40 vpod bildungspolitik 143-144 /05
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Nr. <strong>143</strong>/44, Dezember 20<strong>05</strong><br />
Sonderheft / numéro spécial<br />
Bildung für alle<br />
Chancengleichheit und Selektion in<br />
Schule und Berufsbildung<br />
Formation pour toutes et tous<br />
Egalité des chances et sélection à l'école<br />
et dans la formation professionnelle<br />
Dokumentation zur <strong>vpod</strong>-Tagung vom 15. Januar 20<strong>05</strong><br />
Actes de la journée d’étude du ssp du 15 janvier 20<strong>05</strong>
inhalt / sommaire<br />
deutsch seite 7 - 37<br />
4 Editorial: Für die Zukunft der öffentlichen Schule<br />
7<br />
8<br />
Zum Einstieg: Persönliches zu Selektion und Schulkarriere<br />
Jugendliche berichten von ihren Erfahrungen<br />
NCBI-Fairness-Broschüre<br />
français pages <strong>40</strong> à 70<br />
5 Éditorial: Pour l’avenir de l’école publique<br />
<strong>40</strong><br />
41<br />
Entrée en matière: sélection et filière scolaire<br />
à l’aide de quelques exemples personnels<br />
Les jeunes parlent de leurs expériences ...<br />
10<br />
Eine starke Volksschule – Chance für alle<br />
Begrüssungsansprache von Edith Olibet<br />
43<br />
Une école obligatoire forte – une chance pour tou-te-s<br />
Allocution de bienvenue de Edith Olibet<br />
Direktorin für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern<br />
Cheffe du Département de l’éducation, de la sécurité sociale et des sports de la<br />
12<br />
Irrtümer der Selektion. Über die Tücken eines hierarchisch<br />
gestuften Bildungssystems<br />
Winfried Kronig<br />
Privatdozent, Heilpädagogisches Institut, Universität Freiburg<br />
13 Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs<br />
46<br />
Ville de Bern<br />
Les erreurs commises dans la sélection. Les défauts d’un<br />
système éducatif à structure hiérarchique<br />
Winfried Kronig<br />
Privat-docent, Institut de pédagogie curative, Université de Fribourg<br />
15<br />
Sozial und erfolgreich Das Schweizer Bildungssystem im<br />
internationalen Vergleich<br />
Judith Hollenweger<br />
48<br />
Système social, système performant<br />
Le système éducatif suisse en comparaison internationale<br />
Judith Hollenweger<br />
Professorin, Pädagogische Hochschule Zürich<br />
Professeur, Haute école pédagogique Zurich<br />
20<br />
Ist unsere Schule in den Augen der BürgerInnen gerecht<br />
Walo Hutmacher,<br />
53<br />
L’école est-elle juste aux yeux des citoyens<br />
Walo Hutmacher,<br />
Soziologe, Universität Genf<br />
Sociologue, Université de Genève<br />
25 Thesen des <strong>vpod</strong> zur Tagung<br />
58 Thèses pour la journée d’étude du ssp<br />
26<br />
atelier 1 Schule ohne Ausgrenzung<br />
Möglichkeiten und Vorbilder einer integrativen Schule<br />
59<br />
atelier 1 École sans exclusion<br />
Possibilités et modèles d’une école intégrative<br />
27 atelier 2<br />
Integrative Schulsysteme auf der Sekundarstufe I<br />
60 atelier 2<br />
Systèmes scolaires hétérogènes au degré secondaire I<br />
29<br />
30<br />
atelier 3 Altersdurchmischtes Lernen<br />
Die wieder entdeckte Schulungsform der Zukunft<br />
atelier 4 Bessere Förderung des Potenzials für mehr<br />
Jugendliche in der Sekundarstufe II<br />
31 atelier 5<br />
Neue Beurteilungsformen im Chancengleichheitstest<br />
Trendbericht 9: Chancengleichheit im schweizerischen Bildungswesen<br />
62 atelier 3<br />
L’enseignement dispensé à des élèves de différentes classes<br />
d’âge – redécouverte d’un type d’enseignement d’avenir<br />
64<br />
