und erklärten ihm unser<br />

grosses Interesse an der Aufnahmeprüfung.<br />

Er meinte, dass wir noch ein Jahr zuwarten<br />

und die Prüfung erst im 3. Sekundarschuljahr<br />

angehen sollten mit der Begründung,<br />

wir seien im schulischen Bereich<br />

noch nicht gut genug. Er versprach,<br />

dass er uns dann auch helfen werde.<br />

Als es endlich soweit war und unser<br />

Lehrer die Gymnasiumsaufnahmeprüfung<br />

nicht erwähnte, sprachen wir ihn darauf<br />

an. Er reagierte erstaunt und meinte, er<br />

werde die Vorbereitungsunterlagen für<br />

uns bestellen. Wir warteten in vollstem<br />

Vertrauen gegenüber unserem Lehrer auf<br />

diese Bücher. Es vergingen mehrere Wochen<br />

und wir wunderten uns, wo die<br />

Bücher geblieben seien. Unser Lehrer aber<br />

meinte, er hätte die Bücher bestellt, es<br />

würde eben einige Zeit dauern, wir sollten<br />

uns gedulden. So vergingen wiederum<br />

mehrere Tage, ja Wochen. Unterdessen<br />

versuchten meine Kollegin und ich anhand<br />

der vorhandenen Schulbücher<br />

Übungen zu lösen. Da wir aber keine Lösungshefte<br />

besassen, brachte uns diese<br />

Vorbereitung nicht viel weiter. Wir erinnerten<br />

uns an die Übungsstunden, die unser<br />

Lehrer im 2. Sekundarschuljahr angeboten<br />

hatte, und machten ihn darauf aufmerksam.<br />

Er schlug unsere Bitte ab mit der<br />

Begründung, er habe keine Zeit.<br />

So warteten wir weiterhin auf die Vorbereitungsbücher<br />

und versuchten im kleinen<br />

Rahmen, uns auf die Aufnahmeprüfung<br />

vorzubereiten. Nur noch einige Wochen<br />

fehlten bis zur Prüfung. So fragten<br />

wir unseren Lehrer ein letztes Mal nach<br />

den bestellten Unterlagen. Seine Aussage<br />

war: «Die Vorbereitungsbücher Ja, die<br />

müsst ihr selber besorgen, die kann ich<br />

euch nicht bestellen.» Wir waren äusserst<br />

schockiert. Unser Lehrer, den wir sehr<br />

achteten und gern hatten, hatte uns zutiefst<br />

enttäuscht. Auf die Bemerkung, er<br />

hätte uns mehrmals verbal bestätigt, dass<br />

er die Bücher bestellt habe, ging er gar<br />

nicht mehr ein.<br />

So versuchten meine Kollegin und ich,<br />

die Vorbereitungsbücher selber zu besorgen.<br />

Wir erkundigten uns in verschiedenen<br />

Buchhandlungen nach den Unterlagen,<br />

erhielten dann eine Adresse, an welcher<br />

die Bücher verkauft wurden und beschafften<br />

sie uns.<br />

Schlussendlich gingen wir ohne Unterstützung<br />

seitens unseres Lehrers an die<br />

Aufnahmeprüfung. Wir bestanden beide<br />

die Prüfung nicht – wie konnten wir auch!<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 9


olibet<br />

Eine starke Volksschule<br />

Chance für alle<br />

Begrüssungsansprache der<br />

Direktorin für Bildung, Soziales<br />

und Sport der Stadt Bern,<br />

Edith Olibet<br />

Predigergasse 5<br />

Postfach3000, Bern 7<br />

bss@bern.ch<br />

Ich freue mich, Sie heute als Bildungsdirektorin<br />

der Stadt Bern begrüssen zu<br />

dürfen. Herzlich willkommen. Bern ist<br />

ein Bijou der besonderen Art und hat sehr<br />

viel zu bieten. Ich bin überzeugt, dass Sie<br />

sich bei uns wohl fühlen. Ich hoffe aber<br />

auch, dass Sie Zeit finden – wenn nicht<br />

heute, so ein anderes Mal – die Schönheiten<br />

des Unesco Weltkulturerbes zu bewundern.<br />

Wie wird man in der Schule<br />

erfolgreich<br />

Ist es persönliches Verdienst, sind es Privilegien<br />

oder sind es gar Zufälle Diese Fragen<br />

sind keineswegs provokativ, sondern<br />

mehr als angebracht angesichts des mangelhaften<br />

Bildungserfolgs von Kindern aus<br />

bildungsfernen und/oder mehrsprachigen<br />

Elternhäusern. Ihr heutiges Tagungsprogramm<br />

stellt die zentralen Fragen, auf die<br />

wir dringend Antworten haben, Lösungen<br />

präsentieren und vor allem die entsprechenden<br />

Taten folgen lassen müssen.<br />

«Eine starke Volksschule – Chance für<br />

alle.» Unter diesen Titel möchte ich mein<br />

Kurzreferat stellen. Ich bin überzeugt,<br />

dass Sie sich – genauso wie ich – für eine<br />

starke Volksschule einsetzen. Bereits vor<br />

und während der obligatorischen Schulzeit<br />

wird das Fundament gebaut, auf welchem<br />

alle anderen Bildungsstufen weiter<br />

bauen. Genügt dieses Fundament nicht, so<br />

fällt das Bildungshaus wie ein Kartenhaus<br />

zusammen.<br />

«Volksschule: Hauptfach: Sparen» dies<br />

war der Titel im «Beobachter» vom 12. November<br />

2004. Zitiert wurden drei Primarschullehrerinnen:<br />

«Die Sparwut bei der Bildung<br />

wird unsere Gesellschaft teuer zu<br />

stehen kommen.» Diese Feststellung unterstütze<br />

ich voll und ganz. Dieses Szenario<br />

können und dürfen wir uns nicht leisten,<br />

die düstere Prognose darf sich nicht<br />

bewahrheiten.<br />

Bildungsstrategie der Stadt Bern<br />

Der Gemeinderat hat gehandelt und im November<br />

2004 bildungspolitische Leitlinien<br />

festgelegt und Massnahmen für die Jahre<br />

2004 – 2008 beschlossen. Dass diese auch<br />

finanzielle Konsequenzen haben ist dem<br />

Gemeinderat bewusst. Gefordert ist auch<br />

der Kanton Bern, damit sich die düstere<br />

Prognose nicht bewahrheitet.<br />

Im Mittelpunkt unserer Bildungsstrategie<br />

stehen die Kinder. Ihre Chancen müssen<br />

gezielt verbessert werden. Wir wissen<br />

nicht erst seit den PISA-Studien, wo bei<br />

uns in der Schweiz der Hase im Pfeffer<br />

liegt. Die Volksschule ist nicht mehr in der<br />

Lage, allen Kindern und Jugendlichen eine<br />

ausreichende Grundbildung (Lesen,<br />

Schreiben, Rechnen, Kommunizieren,<br />

einige Kenntnisse über naturwissenschaftliche<br />

Phänomene) zu vermitteln. Sie<br />

sind aber das Rüstzeug fürs Leben.<br />

Die Volksschule muss gestärkt werden.<br />

Zu dieser Erkenntnis ist auch die Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

(EDK) gelangt<br />

und hat das Projekt HarmoS, Harmonisierung<br />

der obligatorischen Schule, lanciert<br />

mit dem Ziel, in den nächsten Jahren in<br />

Studien allgemeinverbindliche Bildungsstandards<br />

zu entwickeln. Doch das genügt<br />

bei Weitem nicht. Weitere Taten sind dringend<br />

nötig.<br />

Wir haben jetzt und heute Handlungsbedarf<br />

und wollen konkrete Massnahmen<br />

mit Ergebnissen. Kindergarten und Schule<br />

sind dann in der Lage, mehr Chancengerechtigkeit<br />

zu erreichen,<br />

wenn sie über die dafür notwendigen<br />

personellen und finanziellen Ressourcen<br />

verfügen,<br />

wenn sie auf die kraftvolle Unterstützung<br />

aller Beteiligten (Eltern, Lehrpersonen,<br />

Schulbehörden) zählen können,<br />

wenn sie den Rückenwind und die Wertschätzung<br />

von Politik, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft haben.<br />

Heute ist dem nicht so, wissenschaftliche<br />

Untersuchungen und die grosse Abhängigkeit<br />

des Bildungserfolgs von der Herkunft<br />

der Kinder sind Beweis genug.<br />

Selbstverständlich spielen die Aus- und<br />

Weiterbildung der Lehrpersonen ebenso<br />

eine grosse Rolle und die kontinuierliche<br />

Qualitätsentwicklung und -kontrolle im<br />

Unterricht.<br />

Zentrale Bedeutung der<br />

Vorkindergartenzeit<br />

Der Gemeinderat ist sich der zentralen Bedeutung<br />

der Vorkindergartenzeit, der Kindergarten-<br />

und Schulzeit bewusst. Er<br />

weiss, wie wichtig es ist, die richtigen strategischen<br />

Weichen zu stellen und zu handeln.<br />

Er will den Bildungserfolg aller Kinder<br />

besser sicherstellen und seine bildungspolitische<br />

Verantwortung gegenüber<br />

der jungen Generation wahrnehmen.<br />

Sie haben gemerkt: Ich spreche auch von<br />

der Zeit vor dem Kindergarten. Aus gutem<br />

Grunde. Wir stellen fest, dass bereits beim<br />

Eintritt in den Kindergarten Kinder mit<br />

höchst unterschiedlichen Kompetenzen<br />

zusammentreffen. In der Schweiz wird die<br />

Förderung der Kinder vor dem Eintritt in<br />

den Kindergarten immer noch als ureigenste<br />

Aufgabe der Eltern betrachtet. Der<br />

Staat hat sich nicht einzumischen. Mit fatalen<br />

Folgen: Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern<br />

oder Kinder mit einer nichtdeutschen<br />

Muttersprache sind bereits im<br />

Hintertreffen, bevor sie überhaupt den ersten<br />

Fuss in den Kindergarten gestellt ha-<br />

10 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


olibet<br />

ben. Die Kantone verdrängen diese Tatsache<br />

immer noch. Das geht nicht an.<br />

In den skandinavischen Ländern oder<br />

jenen Ländern, die z.B. bei PISA hervorragende<br />

Resultate erbracht haben, ist das<br />

völlig anders. Sie beginnen mit der Förderung<br />

und Unterstützung bereits mit 3 Jahren,<br />

weil sie wissen, dass bei den Kindern<br />

in diesem Alter ungleiche Voraussetzungen<br />

am Wirkungsvollsten ausgeglichen<br />

werden können. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage<br />

der Bertelsmann Stiftung<br />

in Deutschland im Juni 2004 hat ergeben,<br />

dass 84 % der Bevölkerung der Meinung<br />

sind, Kinder hätten schon vor der<br />

Einschulung ein Recht auf Bildung, und<br />

48 % denken, dass öffentliche Investitionen<br />

in den Bildungsbereich zukünftig vorrangig<br />

auf Angebote für die ersten zehn Lebensjahre<br />

gelenkt werden sollten. Auch<br />

wir wissen es eigentlich; denn auch der<br />

Kanton Bern oder die EDK stecken Gelder<br />

in Forschungsprojekte für dieses Alter. Leider<br />

lässt man die Ergebnisse in den<br />

Büchergestellen verstauben und sitzt innovativen<br />

Entscheidungsbedarf aus. Der<br />

Gemeinderat will hier ansetzen und handeln.<br />

Chancengerechtigkeit in der<br />

Volksschule<br />

Damit komme ich zur Volksschule. Die Heterogenität<br />

in den Kindergarten- und<br />

Schulklassen, die Integration von Schülerinnen<br />

und Schülern mit besonderen Bedürfnissen<br />

und die Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit<br />

– dies sind die Herausforderungen,<br />

die dem städtischen Bildungswesen<br />

gestellt sind. Hier muss und will die<br />

Stadt auf die ihr gestellten Herausforderungen<br />

antworten. Bildungspolitik bewegt<br />

sich zwischen Wandel und Beständigkeit.<br />

In einer Zeit, die viele Menschen verunsichert,<br />

heisst dies:<br />

Position beziehen,<br />

Prioritäten setzen und<br />

nachhaltige Wirkung anstreben.<br />

Das ist die Absicht der Bildungsstrategie<br />

2004 – 2008 der Stadt Bern.<br />

Die Bildungsstrategie konzentriert sich<br />

vor allem auf die Verwirklichung von Chan-<br />

cengerechtigkeit. Heute hängt der Schulerfolg<br />

eines Kindes noch massgeblich von<br />

der sozialen Herkunft ab. So ist erwiesen,<br />

dass diese Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt<br />

weniger Chancen haben. Sie haben<br />

auf ihrem Lebensweg bedeutend grössere<br />

Schwierigkeiten. Statt eine Zweiklassen-<br />

Gesellschaft mit sozialen Spannungen zu<br />

provozieren, ist es notwendig, in Integrations-,<br />

Förder- und Unterstützungsangebote<br />

zu investieren.<br />

Ich weiss, dass die gesellschaftliche<br />

Entwicklung nicht kurzfristig beeinflusst<br />

werden kann. Es liegt aber in der Hand der<br />

Kantone, Gemeinden und Städte, die jungen<br />

Menschen in ihrem Einfluss- und Verantwortungsbereich<br />

zu stärken und zu fördern.<br />

Ich verfolge dabei eine Strategie, die<br />

dem Kindergarten und der Volksschule eine<br />

pädagogische und zeitgemässe Entwicklung<br />

zur Erfüllung ihres umfassenden<br />

Bildungsauftrags ermöglicht, ihr aber<br />

auch Orientierung und Sicherheit für die<br />

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vermittelt.<br />

«Die schöpferischen Kräfte im<br />

Kinde zur Entfaltung zu bringen»<br />

In unserer Bildungsstrategie heben wir die<br />

zentrale Bedeutung des Kindergartens<br />

und der Volksschule, aber auch der Vorkindergartenzeit<br />

im Bildungswesen hervor.<br />

Diese Zeitspanne ist das Zugangstor<br />

zum gesamten Bildungsweg. Wir berücksichtigen<br />

auch die Vorkindergartenzeit,<br />

weil die ersten sechs Jahre eines Kindes<br />

für dessen Spracherwerb und Entwicklung<br />

von grösster Bedeutung sind. Das Bildungswesen<br />

nimmt diese wissenschaftlich<br />

untermauerte Erkenntnis aber heute<br />

nur am Rande wahr und verharrt in der<br />

Auffassung, das Schaffen von Voraussetzungen<br />

für einen günstigen Schuleintritt<br />

sei allein im Verantwortungsbereich der<br />

Eltern angesiedelt. Die Stadt Bern setzt im<br />

Handlungsfeld «Vorkindergarten» einen<br />

bildungspolitischen Schwerpunkt, indem<br />

sie mit eigenen Angeboten die Sprachförderung<br />

unterstützt und die Nahtstelle zum<br />

Kindergarten systematischer gestalten<br />

will. Der familienergänzenden Betreuung<br />

kommt begleitend eine besondere Bedeutung<br />

zu, da systematisches Lernen und<br />

vertieftes Spielen klare und geordnete Tagesstrukturen<br />

bedingen.<br />

Die Bildungsstrategie des Gemeinderats<br />

ist auch pädagogisch ausgerichtet<br />

und legt in den Leitlinien die Grundlage,<br />

um – in Martin Bubers Worten gesprochen<br />

– «die schöpferischen Kräfte im Kinde zur<br />

Entfaltung zu bringen».<br />

Stadt hat Handlungsspielraum<br />

und will ihn nutzen<br />

Es stimmt nicht, wie immer wieder kolportiert<br />

wird, dass der Handlungsspielraum<br />

der Stadt im Bildungswesen stark begrenzt<br />

ist. Die Bildungsstrategie macht in<br />

den Handlungsfeldern und Massnahmen<br />

sichtbar, dass die Stadt verbesserte und<br />

zeitgemässe Rahmenbedingungen und<br />

Voraussetzungen für die Schulung und Erziehung<br />

der Kinder und Jugendlichen<br />

massgeblich gestalten und optimieren<br />

kann. Das Führen unserer öffentlichen Kindergärten<br />

und Schulen ist eine gemeinsame<br />

Aufgabe von Kanton und Stadt. In dieser<br />

Partnerschaft, so zeigt die Erfahrung,<br />

ist es ungemein wichtig, dem Kanton darzulegen,<br />

in welchem sozialen, kulturellen<br />

und ökonomischen Umfeld die Volksschule<br />

ihren Auftrag erfüllen muss. Die soziodemografischen<br />

Gegebenheiten der Stadt<br />

rufen nach dementsprechenden Ressourcen.<br />

Die sind auszuhandeln und einzufordern,<br />

setzt der Kanton doch sein Recht in<br />

der Regel für Gemeinden mittlerer Grösse<br />

(3000 EinwohnerInnen).<br />

In dieser kontinuierlichen Auseinandersetzung<br />

gilt die Bildungsstrategie als<br />

Richtschnur und zeigt, was in den kommenden<br />

Jahren zwingend zu tun ist, damit<br />

unsere Kindergärten und Schulen ihre Ziele<br />

heute und in Zukunft besser und für alle<br />

erreichen können. Es ist an uns, dafür zu<br />

sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen<br />

befähigt werden, ihr zukünftiges Leben<br />

eigenständig gestalten und gleichberechtigt<br />

am gesellschaftlichen und kulturellen<br />

Leben teilhaben zu können.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 11


kronig<br />

Irrtümer der Selektion<br />

Über die Tücken eines hierarchisch gestuften Bildungssystems<br />

1<br />

Unter<br />

PD Dr. Winfried Kronig<br />

Heilpädagogisches Institut<br />

Universität Freiburg<br />

Petrus-Kanisius-Gasse 21<br />

1700 Fribourg<br />

winny.kronig@unifr.ch<br />

dem Schleier des<br />

Leistungsprinzips<br />

Wie wird man in der Schule erfolgreich<br />

Diese Frage muss auf den ersten Blick irritieren.<br />

Sind es doch die individuell erbrachten<br />

Leistungen, die über den Erfolg<br />

eines Schülers oder einer Schülerin entscheiden<br />

sollen. Gute Lernergebnisse<br />

führen nicht nur zu guten Noten, sondern<br />

berechtigen auch zum Besuch von weiterführenden<br />

Schulen. So soll verhindert werden,<br />

dass Einzelne zum Beispiel nur auf<br />

Grund ihrer Herkunft unverdiente Ansprüche<br />

auf privilegierte Positionen erheben.<br />

Dieses Leistungsprinzip gilt gegenüber<br />

seinen historischen Vorgängern, etwa dem<br />

Geburtsrecht, als demokratisch und sozial<br />

gerecht.<br />

Das Bildungssystem verwendet einen<br />

beträchtlichen Aufwand, um das Leistungsprinzip<br />

nach Aussen zu dokumentieren.<br />

Nimmt man beispielsweise an, dass jede<br />

Schülerin und jeder Schüler nur eine<br />

einzige Leistungsbewertung in lediglich<br />

vier Schulfächern pro Semester erhält,<br />

werden allein in Schweizer Volksschulen<br />

jährlich etwa 6,5 Millionen individuelle<br />

Leistungsbewertungen vergeben.<br />

Aber hinter diesen vielfachen Belegen<br />

für eine scheinbar gerechte und gerechtfertigte<br />

Belohnung von guten Leistungsergebnissen<br />

gibt es einige grundlegende<br />

Zweifel an der vordergründigen Plausibilität<br />

des Leistungsprinzips. Zunächst einmal<br />

scheint es fraglich, was genau da bewertet<br />

wird. Bereits einfachste didaktischen<br />

Modelle legen nahe, dass das Schulkind<br />

nicht allein für seinen Lernstand verantwortlich<br />

zu machen ist. Vielmehr<br />

scheint die individuelle Leistung aus einem<br />

komplexen Zusammenspiel von<br />

Schulkind, MitschülerInnen, Lehrperson<br />

und Lernstoff zu entstehen. Wie anders<br />

könnte man die langjährige Diskussion<br />

über Unterrichtsqualität und Schulentwicklung<br />

verstehen Wie anders müsste<br />

man die Bemühungen um eine Verbesserung<br />

der Ausbildung von Lehrpersonen erklären<br />

Offensichtlich werden in diese Faktoren<br />

zu Recht viel Zeit und Geld investiert.<br />

Denn es sind nachweislich wichtige<br />

Bedingungen für die Leistungen der SchülerInnen.<br />

Wenn sie aber am Lernergebnis<br />

beteiligt sind, müsste man sie dann nicht<br />

auch bei der Leistungsbewertung berücksichtigen.<br />

In eine einfache Frage gefasst:<br />

Bewertet die Schule nicht mit jeder Note<br />

jeweils auch ihre eigene Leistung<br />

Eine wichtige Voraussetzung für einen<br />

fairen Leistungswettbewerb wären ausserdem<br />

vergleichbare Startbedingungen.<br />

Mit dem ersten Schultag nehmen die Bildungskarrieren<br />

aber nur scheinbar einen<br />

gleichen Anfang. In Wirklichkeit ist der<br />

eigentliche Start weit vorverlegt, hat der<br />

Wettlauf um eine erfolgreiche Bildungskarriere<br />

längst begonnen. Der anfängliche<br />

Vorteil einiger SchülerInnen wird im Lauf<br />

der Bildungsbiographie noch verstärkt.<br />

Denn je besser ein Schüler oder eine Schülerin<br />

im Vergleich mit den anderen abschneidet,<br />

umso günstiger ist die Ausgangsposition<br />

für den nächsten Vergleich.<br />

In den meisten Schulklassen nehmen die<br />

Abstände zwischen leistungsschwachen<br />

und leistungsstarken SchülerInnen im<br />

Lauf eines Schuljahres zu (vgl. Kronig<br />

20<strong>05</strong>). Mit den ungleichen Startbedingungen<br />

fliessen aber genau jene Faktoren in<br />

den Wettbewerb ein, welche das Leistungsprinzip<br />

überwinden sollte: das soziale<br />

und familiäre Umfeld.<br />

Solche Widersprüchlichkeiten wird die<br />

Schule kaum auflösen können. Aber unabhängig<br />

von diesen grundsätzlicheren<br />

12 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs<br />

Voranzeige des neuen Buchs von Winfried Kronig (erscheint anfangs 2006 im Haupt-Verlag)<br />

Problemen müsste ein Bildungssystem,<br />

das sich so deutlich dem Leistungsprinzip<br />

verpflichtet, glaubhaft nachweisen können,<br />

dass dieses nicht notorisch verletzt<br />

wird. Aber schon einfache bildungsstatistische<br />

Analysen fördern eine Reihe von<br />

Kuriositäten zu Tage.<br />

2<br />

Der<br />

Wohnort<br />

entscheidet mit<br />

Was muss man können, um in eine Klasse<br />

mit erweiterten Ansprüchen (in vielen<br />

Kantonen: Sekundarklasse) übertreten zu<br />

dürfen Und ab welchem Leistungsstand<br />

reicht es nur mehr für eine mit Grundansprüchen<br />

(in vielen Kantonen: Realklasse)<br />

Die Antwort fällt völlig unterschiedlich<br />

aus, je nachdem wo man die Schule besucht.<br />

Während es in einem Kanton schon<br />

genügt, besser als die schwächsten 10 Prozent<br />

der MitschülerInnen zu sein, muss<br />

man in einem andern schon besser als <strong>40</strong><br />

Prozent der MitschülerInnen sein. Es gibt<br />

wahrscheinlich keine pädagogische Massnahme,<br />

die kurzfristig einen derartigen<br />

Leistungsunterschied bewirken könnte.<br />

Ähnlich gross sind die regionalen<br />

Schwankungen auch bei Kindern und<br />

Jugendlichen aus Familien, die in die<br />

Schweiz immigriert sind. Deshalb kann<br />

man unmöglich sagen, um wie viel grösser<br />

die schulischen Misserfolge der ImmigrantInnen<br />

im Vergleich zu den Schweizer-<br />

Innen sind. Es kommt sehr darauf an, in<br />

welchem Kanton man sich gerade befindet.<br />

Die kantonalen Unterschiede in den<br />

Anforderungen sind sogar so gross, dass<br />

für die Mehrheit dieser SchülerInnen der<br />

Wohnkanton mindestens ebenso stark<br />

über den Erfolg entscheidet wie das Herkunftsland.<br />

Konkret: Die Quote der erfolgreichen<br />

SchülerInnen aus dem Balkan ist<br />

in manchen Kantonen grösser als die Quote<br />

der erfolgreichen SchülerInnen aus Italien<br />

in anderen Kantonen und umgekehrt.<br />

Bei den lernbehinderten SchülerInnen<br />

sind die Unterschiede noch viel augenfälliger.<br />

Es gibt Kantone, in denen das Risiko<br />

an eine Sonderklasse überwiesen zu werden,<br />

um ein vielfaches höher ist als in den<br />

Nachbarkantonen. Angeblich klare Konturen<br />

zwischen Regel- und SonderklassenschülerInnen<br />

verwischen deshalb zusehends.<br />

Mit individuellen Fähigkeiten sind diese<br />

Befunde nicht mehr zu erklären. Es ist<br />

nicht so, dass die Selektionsstrukturen<br />

des Bildungssystems einer Region an die<br />

Fähigkeiten angepasst werden. Vielmehr<br />

werden die Fähigkeiten auf die bestehenden<br />

Strukturen verteilt. Da sich diese<br />

Strukturen von Ort zu Ort unterscheiden,<br />

braucht es nicht überall die gleichen Leistungsfähigkeiten<br />

um erfolgreich zu sein.<br />

3<br />

Die<br />

Ist Bildung individueller Verdienst, vergebenes Privileg oder schlicht ein Zufall Die im<br />

Buch dargestellten Untersuchungen des Lernerfolgs und der Leistungsbewertungen am<br />

Ende der Primarschule verweisen auf verschiedene Kuriositäten des Bildungssystems.<br />

Diese Eigenarten machen die Frage weit weniger eindeutig beantwortbar, als dies gemeinhin<br />

angenommen wird. Nachweisbar sind für den Bildungserfolg die Zufälle des Schulstandorts<br />

und der zugeteilten Schulklasse mit entscheidend. Und ebenfalls nachweisbar hängt er von<br />

Eigenschaften wie der nationalstaatlichen und der sozialen Herkunft ab, ohne dass der Einzelne<br />

mit seiner Leistung ohne weiteres etwas ändern könnte. Teilweise kann damit der alte<br />

Verdacht erhärtet werden, dass hochselektive Bildungssysteme an der Reproduktion bestehender<br />

gesellschaftlicher Verhältnisse beteiligt sind.<br />

Neben verschiedenen Theorien über den Bildungserfolg und bildungsstatistischen Analysen<br />

beinhaltet das Buch empirische Studien über das Entstehen und die Auswirkungen von Heterogenität<br />

im Klassenzimmer, über die Leistungssteigerung bei gleichzeitigem Leistungsausgleich,<br />

über die Schulklasse als wichtige Lernbedingung, über die Einflüsse der Leistungserwartung<br />

der Lehrperson auf den Lernerfolg in der Schulklasse und über die gegenwärtige Selektionspraxis.<br />

Mehrheit sind<br />

«Grenzfälle»<br />

Eine der messbaren Folgen der regional<br />

unterschiedlichen Selektionspraxis ist<br />

die, dass es viele SchülerInnen mit vergleichbaren<br />

Fähigkeiten gibt, die aber einen<br />

anderen Schultyp besuchen. Eine Untersuchung<br />

mit rund 2000 SchülerInnen<br />

aus der deutschsprachigen Schweiz belegt,<br />

dass dies nicht nur einige wenige betrifft,<br />

wie das der gebräuchliche aber offensichtlich<br />

unangemessene Begriff der<br />

«Grenzfälle» erahnen lässt. Für mehr als<br />

zwei Drittel aller SchülerInnen gilt, dass es<br />

irgendwo in der Deutschschweiz ein<br />

Schulkind mit einem vergleichbaren Leistungsstand<br />

gibt, das aber einen anderen<br />

Schultyp (Sekundar- bzw. Realklasse) besucht<br />

als es selbst (Kronig 20<strong>05</strong>, vgl. auch<br />

die Reanalyse von PISA-Daten bei Zutavern,<br />

Brühwiler & Biedermann 2002).<br />

Man muss annehmen, dass hier das<br />

Leistungsprinzip gravierend verzerrt ist.<br />

Denn für alle diese SchülerInnen war offensichtlich<br />

nicht nur die individuelle Leistung<br />

bestimmend für ihre Bildungskarriere.<br />

4<br />

Leistungsfremde<br />

Faktoren<br />

An den Selektionsgrenzen wird sichtbar,<br />

dass nicht nur der Zufall des Wohnorts eine<br />

verfälschende Rolle spielt. Geschlecht,<br />

soziale Herkunft und nationalstaatliche<br />

Zugehörigkeit entscheiden ebenfalls über<br />

den Bildungserfolg. Mit Längsschnittuntersuchungen<br />

ist es möglich zu zeigen, wie<br />

wichtig diese Faktoren sind. Selbst bei gleichen<br />

Leistungen in den Kernfächern Mathematik<br />

und Sprache können sie die<br />

Wahrscheinlichkeit einer positiven Selektion<br />

um das zweifache erhöhen (vgl. Kronig<br />

20<strong>05</strong>).<br />

Aus dem «katholischen Arbeitermädchen<br />

vom Lande» (Dahrendorf 1965) ist inzwischen<br />

der ausländische Junge im Ballungszentrum<br />

geworden, der selbst bei<br />

guten Leistungen deutlich geringere Chancen<br />

auf Erfolg hat.<br />

5<br />

«Ein<br />

grosser Fisch im<br />

kleinen Teich»<br />

Was sich in den groben Strukturen des Bildungssystems<br />

zeigt, ist auch im einzelnen<br />

Klassenzimmer zu beobachten. Vor allem<br />

trifft man hier auf das Problem, dass die<br />

Note einer Schülerin oder eines Schülers<br />

unmittelbar von der Leistungsfähigkeit<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 13


kronig<br />

seiner MitschülerInnen abhängt. Im Extremfall<br />

belegen unterschiedlich starke<br />

Schulklassen die gleiche Bandbreite auf<br />

der Notenskala, obwohl die besten SchülerInnen<br />

der einen Klasse einen tieferen<br />

Leistungsstand haben als die Leistungsschwächsten<br />

der anderen. Bedingt durch<br />

die Klasse als Bezugsgrösse kann eine bestimmte<br />

Leistung mit einer 4, sie kann aber<br />

auch mit einer 6 bewertet werden (vgl.<br />

Kronig 20<strong>05</strong>). Die einzelne Leistungsbewertung<br />

beinhaltet also die spiegelverkehrte<br />

Leistungsfähigkeit der Schulklasse.<br />

Dieser von Marsh (1987) in einem anderen<br />

Zusammenhang treffend als «grosser Fisch<br />

im kleinen Teich» bezeichnete Effekt<br />

schmälert den Vergleichswert von Leistungsbewertungen.<br />

Ingenkamp (1989) gehörte<br />

im deutschen Sprachraum zu den ersten,<br />

die deutliche Zweifel an der Vergleichbarkeit<br />

von Zeugnisnoten geäussert<br />

haben. Sobald schulische Leistungsbewertungen<br />

das Klassenzimmer verlassen,<br />

sind sie für jegliche Vergleiche absolut untauglich.<br />

Dennoch dienen sie als Grundlage<br />

für die überregionale Selektion.<br />

3<br />

Abschliessende<br />

Bemerkungen<br />

Die im Eingang zu diesem Beitrag gestellte<br />

Frage ist wohl kaum abschliessend zu beantworten.<br />

Aber immerhin zeigen die skizzierten<br />

Probleme, dass es durchaus berechtigt<br />

ist zu fragen, wie Bildungserfolge<br />

eigentlich entstehen. Die Literatur zur Bildungsforschung<br />

ist reichhaltig an Belegen,<br />

dass sehr wahrscheinlich nicht nur die individuelle<br />

Leistung entscheidend ist. Zufälle<br />

und Privilegien führen immer wieder<br />

zu dramatischen Abweichungen vom Leistungsprinzip,<br />

auf das die Schule so viel<br />

Wert legt.<br />

Die Auswirkungen sind nicht nur ungerecht<br />

für die VerliererInnen des Bildungswettlaufs.<br />

Die durch die Systemeigenheiten<br />

provozierte Unsicherheit in der Selektionspraxis<br />

wird auch die GewinnerInnen<br />

kaum zufrieden stellen, solange sie sich<br />

nur vage auf ihre erbrachte Leistung berufen<br />

können.<br />

Literatur<br />

Dahrendorf, R. (1965): Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer<br />

für eine aktive Bildungspolitik. Hamburg: Nannen.<br />

Ingenkamp, K. (1989): Diagnostik in der Schule. Beiträge<br />

zu Schlüsselfragen der Schülerbeurteilung. Weinheim: Belz.<br />

Kronig, W. (20<strong>05</strong>): Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs.<br />

[erscheint Anfang 2006]<br />

Marsh, H. W. (1987): The big-fish-little-pond effect on<br />

academic self-concept. Theoretical and empirical justification.<br />

In: Educational Psychology Review, 77-171.<br />

Zutavern, Brühwiler & Biedermann (2002): Die Leistungen<br />

der verschiedenen Schultypen auf der Sekundarstufe I.<br />

In: EDK & BfS (Hrsg.): Bern, St. Gallen, Zürich: Für das Leben<br />

gerüstet Die Grundkompetenzen der Jugendlichen –<br />

Kantonaler Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel:<br />

EDK / BfS, 63–76.<br />

inserate<br />

Gesucht: Lehrkräfte, die sich gegen Gewalt engagieren<br />

Die «Kampagne gegen Kleinwaffen» des Schweizerischen Friedensrates setzt<br />

sich für die Eindämmung der Waffenflut im Alltag weltweit und in der Schweiz<br />

ein. Unser Land hat eines der largesten Waffengesetze und einen Justizminister,<br />

der das nicht wirklich ändern will. Zudem nimmt der Wunsch nach einer eigenen<br />

Waffe unter den Jungen beängstigend zu.<br />

Deshalb möchten wir zusätzlich zur politischen Lobbyarbeit Unterrichtsmaterialien<br />

zum Thema Kleinwaffen erarbeiten. Für eine Arbeitsgruppe dazu suchen wir<br />

Freiwillige, in erster Linie Lehrerinnen und Lehrer. Interessiert<br />

Melde Dich bei der<br />

Kampagne gegen Kleinwaffen<br />

Postfach 6386, 8023 Zürich<br />

Tel. 044 242 93 21<br />

info@friedensrat.ch<br />

www.friedensrat.ch<br />

14 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hollenweger<br />

Sozial und erfolgreich<br />

Das Schweizer Bildungssystem im internationalen Vergleich<br />

Prof. Dr. Judith Hollenweger<br />

Pädagogische Hochschule Zürich<br />

Departement Forschung und<br />

Entwicklung<br />

Hirschengraben 28, Postfach<br />

1<br />

8090 Zürich<br />

judith.hollenweger@phzh.ch<br />

Was können wir aus den<br />

PISA-Ergebnissen lernen<br />

Noch keine internationale Vergleichsstudie<br />

hat so viel Resonanz in der Bildungspolitik<br />

und in einer breiteren Öffentlichkeit<br />

gefunden wie die PISA-Studie der<br />

OECD (Organisation for Economic Cooperation<br />

and Development), ein internationales<br />

Programm der Leistungsmessung<br />

bei 15-jährigen Jugendlichen. Im Zentrum<br />

steht jedoch nicht die Leistungsmessung<br />

beim einzelnen Jugendlichen, vielmehr<br />

werden die Leistungen aller Schülerinnen<br />

und Schüler in einem Land als Indikatoren<br />

für den Erfolg der jeweiligen Bildungssysteme<br />

analysiert. Erstaunt hat vor gut zwei<br />

Jahren – und hat deshalb auch eine breite<br />

Diskussion ausgelöst – der Befund, dass<br />

die Schulsysteme, die besonders erfolgreich<br />

sind, auch besonders sozial sind. Vor<br />

PISA sagte die Intuition vielen Politikern,<br />

dass Schulsysteme, die darum bemüht<br />

sind, die Schwächsten zu stützen und viel<br />

Zeit und Energie zugunsten einer Chancengerechtigkeit<br />

aufwenden, diese egalitären<br />

Werte mit tieferen Spitzenleistungen<br />

erkaufen müssen. Nun wissen wir,<br />

dass das nicht stimmt. Das Absichern einer<br />

Bildung für Alle bedeutet somit auch<br />

eine bessere Bildung für Alle. Dieser Befund<br />

– und natürlich vor allem die damit<br />

einhergehende Einsicht bei den Bildungsverantwortlichen<br />

– stimmt zuversichtlich:<br />

bessere Leistungen werden offensichtlich<br />

in sozial gerechteren Schulsystemen er-<br />

reicht. Es ist somit möglich, sozial und erfolgreich<br />

zu sein.<br />

Erfolgreich –<br />

sozial und wenig selektiv<br />

PISA zeigt es: es gibt Länder, die nicht nur<br />

höhere Spitzenleistungen und höhere<br />

durchschnittliche Leistungen erreichen,<br />

sondern auch homogenere Leistungen<br />

ausweisen: in den besten Ländern liegen<br />

die besten und die schlechtesten Leistungen<br />

auch näher beisammen. Die Tabelle 1<br />

zeigt, dass Kanada und Finnland sowohl<br />

den höheren Mittelwert als auch geringere<br />

Standardabweichungen aufweisen und<br />

die Unterschiede zwischen den schlechtesten<br />

und besten Leistungen geringer sind<br />

als in Deutschland und der Schweiz. Die<br />

Spannbreite ist in Deutschland sogar noch<br />

etwas grösser als in der Schweiz (OECD<br />

2001, 253).<br />

Tabelle 1: Variation in den Leistungen der Schülerinnen<br />

und Schüler (combined reading literacy scale)<br />

Mittelwert Standard- Range<br />

(PISA) abweichung (5-95 %)<br />

Kanada 534 95 371 - 681<br />

Finnland 546 89 390 - 681<br />

Schweiz 494 102 316 - 651<br />

Deutschland 484 111 284 - 650<br />

OECD Ø 500 100 324 - 652<br />

Herkunft oder Leistung<br />

In allen teilnehmenden Ländern zeigte<br />

sich eine mehr oder weniger enge Beziehung<br />

zwischen der Leistung und der sozialen<br />

Herkunft der Jugendlichen. Doch in<br />

einigen Ländern ist dieser Zusammenhang<br />

enger als in anderen Ländern. Was würden<br />

Sie als Bildungsverantwortliche in einem<br />

demokratischen Staat sich wünschen Ich<br />

wünschte mir, dass Kinder und Jugendliche<br />

Leistungen gemäss ihrer Begabung<br />

und ihrem geistigen Potential erbringen<br />

und nicht, weil sie aufgrund ihrer familiären<br />

Herkunft halt bildungsnäher oder<br />

bildungsferner sind. Ich wäre glücklich,<br />

wenn bei möglichst guten Leistungen der<br />

Einfluss der sozialen Herkunft möglichst<br />

klein wäre. Leider gehört die Schweiz nicht<br />

zu jenen Ländern, denen das gelingt. Vielmehr<br />

zeichnet sie sich aus durch relativ<br />

tiefe Leistungen bei einem relativ engen<br />

Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft<br />

und Schulleistungen. Erfolgreich<br />

und sozial zu sein, hiesse Spitzenleistungen,<br />

einen hohen Durchschnitt und einen<br />

relativ lockeren Zusammenhang zwischen<br />

Leistungen und sozialer Herkunft zu erreichen.<br />

Ohne Zweifel möchte auch die<br />

Schweiz sich in diese Richtung entwickeln.<br />

Doch wie – das ist die Frage: welche Faktoren<br />

führen dazu, dass die Schweiz weniger<br />

erfolgreich und weniger sozial ist<br />

Was liegt näher, als die Systeme der Länder<br />

zu analysieren, welche es schaffen, erfolgreich<br />

und sozial zu sein Um den Erfolgsfaktoren<br />

auf die Spur zu kommen, hat<br />

das Bundesamt für Statistik 2003 eine Vertiefungsstudie<br />

in Auftrag gegeben, welche<br />

von Maja Coradi Vellacott, Michel Nicolet,<br />

Stefan Wolter und mir bearbeitet wurde:<br />

«Soziale Integration und Leistungsförderung».<br />

Seitens der OECD ist im letzten Jahr<br />

eine Studie mit dem Titel «What makes<br />

School System perform» publiziert worden.<br />

Sie beschäftigt sich zwar nicht explizit<br />

mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit,<br />

sondern mit der allgemeinen Qualität<br />

von Schulsystemen. Doch ist ja gerade die<br />

Einsicht, dass eine sozial gerechte – oder<br />

vielleicht besser gesagt, eine sozial weniger<br />

selektive – Schule auch eine gute Schule<br />

ist, Ausgangspunkt meiner Ausführungen.<br />

Was machen erfolgreiche Länder<br />

anders als die Schweiz<br />

Erfolgreiche Länder wie Kanada oder Finnland<br />

haben in den letzten Jahren zahlrei-<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 15


hollenweger<br />

che Reformbemühungen angestrengt. In<br />

einem internationalen Vergleich fallen vier<br />

Reformbereiche besonders auf und werden<br />

auch von der OECD mit den guten<br />

Leistungen in Verbindung gebracht:<br />

Systematische Unterstützung und Förderung<br />

von Schülerinnen und Schülern<br />

mit schlechten schulischen Leistungen<br />

(v.a. frühe Förderung, ohne Segregation)<br />

Systematische Verbesserung des Lehrens<br />

und Lernens von definierten Kompetenzen<br />

(Verminderung der etwa in<br />

der Schweiz zum Teil sehr grossen Unterschiede<br />

zwischen einzelnen Klassen)<br />

Erhöhte Schulautonomie kombiniert<br />

mit Selbstverantwortung und Rechenschaftsablegung<br />

Differenzierte, auf die sozialen Begebenheiten<br />

abgestimmte Finanzierung<br />

(prioritäre Unterstützung an Schulen<br />

mit einer schwierigen Zusammensetzung<br />

der Schülerschaft)<br />

Diese Aspekte lassen sich bezüglich des<br />

Umgangs mit Kindern mit Migrationshintergrund,<br />

mit unterschiedlichen Leistungen<br />

oder Behinderungen anwenden. Drei<br />

Bereiche und ihre Weiterentwicklung sind<br />

besonders bedeutsam:<br />

1. Organisation von Unterstützungssystemen<br />

für starke Schulen<br />

Finanzielle Unterstützung für Schulentwicklungsprojekte<br />

Systematische berufliche Weiterentwicklung<br />

der Lehrpersonen<br />

Schulhausnah entwickelte, standardbasierte<br />

Curricula (auf der Basis nationaler<br />

Vorgaben) zur Unterstützung des<br />

professionellen Unterrichts<br />

Interne Evaluation und Überprüfung<br />

der Standarderreichung als Planungsgrundlage<br />

des Schulteams<br />

2. Konsequente Integration aller Schülerinnen<br />

und Schüler in Bildungsprozesse<br />

Bildungspolitik, welche die linguistische<br />

und kulturelle Pluralität als Eigenschaft<br />

der Schulen und Schülerschaft<br />

akzeptiert und aktiv mitgestaltet.<br />

Unterstützungsprogramme der Familien<br />

zur Lernförderung, vor allem im Vorschulalter.<br />

Definition von «Education Action Zones»<br />

/ «Zones d‘Education Prioritaire»:<br />

flächendeckende Massnahmen in benachteiligten<br />

Schulen.<br />

3. Aktiver Umgang mit Unterschieden zwischen<br />

Schülerleistungen und Lernzielen<br />

Frühe Unterstützung und späte Selektion<br />

von leistungsschwächeren Kindern<br />

und Kindern aus benachteiligten Familien<br />

Flexible Übergänge zwischen den Bildungsstufen<br />

und «Second Chance»-Angebote<br />

Integrierte Förderung von leistungsschwächeren<br />

oder behinderten Kindern<br />

und Jugendlichen<br />

Ist die Schweiz nun besonders<br />

selektiv und unsozial<br />

In unserer Vertiefungsstudie zu PISA 2000<br />

(Coradi Vellacott et al. 2003) haben Stefan<br />

Wolter und Maja Coradi Vellacott Modellrechnungen<br />

durchgeführt: Was wäre,<br />

wenn die Schweiz einen gleich hohen Anteil<br />

an Migranten wie Finnland hätte – also<br />

statt 19 % nur 1 % Was wäre, wenn die<br />

Schweiz das gleiche Selektionsalter – also<br />

statt 12 erst mit 16 Jahren ansetzen würde<br />

Laut ihren Modellrechnungen wäre<br />

dann die soziale Selektivität – also die Abhängigkeit<br />

der Leistungen in PISA von der<br />

sozialen Herkunft – niedriger als in den besten<br />

Ländern. Die Schweiz ist also nicht a<br />

priori sozial ungerechter, sondern sieht<br />

sich in Bezug auf ihre Schülerschaft einer<br />

besonderen Herausforderung gegenüber.<br />

Durch verschiedene Faktoren bedingt gibt<br />

es in der Schweiz einen hohen Anteil von<br />

Kindern, die gleich mehreren Risikofaktoren<br />

gleichzeitig ausgesetzt sind: sie sind<br />

arm, sozial benachteiligt, sprechen die Unterrichtssprache<br />

nicht, stammen aus bildungsfernen<br />

Familien, die sich noch nicht<br />

lange in der Schweiz aufhalten, und – oft<br />

am bedeutendsten – sie werden von ihren<br />

Lehrpersonen bezüglich ihres Leistungspotentials<br />

unterschätzt. Durch frühere<br />

Einschulung und eine spätere Selektion –<br />

also erst nach dem 9. Schuljahr statt bereits<br />

nach vier oder sechs Jahren Primarschule<br />

– könnte die Schweiz vermutlich<br />

bereits erfolgreicher und sozialer werden.<br />

Doch ohne tief greifende Reformen – etwa<br />

in der Richtung, wie sie erfolgreichere Länder<br />

bereits durchgeführt haben – wird dies<br />

kaum zu realisieren sein und würde zu ei-<br />

2<br />

ner Überforderung der Schulen und Lehrpersonen<br />

führen.<br />

Internationale Indikatoren<br />

zu Wirkungen von<br />

Bildungssystemen<br />

Ein Schock ist manchmal der beste Eisbrecher:<br />

PISA hat ein Stück weit den Weg<br />

gebahnt für einen Lernprozess: Bildungssysteme<br />

nehmen sich heute selber deutlicher<br />

wahr und beginnen zu erahnen, dass<br />

sie es sind, die in Bezug auf die Bildungschancen<br />

für alle Kinder einen Unterschied<br />

machen können. Damit ist auch der Blick<br />

frei auf die Frage, wie Bildungssysteme gerecht<br />

und erfolgreich sein können. Bildungssysteme<br />

sind dann erfolgreich,<br />

wenn sie eine Bildung für alle ermöglichen<br />

und möglichst allen Kindern eine faire<br />

Chance geben, dabei erfolgreich zu sein.<br />

Viele Jahre stand hier die Frage im Vor-<br />

16 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hollenweger<br />

dergrund, ob es Schulen gelingt, alle Kinder<br />

unabhängig von ihrer sozialen Herkunft<br />

gleich erfolgreich zu fördern. In PISA<br />

wurde ein komplexer Indikator zur Umschreibung<br />

der familiären Herkunft gebildet,<br />

der sich an den Theorien von Pierre<br />

Bourdieu orientiert und über das Vorhandensein<br />

von sozialem, kulturellem und<br />

ökonomischem Kapital definiert wird. Nur<br />

die familiäre Herkunft zur Einschätzung<br />

von ungerecht verteilten Bildungschancen<br />

in einem Land zu berücksichtigen, wäre<br />

allerdings zu kurz gegriffen. Wenn unser<br />

Ziel eine Schule ist, die allen Kindern und<br />

Jugendlichen die gleichen Bildungschancen<br />

bietet, so müssen weitere Faktoren<br />

berücksichtigt werden. Folgende weitere<br />

Zielgruppen erhalten von der UNESCO in<br />

ihrem internationalen Programm «Bildung<br />

für Alle» – oder «Education for All» – ebenfalls<br />

besondere Aufmerksamkeit: Mädchen,<br />

Kinder mit Behinderungen, Kinder<br />

mit HIV/AIDS, Kinder in ländlichen, benachteiligten<br />

Gebieten.<br />

Wer ist von Benachteiligung oder<br />

Ausschluss bedroht<br />

Die Diversität in der Schule hat ohne Zweifel<br />

zugenommen und wird heute auch bewusster<br />

wahrgenommen. Es stellt sich die<br />

Frage, wie die Schule damit umgeht: Gelingt<br />

es ihr, eine soziale Kohäsion herzustellen,<br />

die für eine solidarische Bürgergesellschaft<br />

eine wesentliche Voraussetzung<br />

ist Gelingt es der Schule, Bildungsprozesse<br />

so zu gestalten, dass alle Kinder<br />

grundsätzlich die gleiche Chance haben,<br />

ihr Potential zu entfalten und ihre Fähigkeiten<br />

gleichberechtigt einzubringen Verschiedene<br />

Gruppen können von einem<br />

Ausschluss von Bildungsprozessen gefährdet<br />

sein und die Gefährdung kann von<br />

Land zu Land mit unterschiedlichen Indikatoren<br />

in Verbindung gebracht werden.<br />

Da in Kanada mehrheitlich gut qualifizierte<br />

Personen immigrieren und viele unter<br />

ihnen eine der beiden Landessprachen bereits<br />

beherrschen, ist dort im Gegensatz<br />

zur Schweiz diese Gruppe nicht vom Ausschluss<br />

gefährdet. Wo bei uns in Bezug auf<br />

Schulmisserfolg gegenwärtig die Variable<br />

«Migrationshintergrund» am bedeutsamsten<br />

zu sein scheint, sind in Kanada andere<br />

Variablen eng mit Schulmisserfolg verbunden:<br />

Kinder die in Armut leben, mit einem<br />

alleinerziehenden Elternteil auf dem<br />

Land aufwachsen. In Finnland hingegen ist<br />

es in Bezug auf die PISA-Leistungen am riskantesten,<br />

ein Knabe zu sein: die Unterschiede<br />

zwischen den Geschlechtern haben<br />

dort einige heisse Köpfe verursacht.<br />

In vielen Entwicklungsländern kann eine<br />

Behinderung dazu führen, dass ein Kind<br />

von allen Bildungsprozessen ausgeschlossen<br />

wird, vor allem wenn es in einer ländlichen<br />

Region lebt.<br />

Schulische Risikofaktoren<br />

Es muss jedoch in diesem Zusammenhang<br />

nicht nur die Frage nach den schulunabhängigen<br />

Risikofaktoren in den verschiedenen<br />

Ländern gestellt werden, sondern<br />

auch nach schulischen Prozessen und Faktoren,<br />

die das Risiko erhöhen, wonach bestimmte<br />

Gruppen nicht in gleichem Masse<br />

von Bildungsprozessen profitieren können.<br />

Bildungssysteme, die stark segregiert<br />

sind, zeigen im internationalen Vergleich<br />

auch eine höhere soziale Selektivität. In<br />

selektiven Schulsystemen ohne lehrerunabhängige<br />

Leistungsmessungen werden<br />

meist nicht die leistungsstärksten Kinder<br />

in die prestigereichsten Schultypen<br />

eingeteilt, sondern viel eher Kinder aus Familien<br />

mit dem entsprechenden sozialen,<br />

kulturellen und ökonomischen Kapital.<br />

Sowohl die Erfahrungen in Deutschland,<br />

den Niederlanden und der Schweiz – also<br />

Länder mit eher segregierten, stark differenzierten<br />

Bildungssystemen – zeigen,<br />

dass schulische Selektionsprozesse fast<br />

zwangsläufig sozial gefärbt sind. Bildungssysteme,<br />

welche diese Selektion nicht vornehmen,<br />

haben einfach gesagt die Möglichkeit<br />

gar nicht, hier Fehler zu machen.<br />

Bildungsferne und Unkenntnis des Schulsystems<br />

wirken sich weniger stark aus,<br />

wenn nicht gewichtige Entscheide von den<br />

Eltern gefällt werden müssen. Dies sind<br />

nicht zu gering einzuschätzende Argumente<br />

für eine weniger selektive Volksschule.<br />

Die USA haben durch ihre Politik der finanziellen<br />

Unterstützung respektive Bestrafung<br />

einzelner Schulen gemäss ihrem<br />

Leistungsausweis mit einem anderen Selektionsproblem<br />

zu kämpfen. Schulen mit<br />

schlechten Leistungen werden die finanziellen<br />

Mittel gestrichen; das macht die<br />

Schule einerseits unattraktiv für bildungsnahe<br />

Eltern, andererseits demotiviert diese<br />

Massnahme die meist schon überforderten<br />

Lehrpersonen noch mehr. Benachteiligte<br />

Schulen mit schlechten Lehrpersonen<br />

und fehlenden finanziellen Mitteln<br />

sind das Ergebnis einer solchen Politik. In<br />

den USA funktioniert also die Selektion<br />

nicht bezüglich verschiedener Klassentypen,<br />

sondern bezüglich verschiedener<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 17


hollenweger<br />

Schulen und Schulkreise. Auch die in der<br />

Schweiz immer noch sehr gerne verschriebenen<br />

Fördermassnahmen, die ausserhalb<br />

der Klasse angeboten werden, jedoch<br />

wenig soziales Prestige haben, wirken<br />

segregierend. Sonderklassen in der<br />

Schweiz werden mit schlechten Schülerleistungen,<br />

Verhaltensdefiziten und vielen<br />

Ausländern in Verbindung gebracht. Wohl<br />

zu Recht ist der Besuch dieser Schultypen<br />

eher negativ konnotiert, was dazu führt,<br />

dass bildungsnahe, sozial gut gestellte Eltern<br />

diese Schulungsformen wo immer<br />

3<br />

möglich für ihre Kinder meiden und in Notfall<br />

auf private Schulen ausweichen.<br />

Sozialer Ausschluss als<br />

Ergebnis von Interaktionen<br />

Dank PISA haben Bildungssysteme begonnen,<br />

ihre Wirkungsweise mit anderen zu<br />

vergleichen und versuchen, die Unterschiede<br />

durch systemimmanente Faktoren<br />

zu erklären. Es findet heute ein öffentlicher<br />

Diskurs zur Qualität der Schweizer<br />

Schulen statt. Es ist heute, abgestützt auf<br />

verlässliche Daten möglich, sich die Frage<br />

zu stellen: Welche schulischen Faktoren<br />

haben auf den Bildungserfolg verschiedener<br />

Kinder einen positiven oder negativen<br />

Einfluss Die Fokussierung auf den Einfluss<br />

von schulischen Faktoren auf den Bildungserfolg<br />

der unterschiedlichsten Kinder<br />

und Jugendlichen ist kein geringer<br />

Erfolg auf dem Weg hin zu einer Schule für<br />

Alle: Die Eigenschaften der Schülerinnen<br />

und Schüler werden nicht mehr ausschliesslich<br />

als unabhängige, sondern vermehrt<br />

als abhängige Variable verstanden:<br />

Soziale Differenz, Benachteiligung, Ausschluss<br />

respektive erfolgreicher Übergang<br />

ins Erwachsenenleben, Berufschancen<br />

werden als Ergebnisse von Bildungsprozessen<br />

verstanden.<br />

Beispiel Behinderungen<br />

Dieser Perspektivenwechsel lässt sich international<br />

am gewandelten Verständnis<br />

von Behinderungen illustrieren. Noch vor<br />

wenigen Jahren wurde Behinderung als Ei-<br />

genschaft des individuellen Kindes verstanden:<br />

eine Schädigung – wie etwa Blindheit,<br />

Gehörlosigkeit oder selbst Körperbehinderungen<br />

– wurde in den Köpfen der<br />

Lehrpersonen und Bildungspolitiker<br />

gleich gesetzt mit verminderten Bildungschancen.<br />

Betroffene Kinder wurden geschont,<br />

man erwartete weniger von ihnen<br />

und niemand war erstaunt, wenn sie den<br />

Anschluss an höhere Ausbildungsgänge<br />

verpassten. Behinderung wurde als unabhängige<br />

Variable, als eine fixe Eigenschaft<br />

des Kindes verstanden. Heute wissen wir,<br />

dass eine Schädigung bestimmter Körperfunktionen<br />

in keiner Weise bedeuten<br />

muss, dass Bildungsprozesse a priori verunmöglicht<br />

werden oder ein Hochschulstudium<br />

und ein erfolgreicher Einstieg ins<br />

Erwerbsleben unerreichbar bleiben müssen.<br />

Zeitgemässe Modelle von Behinderung,<br />

wie in der Internationalen Klassifikation<br />

der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />

und Gesundheit (ICF, Weltgesundheitsorganisation,<br />

2001) umgesetzt, verstehen<br />

Behinderung als ein Ergebnis von komplexen<br />

Interaktionen zwischen der Funktionsfähigkeit<br />

des Individuums und seiner<br />

Umwelt. Behinderung wird also als Ergebnis<br />

dieser Interaktion verstanden, nicht<br />

als im Voraus definierte Eigenschaft des<br />

Kindes.<br />

Perspektivenwechsel von<br />

Eigenschaften zu Interaktionen<br />

Ich bin überzeugt, dass wir auch in Bezug<br />

auf weitere Aspekte, die wir heute noch als<br />

Eigenschaften des Kindes verstehen, nach<br />

und nach erkennen werden, dass diese Eigenschaften<br />

immer zumindest auch von<br />

Bildungsprozessen mitbedingt, verstärkt<br />

oder durch sie erst für den Schulerfolg<br />

wirklich relevant werden. Behinderungen,<br />

Benachteiligungen und sozialer Ausschluss<br />

sind Ergebnisse von Interaktionen<br />

und nicht Eigenschaften von Kindern oder<br />

ihren Herkunftsfamilien. Es ist auch wichtig<br />

zu sehen, dass Indikatoren von erfolgreichen<br />

und sozial gerechten Schulen<br />

letztlich Ausdruck von demokratisch gestalteten<br />

Interaktionsprozessen sind, in<br />

denen Schulen sich bemühen, alles zu unternehmen,<br />

dass keine gemeinsamen Bildungsprozesse<br />

aufgekündigt werden müssen.<br />

Denn mit dem Abbruch wichtiger, sozialer<br />

Beziehungen gehen sehr oft Ausgrenzungsprozesse<br />

und damit verbunden<br />

auch Diskriminierungen einher. Solange in<br />

der Schweiz solche Prozesse ohne massiven<br />

Druck das gegen System stattfinden<br />

– ich spreche hier etwa von Sonderklassenzuweisungen,<br />

von Repetitionen und<br />

Ausschluss aus der Klasse bei schweren<br />

Verhaltensproblemen – solange sind wir<br />

noch ein Stück weit weg von einer sozial<br />

gerechten Schule.<br />

Internationale Kriterien<br />

International werden heute in diesem Zusammenhang<br />

einige Bereiche diskutiert, in<br />

denen soziale Ungerechtigkeiten in Bildungssystemen<br />

vorhanden sein können:<br />

Zugänglichkeit (Zulassungskriterien,<br />

Schulgeld, Abhängigkeit von Zusatzunterricht)<br />

Integration / Segregation (Schulen mit<br />

verschiedenen Profilen und die Möglichkeit,<br />

zwischen diesen zu wählen,<br />

Sonderangebote für bestimmte Gruppen)<br />

Partizipation (Drop-out Raten, Schulabgänger<br />

ohne Abschlusszeugnis)<br />

Verteilung der Ressoucen (arme und<br />

reiche Gemeinden, Kantone, bedarfsorientierte<br />

oder leistungsorientierte<br />

Finanzierung)<br />

Verschiedene Bildungsangebote können<br />

auch mit Blick auf die Kriterien für ein<br />

«Recht auf Bildung» eingeschätzt werden,<br />

so wie sie etwa in der Auslegung (United<br />

Nations 1999) des entsprechenden Artikels<br />

des Internationalen Pakts über wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle Rechte<br />

der Vereinten Nationen (1966) angeführten<br />

werden:<br />

Sind Bildungsangebote für alle in<br />

gleichem Masse vorhanden Availability<br />

Sind Bildungsangebote für alle in<br />

gleichem Masse zugänglich Accessibility<br />

Sind Bildungsangebote für alle in<br />

gleichem Masse angepasst Adaptability<br />

Sind Bildungsangebote für alle in gleichem<br />

Masse akzeptierbar Acceptability<br />

18 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


Erfolgreich dank Reformprozessen<br />

Bei aller vorhandenen Vielfalt in den verschiedenen<br />

Ländern haben erfolgreiche<br />

Bildungssysteme eines gemeinsam: Sie haben<br />

sich in den letzten Jahren bewegt und<br />

bewegen lassen; es wurden umfassende<br />

Reformprozesse initiiert und kooperativ<br />

umgesetzt. Partnerschaften wurden eingegangen<br />

oder verstärkt, Lehrpersonen<br />

haben ihre Rollen ausdifferenziert, um<br />

sich gegenseitig in der gemeinsamen Gestaltung<br />

ihrer Schule unterstützen zu können.<br />

Eltern haben als Partner in der Bildung<br />

ihrer Kinder nicht nur mehr Rechte<br />

erhalten, sondern werden auch in die Verantwortung<br />

genommen. Die aufrichtige<br />

Bemühung, Anstrengung und Offenheit,<br />

sich immer wieder gemeinsam für ein gutes<br />

Bildungssystem einzusetzen, ist möglicherweise<br />

ein universelles Geheimrezept<br />

erfolgreicher Schulen. Dies zeigt sich als<br />

Systemmerkmal in kanadischen Schulen<br />

und als Qualitätsmerkmal bei einzelnen<br />

Schulen in Deutschland, die überdurchschnittlich<br />

in PISA abgeschnitten hatten.<br />

Wenn Interaktionen dazu führen, dass<br />

bestimmte Kinder eher behindert und ausgeschlossen<br />

werden, dann können Interaktionen<br />

auch diese Prozesse verhindern<br />

helfen. Die Öffentlichkeit, die mit Tagungen<br />

und einem breit geführten Bildungsdiskurs<br />

geschaffen wird, kann der Schule<br />

dabei helfen, diesen Zusammenhängen<br />

auf die Spur zu kommen. Gelingt es uns<br />

dann noch, dass alle Beteiligten genügend<br />

Mut, Einsicht und Offenheit für diese Auseinandersetzung<br />

aufbringen, und dabei<br />

die Möglichkeit des eigenen Irrtums zulassen,<br />

so bin ich zuversichtlich mit Blick auf<br />

die Weiterentwicklung Richtung sozialere<br />

und gute Schule für Alle.<br />

Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)<br />

(2004): What makes School Systems perform Seeing School<br />

Systems through the Prism of PISA.<br />

Paris: OECD.<br />

United Nations (1999). Right to Education. Scope and Implementation.<br />

General Comment 13 on the right to education (Art. 13 of<br />

the International Covenant on Economic, Social and Cultural<br />

Rights). New York: United Nations.<br />

Deutsche Übersetzung in: Deutsches Institut für Menschenrechte<br />

(20<strong>05</strong>): Die »General Comments« zu den VN-Menschenrechtsverträgen.<br />

Deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen. Baden-<br />

Baden: Nomos<br />

Vereinte Nationen (UNO) (1966): Internationaler Pakt über wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember<br />

1966. New York: Vereinte Nationen. (In Kraft getreten für die<br />

Schweiz am 18. September 1992)<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) (2001): International Classification<br />

of Functioning, Disability and Health (ICF). Genf: Weltgesundheitsorganisation<br />

inserat<br />

Urwald-Klassenpartnerschaften<br />

mit<br />

Kamerun oder Russland<br />

Greenpeace sucht Schulklassen, die eine Partnerschaft<br />

mit einer Schule in Russland (auf<br />

Englisch) oder in Kamerun (auf Französisch)<br />

von Dezember <strong>05</strong> bis Juni 06 eingehen. Nachdem<br />

ein Testlauf mit zwei Klassen aus Nidau<br />

und Wünnewil mit kamerunischen Klassen<br />

gut funktionierte (neben dem kulturellen<br />

Austausch sammelten die Schweizer Schüler-<br />

Innen Geld für Baum-Setzlinge in ihren Partnerschulen)<br />

sollen in Hinblick auf den «UNO-<br />

Urwaldgipfel» im März 2006 die Klassenpartnerschaften<br />

verbreitet werden.<br />

Vollständig neu überarbeiteter Ratgeber<br />

Für die Rechte der<br />

Lernenden<br />

Wer den Bewerbungsmarathon mit einem Lehrvertrag erfolgreich<br />

abgeschlossen hat ist froh, hält sich zurück, auch bei ungenügender<br />

Ausbildungsqualität des Lehrbetriebs. Die Jugendkommission<br />

des SGB (SGB-Juko) will deshalb auch jene<br />

unterstützen, die den Weg in die berufliche Grundbildung beschreiten<br />

können: Das Lehrlingsrecht von A bis Z «Ich kenne<br />

meine Rechte» wurde in der 13. deutschen und in der 5. französischen<br />

Auflage der neuen Gesetzgebung und Begrifflichkeit<br />

vollständig angepasst.<br />

Den Lernenden werden ihre Rechte umfassend, aber verständlich<br />

dargelegt, das Vorgehen bei einem Konfliktfall erläutert.<br />

Viele neue Stichworte und Informationen wurden aufgenommen.<br />

Sensible Bereiche wie Datenschutz, Mobbing,<br />

Drogenkonsum usw. werden differenziert präsentiert.<br />

Die starke Zunahme der Frauen in der beruflichen Grundbildung<br />

in den letzten Jahren wurde mit ausführlichen Hinweisen<br />

zu den Gender-Fragen und mit der Gestaltung des Titelblattes<br />

berücksichtigt.<br />

Dem neuen Medienverhalten wird der Ratgeber gerecht: Neben<br />

dem praktischen Print-Medium im Taschenformat ist der<br />

Ratgeber auf der neu designeten Website der SGB-Juko<br />

www.gewerkschaftsjugend.ch gratis verwendbar. Unter 80<br />

Stichworten sind rund 100 Web-Adressen aufgeführt, die mit<br />

einem Mausklick weiterführende Quellen erschliessen.<br />

Der SGB-Juko-Ratgeber ist konkurrenzlos: <strong>144</strong> Seiten starker<br />

Text für nur 3 Franken (ab 20 Ex: 2.50). Kein anderer Ratgeber<br />

in diesem Bereich kann da nur annähernd mithalten.<br />

Bestellungen über info@sgb.ch oder<br />

www.gewerkschaftsjugend.ch<br />

Literatur<br />

Coradi Vellacott, M., Hollenweger, J., Nicolet, M., Wolter, S.C.<br />

(2003): Soziale Integration und Leistungsförderung. Thematischer<br />

Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel: Bundesamt für<br />

Statistik, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.<br />

Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)<br />

(2001): Knowledge and Skills for Life. First Results from the OECD<br />

Programme for International Students Assessment (PISA) 2000.<br />

Paris: OECD.<br />

Interessierte können ein Info-Dossier bei<br />

kuno.roth@ch.greenpeace.org,<br />

unter 031 312 55 11 oder Greenpeace,<br />

Bollwerk 35, 3011 Bern bestellen.<br />

Bitte Postadresse angeben.<br />

inserat<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 19


hutmacher<br />

Ist unsere Schule in den Augen<br />

der BürgerInnen gerecht<br />

Die historische Entscheidung, eine öffentliche Schule für alle zu führen, ist eine Voraussetzung der modernen Demokratie.<br />

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts spielt die Schule auch eine zentrale Rolle im Bereich der kulturellen, sozialen<br />

und wirtschaftlichen Integration in modernen Staaten. Bildung ist Voraussetzung für das allgemeine Wahlrecht.<br />

Umgekehrt legitimiert der demokratische Prozess die Entscheidungen der Bildungspolitik und der Bildungsinstitutionen,<br />

insbesondere was Ziele, Strukturen, Regeln, Inhalte, Unterrichts- und Bewertungsmethoden sowie Selektion betrifft.<br />

( Atelier 6)<br />

Walo Hutmacher,<br />

Soziologe, Universität Genf<br />

74, square de Montchoisy<br />

1207 Genève<br />

walo.hutmacher@pse.unige.ch<br />

Zusammenfassung und deutsche<br />

Übersetzung: Martina Turnes<br />

Als öffentliche Institution muss<br />

die Schule den Grundsatz gleicher<br />

Rechte garantieren. Paradoxerweise<br />

liegt jedoch Ungleichheit<br />

im Kern ihres Betriebs,<br />

verteilt sie doch Ressourcen und<br />

Chancen, die für ein gutes Leben wichtig<br />

sind, sehr ungleich:<br />

SchülerInnen werden aufgrund ihrer<br />

ungleichen Leistungen ungleich benotet<br />

und belohnt, bekommen Zugang zu<br />

Bildungswegen und -inhalten unterschiedlichen<br />

sozialen Wertes, eignen<br />

sich ungleiches Wissen und ungleiche<br />

Kompetenzen an und erhalten schliesslich<br />

Diplome, die auf dem Arbeitsmarkt<br />

und im gesellschaftlichen Leben ungleichen<br />

Wert haben.<br />

Individuelle Investitionen in Bildung<br />

und Ausbildung lohnen sich nicht für alle<br />

im gleichen Ausmass, weil verschiedene<br />

Bildungsniveaus und -wege einen<br />

sehr unterschiedlichen ökonomischen,<br />

gesellschaftlichen und kulturellen Wert<br />

haben. Das Ausbildungsniveau ist u.a.<br />

für die unterschiedlichen Löhne ausschlaggebend,<br />

wie auch für das Mass an<br />

Selbständigkeit, Macht und Verantwortung,<br />

Sozialprestige, Autorität etc., und<br />

schliesslich auch für die Chancen lebenslangen<br />

Lernens.<br />

Aletta Grisay 1 schlägt vor, vier Kategorien<br />

von Gleichheit zu unterscheiden: Gleichheit<br />

des Zugangs zu Bildung und der Bildungschancen;<br />

Gleichheit der schulischen<br />

Behandlung; Gleichheit der Resultate;<br />

Gleichheit der Folgen von Bildung.<br />

Die Frage der Gerechtigkeit der Institution<br />

Schule stellt sich unter jedem dieser Gesichtspunkte<br />

unterschiedlich. Ich kann ihr<br />

hier nicht weiter nachgehen, weil mich eine<br />

andere Frage interessiert:<br />

Wie ist Ungleichheit möglich<br />

Diese Frage wurde von Wissenschaft und<br />

Gesellschaft hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt<br />

der Kausalbeziehungen gestellt.<br />

Welche Faktoren, Abläufe, Interaktionen<br />

oder Kausalitätsketten führen dazu,<br />

dass gewisse SchülerInnen dort scheitern,<br />

wo es andern gelingt zu lernen und<br />

sich die Kompetenzen anzueignen, die ihnen<br />

die Schule beibringen will Natürlich<br />

sind die SchülerInnen verschieden, in ihrer<br />

Intelligenz, ihren Talenten, ihren Begabungen<br />

sowie in ihrer Arbeitsanstrengung<br />

und -willen. Die Soziologie hat aber auch<br />

gezeigt, dass Kinder unterschiedlicher<br />

Herkunft und entsprechenden ökonomischen,<br />

kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Ressourcen sehr ungleiche Chancen haben,<br />

gute Schulleistungen zu erzielen und<br />

gute Noten und Diplome zu erhalten. Um<br />

diese Ungleichheiten der Herkunft auszugleichen,<br />

wurden denn auch seit anfangs<br />

der 1960er Jahre viele Reformbestrebungen<br />

eingeleitet und zum Beispiel, vorerst<br />

in der Westschweiz, Orientierungsstufen<br />

gegründet.<br />

Schulischer Misserfolg bedeutet allerdings<br />

nicht nur, keinen Zugang zu Diplomen<br />

und höherer Bildung zu haben, sondern<br />

auch, für einen beträchtlichen Teil<br />

der Jugendlichen, keinen Zugang zum Wissen<br />

und zu den Kompetenzen zu erhalten,<br />

die je länger je mehr für ein wirtschaftlich<br />

und gesellschaftlich befriedigendes Leben<br />

unabdingbar sind. Es ist ein wichtiges Verdienst<br />

der IEA- 2 und der PISA-Studien, dass<br />

sie unterstreichen, dass nicht nur der ungleiche<br />

Zugang zu höherer Bildung und<br />

Diplomen auf dem Spiel steht, sondern der<br />

ungleiche Zugang zu Kompetenzen und<br />

operationellem Wissen, und oft gerade zu<br />

den elementarsten Grundwerkzeugen der<br />

Wissensaneignung und des Kulturverständnisses:<br />

Lesekompetenz, Grundkenntnisse<br />

in Mathematik und Naturkunde,<br />

sowie Problemlösefähigkeiten etc.<br />

Gleichheit – Gerechtigkeit<br />

Die Frage, wie Ungleichheit in der öffentlichen<br />

Schule möglich ist, kann aber noch<br />

von einem andern Gesichtspunkt betrachtet<br />

werden. Neben der Frage der Kausalitäten<br />

schulischer Ungleichheit kann man<br />

auch fragen, wie Ungleichheit gesellschaftlich<br />

überhaupt möglich ist: Wie kann<br />

in einer demokratischen Gesellschaft, die<br />

auf dem Prinzip der gleichen Rechte, des<br />

gleichen Werts und der gleichen Würde aller<br />

aufbaut, eine erst noch öffentliche Institution<br />

– die von den BürgerInnen kontrolliert<br />

wird – in diesem Ausmass soziale<br />

Ungleichheiten produzieren und reprodu-<br />

20 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


Zu diesem Text<br />

zieren Mit etwas Realismus müssen wir ja<br />

annehmen, dass es Ungleichheiten in demokratischen<br />

Gesellschaften und Schulen<br />

nur geben kann, wenn diese Ungleichheiten<br />

gesellschaftlich zulässig und toleriert<br />

sind, oder wenigstens nicht als so verwerflich<br />

gelten, dass sie sichtbaren Protest<br />

in Politik und Schule hervorrufen. So<br />

stellt sich denn die Frage nach der Gerechtigkeit<br />

in und von Schule.<br />

Diese Frage kam mir unvermittelt im<br />

Rahmen des OECD-Pilotprojekts «Internationale<br />

Indikatoren der Bildungssysteme»<br />

entgegen. In der Projektleitung wollten wir<br />

von Anfang an Indikatoren über die Gleichheit<br />

von Unterrichtssystemen in den Mitgliedsländern<br />

entwickeln. Im Englischen<br />

wird aber lieber der Begriff equity als<br />

equality benützt. Im Französischen besteht<br />

das gleiche Spannungsfeld zwischen<br />

den Begriffen équité und égalité (und im<br />

Deutschen zwischen Gerechtigkeit und<br />

Gleichheit). Man tendiert allzu oft, sie zu<br />

verwechseln oder zu verschmelzen. So<br />

brandmarken oder bedauern wir beispielsweise<br />

durch Herkunft und Geschlecht<br />

begründete Ungleichheiten – ungleiche<br />

Zugänge, ungleiche Laufbahnen,<br />

ungleichen Erfolg und ungleiche Schulnoten<br />

– im Namen der sozialen Gerechtigkeit,<br />

allzu oft ohne die Gerechtigkeitsgrundsätze<br />

zu präzisieren oder zu hinterfragen, auf<br />

die sich das Urteil stützt.<br />

Mit der internationalen Arbeitsgruppe<br />

im Rahmen des OECD-Projektes sind wir<br />

unweigerlich auf diese Problematik gestossen.<br />

Wir setzten uns dann mit den neuesten<br />

Entwicklungen der politischen Philosophie<br />

auseinander, insbesondere jene<br />

die auf die Theory of Justice von Rawls<br />

folgten, welche ja schon 1971 erschienen<br />

war (!). Weder Rawls 3 noch andere Autoren<br />

haben die Frage der Gerechtigkeit in<br />

Sachen Bildung und Erziehung speziell behandelt,<br />

das mussten wir selber tun. Die<br />

Arbeitsgruppe stellte 2001 einen ersten<br />

Konzeptrahmen für ein Indikatorensystem<br />

vor. 4 Die OECD wollte danach aber diesen<br />

Weg nicht weiter verfolgen. So erarbeitete<br />

denn ein Forscherteam aus Frankreich,<br />

England, Italien, Spanien, Belgien<br />

An der Tagung am 15. Januar hatte der Genfer Soziologe Walo Hutmacher zwei Funktionen.<br />

Zum einen leitete er das Atelier 6, in dem auf der Grundlage eines von ihm verteilten Rasters<br />

«Egalité de qoui – Cinq conceptions de l’égalité en matière d’éducation» über «Gleichheit und<br />

Gerechtigkeit im Bildungswesen» (Egalité et équité des systèmes éducatifs) diskutiert wurde.<br />

Zum andern setzte er den Schlusspunkt mit einigen Eindrücken zur und Folgerungen aus der<br />

Tagung.<br />

Anstelle eines Berichts zum Atelier und den Schlussbemerkungen drucken wir ein Manuskript<br />

zum Thema des Ateliers ab, «L’école est-elle juste aux yeux des citoyens», allerdings in einer<br />

gekürzten Version. Walo Hutmacher hat es für die «Assises 20<strong>05</strong>» der «Coordination Enseignement<br />

Genève» zum Thema «Qu’est-ce qu’une école juste» geschrieben. Das ungekürzte Manuskript<br />

in der Originalsprache findet sich, zusammen mit weiteren lesenswerten Beiträgen auf<br />

der Homepage: www.arobase-ge.ch (unter «assises»).<br />

und der Schweiz im Rahmen eines Socrates-Projektes<br />

der EU ein erstes Set von etwa<br />

30 Indikatoren über die Gerechtigkeit<br />

(équité) von Bildungssystemen, die demnächst<br />

veröffentlicht werden. 5<br />

Erklärungen, Rechtfertigung und<br />

Berechtigung von schulischer<br />

Ungleichheit<br />

Um der Frage der gesellschaftlichen Legitimität<br />

von schulischen Ungleichheiten<br />

näher zu kommen, habe ich meinerseits eine<br />

Befragung bei Schweizer Bürgern benutzt,<br />

aus der ich jetzt einige Ergebnisse<br />

vorstellen möchte.<br />

Je besser die Bildung, desto höher das<br />

Einkommen. Diese Feststellung gilt auch<br />

für die Schweiz: 1996 war das durchschnittliche<br />

Einkommen von Leuten mit<br />

Universitätsabschluss etwa 60 % höher<br />

als dasjenige von Leuten mit einem Abschluss<br />

auf Sek-II-Stufe (Maturität oder<br />

Lehrabschluss). Und dieses Einkommen<br />

wiederum war durchschnittlich 30 %<br />

höher als dasjenige von Personen, die<br />

nach der obligatorischen Volksschule keine<br />

weitere Ausbildung abgeschlossen hatten.<br />

Die finanziellen Vorteile einer Ausbildung<br />

sind unbestritten. Auf Universitätsniveau<br />

sind sie in der Schweiz mit denen<br />

beispielsweise in Italien und Schweden<br />

vergleichbar; in Frankreich, England und<br />

den USA sind sie noch grösser.<br />

Ist es aber gerecht, dass es besser ausgebildete<br />

Menschen gibt und dass diese<br />

erst noch besser entlöhnt werden Gleichheit<br />

und Gerechtigkeit sind eng miteinander<br />

verbunden; die Frage der Gerechtigkeit<br />

stellt sich, weil es Ungleichheiten gibt.<br />

Eine klare Unterscheidung zwischen diesen<br />

beiden Konzepten führt aber zu ein<br />

paar kniffligen Fragen:<br />

Sind alle Ungleichheiten ungerecht<br />

Nach welchen Prinzipien und Kriterien<br />

können Ungleichheiten als gerecht<br />

resp. ungerecht beurteilt werden<br />

Oder etwas paradox: Welche Ungleichheiten<br />

sind gerecht und welche nicht<br />

Ja sogar: Welche Ungleichheiten<br />

braucht die Gerechtigkeit im Bereich<br />

Bildung<br />

Welche Ungleichheiten können akzeptiert<br />

werden, und unter welchen Bedingungen<br />

Der Soziologe kann solche Fragen nicht beantworten.<br />

Aber da es sich um soziale Vorstellungen<br />

und Meinungen handelt, kann<br />

er sie empirisch angehen. So habe ich 1999<br />

in einer repräsentativen Umfrage etwa 700<br />

MitbürgerInnen (im Alter von 18 bis 84) zu<br />

diesem Thema befragt: 6 Welche Ungleichheiten<br />

in Schule und Ausbildung werden in<br />

unserer Gesellschaft als gerecht resp. ungerecht<br />

befunden, und mit Bezug auf welche<br />

Grundprinzipien<br />

Ungleichheiten zwischen<br />

Einzelnen werden im Allgemeinen<br />

nicht als ungerecht empfunden<br />

Ungleiche Leistungen von SchülerInnen<br />

werden meist als «normal» ja sogar als «un-<br />

1 Grisay, A. (1984). Quels indicateurs pour quelle réduction<br />

des inégalités scolaires in: Revue de la Direction générale<br />

de l’organisation des études, 9, 3-14.<br />

2 International Association for the Evaluation of Educational<br />

Achievement, eine internationale Non-Profit-Forschungsorganisation<br />

von nationalen und staatlichen Forschungsinstitutionen,<br />

die unter anderen die TIMSS-Studie (Third International<br />

Mathematics and Science Study, 1999) durchgeführt hat.<br />

3 Rawls, J., Théorie de la justice, Seuil Points, 1997<br />

4 Hutmacher, W., Cochrane, D., Bottani, N. (eds), In Pursuit of<br />

equity. Using international indicators to compare equity policies<br />

; Kluwer Academic Publishers, Boston/Dordrecht/London,<br />

2001<br />

5 Groupe Européen de Recherche sur l’Équité des Systèmes<br />

Éducatifs (GERESE), L'équité des systèmes éducatifs européens.<br />

Un ensemble d’indicateurs, erscheint 20<strong>05</strong><br />

6 Hutmacher, W., Explication et justification des inégalités en<br />

éducation et formation, GfS-Forschungsinstitut, Zürich, 2001<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 21