65<br />
atelier 4 Pour une meilleure promotion du potentiel pour<br />
davantage de jeunes au degré secondaire II<br />
atelier 5 Nouvelles formes d’évaluation jugées à l’aune de<br />
l’égalité des chances<br />
32<br />
atelier 7 Nach der Schule in die Leere<br />
Chancen(un)gleichheit und Selektion beim Übergang in<br />
Lehren oder weiter führende Schulen<br />
66<br />
atelier 7 Après l’école, le grand saut dans le vide<br />
(In)égalité des chances lors de la transition vers<br />
l’apprentissage et les écoles du degré secondaire II<br />
34<br />
atelier 8 Berufsvorbereitung, Brückenangebote,<br />
Zwischenlösungen Modelle und Forderungen<br />
67<br />
atelier 8 Préparation de la profession, offres passerelles,<br />
solutions transitoires – modèles et revendications<br />
35<br />
atelier 9 / 10<br />
Wie kann eine Schule Fairness für MigrantInnen fördern<br />
69<br />
atelier 9 / 10 Comment l’école peut-elle favoriser une<br />
attitude impartiale (fairness) à l’égard des migrant-e-s<br />
36<br />
Gesellschaft im Wandel – Schule im Wandel<br />
Beitrag zum Gedenken an Alex Zeitz zur Selektion in der<br />
Volksschule<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 3
edito<br />
Für die Zukunft der öffentlichen<br />
Schule<br />
Ein Grundpfeiler der öffentlichen Schule besteht in der Vorstellung, dass Angebot<br />
und Qualität des Unterrichts überall gleich seien. Nur so lässt sich rechtfertigen,<br />
dass im Rahmen der Schulpflicht in der Regel die Schule am Wohnort, bzw. in grösseren<br />
Orten die am nächsten gelegene Schule zu besuchen ist.<br />
Dass diese Vorstellung mehr mit Fiktion als Realität zu tun hat, ist schon lange kein<br />
Geheimnis mehr. Aber wenn die öffentliche Schule ein gemeinsamer Ort für alle<br />
Kinder bleiben soll – unabhängig von Schicht, Einkommen, Nationalität, Status,<br />
Geschlecht und was der Kategorien mehr sind – und damit auch eine zentrale Funktion<br />
bei der gesellschaftlichen Integration erfüllen kann, dann darf Chancengleichheit<br />
nicht ins Reich der Fiktion abgeschoben werden, muss sie eine zentrale<br />
Vision, ein Leitmotiv der öffentlichen Schule bleiben.<br />
Je früher Selektion erfolgt und je selektiver ein Schulsystem ist, desto stärker unterminiert<br />
es die Chancengleichheit. Aber nicht genug damit, der Erfolg des Gesamtsystems<br />
wird dadurch ebenfalls deutlich beeinträchtigt. Und noch mehr werden<br />
dadurch die Chancen jener Jugendlichen beschnitten, die in die «weniger anspruchsvollen»<br />
Zweige der Oberstufe verbannt werden.<br />
Dies ist der Grund, weshalb das PIB (Projekt Interkulturelle Bildung des <strong>vpod</strong>) die<br />
Initiative ergriffen hat für die Tagung «Bildung für alle – Chancengleichheit und Selektion<br />
in Schule und Berufsbildung». Und wir freuen uns nun, mit diesem Sonderheft<br />
die Dokumentation zu dieser Tagung auf deutsch und französisch vorlegen<br />
zu können und so deren Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />
Im Namen der Redaktionsgruppe<br />
Ruedi Tobler<br />
Foto: Barrigue<br />
Adressänderung<br />
Nachdem das Zentralsekretariat des <strong>vpod</strong> und das Regionalsekretariat<br />
Zürich ihren gemeinsamen Sitz im «Haus<br />
zum Korn» (beim Bahnhof Wiedikon) haben, hat auch die<br />
Koordinationsstelle der <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> dort ein Büro<br />
erhalten. Die neue Adresse lautet:<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong><br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279, 8036 Zürich<br />