hutmacher<br />

vermeidlich» betrachtet. Demgemäss werden<br />

ungleiche Noten und Bewertungen für<br />

ungleichwertige Arbeiten auch nicht als<br />

ungerecht eingestuft. Die grosse Mehrheit<br />

der befragten SchweizerInnen (82 %) findet<br />

es auch tatsächlich unvermeidlich,<br />

dass gewisse SchülerInnen in der Schule<br />

erfolgreich sind und andere nicht. Doch,<br />

soweit die Chancengleichheit gewahrt ist,<br />

kann eine unvermeidliche Ungleichheit<br />

nicht als ungerecht betrachtet werden.<br />

Die Haltung der SchweizerInnen mag etwas<br />

fatalistisch erscheinen, in der Spannung<br />

zum Postulat der allgemeinen Lernfähigkeit.<br />

Vielleicht deshalb meint eine<br />

grosse Mehrheit derselben Befragten<br />

(71 %) zugleich, die Schule trage für den<br />

ungleichen Schulerfolg eine grosse Verantwortung.<br />

Jetzt weiss jede Lehrperson, dass ungleiche<br />

Bewertungen, Benotungen oder<br />

Belohnungen in irgend einer Weise gerechtfertigt<br />

werden müssen. Das setzt wiederum<br />

einen Minimalkonsens über die Kriterien<br />

von Richtigkeit voraus, nach denen<br />

Schülerbeiträge bewertet werden, und<br />

über die Kriterien und Prinzipien von Gerechtigkeit,<br />

auf der Entscheidungen basieren,<br />

die Ungleichheit zur Konsequenz haben.<br />

Die Schule trägt übrigens sehr viel zu<br />

diesem Konsens bei. Sobald es zur Schule<br />

geht – in einem Alter, in dem die Fähigkeit<br />

der kritischen Distanz noch klein ist – lernt<br />

jedes Kind, dass es ausserhalb der Familie<br />

nicht entsprechend seinen Bedürfnissen<br />

belohnt wird, sondern gemäss seinen Leistungen<br />

und dem persönlichen Verdienst,<br />

den ihm andere zuschreiben. Was das Kind<br />

auf diese Weise lernt, wird ihm nicht im formalen<br />

Unterricht beigebracht, sondern es<br />

lernt dies sozusagen osmotisch, durch die<br />

tägliche praktische Erfahrung mit dem<br />

Funktionieren der Schule. Im Prozess der<br />

Bewertung – Belohnung und Bestrafung –<br />

lernt jeder und jede allmählich zwei kulturelle<br />

Hauptbestandteile des schulischen<br />

und letztlich des gesellschaftlichen Lebens:<br />

1. Die Kriterien der Richtigkeit (oder Exzellenz),<br />

gemäss denen Schule und Ge-<br />

sellschaft seine Leistungen bewerten.<br />

Nicht alle SchülerInnen schaffen es, das<br />

zu lernen, was die Schule lehrt. Aber die<br />

in der Schule (und Gesellschaft) geltenden<br />

kognitiven, verhaltensspezifischen,<br />

ästhetischen, ethischen etc.<br />

Massstäbe zu erkennen, sie zu respektieren<br />

und sich daran zu orientieren,<br />

das schaffen die meisten, selbst jene,<br />

denen die Schule Mühe bereitet.<br />

2. Die Kriterien der Gerechtigkeit, gemäss<br />

denen die Schule (und die Gesellschaft)<br />

Leistungen bewertet und beurteilt.<br />

Nicht alle SchülerInnen fühlen sich gerecht<br />

behandelt. Eine Umfrage im letzten<br />

obligatorischen Schuljahr an der<br />

Orientierungsstufe in Madrid, Cardiff,<br />

Paris und Rom – im Rahmen des oben<br />

erwähnten EU-Programms Socrates –<br />

zeigt z.B., dass sich eine grosse Mehrheit<br />

in ihrer Schule gerecht behandelt<br />

fühlen, aber die guten SchülerInnen<br />

fühlen sich signifikant häufiger gerecht<br />

behandelt als die schwachen. Jedoch<br />

selbst jene, die sich ungerecht behandelt<br />

fühlen, werden in ihrer langen<br />

Schulkarriere allmählich die geltenden<br />

Gerechtigkeitsprinzipien verinnerlichen<br />

und die meisten werden auch lernen,<br />

sie zu respektieren, u.a. die meritokratische<br />

Gleichung laut der «Verdienst<br />

= Talent + Arbeit» ist.<br />

Ungleichheiten zwischen<br />

Gruppen werden meist als<br />

ungerecht empfunden<br />

Beiläufig sei hier vermerkt, dass die grosse<br />

Ungleichheit der Kompetenzen, welche<br />

die PISA-Studie zwischen Ländern und<br />

Kantonen belegt hat, im Allgemeinen nicht<br />

als ungerecht empfunden wird. Ähnlich<br />

werden Entlöhnungsungleichheiten in<br />

verschiedenen Ländern nicht als ungerecht<br />

empfunden, sondern eher als eine<br />

Konsequenz des freien Markts. Gerechtigkeitsprinzipien<br />

sind also institutionell umhegt,<br />

sie gelten innerhalb dessen, was als<br />

gemeinsame Gesellschaft definiert und als<br />

«Wir» empfunden wird, wie z.B. eine Nation,<br />

eine Region oder ein Kanton, (noch)<br />

nicht Europa, auch nicht der Planet.<br />

Innerhalb von nationalen oder regionalen<br />

Rahmen jedoch werden Ungleichheiten<br />

zwischen sozialen Gruppen oder Kategorien,<br />

im Gegensatz zu Ungleichheiten zwischen<br />

Individuen, häufig als ungerecht, ja<br />

sogar als dem Chancengleichheitsprinzip<br />

widersprechende Diskriminierung empfunden.<br />

Dass Geschlecht, soziale Herkunft,<br />

ethnische oder rassische Zugehörigkeit<br />

den Schulerfolg beeinflussen,<br />

wird von vielen als ungerecht und ethisch<br />

unhaltbar eingestuft. Im Namen der Chancengleichheit<br />

haben ja die Frauen die<br />

Gleichheit in der Schule und allgemein in<br />

der Ausbildung errungen, und kämpfen sie<br />

immer noch für gleiche Löhne und Arbeitsplätze.<br />

Das Gerechtigkeitsempfinden der befragten<br />

SchweizerInnen liegt auch auf dieser<br />

Wellenlänge, ist aber je nach Schülerkategorie<br />

unterschiedlich. Nur etwa die<br />

Hälfte findet es ungerecht, dass die<br />

Mädchen in der Schule allgemein besser<br />

abschneiden als die Knaben. Hingegen findet<br />

es eine beachtliche Mehrheit von gegen<br />

zwei Dritteln ungerecht, dass Schulerfolg<br />

von der sozialen Herkunft oder von<br />

der Nationalität abhängt. Es herrscht aber<br />

nicht Einstimmigkeit in Bezug auf diese sozialen<br />

Ungleichheiten in der Schule. Handle<br />

es sich um Knaben, um Arbeiterkinder<br />

oder um Ausländerkinder, gibt es jedesmal<br />

eine nicht unbeachtliche Minderheit, die<br />

es nicht als ungerecht empfindet, dass sie<br />

in der Schule allgemein weniger gut abschneiden.<br />

Worauf beruht die Empfindung<br />

von Gerechtigkeit in der Schule<br />

Im Laufe der Geschichte haben sich vornehmlich<br />

drei Grundsätze für Gerechtigkeit<br />

in Erziehung und Bildung herauskristallisiert,<br />

aus denen sich sehr unterschiedliche<br />

Konsequenzen ergeben:<br />

1. Sehr alt schon ist der utilitaristische<br />

Grundsatz, der postuliert, dass man einen<br />

guten Unterricht umso eher verdient<br />

als man einen guten Gebrauch<br />

von ihm macht, d.h. gut und effizient<br />

lernt. Demnach sollen die besten SchülerInnen<br />

den besten und den längsten<br />

22 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hutmacher<br />

Unterricht erhalten. Entgegen vielen öffentlichen<br />

Beteuerungen kommt in den<br />

aktuellen Schulregeln und der Praxis<br />

dieser Grundsatz sehr häufig zum Zug.<br />

2. Auf dem Grundsatz der Chancengleichheit<br />

baut die republikanische Schule<br />

auf. Dieser Grundsatz wird insbesondere<br />

seit den 1970er Jahren wieder stark<br />

betont, angesichts der sozialen Ungleichheit<br />

nach Geschlecht und Herkunft.<br />

Gemäss diesem Prinzip sollen alle<br />

SchülerInnen die gleichen Chancen<br />

haben, einen guten Unterricht zu erhalten.<br />

Doch kann ungleicher Erfolg unter<br />

diesem Prinizip nur über die Verbesserung<br />

der Bildungsqualität für alle<br />

bekämpft weden, u.a. durch die Erhöhung<br />

der Ressourcen.<br />

3. Die eben genannten Grundsätze gehen<br />

vom Gesichtspunkt der Ressourcen<br />

aus, welche die Schule bietet. Dabei<br />

weiss man aber, wie stark Schulerfolg<br />

von den Ressourcen abhängt, welche<br />

die SchülerInnen selber und von ihrer<br />

Familie her mitbringen: materielle Ressourcen<br />

(Einkommen der Familie, Ausstattung<br />

etc.), kulturelle Ressourcen<br />

(Informationsstand, Nähe resp. Distanz<br />

zur Leitkultur, die in der Schule gepflegt<br />

wird, etc.), und soziale Ressourcen (Beziehungsnetz,<br />

Zugang zu Entscheidungsträgern<br />

und Vertrauenspersonen,<br />

Loyalität, etc.). Vor diesem Hintergrund<br />

versucht sich neulich ein Differenzierungsprinzip<br />

mit positiver Diskriminierung<br />

zu behaupten. Demnach soll<br />

die Schule ihre Bemühungen und Ressourcen<br />

prioritär denjenigen zukommen<br />

lassen, die die schlechtesten Ausgangsbedingungen<br />

haben. SchülerInnen<br />

mit den grössten Schwierigkeiten<br />

müssen also den besten Unterricht erhalten.<br />

Die 1999 befragten SchweizerInnen wurden<br />

aufgefordert, für jede Schulstufe jenen<br />

Grundsatz auszuwählen der ihnen geeignet<br />

schien. Es fällt zuerst auf, dass viele Befragte,<br />

wahrscheinlich aus Überforderung,<br />

diese Frage nicht beantworten konnten.<br />

Eine Erklärung dafür mag darin liegen,<br />

dass sich die Öffentlichkeit seit langem<br />

wohl stark mit der Frage der Leistung der<br />

Schule auseinandersetzt, viel weniger<br />

aber mit jener der Gerechtigkeit.<br />

Bei den Befragten, die die Frage beantwortet<br />

haben, bevorzugt jeder fünfte das<br />

utilitaristische Prinzip für die Primarstufe,<br />

jeder zweite die Chancengleichheit und jeder<br />

dritte die positive Diskriminierung. Die<br />

utilitaristische Option nimmt in den darauf<br />

folgenden Schulstufen rasch zu: jeder<br />

dritte wählt sie für die obligatorische Sekundarstufe<br />

und für die Berufsschule, jeder<br />

zweite für das Gymnasium und die<br />

Hochschulen. Diese Zunahme des utilitaristischen<br />

Prinzips geht hauptsächlich auf<br />

Kosten der positiven Diskriminierung.<br />

Während sie immerhin ein Drittel der Befragten<br />

für die Primarschule angemessen<br />

finden, befürwortet sie nur jeder Sechste<br />

für die Sekundarstufe I und die Berufsbildung,<br />

und gerade noch jeder Zwanzigste<br />

möchte diesen Gerechtigkeitsgrundsatz<br />

auch in den nachobligatorischen Bildungsgängen<br />

angewendet wissen.<br />

Je höher die Schulstufe, desto eher<br />

wird also das utilitaristische Prinzip (der<br />

beste Unterricht für die besten SchülerInnen)<br />

als gerecht angesehen. Letztlich gelten<br />

in der schweizerischen Öffentlichkeit<br />

für die Schule nach der Primarstufe<br />

hauptsächlich zwei Gerechtigkeitsprinzipien:<br />

das utilitaristische und die Chancengleichheit.<br />

Beide sind übrigens mit Ungleichheit<br />

in der Schule kompatibel, zwar<br />

nicht ungleicher Zugang, aber doch ungleiche<br />

Resultate; das erste Prinzip mehr<br />

als das zweite.<br />

Die Folgen von ungleicher<br />

Ausbildung<br />

Laut der Umfrage finden es etwa drei von<br />

vier BürgerInnen gerecht, dass die am besten<br />

Ausgebildeten auch die höchsten Einkommen<br />

haben und folglich die besten sozialen,<br />

finanziellen und kulturellen Lebensbedingungen.<br />

Man weiss ja, dass in<br />

den Bewertungsschemata von Funktionen<br />

und Arbeitsplätzen in Unternehmen und<br />

Verwaltungen die verlangte Ausbildungsstufe<br />

ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung<br />

der Lohnhöhe darstellt.<br />

Dagegen finden es aber nur zwei Bürger-<br />

Innen von fünf gerecht, dass die am besten<br />

Ausgebildeten auch die besten Möglichkeiten<br />

haben, sich über das ganze Leben<br />

weiterzubilden. Hier kommt wahrscheinlich<br />

das Prinzip der Chancengleichheit<br />

wieder zum Zuge.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Über Ungleichheiten wird man ziemlich<br />

schnell einig, wenn man darüber einig ist,<br />

was wichtig ist, was im Leben einen Unterschied<br />

macht. Dem ist in unseren Gesellschaften<br />

generell so, wenn es um Einfluss,<br />

Macht, Geld, Komfort, Bildungsstand<br />

etc. geht. Und solche Grössen messen<br />

sich ja auch relativ leicht auf einer Skala<br />

von mehr oder weniger. Desgleichen<br />

sind wir über ungleiche Leistungen in der<br />

Schule einig, die üblicherweise mit unterschiedlichen<br />

Belohnungen, Anerkennungen<br />

und Noten und schliesslich Diplomen<br />

mit unterschiedlichem gesellschaftlichem<br />

Wert belohnt werden.<br />

Gerechtigkeit hingegen kann nicht so<br />

einfach wie Gleichheit gemessen werden;<br />

es geht um Wertvorstellungen und Meinungen,<br />

um Grundsätze und Kriterien für<br />

Gerechtigkeit – und diese können beträchtlich<br />

varieren. Wenn aber in einer demokratischen,<br />

auf dem Prinzip der Gleichheit<br />

aufbauenden Gesellschaft und in<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 23


hutmacher<br />

ihren öffentlichen Schulen schulische Ungleichheiten<br />

möglich sind, dann muss man<br />

annehmen, dass sie nicht als ungerecht<br />

empfunden werden, oder zumindest, dass<br />

sie von SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen<br />

und BürgerInnen toleriert werden. Der<br />

vorliegende Beitrag will über das Gerechtigkeitsempfinden<br />

der SchweizerInnen in<br />

Bezug auf Ungleichheit in der Schule informieren.<br />

Er gründet auf einer zwar pauschalen,<br />

aber meines Wissens in der<br />

Schweiz ersten Befragung in diesem Bereich.<br />

In einer Demokratie ist es wenigstens<br />

staatspolitisch realistisch anzunehmen,<br />

dass die Schule gerecht ist, wenn und so<br />

lange die BürgerInnen – oder wenigstens<br />

eine Mehrheit von ihnen – sie als gerecht<br />

empfinden. Und unsere Umfrageergebnisse<br />

legen den Schluss nahe, dass dem in der<br />

Schweiz, gemäss dem heutigem Gerechtigkeitsempfinden<br />

so ist. Eine Mehrheit<br />

der BürgerInnen findet, dass die Schule legitimiert<br />

ist, ungleiche Ergebnisse zu produzieren,<br />

unter der Voraussetzung, dass<br />

sie nicht ganze Gruppen von Menschen<br />

diskriminiert und dass sie die Chancengleichheit<br />

von Kindern unterschiedlicher<br />

Herkunft und Nationalität gewährleistet.<br />

Dass ihrerseits schulische Ungleichheit zu<br />

sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit<br />

führt, wird ebenfalls von einer Mehrheit<br />

als gerecht empfunden. Angesichts des<br />

Einflusses, den das Einkommen auf den<br />

Status in Gesellschaft, Kultur und Familie<br />

und sogar einfach auf das körperliche<br />

Wohlbefinden hat, ist es nicht falsch zu behaupten,<br />

dass die Schule durch ungleiche<br />

Ausbildungen die gesellschaftlichen Ungleichheiten<br />

nicht nur reproduziert, sondern<br />

sie auch legitimiert. Unser soziologischer<br />

Ansatz zwingt zu dieser Erkenntnis.<br />

Weder die ungleiche Verteilung von Wissen<br />

und Können noch die Legitimation sozialer<br />

Ungleichheiten stehen zwar ausdrücklich<br />

in der Zielsetzung der Bildungssysteme.<br />

Aber zusammen mit der Homogenisierung<br />

der Kriterien von Richtigkeit<br />

und Gerechtigkeit bilden sie einen nicht<br />

unbeachtlichen Beitrag zum relativ friedlichen<br />

Funktionieren der modernen von Ungleichheit<br />

geprägten Gesellschaften. Es ist<br />

auch nicht der kleinste Widerspruch der<br />

Schule, dass sie nicht alle ihr vorgegebenen<br />

Aufgaben erfüllt, dass sie hingegen<br />

Wirkungen hat, die für das Funktionieren<br />

der Gesellschaft wichtig sind, die aber<br />

nicht zu ihren ausdrücklichen Aufgaben<br />

gehören.<br />

Die Umfrage hat auch gezeigt, dass gewisse<br />

pädagogische Reformen nicht unbedingt<br />

dem vorherrschenden Gerechtigkeitsempfinden<br />

entsprechen, ja ihm sogar<br />

widersprechen. Nur eine Minderheit empfindet<br />

heute als gerecht, dass SchülerInnen<br />

mit grossen Schwierigkeiten zusätzliche<br />

Ressourcen und Aufmerksamkeit erhalten,<br />

und nur in der Primarschule. Es<br />

zeigt sich, dass wenn solche Gerechtigkeitsgrundsätze<br />

wenigstens für die obligatorische<br />

Schulzeit gefordert werden, sie in<br />

der Öffentlichkeit vorgetragen, diskutiert<br />

und verteidigt werden müssen, damit sie<br />

von einer Mehrheit der BürgerInnen akzeptiert<br />

werden können.<br />

Die Grundsätze und das Gerechtigkeitsempfinden,<br />

deren statistische Mehrheit<br />

wir aufgezeigt haben, gehören zu einem institutionellen<br />

Erbe, das zum Teil auf das<br />

19. Jahrhunderts zurückgeht und zu einem<br />

andern auf die (nicht abgeschlossenen)<br />

bildungspolitischen Diskussion der zweiten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Wissensgesellschaft,<br />

die sich vor dem Hintergrund<br />

von wirtschaftlicher und kultureller<br />

Globalisierung entwickelt, macht eine<br />

Überprüfung und Reinterpretation dieses<br />

Erbes sinnvoll, wenn nicht sogar unumgänglich.<br />

Zudem wird es in diesem neuen<br />

Kontext auch wichtig sein, zwei weitere<br />

Gerechtigkeitsgrundsätze zu diskutieren,<br />

die Rawls umrissen hat und die ich bis jetzt<br />

noch nicht erwähnt habe.<br />

Laut dem ersten dieser Grundsätze<br />

müssen die Privilegien der am meisten Begünstigten<br />

(auch) in den Dienst der am<br />

meisten Benachteiligten gestellt werden.<br />

Im Bereich Bildung sollen also letztere die<br />

gleichen Möglichkeiten haben wie die ersteren,<br />

die professionellen Leistungen zu<br />

nutzen, die von den am besten Ausgebildeten<br />

angeboten werden, wie ÄrztInnen,<br />

IngenieurInnen, ForscherInnen und natürlich<br />

… LehrerInnen. Hier wird u.a. mit<br />

Nachdruck die Frage der Loyalität und des<br />

Engagements der Schule im Allgemeinen<br />

und der Lehrpersonen im Besonderen aufgeworfen<br />

gegenüber den schwächsten<br />

SchülerInnen, insbesondere den gesellschaftlich<br />

am meisten Benachteiligten.<br />

Der zweite Grundsatz postuliert, dass<br />

niemand unter ein Minimum an Ressourcen<br />

fallen darf. Im Bereich Bildung ist dieses<br />

Minimum an Kompetenzen und Ausbildung,<br />

das ein gesellschaftlich, wirtschaftlich<br />

und familiär gutes Leben voraussetzt,<br />

im Laufe des letzten halben Jahrhunderts<br />

dramatisch angestiegen. Eine<br />

minimale Chancengleichheit beim Eintritt<br />

ins Erwachsenenleben setzt heute u.a.<br />

voraus, dass alle Jugendlichen am Ende ihrer<br />

obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen<br />

und über eine Basiskultur verfügen,<br />

welche es ihnen erlauben, über das<br />

ganze Leben Ausbildungen und berufliche<br />

Kompetenzen zu erwerben, auf denen ihr<br />

Bestehen im Arbeitsbereich gründet.<br />

Interessanterweise verknüpft dieser<br />

zweite Grundsatz unmittelbar die Fragen<br />

der Gerechtigkeit und der Wirksamkeit,<br />

und er bedeutet eine enorme Herausforderung,<br />

vor allem für die Grundschule und<br />

die darin tätigen Fachleute. Insofern die<br />

Anerkennung dieses Grundsatzes eine Art<br />

Resultatspflicht der Institution Schule bedeuten<br />

kann, kommt sie einer eigentlichen<br />

institutionellen Revolution gleich. Man<br />

weiss, dass es für die Lehrenden keine Resultatspflicht<br />

geben kann, weil eine solche<br />

mit der Freiheit der Lernenden in Konflikt<br />

träte. Das schliesst ja die Methodenpflicht<br />

für die Lehrenden nicht aus. Und die Schule<br />

als Institution ist heute – auch im Namen<br />

der Gerechtigkeit – herausgefordert, konstant<br />

wirksamere Organisations- und Arbeitsmethoden<br />

zu erforschen und zu entwickeln,<br />

gerade und vor allem auch für die<br />

Schwächsten.<br />

24 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


thesen<br />

Tagungsthesen<br />

Zur Tagung «Bildung für alle – Chancengleichheit und Selektion in Schule und Berufsbildung»<br />

Mehr Chancengleichheit im Interesse<br />

der Einzelnen und der Gesellschaft<br />

Das Recht auf Bildung beinhaltet auch das<br />

Recht auf eine möglichst gute Förderung aller<br />

Kinder und Jugendlichen im Sinne der Chancengleichheit.<br />

Die Förderung des Potenzials aller<br />

ist im Interesse der Gesellschaft.<br />

Gut gebildete und ausgebildete Menschen sind<br />

fähig, das eigene Leben zu gestalten, sie integrieren<br />

sich in die Gesellschaft und tragen zu deren<br />

Funktionieren bei.<br />

Selektion kann Chancengleichheit verhindern,<br />

erst recht wenn Herkunft statt Leistung ausschlaggebend<br />

für die Laufbahnentscheide ist.<br />

Offensichtlich bietet das heutige Bildungswesen<br />

Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten<br />

Gruppen der Bevölkerung keine<br />

erfolgreiche Förderung an.<br />

Durch die zunehmende Lehrstellenknappheit<br />

fallen Jugendliche aus den tieferen Schulzweigen<br />

– darunter vor allem auch Jugendliche mit<br />

Migrationshintergrund – durch die Maschen.<br />

Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit hohen gesellschaftlichen<br />

Folgekosten verbunden.<br />

Integrative statt selektive Schulen<br />

Das Bildungssystem der Zukunft bietet keine<br />

Hand für selektive Entscheide aufgrund zugeschriebener<br />

Merkmale wie sozialer oder<br />

sprachlich-kultureller Faktoren. Das Bildungssystem<br />

setzt die Grundsätze der Verfassung<br />

und der Menschenrechte um und wahrt die<br />

Würde jedes Einzelnen.<br />

Die integrative statt selektive obligatorische<br />

Schule ermöglicht es jedem Individuum unserer<br />

gemischten Bevölkerung, sein Lernpotenzial<br />

auszuschöpfen. Das öffentliche Bildungswesen<br />

soll künftig in den allgemein bildenden Schulen<br />

auf Gleichstellung und Integration setzen und<br />

gemischte Lerngruppen fördern.<br />

An Stelle von Sonderklassen findet integrative<br />

sonderpädagogische Förderung statt, an Stelle<br />

der selektiven Leistungszweige ist die Sekundarstufe<br />

I integrativ und durchlässig ausgestaltet.<br />

Jedes kantonale Schulsystem und jede Schule<br />

soll Chancengleichheit und Bildung für alle (für<br />

MigrantInnen, bildungsferne Familien oder<br />

sonst benachteiligte Gruppen) als Qualitätskriterium<br />

setzen, regelmässig überprüfen und einen<br />

Handlungsplan zur Verbesserung entwickeln.<br />

Jede Schule soll sich die Verbesserung<br />

des Schulerfolges schulisch benachteiligter<br />

Gruppen als Ziel setzen.<br />

Unterstützung gegen Diskriminierung<br />

Die Betroffenen brauchen Unterstützung seitens<br />

des Bildungssystems, damit die Chancengleichheit<br />

besser erreicht werden kann.<br />

Jugendliche, die Diskriminierung erfahren oder<br />

vermuten, brauchen eine Ansprechstelle, welche<br />

sie beraten und stärken kann.<br />

Eltern mit einem bildungsfernen Hintergrund<br />

müssen darin gestärkt werden, ihre Mitsprache<br />

in Schulfragen ihrer Kinder wahrzunehmen.<br />

Dafür müssen sie das Bildungssystem kennen<br />

und wissen, wo sie Beratung und Unterstützung<br />

finden können.<br />

Das Rekurswesen betreffend Selektionsentscheide<br />

muss transparent und durchlässig gestaltet<br />

werden.<br />

Jugendliche werden bei der Lehrstellensuche<br />

aufgrund ihrer Herkunft und ihres Namens diskriminiert.<br />

Sie brauchen nahe und kontinuierliche<br />

Unterstützung im ganzen Berufswahlprozess.<br />

Wirksamere Lernförderung<br />

In gemischten Lerngruppen kommen Menschen<br />

mit unterschiedlichen Voraussetzungen zusammen,<br />

verschieden in Geschlecht, Alter und in<br />

ihrem sozialen, sprachlichen, kulturellen Hintergrund.<br />

Durch die vielseitigen Erfahrungen<br />

und Ideen kommen Kompetenzen zusammen,<br />

die das Lernen beflügeln.<br />

Eine wirksame Lernförderung der Benachteiligten<br />

muss früh ansetzen. Die Einrichtungen für<br />

familienergänzende Betreuung sind in den bildungspolitischen<br />

Auftrag einzubeziehen.<br />

Zweisprachig aufwachsende Kinder sollen ihre<br />

Erstsprache und die Zweitsprache (Lokalsprache)<br />

in integrierter Form innerhalb der Schweizer<br />

Schulen entwickeln können, dies fördert den<br />

Lernerfolg.<br />

Schülerinnen und Schüler werden besser lernen,<br />

wenn die Lerninhalte mit ihrer Lebenswelt<br />

und ihren sozialen Realitäten verknüpft werden<br />

und wenn sie im Sinne einer SchülerInnen-Mitsprache<br />

das Schulleben mitgestalten und mitverantworten<br />

können.<br />

Individuelle Förderung in kleinen Klassen und<br />

die notwendigen Stütz- und Fördermassnahmen<br />

erfordern zusätzliche Ressourcen.<br />

Sowohl Lehrkräfte als auch Gesellschaft sollen<br />

den jungen Menschen zeigen, dass an sie geglaubt<br />

wird und dass hohe Erwartungen in sie<br />

gesetzt werden, die sie dank der Unterstützung<br />

auch erreichen können.<br />

Die Lernbeurteilung soll in erster Linie dazu dienen,<br />

die Lernenden möglichst gut zu fördern<br />

und sie darin zu unterstützen, ihr Potenzial zu<br />

entfalten. Wenn die Schule Laufbahnentscheide<br />

fällt, dürfen nicht nur die Fachleistungen eine<br />

Rolle spielen. Selbst- und Sozialkompetenzen<br />

wie Selbständigkeit, soziales Verhalten und<br />

Teamfähigkeit müssen berücksichtigt werden.<br />

Altersdurchmischtes Lernen wird der Heterogenität<br />

der heutigen Schulklassen besser gerecht<br />

und ermöglicht ein weniger selektionierendes<br />

Schulsystem.<br />

Das Recht auf Bildung muss auch auf<br />

die nachobligatorische Bildung<br />

ausgedehnt werden<br />

Jeder junge Mensch soll nach der obligatorischen<br />

Schule die Möglichkeit haben, sich nach<br />

seinen Neigungen und Möglichkeiten in einer<br />

weiterführenden Schule oder einer Berufsausbildung<br />

noch mindestens drei weitere Jahre<br />

weiter auszubilden und einen anerkannten Abschluss<br />

der Sekundarstufe II zu erlangen. Längerfristig<br />

gilt es, dieses Recht in der Bundesverfassung<br />

zu verankern.<br />

Geeignete Jugendliche aus bildungsungewohnten<br />

und eingewanderten Familien müssen gezielt<br />

gefördert werden, damit sie eine Mittelschule<br />

besuchen können. Falls notwendig können<br />

Förderangebote und Coachings ihnen helfen,<br />

sich die an Mittelschulen geforderten Lernhaltungen<br />

und -techniken anzueignen.<br />

Staat und Wirtschaft sollen dafür sorgen, dass<br />

genügend Lehrstellen, Schul- und Ausbildungsplätze<br />

für alle Schulentlassenen zur Verfügung<br />

stehen. Gefragt sind dabei vor allem auch neu<br />

zu schaffende Ausbildungsplätze in zukunftsträchtigen<br />

Berufsfeldern (Dienstleistungen, Medien,<br />

Kommunikation, Kultur, Gesundheit, Sozialbereich…)<br />

sowie Berufslehren für Jugendliche<br />

aus tieferen Schulzweigen.<br />

Brückenangebote können eine gute Rolle spielen,<br />

zum Beispiel für neu Eingewanderte zum Erlernen<br />

der lokalen Sprache. Brückenangebote<br />

dürfen jedoch nicht einfach als Ersatz dafür<br />

missbraucht werden, dass Plätze in qualifizierenden<br />

Ausbildungen fehlen.<br />

Für alle Massnahmen, welche Chancengleichheit<br />

und Integration fördern, sind die<br />

notwendigen personellen und finanziellen<br />

Ressourcen bereit zu stellen.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 25


ateliers<br />

Schule ohne Ausgrenzung<br />

Möglichkeiten und Vorbilder<br />

einer integrativen Schule<br />

Am Beispiel einer Kampagne des Grünen Bündnis Kanton Bern<br />

Atelier 1<br />

mit Corinne Schärer<br />

Gewerkschaftssekretärin <strong>vpod</strong>,<br />

Grossrätin Grünes Bündnis<br />

2010 soll im Kanton Bern der «Integrationsartikel»<br />

des revidierten Volksschulgesetzes in die Praxis umgesetzt<br />

werden. Der Integrationsartikel (Art. 17<br />

Volksschulgesetz, VolG) verlangt, dass möglichst alle<br />

Kinder, also auch solche mit besonderen Bedürfnissen, in der<br />

selben Klasse unterrichtet werden.<br />

Die Diskussion um Integration statt Ausgrenzung beschränkt<br />

sich aber nicht auf den Kanton Bern, sondern wird schweizweit,<br />

wenn nicht sogar in ganz Europa geführt. Auch das Grüne Bündnis<br />

beteiligt sich an dieser Diskussion. Seit Jahren engagiert es<br />

sich für eine nachhaltige Bildungspolitik, welche die Begabungen<br />

und Fähigkeiten eines jeden Kindes fördert und allen unabhängig<br />

von ihrer Herkunft die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten gibt.<br />

Leider sind wir heute weit von diesem Ziel entfernt. Kinder aus<br />

bildungsfernen Schichten, fremdsprachige Kinder und Kinder mit<br />

Behinderungen werden heute oft ausgegrenzt, ungenügend gefördert<br />

oder gar stigmatisiert. Dies will das Grüne Bündnis ändern.<br />

Mit einer Informationskampagne informiert es über die<br />

Chancen und Rahmenbedingungen von integrativen Schulen und<br />

fordert die beteiligten Akteure dazu auf, weiter zu denken und<br />

sich für Verbesserungen einzusetzen.<br />

Bedenkliche Entwicklung<br />

Dass diese Verbesserungen nötig sind, zeigen folgende Zahlen:<br />

Die Zahl der Kleinklassen hat im Kanton Bern in den letzten<br />

Jahren zugenommen.<br />

Während der Anteil an «ausgesonderten» Kindern mit körperlichen<br />

und geistigen Behinderungen etwa gleich bleibt (keine<br />

Verbesserungen), steigt vor allem die Aussonderung von ausländischen<br />

Kindern an. Gesamtschweizerisch hat sich der Anteil<br />

an ausländischen Kindern in ausgesonderten Klassen praktisch<br />

verdoppelt. 1980/81 wurde jedes 15. ausländische Kind<br />

in Sonderklassen oder -schulen unterrichtet. 1997/98 ist dies<br />

für jedes 9. ausländische Kind der Fall.<br />

In der Schweiz gibt es einen überdurchschnittlichen Anteil von<br />

Kindern mit geringer Lesekompetenz. In der Schweiz, Deutsch-<br />

land und Belgien ist die Lesekompetenz am stärksten vom Berufsstatus<br />

der Eltern geprägt (PISA-Studie).<br />

In den Kantonen Bern und St. Gallen sind 61 % der SekundarschülerInnen<br />

in Lesen und Mathematik gleich kompetent wie<br />

die GymnasiastInnen. Im Kanton Bern sind fast 30 % der RealschülerInnen<br />

aufgrund ihrer mathematischen Leistungen<br />

nicht von GymnasiastInnen zu unterscheiden. Das Problem<br />

der falschen Selektion nimmt zu. (PISA-Kantonsauswertung).<br />

Integration: Eine alte Aufgabe der Schule,<br />

die eine neue Bedeutung erhält<br />

Rhetorisch hat sich die Idee der integrativen Schule bzw. der<br />

«Schule ohne Ausgrenzung» weitgehend durchgesetzt: Lehrkräfte,<br />

Erziehungsdirektion und Bildungsforschung sind im Grundsatz<br />

für eine Schule, die möglichst viele Kinder einschliesst statt<br />

ausgrenzt und die weniger selektioniert und mehr fördert. Diese<br />

Einsicht fusst zum einen auf den Ergebnissen vieler Schulversuche,<br />

die zeigen, dass eine integrierende Schule tendenziell in der<br />

Tat weniger Jugendliche aus der Schule entlässt, die den Anschluss<br />

verpasst haben und sich und der Gesellschaft deshalb zur<br />

Last werden. Zum anderen zeigen die Resultate der PISA-Studie,<br />

dass ausgrenzende Schulen in der Tendenz durchschnittlich leistungsschwächere<br />

SchulabgängerInnen hervorbringen als integrative<br />

Schulen.<br />

Lehrkräfte stehen also vor einem Dilemma: Während aus<br />

pädagogischer Sicht eine Schule ohne Ausgrenzung Vorbild ist,<br />

sieht die Praxis anders aus: Die heute bestehende Schule belastet<br />

vor allem in den sozial sehr heterogenen städtischen Gebieten<br />

und Agglomerationen die Lehrkräfte bereits im Übermass. Eine<br />

integrative Schule ohne genügende Ressourcen erhöht die Belastung<br />

zusätzlich, heterogene Klassen sind naturgemäss anspruchsvoller.<br />

Schule ohne Ausgrenzung braucht adäquate<br />

Ressourcen<br />

Auf gesellschaftlicher Ebene gilt es, das Kind nicht mit dem Bade<br />

auszuschütten: Eine Schule ohne Ausgrenzung umsetzen zu wollen,<br />

ohne die entsprechenden Ressourcen für Teamteaching, Supervision,<br />

Coaching, heilpädagogische Unterstützung etc. zur<br />

Verfügung zu stellen, wird genau das Gegenteil dessen erzielen,<br />

26 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

was sie bei genügend Ressourcen erreichen könnte: Eine Entlastung<br />

der Folgekosten aus «nachschulischer Betreuung» verwahrloster<br />

Jugendlicher, die ihr Leben nicht bewältigen können.<br />

Wenn der Kanton Bern die Umsetzung des Integrationsartikels<br />

wirklich Ernst nehmen will, muss er einen sorgfältigen Prozess bei<br />

den Lehrkräften einleiten. Dieser Prozess umfasst von der Ausund<br />

Weiterbildung über Motivation durch berührende Erfolgsund<br />

Misserfolgsbeispiele sowie der Auseinandersetzung mit den<br />

dahinter stehenden Konzepten bis zu den pädagogischen Zusatzaufwendungen<br />

eine breite Palette von wichtigen Schritten.<br />

Zentral ist auch die Einsicht, dass heterogene Klassen, die naturgemäss<br />

aus einer Schule ohne Ausgrenzung folgen, geeignete Ressourcen<br />

und Strukturen brauchen, namentlich Teamteaching, Zusatz-<br />

und Stützunterricht, heilpädagogische Unterstützung etc.<br />

Einsatz auf politischer Ebene ist nötig<br />

Wenn «realpolitisch» zu wenig Ressourcen da sind, sollen Schritte<br />

in Richtung integrativer Schulen nicht einfach abgelehnt werden.<br />

Vielmehr geht es darum, aus Einsicht in die Notwendigkeit<br />

einer «Schule ohne Ausgrenzung» mit geeinten Kräften die nötigen<br />

Mittel beschaffen. Und auch mit einem Teil der Mittel kann<br />

bereits einiges erreicht werden. Das Grüne Bündnis hat deshalb<br />

eine Homepage aufgeschaltet: www.integrative-schule.ch. Damit<br />

will es Möglichkeiten und Vorbilder einer integrativen Schule aufzeigen.<br />

Die Homepage beinhaltet:<br />

Gute Modelle und Anregungen, wie integrative Schulmodelle<br />

heute bereits umgesetzt werden.<br />

Vorschläge für politische Entscheidungen, die uns auf dem<br />

Weg der Integration weiterbringen können.<br />

Eine Liste mit links zu weiteren Modellen und pädagogischen<br />

Anregungen zum Thema.<br />

Integrative Schulsysteme auf der<br />

Sekundarstufe I<br />

Vorgestellt an Beispielen aus drei Sprachregionen<br />

Atelier 2<br />

mit<br />

André Allisson, Projektleiter, Erziehungsdepartement Neuenburg<br />

Béatrice Barbey, Lehrerin im Cycle d’orientation, Genf<br />

Gian-Pietro Milani, Vizedirektor der scuola media, Losone<br />

Martin Sahli, Schulleiter Bern-Stapfenacker/Brünnen<br />

Regina Stauffer, Präsidentin <strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung<br />

Erziehung Wissenschaft (Leitung)<br />

Zusammenfassung: Ruedi Tobler<br />

Informiert und diskutiert wurde über die verschiedenen integrativen<br />

Schulmodelle, ihr politisches Umfeld, sowie ihre Chancen<br />

und allfälligen Gefahren. Im Bericht gehen wir nicht auf das Neuenburger<br />

Modell ein, da der Kanton ein Reformprojekt nicht zuletzt<br />

wegen Widerstands der Lehrkräfte aufs Eis gelegt hat.<br />

Die scuola media im Tessin –<br />

eine Oberstufen-Gesamtschule<br />

terogenen Klassen, und der zweite, die «Orientierungsstufe», geprägt<br />

von einem teilweise oder ganz differenzierten Angebot.<br />

Im Verlaufe der dreissig Jahre hat sie verschiedene Anpassungen<br />

erfahren, insbesondere im zweiten Zyklus. So ist man von<br />

einer Gliederung in Sektion A und B (unterschiedliche Klassen)<br />

übergegangen zu einer mit vorerst Niveau 1 und 2 und danach<br />

Kurs A und B (beide teilweise differenziert).<br />

Seit 1980 wurde ein pädagogischer Unterstützungsdienst eingeführt<br />

für SchülerInnen mit Lernrückständen oder Verhaltensschwierigkeiten,<br />

sowie praktische Kurse zur Förderung der Integration;<br />

(reduzierte Lernanforderungen, Ersatz gewisser Fächer<br />

durch manuelle Tätigkeiten zur Vorbereitung auf die Eingliederung<br />

in die Arbeitswelt). Parallel dazu wurden für Kinder aus anderen<br />

Sprachgebieten Basiskurse in Italienisch eingeführt, um ihre<br />

rasche Integration zu fördern.<br />

Der Genfer cycle d’orientation –<br />

eine Orientierungsschule<br />

Der Genfer «cycle d’orientation» umfasst die drei letzten Jahre der<br />

obligatorischen Schule (7. - 9. Klasse). Mit wenigen Ausnahmen<br />

treten alle SchülerInnen in sie ein. Besondere Anstrengungen werden<br />

für junge ImmigrantInnen mit den Einführungsklassen unternommen<br />

(<strong>40</strong> % der Genfer Bevölkerung sind AusländerInnen).<br />

Aufgrund von Noten oder Tests am Ende der 6. Primarklasse<br />

werden die SchülerInnen dem Niveau A oder B zugewiesen. Die<br />

Vor dreissig Jahren hat der Tessiner Grosse Rat beschlossen, die<br />

«scuola media» einzuführen, die alle Schulkinder im Alter zwischen<br />

11 und 15 Jahren unter einem Dach vereint, die bis dahin<br />

schon mit elf Jahren zur Wahl zwischen dem Weg in Richtung<br />

Hochschulstudium oder Berufslehre gezwungen waren.<br />

Die Reform bestand in der Einführung einer Stufe von vier Jahren,<br />

aufgeteilt in zwei Zweijahreszyklen. Der erste, die «Beobachtungsstufe»,<br />

charakterisiert durch gemeinsamen Unterricht in he<strong>vpod</strong><br />

<strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 27


ateliers<br />

beiden Niveaus sind theoretisch nicht hierarchisch geordnet. Die<br />

Lehrziele sind für alle gleich, auch wenn der Lehrplan unterschiedlich<br />

ist. Die Stundentafel ist die gleiche, trotz einigen Wahlfächern,<br />

nur die Klassengrössen sind unterschiedlich, ungefähr<br />

24 im A und 16 im B.<br />

Ein Wechsel zwischen A und B ist jederzeit möglich. Am Ende<br />

des Schuljahres erfolgt er automatisch beim Erreichen eines Notendurchschnitts<br />

von 4,8 im B, im Laufe des Jahres aufgrund eines<br />

Beschlusses der Lehrerkonferenz. Ein Durchschnitt von 4,8<br />

ist ziemlich leicht zu erreichen, haben doch alle Fächer das gleiche<br />

Gewicht (die Turn- kann die Deutschnote kompensieren).<br />

Aber gute Noten im B stellen nicht zwingend sicher, dass ein ins<br />

A wechselndes Schulkind dort mithalten kann.<br />

Zusätzliche Mittel für die B-Klassen sollten den Graben zwischen<br />

den beiden Niveaus in Grenzen halten. Aber sie sind bei<br />

weitem ungenügend (z.B. 2 Wochenstunden mit Präsenz von zwei<br />

Lehrkräften). Und die ständig steigenden Schülerzahlen in den<br />

A-Klassen erlauben es den LehrerInnen nicht, einem aus dem B<br />

kommenden Kind oder einem gefährdeten Kind, das ins B zu «fallen»<br />

droht, die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Die Berner Quartierschule Stapfenacker/Brünnen<br />

mit integrativer Oberstufe<br />

Die Berner Quartierschule Stapfenacker/Brünnen umfasst das<br />

Angebot vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I. Zudem wird<br />

eine Tagesschule angeboten. Der Schulversuch Bern-West ist<br />

durch einen politischen Entscheid zustande gekommen; sein Ende<br />

ist auf das Schuljahr 20<strong>05</strong>/2006 vorgesehen.<br />

Seit 1988 gilt das Modell, bei dem die Klassen vom 1. bis 9.<br />

Schuljahr zusammen bleiben. Alle SchülerInnen besuchen die<br />

gleiche Klasse; vom 7. Schuljahr an werden in Deutsch, Mathematik<br />

und Französisch Niveaugruppen gebildet und innerhalb der<br />

Klasse gleichzeitig unterrichtet. Ein Niveauwechsel ist zu Beginn<br />

jeden Semesters möglich. Den definitiven Entscheid fällen die Erziehungsberechtigten<br />

nach Vorschlag der Lehrkräfte und Wunsch<br />

des Kindes.<br />

Die Beurteilung der Leistungen erfolgt vom Kindergarten bis<br />

zum neunten Schuljahr ohne Noten. Am Ende jedes Schuljahres<br />

wird mit einem ausführlichen Bericht informiert; dazu gehört<br />

auch eine Selbstbeurteilung des Kindes. Nach dem ersten Semester<br />

erfolgt in jedem Schuljahr ein obligatorisches Gespräch zwischen<br />

Eltern, SchülerIn und Lehrkraft. Der Übertritt in die Berufsbildung<br />

funktioniert gut, dank Gesprächen, die für die Lehrmeister<br />

viel mehr aussagen als Noten.<br />

Eine schulische Heilpädagogin oder Heilpädagoge betreut jede<br />

Klasse. Durch Beobachtung, Gespräche und gezielte Hilfe im<br />

Klassen-, Gruppen- oder Einzelunterricht helfen sie Kindern mit<br />

Schwierigkeiten. Bringen die Massnahmen nicht den gewünschten<br />

Erfolg, ist ein Wechsel in eine polyvalente Kleinklasse möglich<br />

(Besuch einzelner Fächer oder des ganzen Unterrichts). Nach<br />

dem Provisorium wird mit allen Beteiligten die Rückkehr in die<br />

Stammklasse oder der Übertritt in die Kleinklasse beschlossen.<br />

Die Rückkehr in eine Regelklasse ist auch später möglich.<br />

Fazit<br />

Die Selbstbeurteilung der drei Modelle fällt unterschiedlich aus.<br />

Zur scuola media nimmt die Mehrheit der konsultierten Lehrkräfte,<br />

Direktionen, Sachverständigen und Elternorganisationen<br />

eine positive Haltung ein, insbesondere was Chancengleichheit<br />

und Selektion betrifft. Die scuola media hat das Tessiner Schulsystem<br />

für alle sozialen Schichten geöffnet und gleiche Schulbedingungen<br />

für alle gebracht. Der bedeutendste und wichtigste Gewinn<br />

für die Jugendlichen aus den weniger bevorteilten Schichten<br />

besteht in einer umfassenderen und moderneren Schulbildung<br />

als früher.<br />

Wie schon aus der kritischen Darstellung hervor geht, fällt das<br />

Urteil über den cycle d’orientation eher zwiespältig aus. Das System<br />

ist zweischneidig, denn es bringt eine gewisse Heterogenität,<br />

aber nicht eine wirkliche. In Finnland ist die Schule völlig heterogen<br />

bis zum Alter von 16 Jahren. Die guten SchülerInnen leiden<br />

nicht darunter und jene mit Schwierigkeiten werden von den<br />

besseren angespornt. Genf hat weder das eine noch das andere:<br />

beide Niveaus sind in sich heterogen, aber im B-Niveau fehlt der<br />

Ansporn durch die guten SchülerInnen. Dazu kommt die Schwierigkeit,<br />

eine Lehrstelle zu finden (in Genf werden weniger als zehn<br />

Prozent der Lehrverträge mit AbsolventInnen der 9. Klasse abgeschlossen).<br />

Im Urteil über die integrative Quartierschule Stapfenacker/<br />

Brünnen, die ja nicht nur die Oberstufe umfasst, werden die Gelingensbedingungen<br />

hervor gehoben. Entscheidend ist, dass alle<br />

Massnahmen (innere Differenzierung, Beurteilung, heilpädagogisches<br />

Konzept, interne Fortbildung) von allen Beteiligten unterstützt<br />

werden (SchülerInnen, Erziehungsberechtigte, Elternrat<br />

und Schulkommission). Weiter ist ein Gesamtkonzept für den Erfolg<br />

zwingend nötig.<br />

Und aus Genf wurde noch auf eine notwendige Rahmenbedingung<br />

für jede Schulreform hingewiesen, das Problem der Einrichtung<br />

eines grosszügig erscheinenden Systems in einer Zeit<br />

von Budgetrestriktionen und einer Politik der leeren Kassen. Damit<br />

es reelle Emanzipationschancen für alle SchülerInnen bietet,<br />

braucht es die entsprechenden Mittel. In Genf sind aber innert<br />

zehn Jahren die Schülerzahlen um beinahe 10'000 gestiegen,<br />

während zugleich mehr als hundert Stellen von LehrerInnen verschwunden<br />

sind.<br />

28 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

Altersdurchmischtes Lernen<br />

Die wieder entdeckte<br />

Schulungsform der Zukunft<br />

Basisstufe, Mehrklassen- und Gesamtschulen als Antwort auf die Heterogenität<br />

Atelier 3<br />

mit<br />

Katrin Meier, Primarlehrerin<br />

Elisabeth Vogt, Grundstufenlehrerin<br />

Peter Zweerus, Schulleiter/Primarlehrer<br />

Das altersdurchmischte Lernen ergänzt die natürliche<br />

Heterogenität in Bezug auf den Bildungshintergrund,<br />

die Sprache und die Kultur der Schülerinnen<br />

und Schüler und unterstützt somit die Integration aller.<br />

Auch nach verschiedenen Selektionen ist es unmöglich, eine<br />

homogene Klasse zusammen zu stellen, denn auch in Jahrgangsklassen<br />

leben und lernen Kinder aus verschiedenen Kulturen, mit<br />

unterschiedlichem Bildungshintergrund und uneinheitlichen intellektuellen<br />

Fähigkeiten.<br />

Der grosse Unterschied zwischen Jahrgangsklassen und altersdurchmischten<br />

Lerngruppen ist, dass in Mehrklassen die Heterogenität<br />

offensichtlich ist. Sobald allen bewusst ist, dass nicht<br />

alle gleich schnell, gleich viel und gleich gut lernen, kann in einem<br />

entspannten und somit besseren Lernklima gearbeitet werden –<br />

die Chancengleichheit ist in solchen Klassen gewährleistet.<br />

Altersdurchmischtes Lernen ist die konsequente Fortsetzung<br />

natürlichen Lernens, das mit der Basis-/Grundstufe eingeführt<br />

wird und sich bis ans Ende der Schullaufbahn hinziehen muss.<br />

Altersdurchmischtes Lernen hat in den letzten Jahren diverse<br />

Höhen und Tiefen erlebt. Nachdem die Mehrklassen 1920 zur «optimalen<br />

Schulform» erklärt wurden, wollte man sie 1960 wo immer<br />

möglich abschaffen. In der Schweiz werden nun aber von Jahr<br />

zu Jahr neue Mehrklassen gebildet, und dies nicht als Folge von<br />

Sparmassnahmen, sondern aus Überzeugung engagierter Lehrkräfte,<br />

denn mit der Einführung von Mehrklassen ergeben sich positive<br />

Effekte auf der pädagogischen und der methodisch/didaktischen<br />

Ebene.<br />

Pädagogische Vorteile<br />

Die Konkurrenzsituation wird entschärft, das unterschiedliche<br />

Wissen genutzt und somit als positiv wahrgenommen – Jüngere<br />

lernen von Älteren.<br />

Da jedes Jahr ein Teil der Kinder neu hinzukommt, respektive<br />

in die nächste Stufe wechselt, können die Kinder in neue Rollen<br />

schlüpfen, sich eine andere soziale Stellung in der Klasse<br />

erarbeiten. Sie erfahren, was es heisst, sich einer Kindergruppe<br />

unterzuordnen oder aber deren Führung zu übernehmen.<br />

RepetentInnen und Hochbegabte werden nicht stigmatisiert,<br />

da kaum mehr ersichtlich ist, in wie vielen Jahren ein Kind eine<br />

Schulstufe durchläuft.<br />

Die sozialen Fähigkeiten wie Rücksichtnahme, Toleranz und<br />

Hilfsbereitschaft werden im konkreten Umgang,<br />

in einer natürlichen Lernsituation gelernt,<br />

gelebt und geübt.<br />

Die Integration kultureller Unterschiede zwischen<br />

Kindern in heterogenen Gruppen gelingt<br />

besser, Disziplinschwierigkeiten und<br />

Gewalterscheinungen unter den Kindern<br />

können stark reduziert werden.<br />

Die Integration schwächerer und behinderter<br />

Kinder findet in Mehrklassen optimale<br />

Voraussetzungen.<br />

Methodisch/didaktische Vorteile<br />

Die Mehrklassen bilden eine ideale Grundlage<br />

für neue, individuelle Lernmethoden.<br />

Dem individuellen Lerntempo kann und<br />

muss vermehrt Rechnung getragen werden,<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 29


ateliers<br />

weil die Jahrgangsgruppen innerhalb der Klassen jeweils sehr<br />

klein sind.<br />

Die persönlichen Lernfortschritte der Kinder stehen, wie es<br />

der neue Lehrplan fordert, im Vordergrund.<br />

Die Bereiche Lern-, Sozial- und Arbeitsverhalten werden gefordert<br />

wie gefördert und können somit auch beurteilt werden.<br />

Der Unterricht kann in solchen Klassen nur erfolgversprechend<br />

funktionieren, wenn die Zusammenarbeit unter den Kindern<br />

gefördert wird. Eine Lehrkraft muss Unterrichtsformen<br />

suchen, wo sie sich einzelnen Gruppen widmet, während andere<br />

Gruppen in Einzel- oder Gruppenarbeit sich Wissen aneignen<br />

oder üben. Damit werden Kompetenzen gefördert, welche<br />

unsere Gesellschaft dringend fordert: Informationsbeschaffung,<br />

-verarbeitung und -selektion, verschiedene Arbeitsund<br />

Lernmethoden.<br />

Da in Mehrklassen ein Teil der Schulkinder immer selbstorganisiert<br />

lernen und üben muss, respektive darf, müssen die<br />

Lehrkräfte einen zielorientierten Unterricht einführen. Die Kinder<br />

müssen wissen, auf welches Ziel sie hinzuarbeiten haben.<br />

Mit der Bekanntgabe der Ziele (z.B. Wochen- und Monats- oder<br />

Jahresplan etc.) werden die Kinder zu Selbständigkeit und<br />

Selbstverantwortung erzogen.<br />

Durch die offen gelegten Ziele erhalten die Eltern Informationen,<br />

welche eine bessere Unterstützung des Kindes und Zusammenarbeit<br />

zwischen Eltern und Lehrkräften ermöglicht.<br />

Kinder und Jugendliche aus altersdurchmischten Klassen sind<br />

nicht nur in den fachlichen Bereichen sondern auch in Bezug auf<br />

die sozialen Kompetenzen gut auf das Berufsleben oder weiterführende<br />

Schulen vorbereitet.<br />

Bessere Förderung des<br />

Potenzials für mehr Jugendliche<br />

in der Sekundarstufe II<br />

Thesen zur Problematik insbesondere bei Migrantenkindern und Lösungsansätze<br />

Atelier 4<br />

mit Daniela Podda, Attial Toptas und Martina Turnes<br />

(konnte wegen zu wenigen Anmeldungen nicht durchgeführt werden)<br />

Wir wollten wissen, über welche Potenziale Jugendliche<br />

ausländischer Herkunft aufgrund ihrer Migrationserfahrung<br />

verfügen. Zu diesem Zweck haben<br />

wir männliche und weibliche ausländische Schüler-<br />

Innen des KV Reinach im Alter von 16 bis 19 Jahren befragt. Ihre<br />

Herkunftsländer sind Portugal, Spanien, Italien, Kroatien, Montenegro,<br />

Albanien und die Türkei. Einen ersten Teil der Daten haben<br />

wir mit einem Fragebogen erhoben, im Anschluss daran haben<br />

wir geschlechtergetrennte Gruppengespräche durchgeführt.<br />

Die Ergebnisse haben zu den folgenden Thesen geführt.<br />

1. Die SchülerInnen ausländischer Herkunft, die es auf die Sekundarstufe<br />

II geschafft haben, verfügen über Durchhaltewillen,<br />

haben Umwege in Kauf genommen, haben gelernt sich ohne<br />

Hilfe der Eltern zu orientieren, waren auf Primar- und Sekundarstufe<br />

I abhängig von Wissen und Ansichten der jeweiligen<br />

Lehrpersonen.<br />

2. SchülerInnen ausländischer Herkunft haben nicht gelernt, wie<br />

sie auf Ausgrenzungen, Kritik, aber auch auf Unverständnis,<br />

auf Fragen und auf Unwissen bezüglich ihrer Herkunftskultur<br />

reagieren können. Dazu sollten sie über ein breites Verhaltensrepertoire<br />

verfügen.<br />

3. Lehrpersonen fehlt weitgehend das Wissen, wie sie die Ressourcen<br />

von jugendlichen MigrantInnen aktivieren könnten.<br />

4. Jugendliche MigrantInnen können gefördert werden, indem ihnen<br />

die Lehrpersonen bewusst machen, dass sie über Durchhaltewillen<br />

verfügen, Energie mobilisieren können, dass sie die<br />

Fähigkeit haben, Hilfe zu suchen bei Techniken und bei Personen.<br />

Einige haben einen besonderen Weitblick über unterschiedliche,<br />

kulturell bedingte Verhaltensweisen entwickelt<br />

und dadurch Vorurteile abgebaut, andere nutzen ihre Fähigkeit<br />

des Fremdsprachenerwerbs. Diese Fähigkeiten sollen sie bewusst<br />

zu nutzen lernen.<br />

5. In Schulklassen – gerade auf Sekundarstufe II – sollen die verschiedenen<br />

Sichtweisen, Verhaltensweisen, Gepflogenheiten,<br />

Wertvorstellungen von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern<br />

thematisiert werden, z.B. Respekt gegenüber<br />

Eltern; Rolle in der (Gross-)Familie.<br />

Ziele:<br />

Erkennen, a) dass alle anders sind, also Persönlichkeiten;<br />

30 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

b) dass nicht alles als schlecht oder gut beurteilt werden<br />

muss, sondern auch als «anders» erkannt werden kann.<br />

Lernen, wie Wissenslücken aufgefüllt und Vorurteile abgebaut<br />

werden können: Interesse aneinander wecken, Fragen<br />

stellen. Das ist für die ganze Klasse eine Chance zu lernen,<br />

wie man sich verhalten kann, wenn man exponiert ist. Jugendliche<br />

sollen lernen, sich zu zeigen und Kontakt aufzunehmen,<br />

statt dreinzuschlagen – die Sprache der Neugierde<br />

statt die der Gewalt lernen.<br />

6. Lehrpersonen müssen das Bewusstsein dafür fördern, dass<br />

korrektes Deutsch bzw. Französisch oder Italienisch, je nach<br />

Sprachregion, wichtig und lernbar ist. Falls nötig, erhalten<br />

SchülerInnen ein Unterstützungsprogramm.<br />

7. Der Kontakt zu den Eltern ist wichtig: Wertvorstellungen und<br />

unterschiedliche Bereiche von Kompetenz sollen thematisiert<br />

werden. Selbständigkeit, Selbstkompetenz, Sozialkompetenz<br />

müssen erklärt werden, damit Eltern aus der Migration begreifen<br />

können, dass diese Fähigkeiten genauso Voraussetzung<br />

für Karrierechancen sind wie gute Leistungsnoten.<br />

Neue Beurteilungsformen im<br />

Chancengleichheitstest<br />

Eindeutige und überprüfbare Anforderungen (Standards) sind notwendig.<br />

Atelier 5<br />

mit Urs Vögeli-Mantovani, Schweizerische Koordinationsstelle<br />

für Bildungsforschung, Aarau<br />

Die Beurteilung von Lernleistungen und Verhalten<br />

von SchülerInnen müssen mit dem Widerspruch leben,<br />

dass sie entweder der Förderung von Lernen<br />

und Entwicklung dienen oder der Auslese für Bildungslaufbahnen.<br />

Beides zusammen und gleichzeitig<br />

geht nicht. Zur Entschärfung der Selektion und zur Stärkung<br />

der Förderung sind in den letzten fünfzehn Jahren unterschiedliche<br />

neue Formen und Verfahren der Beurteilung erprobt und z.T.<br />

eingeführt worden, so auch das Portfolio. Das Portfolio wurde im<br />

Atelier vorgestellt und mit den Teilnehmenden auf ihren Beitrag<br />

zur Chancengleichheit geprüft.<br />

These zum Atelier<br />

Alle Neuerungen in der Beurteilung sind letztlich an Verfahren<br />

und Instrumente gebunden, die sowohl die Förderung als auch<br />

die Selektion stärken können. Entscheidend ist die Ausprägung<br />

einiger Faktoren wie gesellschaftlicher Bildungsauftrag, Lern- und<br />

Leistungsverständnis, Bezugsnorm (Massstab) der Beurteilung,<br />

strukturelle Laufbahnbedingungen der Institution Schule. Wenn<br />

die Förderorientierung verstärkt werden soll, was grundsätzlich<br />

nötig ist, so kann die Ausprägung dieser Faktoren nicht beliebig<br />

Chancengerechtigkeit im schweizerischen<br />

Bildungswesen<br />

Trendbericht Nr. 9 der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung<br />

Chancengerechtigkeit im schweizerischen Bildungssystem wird in diesem Bericht mit Bezug auf<br />

drei Kriterien dokumentiert: sozioökonomische Benachteiligung, Migrationshintergrund und Geschlecht.<br />

Es werden also Fragen gestellt wie: Hat ein sozioökonomisch benachteiligtes Kind die<br />

selbe Chance, bei der Selektion am Ende der Primarstufe einem Schultyp mit höheren Anforderungen<br />

zugewiesen zu werden, wie ein Kind aus sozioökonomisch gut gestelltem Elternhaus Hat<br />

ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund die selbe Chance, am Ende der obligatorischen Schule<br />

gute Leistungen vorzuweisen, wie ein Schweizer Jugendlicher Hat eine Frau die gleiche Chance<br />

wie ein Mann, nach dem Abschluss der Tertiärstufe im akademischen Bereich zu arbeiten<br />

Mit einer Bestandesaufnahme von Forschungsarbeiten aus der Schweiz wird solchen Fragen systematisch<br />

nachgegangen. Danach werden mögliche Ursachen für die bestehenden Ungerechtigkeiten<br />

aufgezeigt. Schliesslich widmet sich der Bericht auch den politischen Massnahmen, mittels<br />

deren man in der Schweiz versucht, dem Ziel der Chancengerechtigkeit näher zu kommen.<br />

Trendbericht SKBF Nr. 9, 20<strong>05</strong>, 108 Seiten, CHF 30.–; ISBN 3-908117-96-8; Bezug: SKBF, Entfelderstr. 61, 5000 Aarau<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 31


ateliers<br />

sein, sondern muss bestimmten Normen folgen.<br />

In den Tagungsthesen findet sich unter dem Titel «Wirksame<br />

Lernförderung» die folgende, den Workshop betreffende These:<br />

Die Lernbeurteilung soll in erster Linie dazu dienen, die Lernenden<br />

möglichst gut zu fördern und sie darin zu unterstützen, ihr<br />

Potential zu entfalten. Wenn die Schule Laufbahnentscheide fällt,<br />

dürfen nicht nur die Fachleistungen eine Rolle spielen. Selbstund<br />

Sozialkompetenzen wie Selbständigkeit, soziales Verhalten<br />

und Teamfähigkeit müssen berücksichtigt werden.<br />

Kommentar<br />

Diese These findet mit Sicherheit eine sehr breite Zustimmung unter<br />

Schulleuten, BildungspolitikerInnen und Eltern. LehrerInnen<br />

werden mit Überzeugung sagen, dass sie diese These bereits umsetzen.<br />

Dies ist deshalb der Fall, weil sie keine konkrete Verbindlichkeit<br />

schafft, indem z.B. Kriterien genannt und Standards gesetzt<br />

werden, die zu deren Einlösung zwingend sind. Eine eindeutige<br />

und überprüfbare Anforderung (Standard) ist der verwendete<br />

Massstab der Beurteilung. Gemäss obiger These wären<br />

nur der Vergleich einer Leistung oder eines Verhaltens mit einem<br />

konkreten Lernziel oder die Feststellung des individuellen Fortschritts<br />

zulässige Massstäbe des Beurteilens. Verboten oder<br />

Nicht-Erfüllung der These wäre der Vergleich einer Leistung oder<br />

eines Verhaltens mit denjenigen der SchülerInnen der Klasse, was<br />

nach wie vor, landauf landab die vorherrschende Praxis ist. An<br />

diesem Beispiel kann gezeigt werden, wie Verbindlichkeit geschaffen<br />

und die Erfüllung geprüft werden kann, so dass der Chancengleichheit<br />

von der Seite der Beurteilung keine Steine in den<br />

Weg gelegt werden.<br />

Im weiteren geht die These nicht auf das Dilemma zwischen<br />

Fördern und Auslesen ein, dem die LehrerInnen nicht ausweichen<br />

können, und stärkt damit die Förderung nicht wirksam.<br />

Fazit<br />

Das Portfolio wie auch andere Beurteilungsinstrumente können<br />

nur dann einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten, wenn sie<br />

ausschliesslich zur Unterstützung der Lernförderung und zur<br />

Zielerreichung eingesetzt und von der Selektionsaufgabe befreit<br />

werden. Denn unter den Beurteilungsfunktionen ist die Selektion<br />

dominant und überstrahlt die anderen.<br />

Literatur<br />

Vögeli-Mantovani Urs, Mehr fördern, weniger auslesen. Zur Entwicklung der<br />

schulischen Beurteilung in der Schweiz. Aarau 1999, 284 S., Fr. 20.--.<br />

Bestellung: Schweiz. Koordinationsstelle für Bildungsforschung,<br />

Entfelderstr. 61, 5000 Aarau, oder per mail: urs.voegeli@swissonline.ch<br />

Nach der Schule in die Leere<br />

Chancen(un)gleichheit und Selektion beim Übergang in Lehren oder weiter führende Schulen<br />

Atelier 7<br />

mit Thomas Meyer, Projektleiter der nationalen<br />

Jugendlängsschnitt-Untersuchung TREE<br />

(Transitionen von der Erstausbildung ins Erwerbsleben)<br />

TREE ist in der Schweiz die erste nationale Längsschnittuntersuchung<br />

zum Übergang Jugendlicher<br />

von der Schule ins Erwachsenenleben (Transition).<br />

Im Zentrum der Untersuchung stehen die Ausbildungs-<br />

und Erwerbsverläufe nach Austritt aus der obligatorischen<br />

Schule. Die TREE-Stichprobe umfasst rund 6'000 Jugendliche,<br />

die im Jahr 2000 am Projekt PISA (Programme for International<br />

Student Assessment) teilnahmen und im selben Jahr aus<br />

der obligatorischen Schulpflicht entlassen wurden. Die Stichprobe<br />

ist national und sprachregional repräsentativ.<br />

Im Rahmen von TREE wurden in einer ersten Phase bis 2003<br />

drei (jährliche) Nachbefragungen durchgeführt. Dabei wurden<br />

die Ausbildungs- und Erwerbsverläufe der Befragten an der<br />

Schnittstelle zwischen obligatorischer Schule und Sekundarstufe<br />

II detailliert erfasst. Im Fokus dieser ersten Phase stehen Entstehungsbedingungen,<br />

Prozessmerkmale und Wirkungen von sog.<br />

irregulären oder kritischen Ausbildungsverläufen, insbesondere<br />

des frühzeitigen Ausstiegs aus der Bildungslaufbahn (Jugendliche,<br />

die ohne Abschluss einer mehrjährigen nachobligatorischen<br />

Ausbildung bleiben).<br />

In der zweiten Phase von TREE (vier weitere jährliche Nachbefragungen<br />

zwischen 2004 und 2007) steht die so genannte Zweite<br />

Schwelle im Zentrum der Untersuchung, d.h. der Übertritt von<br />

einer Ausbildung der Sekundarstufe II (Lehre, Gymnasium, Diplommittelschule,<br />

etc.) ins Erwerbsleben oder in eine weiter<br />

führende Tertiärausbildung.<br />

Auf welchen Wegen ins Erwachsenenleben<br />

Von drei Befragungen liegen zur Zeit Ergebnisse vor (Stand Januar<br />

20<strong>05</strong>). Die Baum-Grafik zeigt, weshalb wir unserem Projekt den<br />

Namen TREE gegeben haben, das englische Wort für Baum. Den<br />

Stamm des Baums bilden hochgerechnet rund 80’000 Jugendliche<br />

aus der ganzen Schweiz, die im Sommer 2000 die obligatorische<br />

Schule verlassen haben.<br />

32 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


Grafik: TREE<br />

Von dort an beginnt sich der Baum immer mehr zu verzweigen:<br />

2001 sind rund die Hälfte in eine Berufsbildung und rund ein Viertel<br />

in eine weiter führende allgemein bildende Schule eingestiegen.<br />

Rund ein weiteres Viertel ist 2001 in einer Zwischenlösung<br />

oder gar nicht in Ausbildung.<br />

2002, zwei Jahre nach Ende der Volksschule, gibt's weitere Verzweigungen:<br />

Etwa ein Sechstel steigt nach einer Zwischenlösung<br />

mit einem Jahr Verzögerung in Berufs- oder Allgemeinbildung ein,<br />

während rund 7 % den Einstieg auch zwei Jahre nach Schulaustritt<br />

noch suchen. Auf dem «Direkteinsteiger-Ast» haben 2002<br />

rund 10 % die Ausbildung gewechselt, rund 3 % sind nach zwei<br />

Jahren wieder aus der eingeschlagenen Ausbildung ausgestiegen.<br />

2003, drei Jahre nach Schulaustritt, wird's in der Baumkrone<br />

schon ziemlich unübersichtlich. Links auf dem dicken Ast der<br />

«Gradlinigen» sitzen mittlerweile nur noch gut die Hälfte der untersuchten<br />

Jugendlichen. Alle anderen haben innert dreier Jahre<br />

etliche Um- und Abwege gemacht – oder machen müssen: Zwischenjahre,<br />

Ausbildungswechsel, -unterbrüche oder -abbrüche.<br />

So haben sich innert dreier Jahre die Werdegänge von jungen Leuten,<br />

die im Frühling 2000 noch gemeinsam die Schulbank drückten,<br />

in ganz unterschiedlichem Tempo in ganz unterschiedliche<br />

Richtungen entwickelt: Die einen hatten im Sommer 2003 bereits<br />

den Lehrabschluss oder die Matur in der Tasche, während andere<br />

eben erst in eine Lehre oder weiter führende Schule eingestiegen<br />

waren. Sowohl 2002 als auch 2003 besuchten 9 von 10 unter<br />

ihnen eine Berufsausbildung oder eine weiter führende allgemein<br />

bildende Schule.<br />

Wer hat, dem wird gegeben<br />

Das ist in der Tendenz die Regel, die das Funktionieren des hiesigen<br />

Bildungssystems bestimmt. Und zwar umso mehr, je höher<br />

man in der Bildungshierarchie steigt. Auch an der Schwelle von<br />

der obligatorischen Schule in die Berufsbildung oder weiter<br />

führende allgemein bildende Schulen ist die soziale Herkunft als<br />

Einfluss-Faktor allgegenwärtig. Während etwa das sozial am besten<br />

gestellte Viertel der Jugendlichen die Hälfte der Gymnasiums-Schulbänke<br />

besetzt, strampeln am anderen Ende des sozialen<br />

Spektrums Jugendliche jahrelang um eine Lehrstelle, obwohl<br />

sie gemäss PISA durchaus «konkurrenzfähige» Leistungen erbringen.<br />

Die Leistung spielt bei diesem Gerangel um Ausbildungsplätze<br />

der Sekundarstufe II oft nur eine untergeordnete Rolle. Viel<br />

wichtiger ist – unabhängig von den Leistungen – häufig die Frage,<br />

ob man vor Schulaustritt die Real- oder die Sekundarschule besucht<br />

hat. Die Realschülerinnen und -schüler sind hier einer regelrechten<br />

Stigmatisierung unterworfen, egal, wie gut ihre Leistungen<br />

sind. So kumulieren sich an dieser Schwelle die sozialen<br />

Ungleichheiten: denn in der Realschule landen vielfach – wiederum<br />

relativ unabhängig von der erbrachten Leistung – die sozial<br />

eher schwächer Gestellten.<br />

Mehr Informationen zum Projekt TREE sind zu finden unter: www.tree-ch.ch.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 33


ateliers<br />

Berufsvorbereitung, Brückenangebote, Zwischenlösungen<br />

Modelle und Forderungen<br />

Das Recht auf Bildung muss auch auf die nachobligatorische Bildung ausgedehnt werden<br />

Atelier 8<br />

mit Susanna Rusca, Kantonsrätin SP, Martin Wolfer, Nahtstelle<br />

Zürich, Katrin Wüthrich, Projektleitung boa Schaffhausen<br />

Text: Susanna Rusca<br />

Jeder junge Mensch soll nach der obligatorischen<br />

Schule die Möglichkeit haben, sich seinen Neigungen<br />

und Möglichkeiten entsprechend in einer weiterführenden<br />

Schule oder einer Berufsausbildung<br />

mindestens drei weitere Jahre auszubilden und einen anerkannten<br />

Abschluss der Sekundarstufe II zu erlangen. Längerfristig gilt<br />

es, dieses Recht in der Bundesverfassung zu verankern.<br />

Abschluss auf Sekundarstufe II ist absolut notwendig<br />

Die «Sekundarstufe II» ist zu einer Bildungsstufe geworden, die alle<br />

durchlaufen müssen, um eine genügende Grundlage für das berufliche<br />

und private Leben zu haben, im Sinne einer Grundlage für<br />

das lebenslange Lernen. Sie unterscheidet sich nur in den Anteilen<br />

an Allgemeinbildung sowie in unterschiedlichen Lerninhalten<br />

und ihrer Gewichtung.<br />

Heute ist unser Bildungsangebot auf der «Sekundarstufe II» zu<br />

stark durch die Alternative von Gymnasium und dualer Berufsbildung<br />

geprägt. Es braucht eine Vielfalt verschiedener Ausbildungswege,<br />

um der unterschiedlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit,<br />

den unterschiedlichen Neigungen und dem unterschiedlichen<br />

Entwicklungsstand der Jugendlichen Rechnung zu tragen.<br />

Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass allen Jugendlichen<br />

mit einer kostenlosen Ausbildung in Mittel- und Berufsschulen<br />

ein qualifizierter Eintritt in die Berufswelt ermöglicht<br />

wird. Es gilt allen Jugendlichen mit vereinten Kräften gute Chancen<br />

für ihren zukünftigen Berufseinstieg zu ermöglichen. Dabei<br />

sind Politik und Wirtschaft gleichsam gefordert.<br />

Brückenangebote werden immer wichtiger<br />

Leider erhalten noch immer fast die Hälfte der ausländischen und<br />

über ein Fünftel der schweizerischen Jugendlichen keine solche<br />

Bildung. Für die schulisch schwächeren Jugendlichen wird die Integration<br />

in die Berufswelt immer schwieriger. Rund 7 % stehen<br />

nach der obligatorischen Schulzeit ohne weitere Ausbildung da<br />

(dieser Durchschnitt liegt bei den jungen Frauen und den fremdsprachigen<br />

Jugendlichen noch höher).<br />

Vor allem die anhaltende prekäre Lehrstellensituation hat gezeigt,<br />

dass die sogenannten Brückenangebote an Bedeutung gewinnen.<br />

Denn für viele Jugendliche ist der nahtlose Übertritt in<br />

eine Ausbildung nach der obligatorischen Schulzeit nicht möglich.<br />

Oft müssen Jugendliche ein Zwischenjahr einschalten, weil<br />

sie nach der Schule keinen ihnen entsprechenden Ausbildungsplatz<br />

finden. Brückenangebote spielen dabei eine wichtige Rolle,<br />

zum Beispiel für neu Eingewanderte zum Erlernen der lokalen<br />

Sprache, oder sie bereiten auf den Übertritt ins Erwerbsleben vor.<br />

Brückenangebote dürfen jedoch nicht einfach als Ersatz dafür<br />

missbraucht werden, dass Plätze in qualifizierenden Ausbildungen<br />

fehlen.<br />

Es braucht Standards für wirksame<br />

Brückenangebote<br />

Mit dem neuen BBG (Berufsbildungsgesetz) werden die Brückenangebote<br />

geregelt und die Kantone sind verpflichtet, Massnahmen<br />

zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung zu ergreifen.<br />

Die Kantone sind aufgefordert, eine aktive und innovative Berufs<strong>bildungspolitik</strong><br />

zu betreiben. Die vielfältigen Brückenangebote<br />

erleichtern den Jugendlichen den Zugang zu einer Anschlusslösung.<br />

Oft sind diese aber unsystematisch konzipiert und daher<br />

wenig effizient. Die verschiedenen Schnittstellenangebote sind zu<br />

koordinieren. Die bestehenden Brückenangebote sollen auf ihre<br />

Qualität und Wirksamkeit überprüft werden. Die Standardisierung<br />

der Brückenangebote, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage<br />

in allen Kantonen und eine einheitliche Finanzierung stehen im<br />

Vordergrund. Sowohl bezüglich Finanzierung als auch bezüglich<br />

der inhaltlichen Ausgestaltung ist die Zusammenarbeit zwischen<br />

Berufsbildungs- und Arbeitsmarktbehörden zu forcieren. Der Zugang<br />

zur Berufsbildung und damit auch zu höheren Ausbildungsgängen<br />

auf der Tertiärstufe soll erhöht werden.<br />

Eine aktive Zusammenarbeit von Wirtschaft und Staat ist unumgänglich.<br />

Durch ein enges Zusammengehen der Wirtschaftsverbände<br />

mit Lehrbetrieben und Berufsschulen können rechtzeitig<br />

dem Strukturwandel angepasste Ausbildungsprojekte entwickelt<br />

werden. Es braucht eine Vielfalt und ein genügendes Angebot<br />

an Ausbildungsplätzen für alle.<br />

Deshalb sollen Staat und Wirtschaft dafür sorgen, dass genügend<br />

Lehrstellen, Schul- und Ausbildungsplätze für alle Schulentlassenen<br />

zur Verfügung stehen. Es braucht politische Massnahmen.<br />

Das Grundlagenpapier der <strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung, Erziehung, Wissenschaft<br />

«Bildung auf der Sekundarstufe II: Ein Recht für alle! – Visionen für eine Reform der<br />

Sekundarstufe II» kann beim <strong>vpod</strong> bezogen oder von der Website www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />

als PDF-Dokument herunter geladen werden.<br />

34 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

Wie kann eine Schule Fairness<br />

für MigrantInnen fördern<br />

Vorstellung von Angeboten von NCBI (National Coalition Building Institute)<br />

Atelier 9 und 10<br />

mit Ron Halbright, Rahel El-Maawi, Canan Salda<br />

Wir bearbeiteten einen Teil des «Fairness-Kurses»<br />

zum Thema Umgang mit Frustration und Enttäuschung.<br />

Eine junge Frau stellte das Teilprojekt,<br />

«doCH möglich – junge Vorbilder motivieren Schulklassen»<br />

(durchkommen ohne CH-er Herkunft ist<br />

möglich) vor und gemeinsam diskutierten wir die<br />

Möglichkeiten einer Fairness-Schule.<br />

Jede Schule soll Chancengleichheit und Bildung für<br />

alle – inklusive MigrantInnen – als Qualitätsmerkmal<br />

setzen und regelmässig überprüfen und einen Handlungsplan<br />

zur Verbesserung entwickeln.<br />

Sek ist für Schweizer und manche Italiener, Real für<br />

Italiener, Spanier, ein paar schwache Schweizer und brave Jugos.<br />

Oberschule für weniger brave Jugos. (ausländische Jugendliche)<br />

oder<br />

Wenn der Name auf «ic» endet, haben sie weniger Chancen. Dann<br />

muss ich persönlich mit dem Lehrmeister reden und sagen, er ist<br />

nicht so einer wie die anderen. (Lehrer)<br />

So zumindest tönt es immer, wenn wir mit jungen MigrantInnen<br />

oder Lehrpersonen im Gespräch sind. Das Projekt «NCBI-<br />

Fairness» versucht, mit mehreren Teilprojekten junge AusländerInnen<br />

zu unterstützen, und lancierte eine breite Kampagne,<br />

um eine allgemeine Öffentlichkeit und vor allem Betroffene, Lehrkräfte,<br />

BerufsberaterInnen, Schulbehörden, LehrmeisterInnen<br />

und weitere Bezugspersonen von Jugendlichen für diese Thematik<br />

zu sensibilisieren.<br />

Die Schule und die Berufslehre sind wichtige integrative Institutionen.<br />

Leider weisen junge MigrantInnen markant weniger «Erfolg»<br />

bei der Schulselektion und der Lehrstellensuche aus.<br />

NCBI-Fairness analysierte kantonalzürcherische Daten, um<br />

den Schulerfolg ausländischer Kinder und Jugendlicher zu eruieren,<br />

und brachte diese in einer grösseren Kampagne an die Öffentlichkeit.<br />

Anerkannt ist, dass AusländerInnen markant weniger<br />

«Erfolg» in der Schule und bei der Lehrstellensuche aufweisen. Die<br />

Analyse hat weiter gezeigt, dass 1. der Erfolg der AusländerInnen<br />

je nach Gemeinde stark variiert und 2. dass AusländerInnen weniger<br />

Erfolg bei der Lehrstellensuche haben als SchweizerInnen<br />

aus einem tieferen Schultypus.<br />

Engagierte LehrmeisterInnen, Lehrkräfte, JugendarbeiterInnen<br />

u.a. bemängeln den Einsatz und die Motivation ausländischer<br />

Jugendlicher, sie weisen auf frustrierendes, selbstzerstörerisches<br />

Verhalten hin, das die Chancen mancher dieser Jugendlichen verringert<br />

(z.B. Schulabsenz, auffälliges Verhalten, mangelnde Auseinandersetzung<br />

mit der Berufswahl). Einerseits haben Jugendliche<br />

gewisser Nationalitäten einen schlechten Ruf in der Schule<br />

und auf dem Lehrstellenmarkt, anderseits schöpfen sie ihre Möglichkeiten<br />

nicht aus und geben frustriert auf. Tatsache ist, dass<br />

der Übergang Schule – Lehrstelle von vielen Jugendlichen verlangt,<br />

dass sie mit Dutzenden von Absagen klar kommen müssen.<br />

Insbesondere diejenigen, die aus biografischen Gründen (Familie,<br />

Herkunft, Schulerfahrung, Vitamin B, ...) einen kleineren Handlungsspielraum<br />

haben, müssen mehr Enttäuschung und Ablehnung<br />

verkraften.<br />

Das Projekt setzt den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit<br />

mit der Schule und auf die Unterstützung der Lehrkräfte, betroffener<br />

Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern. NCBI-Fairness hat<br />

ein Paket von Massnahmen für Schulgemeinden entwickelt, um<br />

den Erfolg ausländischer Jugendlicher zu erhöhen. In der Vereinbarung<br />

zur «Fairness-Schule» werden gemeinsam Fragen genannt,<br />

die in den folgenden Jahren der Zusammenarbeit angegangen<br />

werden.<br />

Eine davon ist das Mentoring-Projekt «Vitamin M», bei dem<br />

Freiwillige aus der Gemeinde oder dem Quartier Jugendliche bei<br />

der Lehrstellensuche über rund acht Monate begleiten.<br />

Eine andere ist der Besuch von Schulklassen durch «doCH<br />

möglich»-Vorbilder. Viele ausländische Jugendliche setzen ihre<br />

Ausbildungsziele zu tief, geben auf und verstehen nicht, was für<br />

sie «doch möglich» ist. Laut kantonalzürcherischer Untersuchung<br />

finden rund <strong>40</strong> % der südländischen Jugendlichen eine Lehrstelle.<br />

Sie übernehmen eine wichtige Vorbildfunktion für ihre Landsleute.<br />

Im Rahmen des Projektes «doCH möglich» haben sie einige<br />

Erfahrungen als WorkshopleiterInnen in Schulklassen gesammelt<br />

und berichten, wie es für sie möglich ist, Gleichaltrigen Tipps weiter<br />

zu geben und sie zu motivieren, nicht aufzugeben.<br />

Im Atelier wurde das Thema «Enttäuschungen annehmen» in<br />

Rollenspielen angeschaut: Wie ist es, den Frust von Betroffenen<br />

entgegenzunehmen Der Frust muss irgendwie raus, d.h. die Bezugspersonen<br />

haben geübt, diese Gefühle empathisch aufzunehmen<br />

und bei den Stärken bzw. Ressourcen der Jugendlichen anzusetzen.<br />

Informationen zu NCBI und dem Fairness-Projekt sind zu finden unter: www.ncbi.ch.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 35


zeitz<br />

Gesellschaft im Wandel<br />

– Schule im Wandel<br />

Die Selektion in der Volksschule war schon 1990 Thema einer Verbandskonferenz Lehrberufe des <strong>vpod</strong>. Im Gedenken<br />

an den kürzlich verstorbenen Alex Zeitz drucken wir hier die gekürzte Version eines Beitrags von ihm aus der damaligen<br />

Tagungsdokumentation ab.<br />

Wozu selektioniert die Schule<br />

Das heute praktizierte Auslesesystem für getrennte Schullaufbahnen<br />

ist entstanden, weil es in der Arbeitswelt unterschiedliche<br />

Tätigkeiten und Stellungen gibt. Diese werden im Hinblick auf<br />

Sozialprestige und Einkommen auch unterschiedlich bewertet.<br />

Ausscheidungen sind zu vollziehen, weil es in höheren Positionen<br />

weniger Leute braucht als in den unteren Etagen der Berufehierarchie.<br />

In diesem Ausscheidungsverfahren leistet die obligatorische<br />

Volksschule einen nicht unwesentlichen<br />

Beitrag, indem sie durch systematische<br />

Vorselektionierung die Anzahl der<br />

möglichen Anwärter reduziert und lenkt.<br />

Diese aufwendige und belastende schulische<br />

Selektion ist weder pädagogisch<br />

noch bildungsmässig sinnvoll. Ob sie der<br />

Gesellschaft und der Arbeitswelt tatsächlich<br />

Lösungen bringt, ist zu bezweifeln.<br />

Um heutigen Anforderungen standzuhalten<br />

und künftige Schwierigkeiten zu<br />

meistern, benötigt die heranwachsende<br />

Generation grundlegendere Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten, als es ein auf Schulstoff<br />

fixiertes Selektionssystem bringt. Belastende<br />

Erlebnisse aus dem schulischen Selektionswettkampf<br />

bringen schwerwiegende<br />

Verluste an Selbstvertrauen, behindern<br />

weiteres Lernen und somit den Erwerb<br />

neuer Kenntnisse und Fertigkeiten.<br />

Das schulische «Vorsortieren» macht<br />

die Härte des Erwerbslebens keineswegs besser verkraftbar. Aber<br />

auch die beträchtlichen Allokationsprobleme der Wirtschaft, ihre<br />

Suche nach geeigneten, flexiblen und lernfreudigen Mitarbeitern,<br />

wird dadurch nicht erleichtert. Im Gegenteil, die veränderten<br />

und noch sich verändernden Lebenssituationen – gesellschaftliche,<br />

technologisch und ökologisch – zeigen ebenso wie<br />

die schulrechtliche und bildungspolitische Sachlage, dass auf die<br />

pädagogisch fragwürdige schulische Selektion nicht nur verzichtet<br />

werden kann, sondern dass diese im allgemeinen Interesse abzuschaffen<br />

ist.<br />

Veränderte Arbeitswelt –<br />

Bedarf nach lebenslangem Lernen<br />

In der gemeinsamen obligatorischen Schulzeit – also in der Volksschule<br />

– sind jene Kräfte der Kinder zu entwickeln, die einem sinnerfüllten<br />

Leben dienen und helfen, sich in der schnell wandelnden<br />

Umwelt und Arbeitswelt zurechtzufinden.<br />

Eine Schule ohne Selektion ist nicht wirtschaftsfeindlich, denn<br />

statt Prüfungsstoff zu drillen, hat sie Zeit, jene Fähigkeiten zu fördern,<br />

die es braucht, um die anstehenden<br />

Zukunftsaufgaben zu bewältigen.<br />

Es gilt, den Sinn für mitmenschliche<br />

Solidarität zu stärken,<br />

wie auch die Entwicklung individueller<br />

Fähigkeiten zu berücksichtigen.<br />

Im enger werdenden Lebensraum<br />

ist es wichtig, Zusammenarbeit<br />

zu üben und zu lernen, Konflikte<br />

friedlich zu lösen. Vor allem<br />

soll die Erziehungsarbeit der Volksschule<br />

darauf ausgerichtet sein,<br />

den Kindern die angeborene Neugier<br />

und Lernlust für spätere Lebensphasen<br />

zu erhalten. Neue berufliche<br />

Anforderungen entwerten<br />

bisher als notwendig erachtete<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten. Berufshierarchien<br />

verlieren ihre Gültigkeit.<br />

Zuvor anerkannte Berufserfahrung<br />

wird in Frage gestellt. Fachleute<br />

und Berufsberatung stellen fest, dass die Folgen des technologischen<br />

Wandels mit beruflichen Qualifizierungsmassnahmen<br />

allein nicht mehr zu bewältigen sind.<br />

Die Weiterbildung sieht sich vor neue Anforderungen gestellt.<br />

Es wird ersichtlich, dass berufliche Weiterbildung im engeren Sinne<br />

für die sich abzeichnenden Bedürfnisse aus Beruf und Leben<br />

nicht mehr ausreicht. Es geht vielmehr um lebenslanges Lernen<br />

in der Art einer umfassend gestalteten Erwachsenenbildung, die<br />

imstande sein sollte, sowohl berufsspezifische wie allgemeinbildende<br />

Kenntnisse zu vermitteln.<br />

36 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


zeitz<br />

Alex Zeitz – unermüdlicher Kämpfer für ein<br />

offenes und gerechtes Bildungswesen<br />

Am 18. September ist Alex Zeitz im Alter von 86 Jahren gestorben.<br />

Über Jahrzehnte hat er für ein gerechtes, zeitgemässes und<br />

offenes Bildungswesen gekämpft, insbesondere für eine starke<br />

Volksschule. Wir werden auf sein Wirken im Februarheft zurückkommen.<br />

In diesem Heft drucken wir die gekürzte Version eines<br />

Textes von ihm ab, den er vor fünfzehn Jahren für die Dokumentation<br />

«Fördern statt auslesen – für eine Volksschule ohne Selektion»<br />

geschrieben hat. Sie bildete die Grundlage für die Diskussion<br />

über eine Volksschule ohne Selektion an der Verbandskonferenz<br />

1990 in Biel. Alex Zeitz leitete die Arbeitsgruppe, welche<br />

die Dokumentation erarbeitet hat.<br />

Wertewandel – Wandel des Bildungswesens<br />

Deshalb ist es nicht gleichgültig, von welcher Art Erziehung und<br />

Bildung ist, die eine Gesellschaft ihren Mitgliedern angedeihen<br />

lässt. Eine sich zu demokratischen Prinzipien bekennende Gesellschaft<br />

muss immer wieder überprüfen, ob das vorhandene Bildungssystem<br />

dem Anspruch, verantwortungsbewusste und kompetente<br />

Staatsbürgerinnen und Staatsbürger hervorzubringen,<br />

genügt. Deshalb ist abzuklären, welche Form das gesamte Bildungswesen<br />

braucht, um in der gesellschaftlich so kontroversen<br />

Situation seine Aufgabe erfüllen zu können. Die heute noch geübte<br />

Praxis – auch mit Hilfe des schulischen Selektionssystems –,<br />

dem an materiellen Werten orientierten Leistungs- und Aufstiegsdenken<br />

den Vorzug zu geben und bereits Privilegierte zu<br />

schützen, muss einer umfassenden und weitsichtigen Betrachtungsweise<br />

Platz machen. Die nachindustrielle Informationsgesellschaft<br />

muss sich notwendigerweise zur Bildungsgesellschaft<br />

wandeln, in welcher das lebenslange Lernen Leitlinie des kulturellen<br />

Lebens darstellt.<br />

Erwachsenenbildung –<br />

ein Bestandteil des lebenslangen Lernens<br />

Die Forderung, Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen<br />

müssten Mittel und Wege suchen, um Menschen mit negativer<br />

Lernerfahrung aus der Schulzeit zum Weiterlernen zu motivieren,<br />

ist entscheidend zu ergänzen durch den Auftrag an die Volksschule,<br />

an die Grundausbildung, durch einen offeneren Schulaufbau<br />

und den Verzicht auch die schulische Selektion solch negative<br />

Lernerfahrungen zu vermeiden und statt dessen lernmotivierend<br />

zu wirken. Vor allem gilt es ein Gesamtkonzept der rekurrenten<br />

Bildung zu erarbeiten, welches Grundausbildung und<br />

Nachfolgebildungen einbezieht. Soll lebenslanges Lernen nicht<br />

ein leeres Schlagwort bleiben, ist die in unserem föderalistischen<br />

Bildungswesen zwangsläufig komplizierte Aufgabe unverzüglich<br />

und koordiniert anzugehen.<br />

Bestelltalon <strong>143</strong>/<strong>144</strong><br />

Unser Magazin und die vom <strong>vpod</strong> herausgegebenen Broschüren können auch über unsere homepage:<br />

www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch mit den entsprechenden Formularen bestellt werden.<br />