Tel. 044 266 52 17, oder wie bisher 071 888 3 888<br />
Fax 044 266 52 53, oder wie bisher 071 888 08 51<br />
mail: redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
Barrigue<br />
Am 7. Juli 1950 in Paris geboren, erschien seine erste Zeichnung für die Presse<br />
1971 in der Rockzeitschrift Extra. Als Zeichner für die Presse und Journalist seit<br />
1972 arbeitete er in Paris für rund ein Dutzend Zeitungen. 1979 verlässt er<br />
Frankreich in Richtung Schweiz und tritt in die Redaktion des Matin (ehemals<br />
Tribune de Lausanne) ein.<br />
Illustriert seit 20 Jahren die Schulbücher für Mathematik zum besonderen Vergnügen<br />
der Lehrkräfte und der Behörden! Zahlreiche Mitwirkungen beim Westschweizer<br />
Fernsehen und 2001 Schaffung eines Kleinkunstprogramms «Les dessous<br />
du dessin de presse». Belebt mit Vergnügen Konferenzen durch direkt auf dem Hellraumprojektor<br />
gezeichnete Bilder – so auch am 15. Januar unsere Tagung in Bern.
édito<br />
Pour l'avenir de l'école publique<br />
Un des piliers du système scolaire public est la conception que le programme des cours et<br />
la qualité de l'enseignement sont partout identiques. C'est la seule manière de justifier le<br />
fait que dans le cadre de l'instruction scolaire obligatoire, les élèves doivent s'inscrire à<br />
l'école de leur lieu de résidence, ou, dans les grandes agglomérations, à l'école la plus proche<br />
de leur domicile.<br />
Or, nous savons depuis bien longtemps – car ce n'est plus un secret – que cette conception<br />
est plutôt une fiction qu'une réalité. Mais si l'école doit rester un espace commun pour tous<br />
les enfants – indépendamment de l'origine sociale, du revenu, de la nationalité, du statut,<br />
du sexe, etc. – et si elle doit pouvoir remplir une fonction primordiale dans l'intégration<br />
sociale, alors le principe de l'égalité des chances ne doit pas rester dans le domaine de la<br />
fiction, mais il doit constituer une vision centrale, une ligne directrice pour l'école publique.<br />
Plus la sélection scolaire est précoce et plus elle est sévère, plus le principe de l'égalité des<br />
chances est remis en cause. Et ce n'est pas tout. Cette situation diminue considérablement<br />
le succès de l'ensemble du système. De plus, cela réduit encore davantage les chances des<br />
jeunes qui sont relégués dans les filières «moins exigeantes» du premier cycle secondaire.<br />
C'est la raison pour laquelle le projet PEI (Projet Education interculturelle du ssp) a pris<br />
l'initiative d'organiser une journée de conférence sur le thème suivant: «Formation pour toutes<br />
et tous – égalité des chances et sélection à l'école et dans la formation professionnelle».<br />
Aujourd'hui, nous sommes heureux de pouvoir vous présenter dans ce numéro spécial une<br />
documentation relative à cette journée de conférence en français et en allemand, afin de<br />
rendre accessibles les résultats des travaux effectués dans ce cadre à un public plus large.<br />
Pour le groupe de rédaction<br />
Ruedi Tobler, traduction: Patrick Vogt<br />
Barrigue<br />
Né le 7 juillet 1950 à Paris, son premier dessin a paru dans la presse pour la revue<br />
de rock Extra en 1971. Dessinateur de presse, journaliste depuis 1972, il collabore<br />
à Paris pour une douzaine de journaux. En 1979 il quitte la France pour rejoindre<br />
la Suisse et la rédaction du Matin (ex Tribune de Lausanne). Illustre depuis 20 ans<br />
les ouvrages scolaires de mathématiques pour le plus grand bonheur du corps<br />
enseignant et des autorités!<br />