Ich abonniere die «<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>» (Jahresabonnement = 5 Hefte: Fr. <strong>40</strong>.–)<br />

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(Sendet mir die nächsten drei Hefte unverbindlich zur Probe)<br />

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Ex. des <strong>vpod</strong>-Leitpapiers zur Basisstufe «Eine neue Basis für<br />

Ort (PLZ):<br />

die Volksschule», Mai 2004 (gratis)<br />

Ich bestelle Ex. des Sonderheftes «Sprachenvielfalt in den Schweizer<br />

Schulen – ein wichtiges Potenzial», Oktober 2004 (gratis)<br />

Senden Sie mir die Liste mit dem Themen-Überblick in «<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>»<br />

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Ich interessiere mich für den Beitritt zum VPOD im Kanton<br />

Bitte einsenden an: <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>, Postfach 8279, 8036 Zürich<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 37


Seit über 25 Jahren die<br />

unabhängige gewerkschaftliche<br />

Zeitschrift in der Bildungspolitik<br />

mit den Schwergewichten<br />

interkulturelle Themen, Mehrsprachigkeit<br />

und Migrationsfragen<br />

Diskriminierung, Rassismus, Sexismus<br />

und Gewalt<br />

Recht auf Bildung für alle, Widerstand<br />

gegen Kommerzialisierung und Privatisierung<br />

des Bildungswesens<br />

innere und äussere Schulreformen,<br />

Widerstand gegen Deregulierung<br />

und Abbau im öffentlichen Dienst<br />

Die Stimme der Gewerkschaft in einem Berufsfeld, in dem zahlenmässig<br />

Standesvereine und Stufenorganisationen dominierend sind. Sie behandelt<br />

die Themen aus gewerkschaftlicher – aber durchaus nicht immer<br />

gewerkschaftsoffizieller – Sicht.<br />

Zielpublikum sind in erster Linie Beschäftigte im Bildungsbereich – vom<br />

Kindergarten bis zur Universität und in Bildungsverwaltungen –, aber<br />

auch alle an schul- und bildungspolitischen Fragen interessierten<br />

Personen und Institutionen – z.B. Mitglieder von Schulkommissionen und<br />

anderen Erziehungsbehörden.<br />

Erscheint fünfmal jährlich; Herausgeberin ist ein eigenständiger Trägerverein<br />

im Rahmen des <strong>vpod</strong> (Verband des Personals öffentlicher Dienste).<br />

Probehefte, Abobestellungen und Unterlagen für Inserate<br />

elektronisch auf der Website oder<br />

telefonisch oder schriftlich bei der Redaktion und Administration:<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>,<br />

Birmensdorferstr. 67,<br />

Postfach 8279, 8036 Zürich<br />

Tel. (++41) (0)44 266 52 17,<br />

Fax (++41) (0)44 266 52 53<br />

info@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

Unsere Website präsentiert die neusten Hefte, vermittelt einen Überblick über die Breite der Themenwahl und wiederkehrende<br />

Schwerpunktsetzung, bietet verschiedene Dienstleistungen wie eine Rubrik mit den wichtigsten völkerrechtlichen Dokumenten zum<br />

Recht auf Bildung und einen Veranstaltungskalender (zurzeit leider ausser Betrieb).


introduction<br />

Entrée en matière<br />

sélection et filière scolaire à l'aide de<br />

quelques exemples personnels<br />

L'introduction à la journée d'étude était consacrée à l'Année internationale du sport. Grâce à un exercice où il fallait<br />

s'asseoir et se mettre debout, les participant-e-s ont pris conscience des points communs et des différences, avant<br />

tout dans leur filière de formation. Ensuite, trois jeunes ont donné un aperçu de leurs expériences qu'il/elles ont faites<br />

avec le système scolaire.<br />

Ron Halbright, NCBI Fairness<br />

traduction: Pierre Voit<br />

Par le biais d'un «exercice d'échauffement»,<br />

les participant-e-s ont été<br />

encouragés à aborder personnellement<br />

plusieurs thèmes.<br />

Biographie éducative, origine,<br />

environnement<br />

De nombreux participant-e-s ont répété<br />

des classes, ont suivi un parcours de formation<br />

plus long, voire ont été discriminés.<br />

D'autres ont suivi une filière plus directe<br />

et plus rapide. Certain-e-s avaient<br />

des parents ou enseignant-e-s avec des attentes<br />

(trop) élevées à leur égard, d'autres<br />

encore devaient se frayer un chemin malgré<br />

l'obstacle ou le scepticisme des éducatrices<br />

et éducateurs. Que cela signifie-til<br />

par rapport à nous et à nos réactions<br />

concernant l'objectif «une formation pour<br />

toutes et tous»<br />

Lieux communs et préjugés<br />

Beaucoup de participante-s ont entendu<br />

des réflexions du genre:<br />

Mieux vaut être une bonne élève d'une<br />

filière à exigences élémentaires qu'une<br />

mauvaise élève d'école secondaire.<br />

Si les parents ne sont pas en mesure<br />

d'aider, alors l'enfant serait de toute façon<br />

surmené.<br />

L'on ne rend aucun service à un enfant<br />

étranger en arrondissant une note «vers<br />

le haut» dans un cas limite.<br />

L'élève se comporte comme un élève<br />

d'une école à exigences élémentaires.<br />

Certains participant-e-s ont avoué avoir<br />

déjà eu, voire prononcé de telles pensées.<br />

La «formation pour toutes et tous», en<br />

d'autres termes l'égalité des chances estelle<br />

possible si de tels lieux communs et<br />

préjugés circulent<br />

Oppression intériorisée<br />

Les enfants issus de la migration remarquent<br />

rapidement que leurs proches parents<br />

et d'autres enfants d'origine migratoire<br />

sont moins présents dans les types<br />

scolaires plus exigeants. Ils prennent<br />

conscience de ce qui les attend et la plupart<br />

s'orientent en conséquence. Cela signifie<br />

en d'autres termes que les attentes<br />

se répercutent sur les performances des<br />

élèves, un «effet Pygmalion» en quelque<br />

sorte.<br />

Si des messages discriminatoires du type<br />

«les Albanais ont leur place dans une école<br />

à exigences élémentaires et non dans un<br />

gymnase» sont intériorisés, on parle d'«oppression<br />

intériorisée». Le résultat: si les<br />

jeunes ne sont pas pris au sérieux, ils se<br />

prennent souvent moins au sérieux, eux<br />

aussi. Et par conséquence, la fiabilité pâtit,<br />

l'orientation vers l'avenir disparaît et le<br />

désespoir prend le dessus.<br />

Rôle des enseignantes et<br />

enseignants<br />

Le personnel enseignant se voit-il en «associé»<br />

d'enfants immigrés C'est-à-dire,<br />

contredire de manière active tout préjugé<br />

et oppression intériorisée. Or, les enseignant-e-s<br />

qui endossent ce rôle courent le<br />

risque d'être isolés au sein de leurs<br />

consœurs et confrères dans nombre de<br />

communes scolaires, voire de provoquer<br />

la résistance des parents.<br />

<strong>40</strong> <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


introduction<br />

Les jeunes<br />

parlent<br />

de leurs<br />

expériences...<br />

Trois jeunes ont présenté leurs expériences<br />

de manière impressionnante.<br />

Vous pourrez lire leurs expériences,<br />

mais aussi d'autres jeunes,<br />

dans la brochure publiée en langue<br />

allemande: «Fairness für Jugendliche<br />

fremder Herkunft in der Schule und<br />

auf der Lehrstellensuche» (fairplay<br />

pour les jeunes d'origine étrangère<br />

au sein des écoles et à la recherche<br />

d'une place d'apprentissage).<br />

traduction: Pierre Voit<br />

Kübra, Turque<br />

Je suis Turque, née en Suisse et j'ai 20 ans.<br />

J'étais une bonne élève à l'école primaire<br />

et voulais, après la sixième classe, fréquenter<br />

l'école secondaire. Ensuite est venue la<br />

phase où je devais entendre partout que<br />

pour avoir de bonnes perspectives professionnelles,<br />

il valait mieux être une bonne<br />

élève d'une école à exigences élémentaires<br />

qu'une mauvaise élève d'une école<br />

secondaire. J'ai donc fréquenté la première<br />

école et étais une très bonne élève.<br />

Durant la troisième année, j'ai commencé<br />

à chercher une place d'apprentissage<br />

d'employée commerciale, et, à cet effet,<br />

j'ai envoyé une cinquantaine de demandes<br />

d'emploi, en vain toutefois. J'ai eu<br />

beaucoup d'entretiens de candidature et<br />

fait partie du cercle restreint des candidat-e-s,<br />

mais je n'ai finalement rien trouvé en<br />

raison du voile que je portais. C'est ainsi<br />

que je me suis décidée à suivre la dixième<br />

année, que j'ai terminée avec des notes oscillant<br />

entre 5 et 5,5! Et à nouveau, j'ai envoyé<br />

une cinquantaine de dossiers de candidature,<br />

mais sans succès. J'étais très déçue<br />

et de plus en plus démotivée. Mes parents<br />

ont toutefois réussi à me donner la<br />

motivation nécessaire. J'ai suivi une formation<br />

dans une école privée en tant<br />

qu'employée de bureau spécialisée diplômée<br />

et a réussi ensuite l'examen pour l'obtention<br />

du diplôme de commerce. A la suite<br />

de quoi, j'ai réécrit une vingtaine de demandes<br />

d'emploi en vue d'un stage, mais<br />

je n'ai de nouveau rien trouvé. Les mêmes<br />

questions sont toujours revenues: travaillez-vous<br />

avec le voile Quelle partie de<br />

votre corps est couverte Parfois même,<br />

l'on m'a fait savoir que les musulmans<br />

n'étaient pas les bienvenus.<br />

Et finalement, j'ai assisté au premier<br />

hearing de NCBI Fairness. J'ai raconté mon<br />

histoire qui a paru ensuite dans le quotidien<br />

«Tages Anzeiger» de Zurich. Mon professeur<br />

s'est adressé à moi le jour de la parution<br />

de l'article et était d'avis que maintenant,<br />

je trouverais sûrement quelque<br />

chose, mais quant à moi, je n'y croyais<br />

plus. En effet, pourquoi cela jouerait-il soudain<br />

après plus de deux années <br />

Trois jours plus tard, j'ai reçu un appel<br />

de la coordinatrice du projet Fairness, Nihal<br />

Birkan. Elle m'a raconté qu'une société<br />

s'était annoncée en réaction à l'article<br />

du journal, et qu'on voulait faire ma<br />

connaissance. J'en étais tout simplement<br />

bouleversée et pleurais de joie. Tout était<br />

1 Bezirksschule: filière scolaire (prégymnase) succédant à<br />

l'école primaire (4 ans), que l'on peut suivre dans le canton<br />

d'Argovie et qui est sanctionnée par un examen permettant<br />

d'accéder au gymnase.<br />

si difficile et démotivant, et beaucoup de<br />

choses se sont mal passées. J'ai pu envoyer<br />

mon dossier à l'entreprise et deux<br />

semaines plus tard, j'ai eu mon poste.<br />

J'étais super heureuse. En août, je terminerai<br />

mon stage.<br />

Mexhit Ademi, Albanais<br />

J'ai eu la chance, depuis tout petit déjà,<br />

d'habiter en Suisse. C'est ainsi que j'ai pu<br />

suivre toute la formation scolaire dans ce<br />

pays. Bien qu'au début j'aie eu de gros problèmes<br />

avec la langue, je me suis rapidement<br />

intégré. Comme enfant, je ne me suis<br />

jamais senti défavorisé, du moins pas jusqu'en<br />

cinquième année où il s'agissait<br />

d'être sélectionné au premier cycle de l'enseignement<br />

secondaire. Enfant, je rêvais<br />

toujours de devenir médecin, acteur ou<br />

chanteur. Pour cela, je savais qu'il fallait<br />

entreprendre quelque chose et voulais absolument<br />

fréquenter la «Bezirksschule» 1 .<br />

Mon ambition aidant, j'ai obtenu à la fin de<br />

l'école primaire la moyenne nécessaire,<br />

respectivement 4,8 et 4,9. Or, ma maîtresse<br />

était fermement d'avis que je devais aller<br />

à l'école secondaire, car le prégymnase<br />

serait trop difficile et que je devrais répéter<br />

de toute façon. Aujourd'hui encore, je<br />

suis reconnaissant envers mes parents de<br />

n'avoir pas changé d'avis et d'avoir imposé<br />

ce à quoi j'avais droit.<br />

A la Bezirksschule, je n'avais jamais de<br />

problèmes scolaires. J'ai terminé cette fi-<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 41


introduction<br />

lière avec la note 4.9 et le meilleur examen<br />

d'allemand de l'établissement. Dans trois<br />

mois, je passerai la maturité et ferai ensuite<br />

des études d'économie à l’ Université<br />

de Saint-Gall. A propos, j'ai à nouveau<br />

rencontré mon ancienne maîtresse d'école<br />

dans le cadre d'un cours organisé par<br />

NCBI. Elle était enchantée lorsqu'elle a appris<br />

que je suis arrivé aussi loin dans ma<br />

formation. Et je suis très reconnaissant envers<br />

mes parents qui m'ont fortement soutenu.<br />

Je sais aussi que beaucoup de jeunes<br />

n'ont pas la force et le courage de se défendre<br />

contre le personnel enseignant. Il<br />

ne faut pas croire que les enfants étrangers<br />

sont moins intelligents; bien plus, il faut se<br />

demander pourquoi ils sont si peu nombreux<br />

dans les gymnases. En fin de compte,<br />

on ne peut pas imputer la faute aux<br />

écoles car elles agissent (toujours) correctement.<br />

Si ce n'est que, parfois, elles<br />

réussissent à démotiver les enfants et les<br />

jeunes de telle manière qu'une nouvelle<br />

discrimination ne serait même plus nécessaire!<br />

Canan, Suissesse<br />

(Turque jusqu’en 1994)<br />

Je suis née à Zurich où j'ai également passé<br />

ma jeunesse. Après l'école primaire et<br />

secondaire, j'ai fait un apprentissage de<br />

commerce. Actuellement, j'étudie à l'Université<br />

de Zurich.<br />

Lorsque je fréquentais la deuxième année<br />

d'école secondaire, notre professeur<br />

s'est adressé à certain-e-s élèves pour les<br />

encourager à participer à l'examen d'admission<br />

au gymnase. Bien que ces jeunes<br />

n'aient montré qu'un intérêt limité, il était<br />

d'avis qu'il commanderait des livres pour<br />

la préparation de l'examen d'admission et<br />

dispenserait des cours complémentaires à<br />

celles et à ceux qui désiraient passer l'examen.<br />

Une collègue étrangère et moi-même<br />

voulaient également fréquenter le gymnase.<br />

Etant donné que nous avions suivi la<br />

conversation de notre prof, nous sommes<br />

allés le rencontrer à la pause et lui avons<br />

expliqué que nous étions très intéressées<br />

à passer cette épreuve. Il pensait qu'il fallait<br />

encore attendre une année et ne nous<br />

présenter qu’à partir de la troisième année<br />

d'école secondaire, en prétextant que<br />

nous n’étions pas encore suffisamment<br />

bonnes au niveau scolaire. Il nous a<br />

d'ailleurs promis de nous aider.<br />

Lorsque le moment tant attendu est enfin<br />

venu, et que notre professeur n'a pas<br />

fait mention de l'examen d'admission,<br />

nous nous sommes adressées à lui. Il avait<br />

l'air étonné et a fait savoir qu'il commanderait<br />

la documentation de préparation<br />

pour nous. C'est plein de confiance envers<br />

notre prof que nous avons attendu les<br />

livres. Plusieurs semaines se sont écoulées<br />

et nous nous demandions où ils<br />

étaient restés. Notre enseignant nous disait<br />

cependant qu'il avait commandé les<br />

livres, mais que cela durerait un certain<br />

temps et que par conséquent nous devions<br />

patienter un peu. Plusieurs jours,<br />

voire des semaines entières ont à nouveau<br />

passé. Entre temps, ma collègue et moi<br />

avons essayé de résoudre des exercices,<br />

mais comme nous ne disposions pas du<br />

cahier des solutions, cette préparation ne<br />

nous a pas menées très loin. Nous lui<br />

avons rappelé les heures d'exercices qu'il<br />

nous avait proposées durant la deuxième<br />

année. Il a cependant refusé notre demande<br />

pour des raisons de temps.<br />

C'est ainsi que nous avons continué d'attendre<br />

le matériel utile et avons essayé de<br />

nous préparer, dans un cadre restreint, à<br />

l'examen d'admission. Seules quelques semaines<br />

restaient encore jusqu'à l'épreuve<br />

proprement dite. Nous avons sollicité une<br />

dernière fois notre prof concernant les<br />

livres. Sa réponse était la suivante: «Les<br />

livres de préparation Ah oui, vous devez<br />

vous les procurer vous-mêmes, je ne peux<br />

pas vous les commander.» Nous étions<br />

complètement choquées: notre professeur,<br />

que nous estimions et aimions beaucoup<br />

nous a déçues au plus profond.<br />

Quant à la promesse qu'il nous a confirmé<br />

verbalement et à maintes reprises avoir<br />

passé commande pour les livres, il n'y a<br />

même plus fait allusion!<br />

Nous avons donc essayé, ma collègue<br />

et moi, de nous procurer nous-mêmes le<br />

matériel nécessaire en nous renseignant<br />

auprès de diverses librairies. Nous avons<br />

obtenu une adresse d'une personne à laquelle<br />

les livres avaient été vendus et les<br />

avons enfin obtenus.<br />

Finalement, nous nous sommes présentées<br />

sans le soutien de la part de notre<br />

prof à l'examen d'admission. Nous avons<br />

échoué à l'épreuve – quoi d'étonnant!<br />

Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der Schule<br />

und auf der Lehrstellensuche, NCBI Suisse (éditeur), K2-<br />

Verlag, Hägendorf, 2004, 70 pages, Fr. 12.– (uniquement en<br />

allemand, présentation à la page 8; à commander à l'adresse<br />

www.ncbi.ch).<br />

42 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


olibet<br />

Une école obligatoire forte<br />

une chance pour tou-te-s<br />

Allocution de bienvenue de la<br />

Cheffe du Département de<br />

l'éducation, de la sécurité sociale<br />

et des sports de la Ville de Berne,<br />

Edith Olibet<br />

Predigergasse 5, Postfach 3000,<br />

Bern 7, mail: bss@bern.ch<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

En ma qualité de Cheffe du Département<br />

de l'éducation de la Ville de Berne, j'ai le<br />

plaisir de vous souhaiter la bienvenue à<br />

cette journée d'étude. La Ville de Berne est<br />

un bijou particulier avec de nombreux attraits.<br />

C'est pourquoi je suis convaincue<br />

que vous vous sentirez à l'aise chez nous.<br />

J'espère aussi que vous trouverez du<br />

temps – si ce n'est aujourd'hui, alors un<br />

autre jour – pour visiter les beautés de<br />

notre Ville, qui ont été inscrites sur la liste<br />

du patrimoine mondial de l'UNESCO.<br />

J'aimerais également vous annoncer trois<br />

points forts du programme de l'année<br />

20<strong>05</strong>: l'exposition Einstein et le parc d'expérimentations<br />

physiques au Musée Historique<br />

de Berne à l'occasion du 100 e anniversaire<br />

de la théorie de la relativité,<br />

l'inauguration du Zentrum Paul Klee dans<br />

la partie est de la Ville ainsi que l'ouverture<br />

du Stade de Suisse Wankdorf.<br />

Le succès, s'explique-t-il par le mérite individuel<br />

ou par des privilèges ou est-il simplement<br />

le fruit du hasard Ces questions<br />

ne sont pas une provocation, elles sont<br />

tout à fait pertinentes lorsqu'on constate<br />

le manque de succès scolaire qui caractérise<br />

les enfants issus de familles éloignées<br />

de la formation ou de familles plurilingues.<br />

Le programme de votre journée d'étude<br />

pose les questions centrales auxquelles<br />

nous devons d'urgence trouver des réponses<br />

et proposer des solutions. Mais ce<br />

qui importe avant tout, c'est la mise en<br />

œuvre des mesures nécessaires.<br />

«Une école obligatoire forte – une chance<br />

pour tou-te-s»: voilà le titre que j'ai voulu<br />

donner à ma courte intervention. Je suis<br />

convaincue que vous aussi, vous vous engagez<br />

pour une école obligatoire forte. Car<br />

avant et pendant l'école obligatoire sont<br />

posées les fondations sur lesquelles s'appuient<br />

tous les autres niveaux de la formation.<br />

Si ces fondations ne sont pas assez<br />

solides, l'édifice de la formation<br />

s'écroule comme un château de cartes.<br />

«Volksschule: Hauptfach: Sparen»<br />

[«école publique, branche principale:<br />

mesures d'économies»; trad.]: voilà le titre<br />

de l'édition du 12 novembre 2004 du magazine<br />

«Beobachter.» Cette publication<br />

contient également une citation émanant<br />

de trois enseignantes d'école primaire: «La<br />

volonté acharnée de réaliser des économies<br />

dans le domaine de formation coûtera<br />

cher à notre société.» Je soutiens entièrement<br />

cette analyse. Nous ne pouvons et<br />

ne devons accepter un tel scénario; il ne<br />

faut pas que ce pronostic se vérifie.<br />

Stratégie en matière de formation<br />

de la Ville de Berne<br />

En novembre 2004, le Conseil municipal a<br />

décidé d'agir: il a fixé des lignes directrices<br />

en matière de politique de la formation et<br />

a déterminé une série de mesures pour<br />

la période 2004 – 2008, tout en étant<br />

conscient des conséquences financières<br />

de ces décisions. Le Canton de Berne est<br />

également invité à entrer en action pour<br />

déjouer les sombres pronostics.<br />

Notre stratégie en matière de formation<br />

se concentre sur les enfants et vise à améliorer<br />

leurs chances de manière ciblée.<br />

Avant la publication des résultats de l'étude<br />

PISA (Programme international pour le<br />

suivi des acquis des élèves), nous connaissions<br />

déjà les sources des problèmes auxquels<br />

est confrontée la Suisse. L'école obligatoire<br />

n'est plus en mesure de dispenser<br />

à tous les enfants et jeunes personnes une<br />

formation de base suffisante (lire, écrire,<br />

calculer, communiquer, savoirs dans les<br />

domaines des sciences naturelles),<br />

connaissances qui sont pourtant les outils<br />

nécessaires à la vie.<br />

Il faut renforcer l'école obligatoire. C'est<br />

Le succès personnel se<br />

construit-il à l'école<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 43


olibet<br />

également la conclusion de la Conférence<br />

suisse des directeurs cantonaux de l'instruction<br />

publique (CDIP), qui a lancé le<br />

projet HarmoS (Harmonisation de la scolarité<br />

obligatoire), dont l'objectif est de développer,<br />

par le biais d'études, des standards<br />

de formation (niveaux de compétences)<br />

contraignants au cours de ces prochaines<br />

années. Or c'est loin d'être suffisant.<br />

Il faut d'urgence des mesures supplémentaires.<br />

C'est aujourd'hui et maintenant que<br />

nous devons agir et nous voulons des mesures<br />

concrètes qui produisent leurs effets.<br />

L'école enfantine et l'école obligatoire<br />

pourront atteindre une meilleure équité<br />

des chances si elles:<br />

disposent des ressources personnelles<br />

et financières nécessaires pour atteindre<br />

cet objectif;<br />

peuvent compter sur un soutien fort de<br />

toutes les parties concernées (parents,<br />

enseignant-e-s, autorités scolaires, etc.);<br />

ont l'appui et l'estime du monde politique,<br />

de l'économie et de la société.<br />

Aujourd'hui, il n'en est pas ainsi, les enquêtes<br />

scientifiques ainsi que le fort lien<br />

de dépendance entre le succès scolaire et<br />

l'origine des enfants en sont une preuve<br />

suffisante. Il va de soi que la formation de<br />

base et la formation continue des enseignant-e-s<br />

ainsi que le développement et le<br />

contrôle en permanence de la qualité dans<br />

l'enseignement sont des éléments tout<br />

aussi importants.<br />

Importance primordiale de la période<br />

précédant l'école enfantine<br />

Le Conseil municipal est conscient de l'importance<br />

primordiale que revêtent la période<br />

précédant l'école enfantine, la période<br />

de l'école enfantine et celle de la scolarité<br />

obligatoire. Il sait combien il est important<br />

de faire les bons choix stratégiques<br />

et de les mettre en œuvre. Il veut<br />

garantir un meilleur succès de la formation<br />

de tous les enfants et assumer ses responsabilités<br />

en matière de politique de la<br />

formation envers la jeune génération.<br />

Vous l'aurez remarqué: je parle également<br />

de la période précédant l'école enfantine<br />

et ce, pour de bonnes raisons.<br />

Nous constatons que dès l'entrée à l'école<br />

enfantine, des enfants aux compétences<br />

très différentes d'un individu à l'autre sont<br />

réunis. En Suisse, le développement des<br />

aptitudes des enfants avant l'entrée à<br />

l'école enfantine est toujours considéré<br />

comme une tâche intimement liée aux parents,<br />

l'État ne devant pas s'en mêler. Mais<br />

cette situation entraîne des conséquences<br />

fâcheuses: les enfants issus de familles<br />

éloignées de la formation ou dont la langue<br />

maternelle n'est pas l'allemand se trouvent<br />

déjà dans une situation désavantageuse<br />

avant même d'avoir mis un pied à<br />

l'école enfantine. Les cantons ne veulent<br />

toujours pas voir ce problème. C'est inacceptable.<br />

Dans les pays scandinaves ou dans<br />

ceux qui ont obtenu de très bons résultats<br />

dans le cadre de l'enquête PISA, la situation<br />

est totalement différente. Ces pays<br />

commencent à encourager et soutenir les<br />

enfants dès l'âge de trois ans, car ils savent<br />

que c'est à cet âge que l'on peut le plus efficacement<br />

corriger dans le sens de l'égalité<br />

des conditions de départ inégales. Une<br />

enquête représentative menée par la Fondation<br />

Bertelsmann en Allemagne en juin<br />

2004 a montré que 84 % de la population<br />

pensent que les enfants ont droit à la formation<br />

déjà avant l'entrée à l'école et 48 %<br />

estiment que les investissements publics<br />

dans le secteur de la formation devraient<br />

dorénavant être dirigés en priorité vers les<br />

offres destinées à la période des 10 premières<br />

années de la vie d'un enfant. Nous<br />

en sommes conscients puisque le canton<br />

de Berne et la CDIP financent des projets<br />

de recherche pour les enfants de cet âge.<br />

Malheureusement, les résultats de ces travaux<br />

sont simplement classés et tombent<br />

dans l'oubli et au lieu d'agir, l'on néglige de<br />

prendre les décisions innovatrices qui<br />

s'imposent. C'est précisément l'angle d'attaque<br />

choisi par le Conseil municipal pour<br />

son action.<br />

Équité des chances à l'école<br />

obligatoire<br />

J'aimerais maintenant aborder la question<br />

de l'école obligatoire. L'hétérogénéité<br />

dans les écoles enfantines et les classes<br />

d'école, l'intégration des élèves ayant des<br />

besoins particuliers et la progression du<br />

chômage des jeunes – voilà les défis que<br />

doit relever le Département de l'éducation<br />

de la Ville de Berne. Dans ces domaines, la<br />

Ville doit et veut relever les défis qui lui<br />

sont posés. La politique de la formation<br />

évolue entre le changement et la continuité.<br />

Dans une époque où de nombreuses<br />

personnes sont désécurisées, cela signifie<br />

qu'il faut :<br />

prendre position;<br />

fixer des priorités;<br />

viser un effet durable.<br />

Voilà les objectifs de la stratégie en matière<br />

de formation 2004 – 2008 de la Ville de<br />

Berne.<br />

Cette stratégie se concentre avant tout<br />

sur la réalisation de l'équité des chances.<br />

Aujourd'hui, le succès scolaire d'un enfant<br />

dépend encore d'une manière déterminante<br />

de l'origine sociale. Ainsi, il est prouvé<br />

que ces jeunes ont moins de chances<br />

sur le marché du travail. Sur leur chemin<br />

de vie, ils rencontrent des difficultés nettement<br />

plus grandes que les autres. Au lieu<br />

de provoquer l'émergence d'une société à<br />

deux vitesses et marquée par les tensions<br />

sociales, il est nécessaire d'investir des<br />

moyens dans des offres d'intégration,<br />

d'encouragement et de soutien.<br />

Je sais que l'on ne peut pas influencer<br />

l'évolution de la société à court terme. Les<br />

cantons, les communes et les villes ont<br />

néanmoins la possibilité de fortifier et<br />

d'encourager les jeunes dans leurs domaines<br />

de compétence et de responsabilités.<br />

Dans ce but, je poursuis une stratégie<br />

qui permette un développement pédagogique<br />

et moderne de l'école enfantine et de<br />

l'école obligatoire en vue de remplir leur<br />

mandat éducatif étendu, mais qui puisse<br />

aussi donner une orientation et une sécurité<br />

pour le travail avec les enfants et les<br />

jeunes.<br />

44 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


«Permettre l'épanouissement des<br />

forces créatrices de l'enfant»<br />

Dans notre stratégie de formation, nous<br />

mettons en exergue l'importance centrale<br />

de l'école enfantine et de l'école obligatoire,<br />

mais aussi de la période précédant<br />

l'école enfantine. Cette période est la porte<br />

donnant accès à l'ensemble du parcours<br />

de formation. Nous prenons également en<br />

compte la période précédant l'école enfantine<br />

parce que les six premières années<br />

de vie d'un enfant sont très importantes<br />

pour l'apprentissage d'une langue et pour<br />

le développement de l'enfant. Cependant,<br />

le système éducatif n'accorde actuellement<br />

qu'une attention très marginale à ce<br />

fait prouvé scientifiquement et persiste<br />

dans son approche selon laquelle la création<br />

des conditions favorables pour la scolarisation<br />

de l'enfant relève uniquement de<br />

la responsabilité des parents. Dans le domaine<br />

d'action de la «pré-école enfantine»,<br />

la Ville de Berne fixe une priorité en matière<br />

de politique de la formation en ce<br />

qu'elle encourage l'apprentissage des langues<br />

par des offres élaborées par elle-même<br />

et par le fait qu'elle affirme vouloir aménager<br />

de manière plus systématique la<br />

transition entre la période pré-école enfantine<br />

et l'école enfantine. Parallèlement,<br />

l'encadrement dans les structures d'accueil<br />

extra-familales pour enfants revêt<br />

une importance particulière, étant donné<br />

que l'apprentissage systématique ainsi<br />

que les jeux plus évolués nécessitent des<br />

structures pour l'accueil de jour qui soient<br />

claires et bien organisées.<br />

La stratégie du Conseil municipal en<br />

matière de formation contient également<br />

une orientation pédagogique et pose dans<br />

ses lignes directrices les fondements permettant<br />

– comme l'a exprimé Martin Buber<br />

– «l'épanouissement des forces créatrices<br />

de l'enfant».<br />

de formation met en évidence, dans les<br />

champs d'action et dans les mesures, le<br />

fait que la Ville peut aménager et optimiser<br />

de manière prépondérante les conditions<br />

cadres et les conditions préalables<br />

d'une scolarisation et d'une éducation des<br />

enfants et des jeunes adaptées aux besoins<br />

actuels. La gestion de nos écoles enfantines<br />

et obligatoires publiques est une<br />

tâche commune du canton et de la Ville.<br />

Dans de ce partenariat, nous savons d'expérience<br />

qu'il est absolument important<br />

d'expliquer au canton le cadre social, culturel<br />

et économique dans lequel l'école publique<br />

doit remplir son mandat. Les caractéristiques<br />

sociodémographiques de la<br />

Ville exigent des ressources suffisantes.<br />

Ces dernières doivent être négociées et réclamées,<br />

étant donné que le canton fixe le<br />

droit en règle générale pour des communes<br />

de taille moyenne (3000 habitant-e-s).<br />

Dans ce processus de discussion permanent,<br />

la stratégie en matière de formation<br />

fait office de référence et montre les<br />

mesures qui devront nécessairement être<br />

prises ces prochaines années pour que<br />

nos écoles enfantines et nos écoles obligatoires<br />

puissent mieux atteindre leurs<br />

objectifs en faveur chacun-e et ce, aussi<br />

bien aujourd'hui qu'à l'avenir. Il nous appartient<br />

de veiller à ce que tous les enfants<br />

et jeunes acquièrent la capacité de pouvoir<br />

gérer leur vie future de manière indépendante<br />

et qu'ils puissent participer à la<br />

vie sociale et culturelle en disposant des<br />

mêmes droits que tous les autres.<br />

Je vous souhaite une journée d'étude<br />

passionnante et instructive et je vous remercie<br />

de votre engagement, tout en espérant<br />

que vous soutiendrez mes projets<br />

en matière de politique de la formation.<br />

Un guide entièrement remanié<br />

Pour les droits des apprenant-e-s<br />

Le ou la jeune qui sort de la course aux obstacles des candidatures<br />

avec un contrat d’apprentissage en poche est content et fait preuve<br />

de réserve, même lorsque la qualité de la formation en entreprise<br />

laisse à désirer. Dès lors, la Commission de la jeunesse de l’Union<br />

syndicale suisse (USS) entend aussi aider celles et ceux qui ont la<br />

chance de suivre une formation professionnelle initiale: le Guide<br />

Apprentie, apprenti, tes droits de A à Z «Je défends mes droits», qui<br />

en est à sa 5 e édition en français et à sa 13 e en allemand, fait entièrement<br />

peau neuve pour tenir compte de la nouvelle législation et<br />

de la nouvelle terminologie (la nouvelle loi sur la formation professionnelle<br />

en vigueur depuis le 1er janvier 2004 prévoit un délai<br />

transitoire de cinq ans et les ordonnances sur la formation professionnelle<br />

sont revues pour chaque profession).<br />

Le guide présente les droits des apprentis et apprenties, les apprenant-e-s<br />

comme on les appelle désormais, de façon complète<br />

mais néanmoins compréhensible. Il explique aussi les procédures<br />

prévues en cas de litiges. La dernière édition s’est enrichie de nombreux<br />

mots-clés et informations et la présentation de sujets délicats,<br />

comme la protection des données, le harcèlement psychologique,<br />

la drogue, etc. fait l’objet d’un traitement nuancé.<br />

Il a aussi été tenu compte du fort afflux de femmes dans la formation<br />

professionnelle initiale ces dernières années, en traitant les<br />

questions de genre de façon détaillée et en modifiant le graphisme<br />

de la page de titre.<br />

Enfin, il a également été tenu compte des nouvelles habitudes<br />

de lecture: outre la publication imprimée à un format de poche pratique,<br />

le guide sera disponible gratuitement sur le site de la Commission<br />

de la jeunesse de l’USS www.jeunesse-syndicale.ch,<br />

relooké pour la rentrée. Quatre-vingts mots-clés comprennent une<br />

centaine de liens vers des sites Internet qui permettent aux lecteurs<br />

et aux lectrices de s’informer rapidement et en détail des sujets qui<br />

les intéressent particulièrement.<br />

Le guide de l’USS est offert à un prix défiant toute concurrence :<br />

<strong>144</strong> pages de texte «solide» pour seulement 3 francs (frs. 2.50 dès<br />

20 ex.). Dans ce domaine, aucun guide ne lui arrive à la cheville.<br />

Pour vos commandes :<br />

info@sgb.ch ou www.jeunesse-syndicale.ch<br />

La Ville dispose d'une marge de<br />

manœuvre et elle entend l'utiliser<br />

L'affirmation souvent entendue selon laquelle<br />

la marge de manœuvre de la Ville<br />

dans le secteur éducatif serait fortement<br />

réduite est fausse. La stratégie en matière<br />

publicité<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 45


kronig<br />

Les erreurs commises dans la sélection<br />

Les défauts cachés d'un système éducatif à structure hiérarchique<br />

1<br />

Sous<br />

Prof. Winfried Kronig<br />

Institut de pédagogie curative<br />

Université de Fribourg<br />

Rue St.-P. Canisius 21<br />

1700 Fribourg<br />

winny.kronig@unifr.ch<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

le voile des performances<br />

scolaires<br />

Comment avoir du succès à l'école Cette<br />

question est dérangeante de prime abord,<br />

puisque que les performances individuelles<br />

sont censées décider du succès<br />

d'un-e élève. En effet, de bonnes performances<br />

d'apprentissage ne permettent<br />

pas seulement d'obtenir de bonnes notes,<br />

elles donnent également le droit d'entrer<br />

dans des écoles de formation subséquente.<br />

Ce système doit empêcher que des individus<br />

revendiquent de manière indue<br />

des positions privilégiées, par exemple du<br />

seul fait de leur origine. Contrairement aux<br />

systèmes qui l'ont précédé au cours de<br />

l'histoire, fondés notamment sur les droits<br />

de naissance, le principe des performances<br />

est considéré comme démocratique<br />

et équitable sur le plan social.<br />

Le système éducatif déploie de grands<br />

efforts pour documenter le principe de<br />

des performances sur le plan externe. Si<br />

l'on évaluait chaque élève ne serait-ce<br />

qu’une seule fois dans quatre branches au<br />

cours d'un semestre, le nombre d'évaluations<br />

des performances individuelles effectuées<br />

dans les écoles publiques suisses<br />

s'élèverait à 6,5 millions par année.<br />

Néanmoins, ces nombreuses appréciations<br />

qui récompensent de bons résultats<br />

de performance de manière apparemment<br />

équitable et justifiée ne réussissent pas à<br />

effacer une série de doutes fondamentaux<br />

quant à la plausibilité du principe des performances.<br />

Tout d'abord, ce qui est réelle-<br />

ment évalué semble incertain. Même les<br />

modèles didactiques les plus simples suggèrent<br />

que l'élève n'est pas seul responsable<br />

de l'état de ses acquis scolaires. Il<br />

semble plutôt que les performances individuelles<br />

soient le résultat d'une interaction<br />

complexe entre l'élève, ses camarades<br />

de classe, l'enseignant et la matière<br />

scolaire. S'il en était autrement, alors comment<br />

faudrait-il comprendre les discussions<br />

durant plusieurs années au sujet de<br />

la qualité de l'enseignement et le développement<br />

scolaire Et comment faudrait-il<br />

alors expliquer les efforts entrepris en vue<br />

d'améliorer la formation des enseignant-e-s<br />

A l'évidence, beaucoup de temps et<br />

d'argent sont investis dans ces facteurs.<br />

Car il est prouvé qu'ils représentent des<br />

conditions importantes pour les performances<br />

des élèves. Or si les élèves ont une<br />

part dans le résultat de l'enseignement, ne<br />

devrait-on pas aussi en tenir compte lors<br />

de l'évaluation des performances Résumons<br />

cette pensée de la manière suivante:<br />

avec chaque note que l'école attribue,<br />

n'évalue-t-elle pas aussi ses propres performances<br />

Une condition préalable importante<br />

pour une compétition des performances<br />

équitable serait que les conditions initiales<br />

soient comparables. Or ce n'est qu'en<br />

apparence que les carrières de formation<br />

débutent de la même manière au premier<br />

jour d'école d'un élève. En réalité, le vrai<br />

départ intervient beaucoup plus tôt et la<br />

course pour s'assurer une bonne carrière<br />

de formation a déjà démarré depuis longtemps.<br />

Et durant le parcours de formation,<br />

l'avantage dont disposent certain-e-s élèves<br />

au début de la scolarisation va encore<br />

se renforcer. Car, plus les résultats d'un-e<br />

élève sont bons par rapport aux autres<br />

élèves, plus sa position de départ sera favorable<br />

lors de la comparaison suivante.<br />

Dans la plupart des classes, l'écart entre<br />

les élèves aux bonnes performances et<br />

ceux aux performances faibles s'accroît au<br />

cours de l'année scolaire (cf. Kronig 20<strong>05</strong>).<br />

L'inégalité des conditions initiales explique<br />

le fait que la compétition soit influencée<br />

par les facteurs mêmes dont le principe<br />

des performances aurait dû effacer les<br />

effets: les contextes social et familial.<br />

L'école n'arrivera guère à supprimer<br />

ces contradictions. Mais, indépendamment<br />

de ces problèmes plus fondamentaux,<br />

le fait est qu'un système éducatif qui<br />

se réclame aussi clairement du principe<br />

des performances devrait être en mesure<br />

de prouver de façon crédible que ledit<br />

principe n'est pas violé de manière flagrante.<br />

Or de simples analyses statistiques<br />

du système éducatif mettent déjà<br />

en lumière une série de bizarreries.<br />

2<br />

Lieu<br />

de résidence: facteur<br />

également déterminant<br />

Quels sont les acquis nécessaires pour<br />

pouvoir passer dans une classe à exigences<br />

étendues (dans bon nombre de cantons,<br />

il s'agit de l'école secondaire) Et<br />

quel est le niveau de compétences limite<br />

au-dessous duquel seule une filière à exigences<br />

élémentaires est possible (dans<br />

bon nombre de cantons alémaniques, il<br />

s'agit de la «Realschule» ou filière à exigences<br />

élémentaires) Les réponses varient<br />

fortement en fonction du lieu de scolarisation.<br />

Tandis qu'il suffit dans un canton<br />

d'avoir des notes supérieures à celles<br />

des 10 % d'élèves les plus faibles de la classe,<br />

il faut avoir des notes supérieures à<br />

celles des <strong>40</strong> % d'élèves les plus faibles de<br />

la classe dans un autre canton. Il n'existe<br />

vraisemblablement aucune mesure pédagogique<br />

pouvant produire un écart de performance<br />

aussi important que celui-ci à<br />

très courte échéance.<br />

Les variations régionales sont tout aussi<br />

importantes en ce qui concerne les en-<br />

46 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


kronig<br />

fants et les jeunes issus de familles immigrées<br />

en Suisse. C'est pourquoi il est impossible<br />

de dire dans quelle mesure<br />

l'échec scolaire des immigrés est plus élevé<br />

que l'échec scolaire des Suisses. Cela<br />

dépend fortement du canton dans lequel<br />

on se trouve. Les différences cantonales<br />

au niveau des exigences sont même à tel<br />

point importantes que pour la plupart de<br />

ces élèves, le canton de domicile détermine<br />

tout autant le succès scolaire que le<br />

pays d'origine. Concrètement: le quota<br />

des élèves réussissant sur le plan scolaire<br />

et originaires des Balkans est dans de nombreux<br />

cantons plus élevé que le quota des<br />

élèves réussissant sur le plan scolaire et<br />

originaires d'Italie dans d'autres cantons<br />

(et inversement).<br />

Au niveau des élèves à faible capacité<br />

d'apprentissage, les différences sont encore<br />

plus marquées. Il existe des cantons<br />

dans lesquels le risque d'être assigné à une<br />

classe spéciale est plusieurs fois plus élevé<br />

que dans les cantons voisins. Les délimitations<br />

prétendument claires entre les<br />

classes ordinaires et les classes spéciales<br />

deviennent ainsi de plus en plus floues.<br />

Ces constatations ne peuvent plus être<br />

expliquées par les capacités individuelles.<br />

Ce n'est pas que l'on adapte les structures<br />

de sélection du système éducatif d'une région<br />

aux capacités des élèves. Au contraire,<br />

ce sont les capacités des élèves qui<br />

sont réparties en fonction des structures<br />

existantes. Comme ces structures diffèrent<br />

d'un lieu à un autre, il n'est pas nécessaire<br />

d'avoir le même niveau de capacités<br />

partout pour réussir sur le plan scolaire.<br />

3<br />

Les<br />

«cas limites» sont<br />

majoritaires<br />

Une des conséquences mesurables des<br />

différences dans la pratique de sélection<br />

selon les régions est qu'il existe de nombreux<br />

élèves aux capacités comparables,<br />

mais qui ne suivent pas la même filière scolaire.<br />

Une enquête effectuée sur un échantillon<br />

de près de 2000 élèves de Suisse alémanique<br />

prouve que cette situation ne<br />

concerne pas seulement un petit nombre<br />

d'élèves comme pourrait le laisser croire<br />

le terme usuel mais manifestement inapproprié<br />

de «cas limites». En effet, plus de<br />

deux tiers des élèves sont dans la situation<br />

suivante: il existe quelque part en Suisse<br />

alémanique un-e autre élève dont le niveau<br />

de compétences est comparable au sien,<br />

mais qui suit une autre filière scolaire (école<br />

secondaire ou «Realschule», filière à exigences<br />

élémentaires) que lui ou elle (Kronig<br />

20<strong>05</strong>; cf. également la réanalyse des<br />

données PISA par les auteurs Zutavern;<br />

Brühwiler & Biedermann, 2002).<br />

Ces cas donnent à croire que nous<br />

sommes en présence d'une grave entorse<br />

au principe des performances. Car pour<br />

tou-te-s ces élèves, il semble évident que<br />

les performances individuelles n'ont pas<br />

été le seul critère déterminant leur carrière<br />

de formation.<br />

4<br />

Facteurs<br />

non liés aux<br />

performances<br />

Les limites du système de sélection font<br />

ressortir que le hasard lié au facteur «lieu<br />

de résidence» ce n'est pas le seul élément<br />

qui fausse le système. Le sexe, l'origine sociale<br />

et la nationalité sont également des<br />

facteurs déterminant le succès de la formation.<br />

À l'aide d'études longitudinales, il<br />

est possible de montrer combien ces facteurs<br />

sont importants. Même en cas de<br />

performances identiques dans les branches<br />

principales, mathématiques et langues,<br />

ils peuvent faire doubler la probabilité<br />

d'une sélection positive (cf. Kronig<br />

20<strong>05</strong>).<br />

La «jeune fille ouvrière et catholique de<br />

la campagne» (Dahrendorf 1965) a été remplacée<br />

par le jeune homme d'origine étrangère<br />

et habitant dans une agglomération,<br />

qui, même avec de bonnes performances<br />

scolaires, a nettement moins de chances<br />

de succès.<br />

5<br />

«Un<br />

gros poisson dans un<br />

petit étang»<br />

Ce qui est visible à grande échelle lorsqu'on<br />

analyse les structures du système<br />

éducatif peut également être observé à<br />

l'échelle des classes. C'est surtout le problème<br />

suivant qui apparaît: la note donnée<br />

à un-e élève dépend directement du niveau<br />

de capacités de ses camarades de<br />

classe. Dans le cas extrême, des classes<br />

qui se différencient selon le niveau de compétences<br />

des élèves, mais qui affichent les<br />

mêmes écarts minimums et maximums<br />

sur l'échelle des notes appliquée, bien que<br />

les meilleurs élèves de la première classe<br />

considérée aient un niveau de compétences<br />

inférieur à celui des moins bons<br />

élèves de la seconde classe. Suivant la<br />

classe choisie comme grandeur de référence,<br />

un-e élève peut, pour une certaine<br />

performance, obtenir la note 4 dans une<br />

classe ou la note 6 dans une autre (cf. Kronig<br />

20<strong>05</strong>). Ainsi, l'évaluation individuelle<br />

des performances reflète comme un effet<br />

de miroir inversé l'image du niveau de capacités<br />

de la classe en question.<br />

Cet effet, que Marsh (1987) appelle avec<br />

pertinence dans un autre contexte «l’effet<br />

du gros poisson dans le petit étang», diminue<br />

la valeur de comparaison des évaluations<br />

de performances.<br />

Ingenkamp (1989) a été l'un des premiers<br />

auteurs germanophones à émettre<br />

de sérieux doutes concernant la comparabilité<br />

des notes des bulletins. Dès que les<br />

évaluations de performances scolaires<br />

sont sorties du contexte de la classe, elles<br />

sont absolument inutiles pour effectuer<br />

une comparaison. Et pourtant, ces évaluations<br />

servent de base pour la sélection suprarégionale.<br />

6<br />

Remarques<br />

en guise de<br />

conclusion<br />

Il n'est vraisemblablement pas possible de<br />

donner une réponse définitive à la question<br />

posée au début de la présente intervention.<br />

Néanmoins, les problèmes esquissés<br />

montrent que la question de savoir<br />

comment se construit le succès de la<br />

formation est tout à fait justifiée. Dans le<br />

contexte de la recherche en éducation, de<br />

nombreux ouvrages tendent à prouver<br />

que les performances individuelles ne<br />

constituent probablement pas l'unique<br />

suite page suivante en bas<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 47


hollenweger/kronig<br />

Système social, système performant<br />

Le système éducatif suisse en comparaison internationale<br />

Prof. Judith Hollenweger<br />

Haute école pédagogique Zurich<br />

Département recherche et<br />

développement<br />

Hirschengraben 28<br />

case postale, 8090 Zurich<br />

1<br />

judith.hollenweger@phzh.ch<br />

traduction: Pierre Voit/Patrick Vogt<br />

Que pouvons nous retenir<br />

des résultats de l'étude PISA<br />

ciennes disait que les systèmes scolaires<br />

s'efforçant de soutenir les plus faibles et<br />

nécessitant beaucoup de temps et d'énergie<br />

en faveur de l'égalité des chances doivent<br />

acquérir ces valeurs égalitaires au<br />

prix de prestations de pointe amoindries.<br />

Or, nous savons entre-temps que cela est<br />

faux: la garantie d'une éducation pour toute-s<br />

signifie également une meilleure éducation<br />

pour chacun-e. Ce constat – mais<br />

surtout une grande compréhension auprès<br />

des responsables de l'éducation – rassure:<br />

les meilleures performances sont<br />

manifestement réalisées dans les systèmes<br />

scolaires plus équitables. Il est par<br />

conséquent possible d'avoir à la fois du<br />

succès et d'être social.<br />

Performant:<br />

social et peu sélectif<br />

Démonstration est faite par PISA: il y a des<br />

pays qui atteignent non seulement des<br />

performances médianes et de pointe plus<br />

élevées, mais aussi plus homogènes: en effet,<br />

dans les pays plus performants, l'écart<br />

est moindre entre les meilleures et les<br />

moins bonnes prestations. Le tableau 1<br />

montre que le Canada et la Finlande affichent<br />

tant une valeur médiane plus élevée<br />

que des écarts type moins importants; en<br />

outre, il en ressort que les différences<br />

entre les moins bonnes et les meilleures<br />

performances sont plus faibles qu'en Alle-<br />

Aucune étude comparative internationale<br />

n'a rencontré un tel écho dans la politique<br />

d'éducation et, partant, dans un large public,<br />

que l'étude PISA de l'OCDE (Organisation<br />

de coopération et de développement<br />

économiques); ce programme avait<br />

pour objectif de mesurer les performances<br />

des jeunes de 15 ans. Néanmoins, ce n’est<br />

pas l'évaluation de chaque adolescent-e<br />

qui était au cœur de l'étude; les performances<br />

de tou-te-s les élèves du pays<br />

concerné étaient bien plutôt analysées<br />

comme indicateurs de qualité du système<br />

éducatif de cet Etat. Ce qui a étonné les<br />

gens voici deux ans – et aussi suscité un<br />

large débat –, c'était la constatation que les<br />

systèmes scolaires ayant beaucoup de<br />

succès sont aussi particulièrement sociaux.<br />

Avant la publication de PISA, l'intuition<br />

de nombreux politiciens et politimagne<br />

et en Suisse. L'écart est toutefois un<br />

peu plus grand chez notre voisin du nord<br />

(OCDE 2001, 253).<br />

Tableau 1: variation concernant les performances des<br />

élèves (combined reading literacy scale)<br />

Valeur médiane Ecart Fourchette<br />

(PISA) type (5-95 %)<br />

Canada 534 95 371 - 681<br />

Finlande 546 89 390 - 681<br />

Suisse 494 102 316 - 651<br />

Allemagne 484 111 284 - 650<br />

OECD Ø 500 100 324 - 652<br />

Origine ou performance<br />

Dans tous les pays ayant participé à l'étude,<br />

on peut constater une relation plus ou<br />

moins étroite entre la performance et l'origine<br />

sociale des jeunes. Toutefois, dans<br />

certains pays, ce lien est plus fort que dans<br />

d'autres.<br />

Que souhaiterait-on en qualité de responsable<br />

de l'éducation dans un Etat démocratique<br />

Que les enfants et les adolescent-e-s<br />

réalisent des performances en<br />

fonction de leurs aptitudes et de leur potentiel<br />

intellectuel, et non le fait qu'ils/elles<br />

aient davantage – ou moins – accès à l'éducation<br />

en raison de leur provenance familiale.<br />

Je serais aussi heureuse si, pour les<br />

meilleures performances possibles, l'influence<br />

de l'origine sociale était négli-<br />

suite de la page 47<br />

facteur déterminant le succès de la formation. Le hasard et les<br />

privilèges sont responsables de continuelles entorses graves au<br />

principe des performances, auquel l'école attache pourtant une<br />

si grande importance.<br />

Les effets de ces entorses ne sont pas seulement injustes pour<br />

les perdant-e-s de la compétition de la formation. L'insécurité engendrée<br />

par les caractéristiques intrinsèques du système dans la<br />

pratique de la sélection ne satisfera pas non plus les gagnant-e-s<br />

aussi longtemps qu'ils/elles ne pourront s'appuyer sur une évaluation<br />

vraiment solide de leurs performances.<br />

Références bibliographiques<br />

Dahrendorf, R. (1965): Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik.<br />

Hamburg: Nannen.<br />

Ingenkamp, K. (1989): Diagnostik in der Schule. Beiträge zu Schlüsselfragen der Schülerbeurteilung.<br />

Weinheim: Belz.<br />

Kronig, W. (20<strong>05</strong>): Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. [erscheint Anfang 2006]<br />

Marsh, H. W. (1987): The big-fish-little-pond effect on academic self-concept. Theoretical and<br />

empirical justification. In: Educational Psychology Review, 77-171.<br />

Zutavern, Brühwiler & Biedermann (2002): Die Leistungen der verschiedenen Schultypen auf der<br />

Sekundarstufe I. In: EDK & BfS (Hrsg.): Bern, St. Gallen, Zürich: Für das Leben gerüstet<br />

Die Grundkompetenzen der Jugendlichen – Kantonaler Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel:<br />

EDK / BfS, 63–76.<br />

48 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hollenweger<br />

geable. Malheureusement, la Suisse ne fait<br />

pas partie des pays où cela est possible.<br />

Bien plus, elle se distingue par ses performances<br />

relativement faibles et un lien assez<br />

étroit entre l'origine sociale et les prestations<br />

scolaires. En effet, avoir du succès<br />

tout en étant social signifierait réaliser des<br />

performances de pointe, une moyenne élevée,<br />

et assurer un lien relativement souple<br />

entre prestations et origine sociale. Sans<br />

aucun doute, la Suisse aimerait évoluer<br />

dans ce sens. Mais la question est de savoir<br />

comment: quels facteurs font que<br />

notre pays est moins social et a moins de<br />

succès<br />

Dans ce contexte, quoi de plus logique<br />

alors que d'analyser les systèmes des pays<br />

qui réussissent à combiner ces deux éléments<br />

A la recherche de ces facteurs de<br />

succès, l'Office fédéral de la statistique<br />

moins sélectif – est également une bonne<br />

école, servira de point de départ à mes raisonnements.<br />

Que font d'autre les pays à<br />

succès par rapport à la Suisse<br />

handicap. Trois domaines et leur évolution<br />

sont particulièrement significatifs:<br />

1. Organisation de systèmes de soutien<br />

pour des écoles performantes<br />

Soutien financier de projets de développement<br />

scolaire<br />

Développement professionnel systématique<br />

du personnel enseignant<br />

Curriculums évoluant en fonction du<br />

contexte scolaire et basés sur un modèle<br />

national (standard) pour le soutien<br />

d'un enseignement professionnel<br />

Evaluation interne et vérification de la<br />

réalisation des niveaux standard en<br />

tant que base de planification pour le<br />

personnel enseignant<br />

2. Intégration conséquente de tous les<br />

élèves dans les processus de formation<br />

Politique de formation qui accepte et<br />

structure activement la pluralité linguistique<br />

et culturelle en tant que particularité<br />

des écoles et de ses élèves<br />

Programmes de soutien des familles<br />

pour l'encouragement à l'apprentissage,<br />

surtout en période préscolaire<br />

Définition des «Zones d‘Education Prioritaire»:<br />

mesures globales pour les écoles<br />

défavorisées<br />

(OFS) a mandaté en 2003 Maja Coradi Vellacott,<br />

Michel Nicolet, Stefan Wolter et<br />

moi-même pour une étude approfondie,<br />

intitulée «Soziale Integration und Leistungsförderung»<br />

(Intégration sociale et encouragement<br />

des prestations). Et du côté<br />

de l'OCDE, l'étude «What makes School<br />

System perform» a été publiée. Elle<br />

n'aborde pas explicitement la question de<br />

l'équité sociale mais la qualité des systèmes<br />

scolaires en général. Or, la constatation<br />

qu'un établissement scolaire équitable<br />

au niveau social – ou autrement dit,<br />

Des pays tels que le Canada ou la Finlande<br />

ont accompli ces dernières années de<br />

nombreuses réformes. En comparaison internationale,<br />

quatre domaines de réforme<br />

sortent du lot et sont aussi mis en relation<br />

par l'OCDE avec les bonnes performances.<br />

Voici ces domaines:<br />

soutien systématique et encouragement<br />

des élèves fournissant de mauvaises<br />

performances (avant tout encouragement<br />

précoce, sans ségrégation);<br />

amélioration systématique de l'enseignement<br />

et de l'apprentissage de compétences<br />

(réduction en Suisse, en l'occurrence,<br />

des grandes différences de niveau<br />

entre les diverses classes);<br />

renforcement de l'autonomie scolaire<br />

combinée à la responsabilité individuelle<br />

et aux comptes à rendre;<br />

financement différencié selon la réalité<br />

sociale (soutien prioritaire à des écoles<br />

dont la composition des classes est<br />

problématique).<br />

Ces aspects peuvent être appliqués en relation<br />

avec des enfants vivant dans un<br />

contexte de migration, fournissant des<br />

performances variées ou souffrant d'un<br />

3. Attitude volontariste face aux différences<br />

entre les performances des élèves<br />

et les objectifs d'apprentissage<br />

Soutien précoce et sélection tardive<br />

d'enfants de familles défavorisées et<br />

dont les performances sont plus faibles<br />

Transitions flexibles entre les degrés de<br />

formation et les offres de «seconde<br />

chance»<br />

Encouragement intégratif d'enfants ou<br />

adolescent-e-s plus «faibles» ou handicapés<br />

La Suisse est-elle particulièrement<br />

sélective et anti-sociale<br />

Dans notre étude concernant PISA 2000<br />

(Coradi Vellacott et al. 2003), Stefan Wolter<br />

et Maja Coradi Vellacott ont effectué<br />

des calculs-type : quelle serait la situation<br />

si la Suisse avait un taux de migrant-e-s<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 49


hollenweger<br />

égal à celui de la Finlande – donc 1 % au<br />

lieu de 19 % Et que se passerait-il si notre<br />

pays avait le même âge de sélection, c'està-dire<br />

16 ans et non 12 Selon leurs calculstype,<br />

la sélectivité sociale – autrement dit<br />

la dépendance des performances selon<br />

PISA en fonction de l'origine sociale – serait<br />

plus basse que dans les «meilleurs»<br />

pays. La Suisse n'est donc a priori pas<br />

moins sociale, mais elle doit faire face à un<br />

défi particulièrement important concernant<br />

ses élèves. En effet, en raison de divers<br />

facteurs, notre pays abrite un nombre<br />

élevé d'enfants qui sont exposés à plusieurs<br />

facteurs de risque à la fois: ils sont<br />

pauvres, socialement défavorisés, ne parlent<br />

pas la langue d'enseignement, proviennent<br />

de familles aux ressources culturelles<br />

défavorables et n'habitent que depuis<br />

peu de temps en Suisse; mais souvent<br />

– et c'est le facteur le plus décisif – leur potentiel<br />

de performance est sous-estimé<br />

par leurs enseignant-e-s. Par une scolarisation<br />

encore plus précoce, couplée à une<br />

sélection plus tardive (après la 9e année<br />

seulement et non après 4 ou 6 années d'école<br />

primaire déjà), la Suisse pourrait vraisemblablement<br />

devenir plus sociale et<br />

avoir davantage de succès. Toutefois, sans<br />

réformes profondes, c'est-à-dire sur la voie<br />

que d'autres Etats «plus performants» ont<br />

déjà empruntée, cela ne sera guère réali-<br />

sable et mènerait à un surcharge des<br />

2<br />

écoles et de leur personnel enseignant.<br />

Indicateurs internationaux<br />

concernant les effets de<br />

systèmes éducatifs<br />

Un choc est parfois le meilleur «briseur de<br />

glace». En effet, l'enquête PISA a ouvert en<br />

partie une nouvelle voie pour les processus<br />

d'apprentissage: de nos jours, les systèmes<br />

éducatifs prennent davantage<br />

conscience de leur valeur et commencent<br />

à se rendre compte que ce sont eux qui<br />

sont à même de faire la différence quant<br />

aux chances de formation pour tous les enfants.<br />

Se pose dès lors la question de savoir<br />

comment les systèmes éducatifs peuvent<br />

être équitables et performants. Ces<br />

systèmes ont du succès à partir du moment<br />

où ils peuvent offrir une formation<br />

pour chacun-e et qu'ils permettent au plus<br />

grand nombre possible d'enfants d'avoir<br />

une chance équitable de réussite. Durant<br />

plusieurs années, la question se posait<br />

principalement de savoir si les écoles sont<br />

capables de promouvoir avec le même<br />

succès tous les élèves, indépendamment<br />

de leur origine sociale. Dans le programme<br />

PISA, un indicateur complexe a été formé,<br />

servant à décrire les origines familiales, un<br />

indicateur qui s'oriente selon les théories<br />

de Pierre Bourdieu et qui se définit selon<br />

le capital social, culturel et économique<br />

disponible. Cependant, le fait de ne tenir<br />

compte que de l'origine familiale pour estimer<br />

les chances de formation inéquitablement<br />

distribuées dans un pays serait<br />

insuffisant. En effet, si notre objectif est<br />

une école offrant les mêmes chances de<br />

formation à tous les enfants et adolescent-e-s,<br />

d'autre facteurs doivent être pris en<br />

considération. D'autres groupes-cibles<br />

obtiennent l’attention nécessaire de<br />

l'UNESCO dans son programme international<br />

«Education pour tous»: les filles, les<br />

enfants handicapés et atteints du sida, les<br />

enfants habitant des régions rurales, défavorisées.<br />

Qui est menacé-e d'un handicap<br />

ou d'une exclusion<br />

La diversité à l'école a sans conteste augmenté,<br />

une situation qui est davantage prise<br />

en compte de nos jours. Or, la question<br />

se pose de savoir comment l'école en général<br />

aborde cette situation: parvient-elle<br />

à établir une cohésion sociale, condition<br />

essentielle pour une société citoyenne solidaire<br />

Est-elle aussi capable d'établir des<br />

processus de formation de façon à ce que<br />

tous les enfants aient en principe la même<br />

chance de développer leur potentiel et de<br />

disposer équitablement de leurs capacités<br />

Plusieurs groupes peuvent en effet<br />

être menacés d'une exclusion des processus<br />

de formation, une menace qui peutêtre<br />

mise en relation de pays à pays avec<br />

différents indicateurs. Etant donné que ce<br />

sont majoritairement des personnes bien<br />

qualifiées qui immigrent au Canada et que<br />

beaucoup parmi elles maîtrisent déjà l'une<br />

des deux langues nationales, ce groupe<br />

n'est pas menacé d'exclusion, contrairement<br />

à ce qui se passe en Suisse. Là où, en<br />

relation avec l'échec scolaire, la variable<br />

«origine migrante» semble être la plus significative,<br />

d'autres variables sont étroitement<br />

liées à l'échec scolaire pour ce qui<br />

est du Canada: des enfants vivant dans la<br />

pauvreté ou grandissant avec des familles<br />

monoparentales à la campagne. En Finlande,<br />

par contre, le fait d'être un garçon représente<br />

le facteur de risque le plus élevé<br />

par rapport aux performances de PISA: en<br />

effet, les différences de sexe ont échauffé<br />

les esprits dans ce pays. Dans de nombreux<br />

pays en voie de développement, enfin,<br />

un handicap peut mener un enfant à<br />

être exclu de tout processus de formation,<br />

surtout s'il habite une région rurale.<br />

Facteurs de risque scolaires<br />

Dans ce contexte, il ne convient pas seulement<br />

de se poser la question des facteurs<br />

de risque indépendants de l'école<br />

dans les différents pays, mais aussi celles<br />

concernant les processus scolaires et les<br />

facteurs augmentant le risque en ce sens<br />

que certains groupes ne peuvent pas profiter<br />

de la même façon des processus de<br />

50 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hollenweger<br />

formation. Les systèmes éducatifs fortement<br />

ségrégatifs montrent aussi en comparaison<br />

internationale une sélectivité sociale<br />

plus élevée. Dans des systèmes scolaires<br />

sélectifs sans évaluations des performances<br />

indépendantes des enseignant-e-s,<br />

ce ne sont souvent pas les enfants les<br />

plus performants qui sont sélectionnés<br />

dans les types scolaires les plus «prestigieux»,<br />

mais bien davantage des enfants en<br />

provenance de familles disposant du capital<br />

social, culturel et économique correspondant.<br />

Tant les expériences faites en Allemagne,<br />

aux Pays-Bas et en Suisse – c'està-dire<br />

dans des pays ayant des systèmes<br />

éducatifs ségrégatifs et fortement différenciés<br />

– montrent que les processus de<br />

sélection subissent pour ainsi dire involontairement<br />

une coloration sociale. En effet,<br />

les systèmes éducatifs qui ne procèdent<br />

pas à cette sélection n'ont pour ainsi<br />

dire aucune possibilité de commettre des<br />

erreurs. Des ressources culturelles défavorisées<br />

et une ignorance du système scolaire<br />

ont moins d'effet au cas où les parents<br />

ne doivent pas prendre de décisions importantes.<br />

Ce sont là pour le moins des arguments<br />

de poids en faveur d'une école<br />

primaire moins sélective.<br />

Du fait de leur politique de soutien ou<br />

de sanction financière de certaines écoles<br />

selon leur attestation de performances, les<br />

Etats-Unis ont un problème avec un autre<br />

critère de sélection. En effet, les écoles<br />

présentant de mauvaises performances se<br />

voient supprimer les moyens financiers,<br />

ce qui les rend, d'une part, peu attrayantes<br />

pour les parents culturellement défavorisés,<br />

d'autre part ces mesures démotivent<br />

encore davantage les enseigant-e-s qui<br />

sont souvent déjà surmenés. Les résultats<br />

d'une telle politique sont des écoles défavorisées<br />

avec un mauvais personnel enseignant<br />

et des moyens financiers faisant<br />

défaut. Aux USA, la sélection ne se fait<br />

donc pas en fonction des divers types de<br />

classes, mais en fonction des écoles et arrondissements<br />

scolaires. Et même en Suisse,<br />

les mesures d'encouragement encore<br />

très prisées, qui sont proposées en dehors<br />

des classes mais qui ont peu de prestige<br />

social, ont un effet ségrégatif. Dans notre<br />

pays, les classes spéciales sont souvent<br />

mises en relation avec de mauvaises performances<br />

scolaires, des déficits de comportement<br />

et de nombreux étrangers et<br />

étrangères. C'est donc à juste titre que la<br />

fréquentation de ces types scolaires est<br />

plutôt connotée négativement, ce qui<br />

pousse les parents culturellement et socialement<br />

favorisés à éviter, dans la mesure<br />

du possible, ces formes de scolarisation<br />

3<br />

pour leurs enfants et, le cas échéant, à<br />

choisir une école privée.<br />

Exclusion sociale:<br />

résultat d'interactions<br />

Grâce à l'étude PISA (Programme international<br />

de l'OCDE pour le suivi des acquis<br />

des élèves), l'on a commencé à comparer<br />

l'efficacité des différents systèmes éducatifs<br />

et à tenter d'expliquer les différences<br />

constatées par des facteurs liés aux systèmes<br />

analysés. C'est également en raison<br />

de cette étude qu'il existe aujourd'hui un<br />

discours public sur la qualité des écoles<br />

suisses. En se basant sur des données<br />

fiables, il est maintenant possible de se poser<br />

la question suivante: quels sont les facteurs<br />

scolaires qui ont un effet positif ou<br />

un effet négatif sur la réussite scolaire Sur<br />

la voie vers une école pour tou-te-s, le fait<br />

de se concentrer sur l'influence des facteurs<br />

scolaires quant au succès scolaire<br />

des enfants et des jeunes aux situations les<br />

plus diverses est une victoire importante:<br />

les caractéristiques des élèves ne sont<br />

plus perçues exclusivement comme des<br />

variables indépendantes, mais de plus en<br />

plus souvent comme des variables dépendant<br />

d'un contexte. Ainsi, la différence sociale,<br />

le fait d'être désavantagé, l'exclusion<br />

ou la transition réussie vers la vie adulte<br />

ainsi que les chances professionnelles<br />

sont comprises comme les résultats d'un<br />

processus de formation.<br />

Exemple: les handicaps<br />

Sur le plan international, ce changement<br />

de perspective peut aussi être illustré par<br />

l'exemple du changement dans la manière<br />

de percevoir les handicaps. Il y a encore<br />

quelques années, un handicap était considéré<br />

comme une caractéristique d'un enfant<br />

individuel: un handicap – la malvoyance,<br />

la surdité ou d’autres handicaps<br />

physiques – signifiait pour les enseignant-e-s<br />

et les politicien-ne-s travaillant sur le<br />

dossier de la formation que les chances de<br />

formation de ces personnes étaient réduites.<br />

Les enfants concernés étaient alors<br />

protégés: les exigences à leur égard étaient<br />

moindres, si bien que personne n'était surpris<br />

s'ils échouaient aux tests pour accéder<br />

à des filières de formation supérieure.<br />

Un handicap était considéré comme une<br />

variable indépendante, comme une caractéristique<br />

fixe de l'enfant. Aujourd'hui,<br />

nous savons qu'un handicap au niveau de<br />

certaines fonctions corporelles ne signifie<br />

pas que les personnes concernées seront<br />

a priori exclues des processus de formation,<br />

ni qu'elles ne réussiront pas à suivre<br />

des études dans une haute école ou entrer<br />

avec succès dans la vie active. Les modèles<br />

actuels pour expliquer les handicaps,<br />

telle que la classification internationale<br />

du fonctionnement, du handicap et de<br />

la santé (ICF, Organisation mondiale de la<br />

santé, 2001), considèrent un handicap<br />

comme résultant d'interactions complexes<br />

entre le fonctionnement d'un individu<br />

et son environnement. Un handicap<br />

est donc compris comme le résultat de<br />

cette interaction et non comme une caractéristique<br />

prédéfinie de l'enfant.<br />

Changement de perspective:<br />

passage des caractéristiques<br />

aux interactions<br />

Je suis convaincue que plus nous avancerons,<br />

plus nous nous rendrons compte que<br />

d'autres aspects considérés aujourd'hui<br />

encore comme des caractéristiques de<br />

l'enfant sont tout au moins co-déterminés<br />

et renforcés par les processus de formation<br />

ou que ces aspects ne deviennent pertinents<br />

pour le succès scolaire qu’au travers<br />

de ces processus de formation. Des<br />

handicaps, des désavantages ou l'exclusion<br />

sociale résultent d'interactions et ne<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 51


hollenweger<br />

sont pas des caractéristiques de l'enfant<br />

ou de sa famille d'origine. En outre, il est<br />

également important de voir que les indicateurs<br />

caractéristiques des écoles qui défendent<br />

la justice sociale et qui sont performantes<br />

sont, en fin de compte, l'expression<br />

de processus d'interactions organisés<br />

de manière démocratique. Dans le<br />

cadre de ces interactions, les écoles font<br />

tout leur possible pour qu'aucun processus<br />

de formation en commun ne doive être<br />

interrompu. En effet, l'interruption de relations<br />

sociales importantes engendre<br />

très souvent des processus d'exclusion et<br />

des discriminations. Aussi longtemps que<br />

le système en Suisse n'exercera pas une<br />

pression massive sur ces processus d'exclusion<br />

– je citerais par exemple le fait de<br />

diriger les enfants dans des classes spécialisées,<br />

de redoubler ou d'être exclu de<br />

la classe en cas de problèmes de comportement<br />

graves – pour faire évoluer la situation<br />

en sens inverse, nous serons encore<br />

éloignés d'une école défendant la justice<br />

sociale.<br />

Critères internationaux<br />

Au niveau international, des discussions<br />

ont actuellement lieu au sujet de certains<br />

domaines dans lesquels des injustices sociales<br />

liées au système éducatif peuvent<br />

être présentes:<br />

Accessibilité (critères d'admission,<br />

frais d'écolage, nécessité de cours complémentaires)<br />

Intégration / ségrégation (écoles avec<br />

différents profils et possibilité de choisir<br />

des profils, offre spéciale pour certains<br />

groupes)<br />

Participation (taux de drop-out, élèves<br />

quittant l'école sans certificat de fin de<br />

scolarité)<br />

Distribution des ressources (communes<br />

riches et pauvres, cantons, financement<br />

selon les besoins ou selon les<br />

performances)<br />

L'on peut aussi évaluer les différentes<br />

offres en matière de formation sur la base<br />

des critères du «droit à l'éducation» tels<br />

qu'énoncés par exemple dans le commentaire<br />

général (Nations Unies 1999) de l'article<br />

13 du Pacte international sur les<br />

droits économiques, sociaux et culturels<br />

des Nations Unies (1966):<br />

Les offres de formation sont-elles disponibles<br />

de manière égale pour toute-s<br />

Availability<br />

Les offres de formation sont-elles accessibles<br />

de manière égale pour toute-s<br />

Accessibility<br />

Les offres de formation sont-elles adaptées<br />

de manière égale à tou-te-s<br />

Adaptability<br />

Les offres de formation sont-elles acceptables<br />

de manière égale par tou-te-s<br />

Acceptability<br />

Succès grâce aux réformes<br />

Malgré la diversité des systèmes éducatifs<br />

dans les différents pays, les systèmes performants<br />

ont un point en commun: ils ont<br />

évolué au cours de ces dernières années<br />

et ils se sont laissés transformer; des processus<br />

de réformes étendues ont été initiés<br />

et appliqués dans le cadre de coopérations.<br />

Des partenariats ont été conclus<br />

ou renforcés et les enseignant-e-s ont complètement<br />

différencié leurs rôles afin de<br />

pouvoir se soutenir mutuellement dans le<br />

processus d'organisation de l'école mené<br />

en commun. En tant que partenaires dans<br />

le processus de formation de leurs enfants,<br />

les parents n'ont pas seulement obtenu<br />

davantage de droits, ils ont également<br />

dû accepter des responsabilités. Des<br />

efforts sincères et la volonté de s'engager<br />

continuellement pour un bon système<br />

éducatif sont probablement les ingrédients<br />

de la recette secrète universelle qui<br />

est à l'origine du succès de certaines<br />

écoles. Voilà les caractéristiques du système<br />

des écoles canadiennes et les caractéristiques<br />

de qualité de certaines écoles<br />

d'Allemagne qui ont obtenu des résultats<br />

au-dessus de la moyenne dans le cadre de<br />

l'étude PISA.<br />

Si des interactions ont pour effet de plutôt<br />

handicaper ou exclure certains enfants,<br />

alors des interactions peuvent aussi<br />

contribuer à empêcher de tels processus.<br />

La dimension publique de ces questions,<br />

donnée par des journées d'étude, et<br />

un large débat sur la formation, peuvent aider<br />

l'école à découvrir ces interactions. Si,<br />

ensuite, nous réussissons à faire en sorte<br />

que toutes les personnes concernées<br />

montrent assez de courage, de compréhension<br />

et d'ouverture pour ce débat, tout<br />

en admettant de pouvoir se tromper, alors,<br />

je crois qu'une évolution vers une école<br />

meilleure et plus sociale pour tou-te-s est<br />

possible.<br />

Bibliographie<br />

Coradi Vellacott, M., Hollenweger, J., Nicolet, M., Wolter, S.C.<br />

(2003): Intégration sociale et amélioration des performances<br />

scolaires. Rapport thématique sur l'enquête PISA 2000, Neuchâtel:<br />

Office fédéral de la statistique, Conférence suisse des directeurs<br />

cantonaux de l'instruction publique.<br />

Organisation de coopération et de développement économiques<br />

(OCDE) (2001): Connaissances et compétences: des atouts pour<br />

la vie. Premiers résultats du Programme international de l'OCDE<br />

pour le suivi des acquis des élèves (PISA) 2000. Paris: OCDE.<br />

Organisation de coopération et de développement économiques<br />

(OCDE) (2004): What makes School Systems perform Seeing<br />

School Systems through the Prism of PISA. Paris: OCDE.<br />

Nations unies (1999). Droit à l’éducation. Portée et mise en<br />

œuvre. Observation générale 13 sur le droit à l’éducation (art. 13<br />

du Pacte international relatif aux droits économiques, sociaux et<br />

culturels). New York: Nations unies.<br />

Nations unies (ONU) (1966): Pacte international relatif aux droits<br />

économiques, sociaux et culturels du 19 décembre 1966. New<br />

York: Nations unies (entré en vigueur en Suisse le 18 septembre<br />

1992).<br />

Organisation mondiale de la santé (OMS) (2001): Classification internationale<br />

du fonctionnement, du handicap et de la santé (ICF).<br />

Genève: Organisation mondiale de la santé.<br />

52 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hutmacher<br />

L’école est-elle juste aux yeux<br />

des citoyens<br />

L’option historique en faveur d’une école publique ouverte à tous est au fondement des démocraties modernes. Elle<br />

forme depuis le milieu du XIX e siècle l’un des principaux mécanismes d’intégration culturelle, sociale et économique.<br />

L’instruction universelle est une condition du suffrage universel. Réciproquement, la décision démocratique permet de<br />

légitimer les options de politique éducative, en particulier les buts, les structures, les règles et les méthodes d’enseignement,<br />

d’évaluation et de sélection des institutions éducatives.<br />

( Atelier 6)<br />

Walo Hutmacher, sociologue<br />

Université de Genève<br />

74, square de Montchoisy<br />

1207 Genève<br />

walo.hutmacher@pse.unige.ch<br />

En tant qu’elles sont publiques,<br />

les institutions scolaires doivent<br />

garantir le principe d’égalité des<br />

droits. Mais paradoxalement,<br />

l’inégalité est installée au cœur<br />

de leur fonctionnement. L’école<br />

distribue bel et bien inégalement des ressources<br />

qui comptent dans la vie:<br />

Compte tenu de leurs performances inégales,<br />

les élèves reçoivent des notes et<br />

des récompenses inégales, ont accès à des<br />

filières et des curricula d’inégale valeur sociale,<br />

acquièrent des savoirs et des compétences<br />

inégales, et finalement des diplômes<br />

d’inégale valeur sur le marché du<br />

travail et dans la vie sociale.<br />

Une fois la scolarité ou la formation initiale<br />

achevées, les retours sur investissement<br />

sont inégaux, parce que les différents<br />

niveaux et types de formation ont typiquement<br />

des conséquences significatives<br />

en termes d’inégalités économiques, sociales<br />

et culturelles. Le niveau de formation<br />

figure parmi les principales légitimations<br />

des inégalités de revenus, d’autonomie,<br />

de pouvoir et de responsabilité, de<br />

prestige social ou d’autorité, etc. Et nous<br />

savons qu’il détermine aussi fortement les<br />

opportunités d’apprentissage tout au long<br />

de la vie.<br />

Aletta Grisay 1 propose de distinguer<br />

quatre grandes exigences d’égalité qui<br />

peuvent s’adresser à l’école: l’égalité d’accès<br />

et de chances; l’égalité de traitement;<br />

l’égalité de résultats; l’égalité de conséquences.<br />

La question de la justice se pose<br />

à chaque fois spécifiquement.<br />

Comment l’inégalité est-elle<br />

possible<br />

Quels sont les facteurs, processus, interactions<br />

et chaînes de causalité qui expliquent<br />

que certains élèves échouent là où<br />

d’autres réussissent à apprendre et à démontrer<br />

la maîtrise des compétences que<br />

l’école vise à leur faire acquérir Il y a évidemment<br />

des différences individuelles<br />

entre élèves, qu’elles soient de l’ordre de<br />

l’intelligence, des talents ou des dons ou<br />

encore de l’effort et de la volonté de travail.<br />

La sociologie a pu montrer que les<br />

chances de réaliser de bonnes performances<br />

à l’école, d’y obtenir de bonnes<br />

notes et de bons diplômes sont très inégalement<br />

réparties entre les enfants<br />

d’origines sociales précisément inégales<br />

sous l’angle des ressources économiques,<br />

Pourquoi ce texte<br />

culturelles et sociales. C’est précisément<br />

dans le but de réduire les inégalités sociales<br />

que furent créés, par exemple, dès<br />

le début des années 1960 des cycles<br />

d’orientation, notamment en Suisse romande.<br />

L’échec scolaire n’est cependant pas<br />

seulement le non accès aux diplômes et<br />

aux titres, c’est aussi et surtout la privation<br />

pour une fraction des jeunes de savoirs<br />

et de compétences qui sont de plus<br />

en plus indispensables pour mener sa vie<br />

dans des conditions économiques et sociales<br />

satisfaisantes. Ce n’est pas le<br />

moindre mérite des études de l’IEA 2 et de<br />

l’enquête PISA que de souligner précisément,<br />

au-delà de l’inégalité d’accès aux<br />

titres, l’inégalité d’accès aux compétences,<br />

aux savoirs opérationnels, et en<br />

particulier aux plus élémentaires et fondamentaux,<br />

aux outils qui ouvrent la voie<br />

du savoir et de la culture: compétence lectrice,<br />

culture mathématique et scientifique,<br />

aptitude à aborder et résoudre des<br />

problèmes, etc.<br />

Lors de la journée d’étude du 15 janvier, le sociologue Walo Hutmacher endossait un double<br />

rôle. D’une part, il animait l’atelier 6, dans lequel a été discuté le thème «Égalité et équité des<br />

systèmes éducatifs» sur la base d’un papier «Egalité de quoi – Cinq conceptions de l’égalité<br />

en matière d’éducation». D’autre part, il a mis le point final à la journée en avançant quelques<br />

impressions et conclusions.<br />

En lieu et place d’un rapport sur l’atelier et des impressions et conclusions de Walo Hutmacher,<br />

nous publions son texte: «L’école est-elle juste aux yeux des citoyens» (en version abrégée).<br />

Il l’a écrit pour les «Assises 20<strong>05</strong>» de la «Coordination Enseignement Genève» sur<br />

«Qu’est-ce qu’une école juste». Le manuscrit original se trouve, avec d’autres contributions<br />

intéressantes, sur le site www.arobase-ge.ch (sous «assises»).<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 53


hutmacher<br />

Equité – justice<br />

C’est ainsi que nous dénonçons ou regrettons<br />

souvent des inégalités (notamment<br />

sociales et sexuelles) d’accès, de parcours,<br />

de réussite ou de résultats à l’école<br />

au nom de la justice sociale, sans préciser<br />

ni même interroger les principes de justice,<br />

d’équité sur lesquels se fondent nos dénonciations.<br />

Le groupe de travail s’est en particulier<br />

appuyé sur les récents développements<br />

de la philosophie politique, dans le prolongement<br />

de la Théorie de la justice de<br />

Rawls 3 entre autres, dont la première publication<br />

en anglais remonte à 1971 déjà!<br />

Ni Rawls ni d’autres auteurs n’ont toutefois<br />

traité spécifiquement la question de<br />

l’équité en éducation; il a fallu que nous le<br />

fassions nous-mêmes. En 2001, le groupe<br />

Explication, justification et légitimité<br />

des inégalités scolaires<br />

On constate que les gens mieux formés<br />

touchent des revenus plus élevés pour<br />

leur travail. En Suisse en 1996, les personnes<br />

ayant achevé une formation universitaire<br />

touchaient un revenu du travail<br />

moyen de l’ordre de 60 % supérieur à celui<br />

que touchaient des personnes ayant<br />

achevé une formation de niveau secondaire<br />

supérieur. A leur tour, celles-ci touchaient<br />

un revenu moyen de 30 % supérieur<br />

à celui de personnes qui n’avaient<br />

pas achevé une formation après la scolarité<br />

obligatoire. … Les avantages des universitaires<br />

étaient en gros comparables<br />

dans des pays comme l’Italie ou la Suède,<br />

mais plus importants en France, au Royaume-Uni<br />

et aux Etats-Unis.<br />

Mais est-il juste, au sens d’équitable,<br />

qu’il existe des gens mieux formés que<br />

d’autres et qu’ils soient en plus mieux<br />

payés<br />

Egalité et équité sont intimement associées;<br />

la question de l’équité se pose parce<br />

qu’il existe des inégalités. Et la distinction<br />

entre les deux concepts ouvre sur<br />

quelques questions trapues:<br />

Mais la question «Comment l’inégalité estelle<br />

possible à l’école publique» admet<br />

une autre acception encore. A côté de la<br />

problématique des causalités, on peut en<br />

effet se demander «Comment l’inégalité<br />

scolaire est socialement possible» Comment,<br />

dans une société démocratique, fondée<br />

sur le principe d’égalité des droits et<br />

d’égale valeur et dignité de tous, une institution<br />

publique de surcroît – placée sous<br />

le contrôle des citoyens – peut-elle être un<br />

lieu à ce point central de production et de<br />

reproduction des inégalités sociales Le<br />

réalisme sociologique oblige en effet à<br />

penser que si des inégalités existent dans<br />

ces sociétés et dans leurs écoles, c’est<br />

qu’elles sont socialement tolérables et tolérées,<br />

ou du moins qu’elles ne sont pas assez<br />

intolérables pour soulever des protestations<br />

visibles au plan social et politique,<br />

et au plan scolaire. C’est poser la question<br />

de la justice, de l’équité, à et de l’école.<br />

J’ai été confronté plus directement à<br />

cette question dans le cadre du projet<br />

«Indicateurs des systèmes éducatifs» de<br />

l’OCDE. Le groupe directeur de ce projet a<br />

souhaité très tôt développer des indicateurs<br />

sur l’égalité des systèmes éducatifs<br />

des pays membres. Mais l’anglais ne recourt<br />

pas volontiers à la notion d’equality<br />

mais utilise plus souvent celle d’equity. La<br />

même tension existe en français entre les<br />

notions d’égalité et d’équité qu’on a trop<br />

tendance à confondre ou à amalgamer.<br />

de travail a publié un premier cadre de référence<br />

conceptuel. 4<br />

Mais l’OCDE n’a pas voulu poursuivre<br />

sur cette piste. Un groupe de chercheurs<br />

français, anglais, italiens, espagnols,<br />

belges et suisses s’est alors tourné vers le<br />

programme Socrates de l’Union Européenne<br />

et a élaboré dans ce cadre un premier<br />

ensemble d’une trentaine d’indicateurs<br />

d’équité des systèmes éducatifs qui<br />

sera publié prochainement. 5<br />

Pour avancer sur la question de la légitimité<br />

des inégalités à l’école, j’ai de mon<br />

côté posé la question dans une enquête<br />

conduite en Suisse. En voici quelques résultats.<br />

Toutes les inégalités sont-elles injustes<br />

En vertu de quels principes et de quels<br />

critères, certaines sont-elles considérées<br />

comme justes et d’autres injustes<br />

Ou bien, un peu paradoxalement: Quelles<br />

inégalités sont-elles équitables Et<br />

lesquelles ne le sont-elles pa Voire:<br />

quelles sont les inégalités requises par<br />

l’équité en éducation<br />

Quelles inégalités sont-elles tolérables<br />

et à quelle condition<br />

Puisqu’il s’agit de représentations sociales<br />

et d’opinions, nous avons interrogé<br />

les contemporains à ce sujet (enquête<br />

conduite en 1999 auprès d’un échantillon<br />

représentatif d’environ 700 citoyens suisses<br />

(18-84 ans) 6 .): Dans quelle mesure les<br />

inégalités scolaires ou en rapport avec la<br />

formation sont-elles jugées justes ou injustes<br />

dans la société actuelle, lesquelles,<br />

et en référence à quels principes.<br />

54 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hutmacher<br />

Des inégalités entre individus<br />

ne sont dans l’ensemble pas<br />

perçues comme injustes<br />

L’inégalité de performance entre les élèves<br />

est couramment considérée comme «normale»,<br />

voire «inévitable». Des notes ou des<br />

appréciations inégales sanctionnant des<br />

travaux d’inégale valeur ne sont en général<br />

pas considérées comme injustes.<br />

Les citoyens suisses pensent très majoritairement<br />

(82 %) qu’il est inévitable<br />

que certains élèves réussissent à l’école et<br />

d’autres pas. Or, sous réserve de l’égalité<br />

des chances, une inégalité inévitable ne<br />

peut pas être considérée comme injuste.<br />

Cette attitude peut paraître quelque<br />

peu fataliste en regard du postulat d’éducabilité.<br />

Et en effet, elle n’empêche pas<br />

une majorité très significative des Suisses<br />

(71 %) de penser aussi que «les écoles portent<br />

une grande responsabilité dans l’inégale<br />

réussite des élèves».<br />

Tout enseignant sait cependant que –<br />

même individuelles – des notes, des appréciations<br />

ou des récompenses inégales<br />

requièrent une forme ou une autre de justification,<br />

qui à son tour suppose un accord<br />

minimum sur les critères de justesse<br />

permettant de juger les contributions des<br />

élèves, ainsi que sur les critères et principes<br />

de justice qui fondent les décisions<br />

entraînant des inégalités.<br />

Dès qu’il entre à l’école, très jeune<br />

donc, à un âge où il ne dispose pas de tous<br />

les outils de prise de distance critique,<br />

tout enfant apprend qu’en dehors de la famille,<br />

les récompenses ne lui sont pas attribuées<br />

en fonction de ses besoins, mais<br />

1 Grisay, A. (1984). Quels indicateurs pour quelle réduction des<br />

inégalités scolaires in: Revue de la Direction générale de l’organisation<br />

des études, 9, 3-14.<br />

2 International Association for Student Assessment, organisation<br />

non gouvernementale de chercheurs qui a entre autre produit<br />

l’étude TIMSS (Third International Mathematics and Science<br />

Study, 1999)<br />

3 Rawls, J., Théorie de la justice, Seuil Points, 1997<br />

4 Hutmacher, W., Cochrane, D., Bottani, N. (eds), In Pursuit of<br />

equity. Using international indicators to compare equity policies;<br />

Kluwer Academic Publishers, Boston/Dordrecht/London,<br />

2001<br />

5 Groupe Européen de Recherche sur l’Équité des Systèmes Éducatifs<br />

(GERESE), L'équité des systèmes éducatifs européens.<br />

Un ensemble d’indicateurs, à paraître en 20<strong>05</strong><br />

6 Hutmacher, W., Explication et justification des inégalités en<br />

éducation et formation, GfS-Forschungsinstitut, Zurich, 2001<br />

en proportion de ses performances et du<br />

mérite individuel qui lui est reconnu par<br />

d’autres. Ce qu’il apprend là ne lui est pas<br />

véritablement enseigné dans un cours formel,<br />

il l’apprend par osmose, dans l’expérience<br />

pratique quotidienne de l’école telle<br />

qu’elle fonctionne. Par le biais de l’évaluation<br />

et des sanctions (récompenses ou<br />

punitions), chacun apprend progressivement<br />

deux composantes majeures de la<br />

vie scolaire et ultérieurement sociale:<br />

1. Les critères de justesse (ou d’excellence)<br />

que l’école et la société appliquent<br />

à ses performances. Tous les élèves ne<br />

réussissent pas à apprendre ce que l’école<br />

enseigne. Mais la plupart apprennent<br />

à reconnaître et à respecter les<br />

standards de référence cognitifs, comportementaux,<br />

esthétiques, éthiques,<br />

etc. qui y sont en usage, même ceux qui<br />

ont des difficultés, comme on dit.<br />

2. Les critères de justice en vertu desquels<br />

l’école évalue et juge ses performances.<br />

Les élèves ont-ils le sentiment<br />

d’être traités équitablement Une enquête<br />

conduite auprès d’élèves du dernier<br />

cycle de scolarité obligatoire à Madrid,<br />

Cardiff, Paris et Rome dans le<br />

cadre du projet Socrates mentionné<br />

plus haut, montre … qu’une forte majorité<br />

se sentent traités équitablement<br />

dans leur école. Mais pas tous. Les<br />

élèves forts se sentent bien plus souvent<br />

traités avec équité que les élèves<br />

faibles. Mais dans ce registre aussi,<br />

après un long parcours, même ceux qui<br />

n’ont pas le sentiment d’être traités<br />

équitablement, auront intériorisé et<br />

pour la plupart appris à respecter les<br />

principes de justice en vigueur, notamment<br />

l’équation méritocratique.<br />

Des inégalités entre groupes ou<br />

catégories sont souvent perçues<br />

comme injustes<br />

Notons au passage que les très grandes inégalités<br />

de niveau de compétences entre<br />

les pays et les cantons observées dans<br />

l’enquête PISA ne sont en général pas<br />

considérées comme des injustices. On ne<br />

considérerait pas non plus les inégalités<br />

de rémunération entre les pays comme<br />

une injustice, mais comme un effet du marché.<br />

Les principes de justice sont bornés<br />

par des limites institutionnelles et s’appliquent<br />

pour l’essentiel à l’intérieur de ce<br />

qui est défini comme une commune «société»,<br />

un «Nous», en référence à la Nation,<br />

la Région ou le canton, pas l’Europe (encore),<br />

ni la planète.<br />

En revanche, à l’intérieur des cadres nationaux<br />

ou régionaux, en contraste avec<br />

les inégalités entre individus, les inégalités<br />

entre des groupes sociaux ou des catégories<br />

sont souvent considérées comme injustes,<br />

voire comme des discriminations<br />

contraires au principe d’égalité des chances.<br />

Que le sexe, l’origine sociale, l’appartenance<br />

ethnique ou raciale affectent les<br />

chances de réussite scolaire est considéré<br />

comme injuste et intolérable par beaucoup.<br />

C’est d’ailleurs au nom du principe<br />

d’égalité des chances que les femmes ont<br />

conquis l’égalité à l’école et plus généralement<br />

dans la formation et qu’elles luttent<br />

pour l’acquérir en termes de revenus et de<br />

places.<br />

Les sentiments de justice se distribuent<br />

différemment selon la catégorie d’élèves<br />

concernés. Une majorité appréciable de<br />

près de deux tiers trouve injuste que les<br />

bons résultats scolaires soient liés à l’origine<br />

sociale et à l’origine nationale. Mais<br />

on retiendra aussi de ce résultat que les citoyens<br />

ne sont pas unanimes à propos de<br />

l’inégalité sociale devant l’école. Qu’il<br />

s’agisse des garçons, des enfants d’ouvriers<br />

ou des élèves étrangers, il reste à<br />

chaque fois une proportion notable qui ne<br />

trouve pas injuste que leurs résultats scolaires<br />

soient en général moins bons.<br />

Quels principes fondent donc les<br />

sentiments de justice scolaire<br />

Historiquement, on peut discerner trois<br />

grands principes d’équité en matière<br />

d’éducation et d’instruction et dont les<br />

conséquences diffèrent sensiblement:<br />

1. Un très ancien principe utilitariste veut<br />

qu’on mérite une bonne instruction<br />

d’autant plus que l’on peut en faire un<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 55


hutmacher<br />

bon usage selon les critères scolaires.<br />

Suivant ce principe les meilleurs élèves<br />

doivent recevoir le meilleur enseignement<br />

et le plus long. Quoique la rhétorique<br />

prétende souvent le contraire, ce<br />

principe est d’un usage très courant<br />

dans la réalité des règles et des pratiques<br />

scolaires.<br />

2. Le principe d’égalité des chances se<br />

trouve au fondement de l’école républicaine,<br />

et a été réaffirmé avec force<br />

depuis les années 1970, notamment au<br />

vu du constat des inégalités sexuelles<br />

et sociales devant l’école. Ce principe<br />

commande que tous les élèves doivent<br />

avoir les mêmes chances de recevoir un<br />

bon enseignement. Pour lutter contre<br />

l’inégale réussite, l’école ne peut que<br />

chercher à améliorer la qualité pour<br />

tous, notamment en augmentant les<br />

ressources.<br />

3. Les deux précédents principes se situent<br />

du point de vue des ressources<br />

que l’école offre et met en œuvre. Or, on<br />

sait que dans le succès scolaire, les inégalités<br />

de ressources des élèves et de<br />

leurs familles comptent pour beaucoup,<br />

que ce soit aux plans matériel<br />

(revenus, équipement, etc.), culturel<br />

(niveau d’information, distance par<br />

rapport à la culture valorisée à l’école,<br />

etc.) ou encore social (réseaux de relations,<br />

accès aux lieux de décision,<br />

confiance, loyauté, etc.). En regard de<br />

ce constat, on a vu s’affirmer récemment<br />

un principe de discrimination positive.<br />

L’école doit prêter dans ce cas<br />

davantage d’attention et consacrer davantage<br />

de ressources à ceux qui disposent<br />

de moins bonnes conditions de<br />

départ: les élèves qui rencontrent les<br />

plus grandes difficultés doivent recevoir<br />

le meilleur enseignement.<br />

L’échantillon de citoyens suisses a été invité<br />

à choisir l’un de ces trois principes<br />

pour chaque niveau de scolarité. Nombreux<br />

sont ceux qui ne peuvent ou ne savent<br />

se décider. On est tenté d’attribuer<br />

cette difficulté de se positionner à l’absence<br />

de débat public explicite sur ces<br />

questions de justice scolaire.<br />

L’augmentation de l’adhésion au principe<br />

utilitariste s’opère en premier lieu au<br />

détriment du principe de discrimination<br />

positive qui est retenu par un tiers des répondants<br />

pour l’école primaire, mais seulement<br />

un sixième pour le secondaire obligatoire<br />

et la formation professionnelle, et<br />

un vingtième au-delà de ce niveau scolaire!<br />

La discrimination positive (le meilleur<br />

enseignement pour les élèves qui ont le<br />

plus de difficultés) obtient une part appréciable<br />

de suffrages dans l’enseignement<br />

primaire seulement. Sa faveur diminue<br />

… rapidement à mesure qu’on s’élève<br />

dans les degrés scolaires, tandis que gagne<br />

l’option utilitariste (le meilleur enseignement<br />

pour les meilleurs élèves). Au final,<br />

au delà de l’enseignement primaire,<br />

deux principes dominent dans l’opinion<br />

suisse, qui tous deux admettent des inégalités<br />

sinon d’accès, du moins de résultats,<br />

le premier plus explicitement que le<br />

second.<br />

Les conséquences des inégalités<br />

de formation<br />

Près de trois citoyens sur quatre jugent<br />

équitable que les gens mieux formés aient<br />

de meilleures conditions de vie sociales,<br />

pécuniaires et culturelles, donc qu’ils<br />

soient en général mieux payés. D’ailleurs,<br />

dans les grilles d’évaluation des fonctions<br />

et des postes de travail, le niveau de formation<br />

requis est un critère important<br />

pour déterminer le salaire. Mais deux citoyens<br />

sur cinq seulement jugent équitable<br />

que les mieux formés aient aussi le<br />

plus de chances de continuer à se former<br />

tout au long de leur vie.<br />

Conclusion<br />

On se met assez facilement d’accord sur<br />

les inégalités si on s’entend à propos de ce<br />

qui importe ou qui fait une différence dans<br />

la vie. C’est généralement le cas dans nos<br />

sociétés au sujet de l’influence, du pouvoir,<br />

de l’argent, du confort, du niveau<br />

d’instruction, etc. Et ces grandeurs s’apprécient<br />

assez facilement en termes de<br />

plus ou moins. Tel est aussi le cas à l’école,<br />

où des performances inégales se traduisent<br />

couramment en récompenses, reconnaissances<br />

et notes inégales et en fin<br />

de compte en diplômes d’inégale valeur<br />

sociale.<br />

L’équité ne peut se mesurer aussi facilement<br />

que l’égalité; c’est une question<br />

d’appréciation et de jugement en référence<br />

à des principes et des critères de justice<br />

à propos desquels les divergences sont<br />

fréquentes. Mais si, dans une société démocratique<br />

fondée sur le principe d’égalité,<br />

des inégalités scolaires sont possibles<br />

à l’école publique, c’est entre autres parce<br />

qu’elles ne sont pas considérées comme<br />

injustes ou du moins sont tolérées par les<br />

élèves, les parents, les enseignants et les<br />

citoyens, dont il importe donc, en princi-<br />

56 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


hutmacher<br />

pe, de connaître les jugements et les sentiments<br />

de justice. La présente contribution<br />

s’intéresse plus particulièrement aux<br />

sentiments de justice des citoyens suisses<br />

en rapport avec les inégalités scolaires.<br />

Elle se fonde sur un sondage certes sommaire,<br />

mais à ma connaissance le premier<br />

du genre en Suisse.<br />

Dans une démocratie, l’école est juste<br />

si et tant que les citoyens considèrent<br />

qu’elle l’est, ou du moins une majorité<br />

d’entre eux. Nos résultats suggèrent que<br />

dans l’état présent des sentiments de justice,<br />

tel est le cas en Suisse. Une majorité<br />

des citoyens considère que l’école est légitime<br />

de produire des inégalités de résultats,<br />

à condition toutefois de ne discriminer<br />

aucun groupe et aucune catégorie sociale,<br />

et d’assurer notamment l’égalité des<br />

chances entre enfants d’origines sociale et<br />

nationale différentes. Qu’à leur tour les inégalités<br />

scolaires entraînent des inégalités<br />

sociales et notamment économiques, est<br />

également considéré comme équitable<br />

par une majorité des citoyens. Sachant<br />

l’impact des revenus sur la vie sociale, culturelle,<br />

familiale, voire même simplement<br />

physique des individus, il n’est par conséquent<br />

pas faux de dire que par le biais de<br />

l’inégalité des niveaux de formation l’école<br />

ne contribue pas seulement à la reproduction<br />

des inégalités, mais à leur légitimité<br />

sociale en même temps. La sociologie<br />

commande de se rendre à ce constat.<br />

Certes, ni la production de l’inégalité de<br />

compétences et de connaissances ni la légitimation<br />

des inégalités sociales ne figurent<br />

parmi les buts explicitement assignés<br />

au système de formation. Mais ensemble<br />

avec l’homogénéisation des critères de<br />

justesse et de justice, elle en est un effet<br />

qui constitue sans aucun doute une de ses<br />

contributions majeures au fonctionnement<br />

relativement pacifique des sociétés<br />

modernes inégalitaires. Ce n’est cependant<br />

pas la moindre des contradictions de<br />

l’institution scolaire que de ne pas atteindre<br />

tous les buts qui lui sont assignés,<br />

mais d’avoir des effets importants du<br />

point de vue du fonctionnement de la société<br />

qui ne figurent pas explicitement parmi<br />

ses buts.<br />

On aura aussi noté au passage que certaines<br />

réformes pédagogiques peuvent ne<br />

pas correspondre au sentiment de justice<br />

dominant, voire le heurter. Ainsi, l’allocation<br />

de ressources supplémentaires aux<br />

élèves qui ont les plus grandes difficultés<br />

n’apparaît acceptable qu’à une minorité<br />

des citoyens et seulement dans l’enseignement<br />

primaire. Il sera sans doute nécessaire<br />

de plaider cette cause davantage<br />

pour qu’elle devienne acceptable pour<br />

une majorité significative des citoyens et<br />

pour le niveau de la scolarité obligatoire<br />

au moins.<br />

Les principes et les sentiments de justice<br />

que nous venons de voir à l’œuvre font<br />

partie d’un héritage institutionnel qui remonte<br />

pour une bonne part à la fin du XIX e<br />

siècle et résulte pour une autre du débat<br />

(inachevé) de politique de l’éducation de<br />

la deuxième moitié du XX e . Cet héritage demande<br />

réexamen et une réinterprétation<br />

qui prenne en compte les défis qu’entraîne<br />

l’émergence de la société de la connaissance<br />

sur fond de mondialisation économique<br />

et culturelle. Dans ce nouveau contexte,<br />

il devient à la fois pertinent et urgent<br />

de débattre aussi de deux autres principes<br />

de justice préconisés par Rawls que je n’ai<br />

pas abordés jusqu’ici.<br />

Le premier de ces principes veut que<br />

les privilèges des plus avantagés soient au<br />

service des plus désavantagés. Il commande<br />

notamment que les plus désavantagés<br />

aient les mêmes chances que les<br />

plus avantagés de bénéficier des services<br />

de qualité produits par les mieux formés,<br />

tels par exemple les médecins, les ingénieurs<br />

ou les chercheurs, … et naturellement<br />

les enseignants. Il soulève à ce titre<br />

sérieusement la question de la loyauté et<br />

de l’engagement de l’école en général, et<br />

des enseignants en particulier, à l’égard<br />

des élèves les plus faibles, notamment<br />

ceux qui sont issus des conditions sociales<br />

les plus désavantagées.<br />

Le deuxième de ces principes commande<br />

que personne ne tombe en dessous<br />

d’un niveau de ressources minimum. En<br />

matière éducative, le niveau minimum de<br />

compétences et de formation nécessaire<br />

pour une vie citoyenne, sociale, familiale<br />

et économique satisfaisante, s’est dramatiquement<br />

élevé au cours du dernier demisiècle.<br />

Pour garantir un minimum d’égalité<br />

des chances à l’entrée dans la vie adulte,<br />

il faut aujourd’hui que tous les jeunes<br />

maîtrisent à la sortie de la scolarité obligatoire<br />

des compétences et une culture de<br />

base leur permettant de poursuivre une<br />

formation et d’acquérir des compétences<br />

professionnelles donnant accès à l’emploi.<br />

Ce principe met directement l’équité en<br />

rapport avec l’efficacité, et représente un<br />

véritable défi pour l’école et ses professionnels.<br />

En effet, dans la mesure où son<br />

adoption pourrait signifier une sorte<br />

d’obligation de résultat minimal pour l’institution,<br />

il représenterait une véritable révolution<br />

institutionnelle. Il ne peut y avoir<br />

d’obligation de résultat pour les enseignants,<br />

on le sait, notamment parce<br />

qu’elle entrerait en conflit avec la liberté<br />

des élèves. Il n’empêche, l’école est au<br />

défi aujourd’hui au nom de l’équité aussi,<br />

de rechercher constamment et de mettre<br />

en œuvre les méthodes d’organisation et<br />

de travail les plus efficaces, y compris et<br />

même surtout pour les plus faibles.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 57


thèses<br />

Thèses pour la journée de conférence du 15 janvier 20<strong>05</strong><br />

«Formation pour toutes et tous – égalité des chances et sélection à l'école et dans la formation professionnelle»<br />

Une plus grande égalité des chances<br />

dans l'intérêt de l'individu et de la<br />

société<br />

Le droit à la formation inclut le droit à une promotion<br />

aussi bonne que possible de tous les enfants<br />

et jeunes, conformément au principe de<br />

l'égalité des chances. Il est dans l'intérêt de la<br />

société de développer le potentiel de tou-te-s.<br />

Des personnes bien instruites et bien formées<br />

sont capables de façonner leur propre vie.<br />

Elles s'intègrent dans la société et contribuent<br />

à son fonctionnement.<br />

La sélection peut empêcher l'égalité des<br />

chances et ce, d'autant plus lorsque le critère<br />

déterminant pour une décision de carrière est<br />

l'origine de la personne et non ses performances.<br />

A l'évidence, le système éducatif actuel<br />

n'offre pas de moyens de promotion efficaces<br />

aux enfants et aux jeunes issus de groupes sociaux<br />

défavorisés.<br />

Du fait de la pénurie de plus en plus marquée<br />

des places d'apprentissage, les jeunes des filières<br />

inférieures – parmi lesquels figurent aussi<br />

surtout des personnes issues de la migration<br />

– passent à travers les mailles du filet. Les coûts<br />

inhérents au chômage des jeunes sont élevés<br />

pour la collectivité.<br />

Écoles intégratives et non sélectives<br />

Le système éducatif de l'avenir s'oppose à des<br />

décisions de sélection imputables à des critères<br />

tels que les facteurs sociaux, linguistiques ou<br />

culturels. Le système éducatif applique les principes<br />

constitutionnels et les droits humains et<br />

garantit la dignité de l'individu.<br />

Une école obligatoire intégrative et non<br />

sélective permet à chaque individu de notre<br />

société hétérogène d'exploiter au mieux son<br />

potentiel d'apprentissage. A l'avenir, le système<br />

éducatif public devrait miser sur l'égalité et sur<br />

l'intégration et promouvoir des groupes d'apprentissage<br />

hétérogènes dans le cadre de l'enseignement<br />

général.<br />

Au lieu de prévoir des classes spéciales, l'on<br />

mettra en oeuvre une promotion basée sur la<br />

pédagogie spécialisée intégrative. Et au lieu de<br />

prévoir des filières sélectives basées sur les performances,<br />

l'on aménagera le degré secondaire<br />

I de manière intégrative et perméable.<br />

Chaque école devrait fixer comme critères<br />

de qualités l'égalité des chances ainsi que la formation<br />

pour toutes et tous (pour les migrant-e-s,<br />

les familles n'ayant pas un haut niveau de<br />

formation et pour les groupes défavorisés sur<br />

d'autres plans). Elle doit également contrôler<br />

régulièrement l'application de ces critères et développer<br />

un plan d'action pour améliorer la situation.<br />

Chaque école devrait se fixer comme<br />

but l'amélioration du succès scolaire des groupes<br />

défavorisés sur le plan scolaire.<br />

Soutien contre la discrimination<br />

Les personnes discriminées ont besoin d'un<br />

soutien de la part du système éducatif afin de<br />

pouvoir accroître l'égalité des chances.<br />

Les jeunes qui subissent ou soupçonnent de<br />

la discrimination ont besoin d'un lieu de contact<br />

qui puisse les conseiller et les soutenir.<br />

Les parents issus d'un milieu n'ayant pas un<br />

haut niveau de formation doivent être soutenus<br />

afin de pouvoir assumer leur participation lorsqu'il<br />

s'agit d'aborder des questions scolaires<br />

concernant leurs enfants. Pour ce faire, ils doivent<br />

connaître le système éducatif et savoir où<br />

trouver conseils et soutien.<br />

Les voies de recours concernant les décisions<br />

de sélection doivent être aménagées de façon<br />

à permettre la transparence et la perméabilité.<br />

Lors de la recherche d'une place d'apprentissage,<br />

les jeunes sont discriminés en raison de<br />

leur origine ou de leur nom. Ils/elles ont besoin<br />

d'un soutien continu tout au long du processus<br />

de choix d'une profession.<br />

Promotion efficace de l'apprentissage<br />

Dans des groupes d'apprentissage hétérogènes,<br />

des personnes différentes les unes des autres se<br />

rencontrent. Les différences concernent leur<br />

sexe, leur âge, leurs origines sociale, linguistique<br />

et culturelle. La diversité d'expériences et<br />

d'idées qui caractérise ce cadre engendre une<br />

synergie de compétences stimulante pour le<br />

processus d'apprentissage.<br />

Afin que la promotion de l'apprentissage<br />

pour les personnes défavorisées soit efficace,<br />

elle doit intervenir très tôt. C'est pourquoi les<br />

structures d'accueil extra-familiales doivent<br />

être intégrées dans le mandat politique en matière<br />

de formation.<br />

Les enfants élevés dans un contexte bilingue<br />

doivent aussi pouvoir développer leur langue<br />

première dans le cadre des écoles suisses, car<br />

cela favorise leur succès scolaire.<br />

Les élèves vont mieux apprendre ce qui leur<br />

est enseigné si les contenus des cours établissent<br />

un lien avec leur monde vécu et ses réalités<br />

sociales et si, en vertu du principe de la participation<br />

des élèves, ces derniers peuvent participer<br />

à l'élaboration de la vie scolaire et donc<br />

être coresponsables de ce processus.<br />

La promotion individuelle dans le cadre de<br />

classes à effectif restreint ainsi que les mesures<br />

d'appui et de soutien nécessaires exigent des<br />

ressources supplémentaires.<br />

La société ainsi que le personnel enseignant<br />

devraient montrer aux jeunes personnes que<br />

l'on a confiance en elles et que les attentes à leur<br />

égard sont très élevées, mais qu'elles pourront<br />

y répondre grâce au soutien qui leur est accordé.<br />

L'évaluation de l'apprentissage devrait servir<br />

en premier lieu à promouvoir le mieux possible<br />

les apprenant-e-s et les aider à développer leur<br />

potentiel. Si l'école prend des décisions de carrière,<br />

les performances dans les branches enseignées<br />

ne doivent pas être le seul critère déterminant.<br />

Les compétences personnelles et sociales<br />

comme l'indépendance, le comportement<br />

social et la capacité à fonctionner en équipe<br />

doivent également être prises en considération.<br />

L'apprentissage dans un contexte où les<br />

groupes d'âges sont mélangés répond mieux à<br />

l'hétérogénéité des classes actuelles et rend<br />

possible un système scolaire moins sélectif.<br />

Le droit à la formation doit être étendu<br />

à la formation post-obligatoire<br />

Une fois la scolarité obligatoire terminée,<br />

chaque jeune personne devrait, en fonction de<br />

ses intérêts et de ses possibilités, pouvoir continuer<br />

à se former pendant au moins trois années<br />

supplémentaires dans une école de formation<br />

post-obligatoire ou dans le cadre d'une formation<br />

professionnelle et obtenir un diplôme reconnu<br />

du degré secondaire II. A long terme, il<br />

convient d'inscrire ce droit dans la Constitution<br />

suisse.<br />

Les jeunes issus de familles immigrées et caractérisées<br />

par un accès difficile à la formation<br />

doivent être encouragés de manière ciblée à<br />

s'inscrire dans une école du degré diplôme. Si<br />

cela s'avère nécessaire, des mesures de soutien<br />

et de coaching peuvent les aider à acquérir dans<br />

ces écoles le comportement et les techniques<br />

d'apprentissage requises.<br />

L'État et l'économie devraient veiller à ce<br />

qu'il y ait un nombre suffisant de places d'apprentissage,<br />

de places dans les écoles et de<br />

places de formation pour toutes les personnes<br />

ayant terminé leur formation scolaire. En ce qui<br />

concerne les besoins, il s'agit surtout aussi de<br />

créer de nouvelles places de formation dans les<br />

domaines professionnels porteurs d'avenir<br />

(services, médias, culture, santé, secteur social…)<br />

ainsi que des places d'apprentissage<br />

pour des jeunes issus des filières inférieures.<br />

Des offres de formation transitoire peuvent<br />

jouer un rôle important, par exemple pour aider<br />

de nouveaux immigrés à apprendre la langue locale.<br />

Ces offres de formation transitoire ne doivent<br />

cependant pas être utilisées abusivement<br />

comme une solution de remplacement pour pallier<br />

le manque de places de formation qualifiante.<br />

Les ressources nécessaires au niveau du<br />

personnel et des finances doivent être mises<br />

à disposition pour toutes les mesures<br />

qui favorisent l'égalité des chances et<br />

l'intégration.<br />

(Traduction: Patrick Vogt)<br />

58 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

Ecole sans exclusion<br />

Possibilités et modèles<br />

d'une école intégrative<br />

A l'exemple d'une campagne de l'Alliance verte et sociale Berne<br />

Atelier 1<br />

animé par Corinne Schärer, secrétaire syndicale du ssp,<br />

députée Alliance verte et sociale au Grand Conseil bernois<br />

traduction: Pierre Voit<br />

En 2010, l'article en matière d'intégration stipulé<br />

dans la Loi sur l'école obligatoire (LEO) devra être<br />

appliqué au Canton de Berne. L'article 17 de cette<br />

loi – elle a d'ailleurs été révisée – demande que tous<br />

les enfants puissent bénéficier en règle générale de l'enseignement<br />

scolaire dans des classes régulières, même ceux nécessitant<br />

de mesures particulières.<br />

Or, la discussion sur l'intégration en lieu et place d'une discrimination<br />

ne se limite pas seulement au Canton de Berne, elle est<br />

aussi menée au niveau national, voire à l'échelle européenne. L'Alliance<br />

verte et sociale de Berne participe également à cette discussion.<br />

En effet, cela fait des années qu'elle s'engage en faveur<br />

d'une politique éducative à long terme encourageant les dons et<br />

capacités de chaque enfant et offrant à chacun, indépendamment<br />

de l'origine, les mêmes possibilités de développement. Malheureusement,<br />

nous sommes encore très éloignés de ce but à l'heure<br />

actuelle. Les enfants issus de milieux défavorisés, de langue<br />

étrangère de même que les élèves présentant des handicaps sont<br />

souvent discriminés, insuffisamment encouragés, voire stigmatisés.<br />

Une situation que l'Alliance verte et sociale veut changer; au<br />

moyen d'une campagne, elle informe sur les chances et les conditions-cadres<br />

d'écoles intégratives et encourage les personnes impliquées<br />

à réfléchir plus avant et à s'engager en faveur d'améliorations.<br />

Evolution inquiétante<br />

Les chiffres ci-dessous montrent que des améliorations sont<br />

nécessaires:<br />

Le nombre des petites classes a augmenté dans le Canton de<br />

Berne ces dernières années.<br />

Alors que la part des enfants «exclus» présentant des handicaps<br />

physiques et psychiques reste environ la même (aucune<br />

amélioration), c'est avant tout la mise à l'écart d'élèves étrangers<br />

qui croît. En effet, au niveau de la Suisse, la part d'enfants<br />

étrangers scolarisés dans des classes séparées a pratiquement<br />

doublé. En 1980 et 81, un élève sur quinze en provenance d'un<br />

pays étranger a reçu un enseignement dans une classe ou école<br />

spéciale. Et en 1997 et 98, c'était encore le cas pour chaque<br />

neuvième enfant étranger.<br />

En Suisse, la part des élèves présentant de faibles compétences<br />

en lecture se situe au-dessus de la moyenne. En Suisse,<br />

Allemagne et Belgique, ces compétences dépendent le plus fortement<br />

du statut professionnel des parents (cf. étude de PISA).<br />

Dans les cantons de Berne et Saint-Gall, 61 % des élèves de<br />

l'école secondaire sont tout aussi compétents en lecture et mathématiques<br />

que leurs collègues fréquentant le gymnase. Dans<br />

le Canton de Berne, presque 30 % des élèves issus des classes<br />

à exigences élémentaires ne diffèrent pas des élèves du gymnase<br />

sur la base de leurs compétences mathématiques. Le problème<br />

de la mauvaise sélection prend de l'ampleur (évaluation<br />

PISA au niveau cantonal).<br />

L'intégration: une ancienne tâche de l'école qui<br />

prend une nouvelle signification<br />

Au niveau rhétorique, l'idée d'une école intégrative, c'est-à-dire<br />

«sans exclusion» s'est répandue à une large échelle. Le personnel<br />

enseignant, la Direction de l'Instruction publique de même que la<br />

recherche en matière de formation préconisent en principe une<br />

école qui intègre le plus grand nombre possible d'élèves au lieu<br />

de les discriminer, des établissements scolaires sélectionnant<br />

moins et encourageant davantage. D'une part, ce discernement<br />

se base sur les résultats de nombreux projets pilote qui font ressortir<br />

qu'une école intégrative a tendance à exclure moins de<br />

jeunes qui n'ont «pas réussi à suivre» et qui de ce fait deviennent<br />

une charge pour la société. D'autre part, les résultats de l'étude<br />

PISA montrent que les établissements scolaires de type discriminatoire<br />

«produisent» tendanciellement des élèves plus faibles en<br />

fin de scolarité que les écoles intégratives.<br />

Les enseignantes et enseignants se trouvent dès lors devant<br />

un dilemme: si, du point de vue pédagogique, une école sans exclusion<br />

fait figure de modèle, la pratique est tout autre; en effet,<br />

l'école actuelle représente déjà une grande charge pour le personnel<br />

enseignant, avant tout dans les agglomérations et les régions<br />

citadines hétérogènes. Une école à caractère intégratif mais<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 59


ateliers<br />

manquant de ressources suffisantes augmente de surcroît la pénibilité,<br />

les classes hétérogènes sollicitant, de par la nature des<br />

choses, davantage les enseignant-e-s.<br />

Une école sans discrimination a besoin de<br />

ressources adéquates<br />

Du point de vue social, il ne s'agit pas de jeter le bébé avec l'eau<br />

du bain! En effet, réaliser une école où la discrimination fait défaut,<br />

sans mettre à disposition les ressources adéquates pour l'enseignement<br />

en duo pédagogique, la supervision, le «coaching», le<br />

soutien pédagogique, etc. mène à un résultat diamétralement opposé<br />

à celui que l'on aurait atteint avec des ressources suffisantes:<br />

un allègement des frais consécutifs découlant de la «prise<br />

en charge extrascolaire» de jeunes à la dérive, qui sont incapables<br />

de prendre leur vie en main.<br />

Si le Canton de Berne a vraiment la volonté de prendre au<br />

sérieux l'application de l'article concernant l'intégration scolaire,<br />

il doit, à cet effet, mettre en place une procédure méticuleuse auprès<br />

du personnel enseignant. Cette procédure engloberait de<br />

multiples étapes telles que formation, perfectionnement, motivation<br />

par le biais d'exemples concrets de réussite et d'échec,<br />

étude des concepts sous-jacents et finalement dépenses supplémentaires<br />

en matière de pédagogie. Il y a aussi lieu de savoir que<br />

les classes hétérogènes, qui découlent naturellement d'écoles ne<br />

connaissant pas la discrimination, nécessitent des ressources et<br />

structures appropriées, notamment le team-teaching, l'enseignement<br />

supplémentaire et d'appoint, le soutien pédagogique, etc.<br />

Intervention nécessaire au niveau politique<br />

Si, au niveau de la «réalité politique», les ressources étaient insuffisantes,<br />

les étapes en direction d'une école intégrative ne devraient<br />

pas purement et simplement être refusées. Il s'agit bien<br />

plus, au vu de la nécessité d'une «école sans exclusion», de se<br />

procurer les moyens nécessaires en réunissant toutes les forces.<br />

Et avec une partie seulement des instruments disponibles, il est<br />

déjà possible de réaliser certaines choses. A cet effet, l'Alliance<br />

verte et sociale a créé un site (en allemand) sous l'adresse<br />

www.integrative-schule.ch. Ce site, qui a pour objectif de présenter<br />

les possibilités et les modèles d'une école de type intégratif,<br />

contient:<br />

des modèles performants et suggestions quant à l'application<br />

déjà en cours de modèles d'intégration scolaire;<br />

des propositions en vue de décisions politiques, qui peuvent<br />

nous amener plus loin sur le chemin de l'intégration scolaire;<br />

une liste contenant des liens pour d'autres modèles et des suggestions<br />

pédagogiques en la matière.<br />

Systèmes scolaires hétérogènes<br />

au degré secondaire I<br />

Présentés à la lumière d’exemples concrets empruntés aux trois régions linguistiques<br />

Atelier 2<br />

Le Grand Conseil tessinois a décidé il y a trente ans de mettre en<br />

place la «scuola media», un modèle destiné à accueillir sous le<br />

même toit tous les élèves de 11 à 15 ans ; auparavant, les enfants<br />

se voyaient contraints de choisir à onze ans entre la voie qui les<br />

conduirait vers des études supérieures et celle qui déboucherait<br />

sur un apprentissage.<br />

La réforme a consisté à introduire un bloc de quatre ans subdivisé<br />

en deux cycles de deux ans. Le premier cycle dit «d’observation»<br />

se caractérisait par un enseignement commun dans des<br />

classes hétérogènes, tandis que le second, dit «d’orientation»<br />

comprenait un enseignement partiellement ou entièrement différencié<br />

(à niveaux).<br />

Au cours des trente années écoulées, ce système a connu pluavec<br />

André Allisson, chef de projet, Département de l’instruction<br />

publique du canton de Neuchâtel; Béatrice Barbey, enseignante<br />

au Cycle d’orientation à Genève; Gian-Pietro Milani, vice-directeur<br />

de la scuola media, à Losone; Martin Sahli, directeur de<br />

l’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen à Berne; Regina<br />

Stauffer, présidente de la commission fédérative ssp Formation<br />

Education Sciences (présidence)<br />

résumé: Ruedi Tobler, traduction: Martine Besse<br />

Les informations et les discussions portaient sur différents modèles<br />

scolaires hétérogènes, leur contexte politique ainsi que les<br />

chances qu’ils offraient et les éventuels dangers qu’ils comportaient.<br />

Dans ce rapport, nous laissons de côté le modèle neuchâtelois,<br />

car le canton a gelé le projet de réforme, en partie à cause<br />

de l’opposition des enseignant-e-s.<br />

La scuola media au Tessin – une école qui<br />

accueille tous les élèves du degré secondaire I<br />

60 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

sieurs modifications, notamment dans le deuxième cycle. Ainsi, on<br />

est passé d’une organisation en sections A et B (classes différentes)<br />

à une organisation en niveaux 1 et 2, pour finalement aboutir<br />

à des cours A et B (tous deux partiellement différenciés).<br />

Depuis 1980, il existe un service de soutien pédagogique pour<br />

les élèves qui présentent des difficultés d’apprentissage ou de<br />

comportement ainsi que des cours pratiques visant à favoriser<br />

l’intégration (exigences réduites, remplacement de certaines disciplines<br />

par des activités manuelles afin de faciliter l’insertion des<br />

élèves dans le monde du travail). Parallèlement, des cours de base<br />

d’italien ont été introduits pour les enfants issus d’autres<br />

contextes linguistiques, afin de favoriser leur intégration.<br />

Le cycle d’orientation genevois<br />

Le «cycle d’orientation» genevois comprend les trois dernières années<br />

de l’école obligatoire (7 e à 9 e année). A quelques rares exceptions<br />

près, tous les élèves y entrent. Des mesures particulières<br />

sont mises en place pour les jeunes migrant-e-s, par le biais des<br />

classes d’accueil (<strong>40</strong> % de la population genevoise est d’origine<br />

étrangère).<br />

Sur la base de leurs notes et de tests passés à la fin de la 6 e année<br />

primaire, les élèves sont orientés dans la filière A ou B. En<br />

principe, ces deux filières ne sont pas hiérarchisées. Les objectifs<br />

d’apprentissage y sont les mêmes, bien que les plans d’étude diffèrent.<br />

La grille-horaire est la même, en dépit de certaines branches<br />

à option; seuls les effectifs de classe sont différents: environ<br />

24 élèves en A et 16 en B.<br />

Il est possible de passer d’une filière à l’autre à n’importe quel<br />

moment. A la fin de l’année scolaire, le passage de B à A s’effectue<br />

automatiquement si l’élève obtient une moyenne générale de<br />

4,8; en cours d’année, le passage se fait selon la décision de la<br />

conférence des maîtres. Il est assez facile d’obtenir une moyenne<br />

de 4,8, car toutes les branches ont la même valeur (la note de gymnastique<br />

peut donc compenser la note d’allemand). Mais de<br />

bonnes notes en B ne garantissent pas à l’élève qui passe en A<br />

puisse suivre.<br />

Des moyens supplémentaires accordés aux classes B devraient<br />

permettre de réduire l’écart entre les deux filières. Mais ces<br />

moyens sont insuffisants (par ex. 2 heures hebdomadaires avec<br />

la présence de deux enseignant-e-s). Et les effectifs en hausse<br />

dans les classes de la filière A ne permettent pas aux enseignant-e-s<br />

d’accorder l’attention nécessaire à un élève arrivant de B ou<br />

à un élève qui risque de «tomber» en B.<br />

L’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen,<br />

à Berne, avec un modèle hétérogène pour les<br />

élèves de la 7 e à la 9 e année<br />

L’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen accueille des enfants<br />

de l’école enfantine au degré secondaire I. Cet établissement<br />

propose aussi une prise en charge des enfants toute la journée.<br />

Le projet pilote de Bern-Ouest a vu le jour sur la base d’une décision<br />

politique; il devrait prendre fin durant l’année scolaire<br />

20<strong>05</strong>/2006.<br />

Le modèle qui prévoit de maintenir ensemble les élèves, de la<br />

1 ère à la 9 e année, est en place depuis 1988. Tous les élèves fréquentent<br />

la même classe; à partir de la 7 e année, des groupes à niveau<br />

sont constitués en allemand, mathématique et français; les<br />

élèves restent toutefois dans la même classe pour<br />

l’enseignement. Il est possible de changer de niveau<br />

au début de chaque semestre. La décision définitive<br />

est prise par les responsables légaux en<br />

fonction de la proposition des enseignant-e-s et du<br />

vœu de l’enfant.<br />

L’évaluation des prestations se fait sans notes,<br />

de l’école enfantine à la neuvième année. A la fin<br />

de chaque année scolaire, un rapport d’évaluation<br />

détaillé est remis à l’élève, accompagné de son auto-évaluation.<br />

Au terme du premier semestre, un<br />

entretien réunissant les parents, l’élève et l’enseignant-e<br />

doit avoir lieu obligatoirement chaque année.<br />

La transition vers la formation professionnelle<br />

fonctionne bien, grâce à des entretiens qui sont,<br />

pour le maître d’apprentissage, beaucoup plus révélateurs<br />

que les notes.<br />

Un-e enseignant-e spécialisé-e suit chaque classe. Grâce à son<br />

observation, à des entretiens et à une aide ciblée durant l’enseignement<br />

en classe, en groupe ou individuel, l’enseignant-e spécialisé-e<br />

vient en aide aux enfants en difficulté. Si ces mesures<br />

n’apportent pas le résultat escompté, il est possible de transférer<br />

l’enfant dans une classe polyvalente à effectif réduit (pour y<br />

suivre certaines branches ou la totalité des branches). Au terme<br />

d’une période probatoire, la décision du retour dans la classe<br />

d’origine ou du transfert dans la classe à effectif réduit est prise<br />

avec toutes les personnes impliquées. Le retour dans une classe<br />

régulière reste possible, même ultérieurement.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 61


ateliers<br />

Conclusion<br />

La façon dont les trois modèles sont perçus diffère. Concernant<br />

la scuola media, la majorité des enseignant-e-s, des directions, des<br />

spécialistes et des organisations de parents consultés ont une attitude<br />

positive, en particulier en ce qui concerne l’égalité des<br />

chances et la sélection. La scuola media a ouvert le système scolaire<br />

tessinois à toutes les classes sociales et créé des conditions<br />

scolaires identiques pour tous. Le gain essentiel pour les jeunes<br />

issus de couches sociales moins favorisées est le fait de pouvoir<br />

bénéficier d’une formation scolaire plus complète et plus moderne<br />

qu’auparavant.<br />

Comme le ton critique de la présentation le laisse entendre,<br />

l’appréciation du cycle d’orientation est plutôt ambivalente. Le<br />

système est à double tranchant, car il introduit une certaine<br />

– mais pas une vraie – hétérogénéité. En Finlande, le système est<br />

entièrement hétérogène jusqu’à l’âge de seize ans. Les bons élèves<br />

n’en souffrent pas et ceux qui rencontrent des difficultés sont<br />

stimulés par les meilleurs. Dans le système genevois, il n’y a ni<br />

l’un ni l’autre: les deux niveaux sont hétérogènes, mais le niveau<br />

B ne bénéficie pas de l’effet de stimulation des bons élèves. Une<br />

difficulté supplémentaire vient s’ajouter: celle de trouver une<br />

place d’apprentissage (à Genève, moins de dix pour cent des<br />

contrats d’apprentissage sont signés avec des élèves sortant de<br />

la 9 e année).<br />

Le jugement formulé sur le modèle hétérogène de l’école du<br />

quartier de Stapfenacker/Brünnen – qui ne se limite pas aux dernières<br />

années du degré secondaire I – met particulièrement en<br />

évidence les conditions nécessaires à la réussite d’un tel projet.<br />

Il est essentiel que toutes les mesures (différenciation interne,<br />

évaluation, soutien pédagogique spécialisé, formation continue)<br />

bénéficient du soutien de toutes les parties impliquées (élèves,<br />

représentants légaux, conseil des parents et commission scolaire).<br />

Un concept global est en outre indispensable pour la réussite<br />

du projet.<br />

Concernant Genève, on a relevé une condition cadre nécessaire<br />

à toute réforme scolaire, à savoir la difficulté de mettre en<br />

place un système généreux en apparence dans une période de<br />

restrictions budgétaires où prévaut la politique des caisses vides.<br />

Si l’on veut qu’un tel système offre de réelles chances d’émancipation<br />

à tous les élèves, il faudrait que les moyens appropriés<br />

soient mis à disposition. Mais à Genève, le nombre d’élèves a augmenté<br />

de presque 10'000 en dix ans, alors que plus de cent postes<br />

d’enseignant-e-s ont disparu.<br />

L’enseignement dispensé à des<br />

élèves de différentes classes d'âge<br />

– redécouverte d'un type<br />

d'enseignement d'avenir<br />

Cycle élémentaire, classes à plusieurs niveaux et école globale – une réponse à l'hétérogénéité<br />

Atelier 3<br />

animé par Katrin Meier, enseignante d'école primaire<br />

Elisabeth Vogt, enseignante du cycle de base<br />

Peter Zweerus, directeur d'école/enseignant d'école primaire<br />

traduction: Pierre Voit<br />

L'apprentissage chez les élèves de diverses classes<br />

d'âge complète l'hétérogénéité découlant naturellement<br />

de leur formation, de leur langue et de leur culture,<br />

et étaye ainsi l'intégration de tou-te-s.<br />

Il est impossible, en fonction de diverses sélections, de mettre<br />

sur pied une classe homogène, car même dans des classes dont<br />

la tranche d'âge est identique, les enfants en provenance de cultures<br />

diverses et ne disposant pas d'une formation et capacités<br />

intellectuelles uniformes, vivent ensemble dans ces classes pour<br />

apprendre.<br />

La grande différence entre les classes de la même tranche d'âge<br />

et les classes dont les âges sont différents est que dans ces dernières,<br />

l'hétérogénéité est manifeste. A partir du moment où l'on<br />

sera conscient du fait que la vitesse, le volume et la qualité d'apprentissage<br />

varient d'élève en élève, il sera possible d'apprendre<br />

dans un climat détendu, et partant, plus favorable, l'égalité des<br />

chances étant ainsi garanti dans ce type de classes.<br />

62 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

L'apprentissage dans des classes hétérogènes<br />

au niveau de l'âge est la conséquence<br />

logique d'un apprentissage naturel, qui<br />

est introduit par le biais du cycle élémentaire<br />

et qui doit se poursuivre jusqu'à la fin<br />

de la filière scolaire.<br />

Ce type d'apprentissage a d'ailleurs connu<br />

des hauts et des bas ces dernières années.<br />

Après que les classes à plusieurs niveaux<br />

ont été déclarées, en 1920, comme<br />

«forme scolaire optimale», on a voulu à nouveau<br />

les abolir en 1960, dans la mesure du<br />

possible. Ces dernières années, on assiste<br />

toutefois dans tout le pays à la création de<br />

nouvelles classes à plusieurs niveaux, et<br />

ce, non à la suite de mesures d'économies,<br />

mais grâce à l'engagement et à la conviction d'enseignant-e-s. L’introduction<br />

de ce genre de classes se répercute positivement sur<br />

la pédagogie, la méthodologie et la didactique.<br />

Avantages pédagogiques<br />

La situation concurrentielle se détend, on tire profit des différents<br />

savoirs tout en les considérant comme positifs, et les<br />

jeunes apprennent des plus âgé-e-s.<br />

Etant donné que chaque année, une nouvelle volée d'élèves<br />

arrive, voire passe à un degré supérieur, les enfants peuvent<br />

assumer de nouveaux rôles et se construire une nouvelle place<br />

sociale au sein de la classe. En outre, ils apprennent à<br />

connaître ce que signifie se soumettre à un groupe d'enfants,<br />

voire en prendre la direction.<br />

Les élèves qui répètent une année scolaire et les surdoué-e-s<br />

ne sont pas stigmatisés car il n'est pratiquement plus possible<br />

de remarquer le nombre d'années dont un enfant a besoin pour<br />

achever un niveau scolaire.<br />

Les capacités sociales telles que l’égard, la tolérance et la serviabilité<br />

seront vécues, exercées et apprises dans des relations<br />

concrètes et une situation d'apprentissage naturelle.<br />

Il est plus facile d'intégrer les diversités culturelles entre enfants<br />

appartenant à des groupes hétérogènes; les difficultés au<br />

niveau de la discipline et la violence apparente entre enfants<br />

peuvent être fortement réduites.<br />

Les classes à plusieurs niveaux offrent des conditions optimales<br />

à l'intégration d'enfants handicapés et plus faibles.<br />

Avantages méthodiques/didactiques<br />

Les classes à plusieurs niveaux offrent une base idéale pour de<br />

nouvelles méthodes d'apprentissage individuel. En effet, on<br />

peut ainsi, et cela devient même une contrainte, tenir davantage<br />

compte de la vitesse d'apprentissage, étant donné que les<br />

groupes d’une même tranche d'âge sont très petits au sein des<br />

classes.<br />

Tel que demandé par le nouveau plan d'études, les progrès personnels<br />

des élèves doivent se situer au premier plan.<br />

L'attitude face au travail et à l'apprentissage, de même que l'attitude<br />

sociale sont des savoir-être exigés et encouragés, et pouvant<br />

par conséquent aussi être évalués.<br />

L'enseignement dans de telles classes ne peut fonctionner<br />

avec succès que si la collaboration entre enfants est encouragée.<br />

Le personnel enseignant doit rechercher des formes d'enseignement<br />

qui permettent de s'occuper de groupes individuels,<br />

pendant que d'autres groupes font des exercices ou acquièrent<br />

du savoir individuellement ou au sein d'un travail de<br />

groupe. L'on encourage ainsi des compétences dont notre société<br />

a instamment besoin: l'acquisition, le traitement et la sélection<br />

d'informations, ainsi que diverses méthodes de travail<br />

et d'apprentissage.<br />

Etant donné que dans les classes à plusieurs niveaux, une partie<br />

des écolières et écoliers doit – et peut – apprendre en s'organisant<br />

individuellement, les enseignant-e-s doivent, pour<br />

leur part, introduire un enseignement qui soit orienté vers un<br />

objectif: les enfants doivent savoir en vue de quoi ils apprennent.<br />

En formulant clairement les objectifs (p. ex. par le biais<br />

d'un plan d'études hebdomadaire, mensuel ou annuel), les<br />

élèves apprennent à devenir indépendants et à assumer des<br />

responsabilités personnelles.<br />

Et finalement, en présentant ouvertement les objectifs à réaliser,<br />

les parents obtiennent des informations permettant de<br />

mieux soutenir leur-s enfant-s et de collaborer davantage avec<br />

le personnel enseignant.<br />

Les enfants et jeunes en provenance de classes hétérogènes ne<br />

sont pas seulement bien préparés pour la vie active ou d'autres<br />

écoles en ce qui concerne les domaines spécifiques, mais également<br />

pour ce qui est des compétences sociales.<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 63


ateliers<br />

Pour une meilleure promotion du<br />

potentiel pour davantage de jeunes<br />

au degré secondaire II<br />

Thèses concernant cette problématique, notamment par rapport aux enfants de migrant-e-s et pistes pour trouver des<br />

solutions<br />

Atelier 4<br />

avec Daniela Podda, Attial Toptas et Martina Turnes<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

(n'a pas eu lieu faute de participant-e-s)<br />

Voulant savoir de quels potentiels les jeunes d'origine<br />

étrangère disposent du fait de leurs expériences<br />

de migration, nous avons réalisé une enquête<br />

auprès d'élèves, garçons et filles, âgé-e-s de 16<br />

à 19 ans, d'origine étrangère et qui sont en formation à l'école de<br />

commerce KV Reinach. Leurs pays d'origine sont les suivants:<br />

Portugal, Espagne, Italie, Croatie, Monténégro, Albanie et Turquie.<br />

Dans un premier temps, nous avons récolté des données au<br />

moyen d'un questionnaire, puis nous avons mené des discussions<br />

avec des groupes de garçons et de filles séparés. Les résultats de<br />

cette enquête ont permis de formuler les thèses suivantes:<br />

1. Les élèves d'origine étrangère ayant réussi à être admis au degré<br />

secondaire II ont une capacité d'endurance, ont accepté de<br />

faire des détours, ont appris à s'orienter sans l'aide de leurs<br />

parents et ont dépendu au degré primaire et au degré secondaire<br />

I des connaissances et des opinions des enseignant-e-s<br />

concernés.<br />

2. Les élèves d'origine étrangère n'ont pas appris comment réagir<br />

aux mécanismes d'exclusion, à la critique, à l'incompréhension,<br />

aux questions sur leur culture d'origine et à la méconnaissance<br />

de cette dernière. Pour pouvoir réagir, ils/elles devraient<br />

disposer d'un large répertoire de modes de comportement.<br />

3. Les enseignant-e-s manquent assez généralement des connaissances<br />

nécessaires pour savoir comment activer les ressources<br />

dont disposent les jeunes migrant-e-s.<br />

4. Les jeunes migrant-e-s peuvent être encouragés, si les enseignant-e-s<br />

leur font prendre conscience qu'ils ont une capacité<br />

d'endurance, qu'ils peuvent mobiliser leur énergie et qu'ils<br />

sont capables de trouver une aide dans certaines techniques<br />

ou auprès de certaines personnes. Certain-e-s ont développé<br />

une connaissance approfondie des différences de comportement<br />

liées à la culture et ont ainsi réussi à réduire les préjugés;<br />

d'autres utilisent leur capacité à apprendre les langues étrangères.<br />

Ils devraient apprendre à utiliser consciemment ces capacités.<br />

5. Dans les classes – précisément dans celles du degré secondaire<br />

II – il convient de thématiser les différentes perceptions,<br />

attitudes, habitudes et valeurs de personnes provenant de différents<br />

pays d'origine. Par exemple: le respect des parents par<br />

les jeunes, le rôle de la famille (élargie).<br />

Objectifs:<br />

Reconnaître: a) que toutes les personnes sont différentes<br />

les unes des autres et qu'elles ont une personnalité propre;<br />

et b) qu'il ne faut pas considérer que toute chose est soit<br />

bonne, soit mauvaise, mais qu'une chose peut aussi être reconnue<br />

comme étant «différente».<br />

Apprendre à pallier le manque de connaissances et à réduire<br />

les préjugés: éveiller l'intérêt réciproque des uns pour<br />

les autres et poser des questions. Cela donne à l'ensemble<br />

de la classe l'occasion d'apprendre comment réagir lorsqu'on<br />

est «montré du doigt». Les jeunes devraient apprendre<br />

à montrer qui ils/elles sont et nouer des contacts<br />

au lieu de recourir à la force physique – apprendre à utiliser<br />

le langage de la curiosité plutôt que celui de la violence.<br />

6. Les enseignant-e-s doivent faire prendre conscience aux jeunes<br />

qu'une maîtrise correcte de l'allemand, du français ou de l'italien<br />

– selon la région linguistique considérée – est importante<br />

et qu'ils/elles sont capables de l'acquérir. Si nécessaire, les<br />

élèves bénéficieront d'un programme de soutien.<br />

7. Le contact avec les parents est important: les valeurs et les différents<br />

domaines de compétence devraient être thématisés.<br />

Les notions d'indépendance, de compétences personnelles et<br />

de compétences sociales doivent être expliquées aux parents<br />

issus de la migration pour qu'ils puissent comprendre que ces<br />

capacités sont des conditions tout aussi importantes pour les<br />

chances de carrière de leurs enfants que les bonnes notes attribués<br />

pour les performances scolaires.<br />

64 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

Nouvelles formes d'évaluation jugées<br />

à l'aune de l'égalité des chances<br />

Nécessité d’exigences (standards) très claires et dont la réalisation est vérifiable.<br />

Atelier 5<br />

Urs Vögeli-Mantovani, Centre suisse de coordination<br />

pour la recherche en éducation, Aarau<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

L'évaluation des acquis et de l'attitude des élèves face<br />

au travail doit accepter la contradiction suivante:<br />

elle sert soit à favoriser l'apprentissage et le développement,<br />

soit à trier les élèves pour les diriger<br />

dans les différentes filières de formation. Elle ne peut servir aux<br />

deux objectifs simultanément. Afin d'atténuer l'effet sélectif et de<br />

renforcer la promotion de l'apprentissage, différentes nouvelles<br />

formes et procédures d'évaluation ont été testées et parfois introduites<br />

au cours des quinze dernières années. L’un des ces outils<br />

est le Portfolio des langues. Il a été présenté dans le cadre de<br />

l'atelier et testé par les participant-e-s quant à sa contribution à<br />

la réalisation de l'égalité des chances.<br />

Thèse<br />

Toutes les nouveautés en matière d'évaluation des élèves sont, en<br />

fin de compte, liées à des procédures et à des instruments qui<br />

peuvent aussi bien renforcer l'aspect de la promotion que l'effet<br />

sélectif. Ce qui est déterminant, c'est l'accent mis sur certains<br />

facteurs tels que la tâche de formation attribuée par la société, la<br />

manière de concevoir l'apprentissage et les performances des<br />

élèves, les normes de référence (ou de mesure) appliquées par<br />

l'évaluation, les conditions structurelles de la carrière scolaire<br />

liées à l'institution école. Si l'on veut renforcer l'aspect de la «promotion»,<br />

ce qui est fondamentalement nécessaire, alors la manière<br />

d'accentuer ces facteurs ne peut être quelconque, elle doit<br />

respecter des normes spécifiques.<br />

Parmi les thèses élaborées en vue de la journée d'étude figure<br />

– sous le titre «Promotion efficace de l'apprentissage» – la thèse<br />

suivante, qui concerne l'atelier:<br />

L'évaluation de l'apprentissage devrait servir en premier lieu à promouvoir<br />

le mieux possible les apprenant-e-s et les aider à développer<br />

leur potentiel. Si l'école prend des décisions de carrière,<br />

les performances dans les branches enseignées ne doivent pas<br />

être le seul critère déterminant. Les compétences personnelles et<br />

sociales comme l'indépendance, le comportement social et la capacité<br />

à fonctionner en équipe doivent également être pris en<br />

considération.<br />

Commentaire<br />

Cette thèse est certainement largement soutenue par les professionnels<br />

de l'école, les politicien-ne-s travaillant sur le dossier de<br />

la formation et les parents. Les enseignant-e-s affirmeront avec<br />

conviction qu'ils/elles appliquent déjà cette thèse. Si elle est mise<br />

en œuvre, c'est parce qu'elle ne fixe pas d'obligations concrètes,<br />

telles que des critères et des standards devant être respectés<br />

impérativement pour sa réalisation. Une exigence (standard)<br />

claire et dont la réalisation est vérifiable est la norme de référence<br />

appliquée par l'évaluation. Conformément à la thèse cidessus,<br />

les seules normes acceptables pour une évaluation seraient<br />

la comparaison d'un acquis ou d'une attitude d'élève face<br />

au travail avec un objectif d'apprentissage concret ou la constatation<br />

d'un progrès individuel. Par contre, le fait de comparer un<br />

acquis ou une attitude face au travail avec les acquis et attitudes<br />

des autres élèves de la classe en question ne serait pas admissible<br />

ou ne remplirait pas les exigences de cette thèse. C'est pourtant<br />

encore la pratique dominante dans l'ensemble du pays. Au<br />

moyen de cet exemple, il est possible de montrer comment l'on<br />

peut créer un cadre contraignant et vérifier si les objectifs ont été<br />

atteints, de manière à ce que l'évaluation des élèves ne crée pas<br />

d'obstacles à la réalisation de l'égalité des chances.<br />

La thèse évoquée ci-dessus n'aborde cependant pas le dilemme<br />

de l'évaluation des élèves («promouvoir ou sélectionner») et<br />

auquel les enseignant-e-s ne peuvent échapper. De ce fait, elle ne<br />

renforce pas de manière efficace la promotion.<br />

Conclusion<br />

Tout comme les autres instruments d'évaluation, le Portfolio des<br />

langues ne peut apporter une contribution à la réalisation de l'égalité<br />

des chances que s'il est utilisé exclusivement pour soutenir<br />

la promotion de l'apprentissage et pour atteindre les objectifs<br />

fixés et non pour sélectionner. En effet, parmi les fonctions de<br />

l'évaluation, celle de la sélection est dominante et éclipse toutes<br />

les autres.<br />

Référence bibliographique<br />

Vögeli-Mantovani Urs, Mehr fördern, weniger auslesen. Zur Entwicklung der schulischen<br />

Beurteilung in der Schweiz. Aarau 1999, 284 S., Fr. 20.--.<br />

En français: Pour une évaluation plus formative et moins sélective. Le développement de<br />

l'évaluation scolaire en Suisse<br />

Version abrégée du rapport de tendance n° 3, Fr 10.–, IRDP, Neuchâtel, 1999, ISBN 288451-001-X<br />

Commande: Centre suisse de coordination pour la recherche en éducation (CSRE),<br />

Entfelderstr. 61, 5000 Aarau, ou par e-mail: urs.voegeli@swissonline.ch<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 65


ateliers<br />

Après l’école, le grand saut dans le vide<br />

(In)égalité des chances et sélection lors de la transition vers l’apprentissage et les écoles du degré secondaire II<br />

Atelier 7<br />

animé par Thomas Meyer, chef de projet de l’étude longitudinale<br />

nationale sur la Transition de l’Ecole à l’Emploi TREE<br />

traduction: TREE et Martine Besse<br />

TREE est la première étude longitudinale nationale<br />

sur la transition des jeunes de l'école à la vie adulte.<br />

Cette étude porte sur les parcours de formation et<br />

et les parcours professionnels des jeunes après<br />

l'école obligatoire. L'échantillon de TREE comprend environ 6000<br />

jeunes qui ont participé à l'enquête PISA (Programme for International<br />

Student Assessment) en 2000 et ont terminé l'école obligatoire<br />

la même année. Cet échantillon est représentatif tant sur<br />

le plan national qu'au niveau des régions linguistiques. Lors de la<br />

première phase de TREE jusqu'en 2003, trois volets d'enquête ont<br />

été menés. Ces volets ont permis d'analyser de manière détaillée<br />

les parcours de formation et les trajectoires professionnelles des<br />

répondants au moment du passage de l'école obligatoire au degré<br />

secondaire II.<br />

Cette première phase porte avant tout sur les conditions, les<br />

caractéristiques du processus et les conséquences de parcours<br />

irréguliers ou critiques, surtout en cas d'abandon prématuré de<br />

la formation (jeunes qui restent sans diplôme de formation postobligatoire).<br />

La deuxième phase de TREE (quatre volets supplémentaires<br />

entre 2004 et 2007) se concentre sur le deuxième pallier de l'enquête,<br />

à savoir le passage d'une formation de niveau secondaire<br />

II (apprentissage, gymnase, école de degré diplôme) à la vie<br />

professionnelle ou à une formation de niveau tertiaire.<br />

Quels chemins mènent à la vie d’adulte <br />

Les résultats sont disponibles pour les trois premiers questionnaires<br />

(état janvier 20<strong>05</strong>). Le graphique en arbre vous montre<br />

pour quelle raison nous avons appelé notre projet TREE, le mot<br />

anglais pour arbre. Le tronc de l’arbre représente selon nos estimations<br />

environ 80'000 jeunes de toute la Suisse, qui ont quitté<br />

l’école obligatoire en été 2000.<br />

A partir de là, les branches de l’arbre sont de plus en plus nombreuses:<br />

en 2001, la moitié des jeunes suivent une formation professionnelle<br />

et un quart environ ont commencé une formation<br />

scolaire de type général. Un autre quart environ fréquentait une<br />

Graphique: TREE<br />

66 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

solution transitoire ou n’était pas en formation.<br />

En 2002, soit deux ans après la fin de l’école obligatoire,<br />

d’autres branches ont poussé: environ une personne sur six,<br />

après être passée par une solution transitoire, entre avec un décalage<br />

d’une année dans une formation générale ou professionnelle,<br />

alors qu’à peu près 7 % sont encore à la recherche d’une<br />

formation deux ans après la sortie de l’école obligatoire. Sur la<br />

branche de celles et ceux qui ont directement commencé une formation,<br />

10 % environ ont changé de formation en 2002, quelque<br />

3 % ont abandonné après deux années la formation commencée.<br />

En 2003, soit trois années après la fin de l’école obligatoire, la<br />

couronne de l’arbre est devenue plus touffue. En haut à gauche<br />

de la branche directe, seule une bonne moitié des jeunes y restent<br />

encore.Tous les autres ont fait – ou dû faire – au cours de ces<br />

trois années quelques détours ou écarts: solution transitoire,<br />

changement, interruption ou abandon de formation.<br />

C’est ainsi qu’en trois ans les destins des jeunes gens et jeunes<br />

filles, qui se pressaient ensemble sur les bancs d’école au printemps<br />

2000 encore, ont évolué dans des directions et à des<br />

rythmes tout à fait différents. En été 2003, certains avaient déjà<br />

un CFC ou une maturité en poche, alors que d’autres commençaient<br />

seulement un premier apprentissage ou des études. Dans<br />

l’ensemble, en 2002 comme en 2003, 9 jeunes sur 10 suivaient une<br />

formation professionnelle ou une école de formation générale.<br />

On ne donne qu’à celles et ceux qui ont déjà<br />

Telle, est dans l’ensemble, la règle qui détermine le fonctionnement<br />

du système de formation que nous connaissons. Et cette<br />

tendance s’accentue plus on monte dans la hiérarchie de la formation.<br />

Au moment de passer de l’école obligatoire à la formation<br />

professionnelle ou à des écoles de formation générale du degré<br />

secondaire II, l’origine sociale est un facteur d’influence omniprésent.<br />

Tandis que le quart des jeunes dont la position sociale<br />

est la meilleure occupent la moitié des places dans les écoles<br />

de type gymnasial, on trouve à l’autre extrémité du spectre social<br />

des jeunes qui piétinent pendant des années pour trouver une<br />

place d’apprentissage, bien qu’ils fournissent, d’après PISA, des<br />

prestations tout à fait «concurrentielles».<br />

Dans cette lutte pour trouver des places de formation au degré<br />

secondaire II, les prestations ne jouent souvent qu’un rôle secondaire.<br />

Ce qui est souvent bien plus déterminant – indépendamment<br />

des prestations – c’est le fait d’avoir suivi avant la fin<br />

de la scolarité obligatoire une école du degré secondaire de type<br />

gymnasial ou non. Les élèves qui ont suivi les filières «générales»<br />

sont stigmatisés, peu importe la qualité de leurs prestations. Au<br />

moment de la transition, les inégalités sociales se cumulent, car<br />

les élèves qui fréquentent les filières générales sont plutôt ceux<br />

qui sont socialement les plus démunis – indépendamment des résultats<br />

qu’ils fournissent.<br />

D’autres informations concernant le projet TREE sont disponibles sur le site Internet: www.tree-ch.ch.<br />

Préparation de la profession, offres<br />

passerelles, solutions transitoires<br />

– modèles et revendications<br />

Le droit à la formation doit être étendu à la formation post-obligatoire.<br />

Atelier 8<br />

avec Susanna Rusca, Martin Wolfer, Katrin Wüthrich<br />

Texte: Susanna Rusca<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

Après l'école obligatoire, chaque jeune personne devrait<br />

pouvoir continuer à se former dans une école<br />

subséquente ou dans le cadre d'une formation professionnelle,<br />

en fonction de ses intérêts et de ses<br />

possibilités, pour une durée minimale de trois ans et obtenir ensuite<br />

un certificat de fin d'études du degré secondaire II qui soit<br />

reconnu. A terme, il s'agit d'ancrer ce droit dans la Constitution<br />

suisse.<br />

Certificat de fin d'études du degré secondaire II:<br />

une nécessité absolue<br />

Le «degré secondaire II» s'est transformé en degré de formation<br />

obligatoire pour toute personne en vue d'acquérir une base suffisante<br />

pour la vie professionnelle et la vie privée et s'inscrit ainsi<br />

dans le processus d'apprentissage qui caractérise toute la durée<br />

de vie. Les filières du degré secondaire II ne se différencient<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 67


ateliers<br />

ou pour préparer les jeunes à entrer dans<br />

la vie active. Cependant, les offres de raccordement<br />

ne doivent pas simplement être<br />

utilisées comme solution de remplacement<br />

en raison du manque de filières de formation<br />

qualifiante.<br />

que par rapport aux parties consacrées à la culture générale ainsi<br />

que par rapport aux contenus de l'enseignement et du poids<br />

qui est accordé à chaque contenu.<br />

Aujourd'hui, l'offre de formation du «degré secondaire II» est<br />

trop fortement marquée par l'alternative: «gymnase» ou «formation<br />

professionnelle duale». Il faut une multitude de filières de formation<br />

différentes pour tenir compte des capacités intellectuelles,<br />

des intérêts et des degrés de développement des jeunes<br />

qui varient d'une personne à l'autre.<br />

Il est nécessaire de créer les conditions permettant à tous les<br />

jeunes d'entrer dans le monde du travail avec un bagage de qualifications<br />

acquises au cours d'une formation gratuite dans un<br />

gymnase ou une école professionnelle. Il s'agit d'unir les forces<br />

pour offrir à tous les jeunes de bonnes chances pour leur future<br />

entrée dans la vie professionnelle. Tant le monde politique que<br />

l'économie doivent œuvrer en ce sens.<br />

Importance croissante des offres passerelles<br />

Malheureusement presque la moitié des jeunes d'origine étrangère<br />

et plus d'un cinquième des jeunes suisses sont toujours privés<br />

de ce type de formation. Pour les jeunes à faibles performances<br />

scolaires, l'insertion dans le monde du travail devient de<br />

plus en plus difficile. Près de 7 % des jeunes ne trouvent pas de<br />

possibilité de formation subséquente après la scolarité obligatoire<br />

(ce chiffre est encore plus élevé pour les jeunes femmes et<br />

les jeunes allophones).<br />

C'est surtout la prolongation de la précarité des places d'apprentissage<br />

qui a mis en évidence l'importance croissante des<br />

offres passerelles. Car, pour grand nombre de jeunes, le passage<br />

sans interruption de l'école obligatoire à une formation n'est pas<br />

possible. Souvent, les jeunes doivent consacrer une année à faire<br />

autre chose, parce qu'ils ne trouvent pas de place de formation<br />

adaptée à leur situation après l'école. Dans ce contexte, les offres<br />

passerelles jouent un rôle important, par exemple pour permettre<br />

à des jeunes récemment immigrés d'apprendre la langue locale<br />

Nécessité de standards pour<br />

l'efficacité des offres passerelles<br />

La nouvelle loi sur la formation professionnelle<br />

(nLFPr) règle les offres passerelles<br />

et oblige les cantons à prendre des<br />

mesures de préparation à la formation professionnelle<br />

initiale. Les cantons sont invités<br />

à pratiquer une politique de la formation<br />

active et innovatrice. Les multiples<br />

offres passerelles facilitent l'accès des jeunes à des solutions de<br />

raccordement. Bien souvent, ces solutions ne reposent pas sur<br />

un concept systématique, ce qui les rend peu efficaces. Les différentes<br />

offres de raccordement doivent être coordonnées. Il<br />

convient également d'évaluer les offres passerelles existantes<br />

quant à leur qualité et leur efficacité. Au premier plan de ce processus<br />

figurent la standardisation des offres passerelles, la création<br />

d'une base légale dans tous les cantons ainsi qu'un financement<br />

uniforme. Il faut faire avancer la collaboration entres les autorités<br />

responsables de la formation professionnelle et celles responsables<br />

du marché de travail en ce qui concerne le financement<br />

et les contenus des ces offres. L'accès à la formation professionnelle<br />

et donc également à des filières de formation supérieure du<br />

degré tertiaire doit être amélioré.<br />

Une collaboration active entre le secteur économique et l'Etat<br />

est indispensable. Par une coopération étroite entre les associations<br />

économiques, les institutions de formation et les écoles professionnelles,<br />

il est possible de développer à temps des projets<br />

de formation adaptés aux changements structurels. Il est nécessaire<br />

de disposer d'une diversité et d'une offre suffisante de<br />

places de formation pour tou-te-s.<br />

Dans ce contexte, l'Etat et le monde économique doivent<br />

veiller à mettre à disposition un nombre suffisant de places d'apprentissage,<br />

de places dans les écoles ainsi que de places de formation<br />

professionnelle pour tou-te-s les élèves ayant terminé leur<br />

scolarité obligatoire. Des mesures politiques sont nécessaires.<br />

Le dossier de la Commission fédérative formation, éducation et recherche du ssp «Formation<br />

au niveau secondaire II: Un droit pour toutes et tous! – Perspectives pour une réforme<br />

du degré secondaire II» peut être obtenu auprès du ssp ou est à trouver sur le site<br />

www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch (sous «Material») en format PDF.<br />

68 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


ateliers<br />

Comment l'école peut-elle favoriser<br />

une attitude impartiale (fairness)<br />

à l'égard des migrant-e-s<br />

Présentation de programmes du National Coalition Building Institute (NCBI)<br />

Atelier 9 et 10<br />

avec Ron Halbright, Rahel El-Maawi, Canan Salda<br />

traduction: Patrick Vogt<br />

Cet atelier a abordé une partie du cours «fairness»<br />

(impartialité) consacrée à la manière de gérer la<br />

frustration et la déception. Une jeune femme a présenté<br />

le projet partiel «doCH möglich – junge Vorbilder<br />

motivieren Schulklassen» (durchkommen ohne<br />

CH-er Herkunft ist möglich) [trad.: «C'est quand<br />

même possible – des jeunes, servant de modèles,<br />

motivent des classes d'école» (réussir sans être<br />

d'origine suisse est possible)]. Cette présentation a<br />

été suivie d'une discussion sur les possibilités d'une<br />

école adoptant une attitude impartiale («fairness»).<br />

Chaque école doit fixer comme critères de qualité l'égalité des<br />

chances et la formation pour tout-e-s – y compris pour les migran-t-e-s<br />

– et contrôler régulièrement le respect de ces critères.<br />

Elle doit également développer un plan d'action pour améliorer la<br />

situation sur ce plan.<br />

L'école secondaire, c'est pour les Suisses et de nombreux Italiens.<br />

La «Realschule» (école du 1 er cycle de l'enseignement secondaire),<br />

c'est pour les Italiens, les Espagnols, quelques Suisses qui<br />

sont mauvais à l'école et pour quelques Yougoslaves gentils. La<br />

«Oberschule» (école primaire supérieure), c'est pour les Yougoslaves<br />

moins gentils. (Des jeunes d'origine<br />

étrangère.)<br />

Ou:<br />

Ceux dont le nom finit par «ic» ont moins<br />

de chances que les autres. Dans ces cas, je<br />

dois parler personnellement au maître d'apprentissage<br />

et lui dire que celui-là, il n'est<br />

pas comme les autres. (Un enseignant.)<br />

Voilà les paroles que nous entendons<br />

lorsque nous discutons avec des jeunes migrant-e-s<br />

ou avec des enseignant-e-s. Le<br />

projet «NCBI-Fairness» tente de soutenir<br />

les jeunes étrangers au moyen de plusieurs<br />

projets partiels. Il a lancé une campagne<br />

large pour sensibiliser à cette thématique<br />

l'opinion publique et notamment les personnes<br />

concernées, les enseignant-e-s, les orientateurs professionnels,<br />

les autorités scolaires, les maîtres d'apprentissage ainsi<br />

que d'autres personnes de référence pour les jeunes.<br />

L'école et l'apprentissage professionnel sont des institutions<br />

importantes pour l'intégration. Malheureusement, il est apparaît<br />

que les jeunes migrant-e-s s'en sortent moins bien lorsqu'ils passent<br />

par le processus de sélection scolaire et lorsqu'ils recherchent<br />

une place d'apprentissage que les autres jeunes.<br />

NCBI-Fairness a analysé les données pour le canton de Zurich<br />

pour déterminer le taux de succès scolaire des enfants et des<br />

jeunes d'origine étrangère. Les résultats ont ensuite été rendus<br />

publics au moyen d'une grande campagne. C'est un fait reconnu<br />

que les étrangers/-ères ont nettement moins de «succès» à école<br />

et dans la recherche d'une place d'apprentissage que les autres.<br />

En outre, l'analyse des données a montré premièrement, que le<br />

succès des étrangers/-ères varie fortement d'une commune à<br />

l'autre et deuxièmement, que les étrangers/-ères ont moins de<br />

succès dans la recherche d'une place d'apprentissage que des<br />

suisses d'une filière scolaire inférieure à la leur.<br />

Des maîtres/-ses d'apprentissage, enseignant-e-s et animateurs<br />

jeunesse – à savoir des personnes qui s'engagent pour la cause<br />

des jeunes étrangers – émettent différentes critiques, entre<br />

autres, le manque d'engagement et de motivation des jeunes<br />

étrangers/-ères. Elles font également remarquer qu'il existe chez<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 69


ateliers<br />

ces jeunes une frustration et des attitudes autodestructrices, qui<br />

diminuent leurs chances (p. ex. les absences scolaires, les comportements<br />

pour se faire remarquer, le manque d'efforts lorsqu'il<br />

s'agit de s'orienter professionnellement). D'une part, les jeunes<br />

de certaines nationalités ont une mauvaise réputation à l'école et<br />

sur le marché de l'emploi. D'autre part, ils n'épuisent pas leur potentiel<br />

et abandonnent en raison de leur frustration. Nous savons<br />

que le passage de l'école à une place d'apprentissage implique<br />

qu'il faut accepter de recevoir des dizaines de réponses négatives.<br />

Il s'avère que ce surtout les jeunes dont la marge de manœuvre<br />

est moins grande que celle des autres à cause de leur<br />

contexte biographique (famille, origine, expériences scolaires, relations,<br />

etc.) qui doivent supporter davantage de déceptions et<br />

de rejets.<br />

Le projet abordé dans le présent atelier met l'accent sur la collaboration<br />

avec l'école et sur le soutien des enseignant-e-s, des<br />

enfants et jeunes concernés ainsi que de leurs parents. NCBI-Fairness<br />

a ainsi développé une série de mesures pour les communes<br />

scolaires en vue d'augmenter les chances de succès des jeunes<br />

étrangers/-ères. Dans la convention concernant la «Fairness-Schule»<br />

(école adoptant une attitude impartiale), l'on soulève ensemble<br />

des questions qui seront abordées dans le cadre de la collaboration<br />

au cours des années suivantes.<br />

Une de ces mesures est le projet de tutorat intitulé «Vitamin<br />

M». Il prévoit que des volontaires issus des communes ou du quar-<br />

bulletin de commande<br />

Je commande ex. du numéro spécial «La diversité linguistique dans les<br />

écoles suisses – un potentiel important», octobre 2004 (gratuit)<br />

Je commande ex. du dossier «Formation au niveau secondaire II:<br />

Un droit pour toutes et tous», 2003 (gratuit)<br />

Je commande ex. du dossier «Bon scolaire – remède miracle pour une<br />

meilleure école», 2001 (gratuit)<br />

J’adhère au Syndicat des services publics ssp<br />

Je m’intéresse pour le Syndicat des services publics ssp<br />

Envoyez-moi du matériel d’information<br />

Nom:<br />

Prénom:<br />

Rue:<br />

Lieu (NPA):<br />

Profession:<br />

Tél:<br />

Date:<br />

Signature:<br />

A renvoyer à: ssp/<strong>vpod</strong> Enseignant-e-s, case postale 8279, 8036 Zurich<br />

tier concerné accompagnent des jeunes dans la recherche d'une<br />

place d'apprentissage pendant près de 8 mois.<br />

Une autre mesure consiste à ce que des personnes, dont le parcours<br />

est exemplaire, et qui font partie du projet «doCH möglich»<br />

(réussir sans être d'origine suisse est quand même possible) visitent<br />

les classes. Bon nombre de jeunes étrangers/-ères se fixent<br />

des objectifs trop bas en matière de formation, abandonnent et<br />

ne comprennent ensuite plus ce qui serait «quand même possible»<br />

pour eux/elles. Selon l'enquête réalisée dans le canton de<br />

Zurich, près de <strong>40</strong> % des jeunes issus du sud de l'Europe trouvent<br />

une place d'apprentissage. Leur exemple joue un rôle important<br />

pour leurs compatriotes. Dans le cadre du projet «doCH», ils/elles<br />

ont acquis une certaine expérience en tant qu'animateurs/-trices<br />

d'atelier dans les classes d'école et expliquent comment ils/elles<br />

sont en mesure de donner des conseils à des jeunes de leur âge<br />

et de les motiver à ne pas abandonner.<br />

Dans le cadre de cet atelier, le thème «accepter des déceptions»<br />

a été abordé au moyen de jeux de rôles. Comment réagir face aux<br />

réactions de frustration de personnes concernées La frustration<br />

doit s'extérioriser d'une manière ou d'une autre. Les personnes<br />

de référence se sont entraînées à réagir avec empathie face à ces<br />

sentiments et à aider les jeunes à se relever en puissant dans leurs<br />

forces et leurs ressources propres.<br />

Informations (en allemand) sur NCBI et son projet «Fairness» sous: www.ncbi.ch.<br />

70 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>


Unser Einsatz:<br />

Ein gutes Bildungswesen<br />

für alle<br />

Bildung ist ein Menschenrecht und keine Handelsware.<br />

Das Schul- und Bildungswesen – von der Vorschule bis zu den<br />

Universitäten – ist ein Teil des Service public und muss dies bleiben.<br />

Hohe Qualität im Bildungswesen heisst auch Chancengleichheit,<br />

Integration und möglichst späte Selektion.<br />

Das Recht auf Bildung muss auf die nachobligatorische Bildung ausgedehnt<br />

werden, insbesondere ist das Recht auf einen Abschluss auf der Sekundarstufe<br />

II für jede und jeden zu verwirklichen.<br />

Die öffentliche Schule muss mehrsprachig und interkulturell werden.<br />

Die Schule in der Demokratie muss eine Schule der Demokratie sein, mit<br />

Partizipation aller Beteiligten und demokratischer Kontrolle.<br />

Zu einem guten Bildungswesen gehören unabdingbar faire und sichere<br />

Anstellungsbedingungen für die Lehrkräfte – keine prekären<br />

Anstellungsverhältnisse und kein Leistungslohn.<br />

Um effektiv für diese Ziele einstehen zu können,<br />

braucht der <strong>vpod</strong> Ihre Solidarität und Ihr Engagement!<br />

Werden Sie Mitglied des <strong>vpod</strong>.<br />

Sie engagieren sich damit nicht nur für ein gutes Bildungswesen für alle<br />

und den Service public insgesamt;<br />

Sie erhalten beim <strong>vpod</strong> auch in persönlichen Fragen zu Ihrem Beruf und<br />

Arbeitsplatz kompetente Beratung und notfalls Rechtsschutz<br />

und Sie haben im <strong>vpod</strong> Zugang zu wichtigen, für die Mitglieder<br />

kostenlosen oder vergünstigten Dienstleistungen.<br />

Nous nous engageons<br />

en faveur d'un système<br />

éducatif performant<br />

pour toutes et tous<br />

L’éducation est un droit humain et non une marchandise.<br />

Le système scolaire et éducatif – du préscolaire jusqu'à l'université – est un<br />

service public et doit le rester.<br />

Parmi les caractéristiques d'un système éducatif de haute qualité figurent<br />

aussi l'égalité des chances, l'intégration et une sélection la plus tardive possible.<br />

Le droit à la formation doit être étendu à la formation post-obligatoire;<br />

il s'agit notamment de concrétiser le droit de chacun-e à obtenir un diplôme<br />

reconnu du degré secondaire II.<br />

L’école publique doit devenir multilingue et interculturelle.<br />

Dans un pays démocratique, l’école doit être démocratique, prévoyant une<br />

participation de toutes les personnes concernées ainsi qu'un contrôle<br />

démocratique.<br />

Pour que le système éducatif soit performant, il est indispensable que les<br />

conditions de travail soient sûres et justes et qu'il n'y ait pas d’emplois<br />

précaires et pas de salaires au mérite.<br />

Pour atteindre ces objectifs, le ssp a besoin de votre<br />

solidarité et de votre engagement!<br />

Devenez membre du ssp!<br />

En adhérant au ssp, vous défendrez un système éducatif performant pour<br />

toutes et tous ainsi que le service public.<br />

Vous bénéficierez aussi de conseils compétents pour des questions<br />

personnelles concernant votre profession et votre poste de travail et, si<br />

nécessaire, d'une assistance juridique.<br />

Vous profiterez également de prestations importantes, qui sont gratuites<br />

ou avantageuses pour le membres.<br />

Talon auf Seite 37<br />

bulletin de commande à la page 70<br />

die Gewerkschaft<br />

le syndicat<br />

www.<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />

www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />

<strong>vpod</strong> bildung<br />

Postfach 8279<br />

8036 Zürich

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