De nombreuses collaborations à la Télévision Suisse Romande et création, en<br />
2001, d’un spectacle de cabaret: Les dessous du dessin de presse. Pratique avec<br />
plaisir l’animation de nombreuses conférences par des dessins réalisés en direct<br />
sur rétroprojecteur – par exemple le 15 janvier à notre journée d’étude à Berne.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 5
impressum<br />
Adressen des <strong>vpod</strong> / Adresses du ssp<br />
<strong>vpod</strong> Zentralsekretariat<br />
Christine Flitner<br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279<br />
8036 Zürich<br />
Tel. 044 266 52 52<br />
christine.flitner@<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />
ssp secrétariat central<br />
Agostino Soldini<br />
Av. Ruchonnet 45 bis, case postale 1360<br />
1001 Lausanne<br />
Tél. 021 3<strong>40</strong> 00 00<br />
soldini@ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp-<strong>vpod</strong> Regione Ticino<br />
Raoul Ghisletta<br />
Piazza Collegiata, c.p. 1216<br />
6501 Bellinzona<br />
Tel. 091 826 12 78<br />
<strong>vpod</strong>.bellinzona@ticino.com<br />
www.<strong>vpod</strong>-ticino.ch<br />
<strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung Erziehung Wissenschaft<br />
ssp Commission fédérative formation, éducation et recherche<br />
ssp-<strong>vpod</strong> Commissione nazionale formazione, educazione e scienze<br />
Regina Stauffer (Präsidentin)<br />
Zweiackerstr. <strong>40</strong><br />
8<strong>05</strong>3 Zürich<br />
Tel. 044 382 08 55<br />
regina-stauffer@bluewin.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />
<strong>vpod</strong> Projekt interkulturelle Bildung (PIB)<br />
ssp projet d’écuation interculturelle<br />
ssp-<strong>vpod</strong> progetto per una formazione interculturale<br />
Urs Loppacher<br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8180<br />
8036 Zürich<br />
Tel. 044 295 30 00<br />
urs.loppacher@<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong><br />
Ruedi Tobler<br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279<br />
8036 Zürich<br />
Tel. 044 266 52 17<br />
redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong><br />
www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
Regionaladressen in der Deutschweiz<br />
<strong>vpod</strong> Aargau / Solothurn<br />
Jürg Keller<br />
Bachstr. 43, Postfach 4209<br />
5001 Aarau<br />
Tel. 062 834 94 35<br />
sekretariat@<strong>vpod</strong>-agso.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-agso.ch<br />
<strong>vpod</strong> Region Basel (BL + BS)<br />
Marianne Meyer<br />
Rebgasse 1, Postfach<br />
<strong>40</strong><strong>05</strong> Basel<br />
Tel. 061 685 98 98<br />
marianne.meyer@<strong>vpod</strong>-basel.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-basel.ch<br />
<strong>vpod</strong> Region Bern<br />
Corinne Schärer<br />
Monbijoustr. 61<br />
3007 Bern<br />
Tel. 031 371 67 45<br />
corinne.schaerer@<strong>vpod</strong>bern.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>bern.ch<br />
<strong>vpod</strong> grischun<br />
Peter Peyer<br />
Gürtelstr. 24, Postfach<br />
7001 Chur<br />
Tel. 081 284 49 06<br />
<strong>vpod</strong>-grischun@<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />
<strong>vpod</strong> Luzern<br />
Rosmarie Stocker-Koch<br />
Theaterstr. 7<br />
6003 Luzern<br />
Tel. 041 2<strong>40</strong> 66 16<br />
<strong>vpod</strong>lu@bluewin.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-luzern.ch<br />
<strong>vpod</strong> ostschweiz (SG/TG/AR)<br />
Maria Huber<br />
Hintere Poststr. 18<br />
9000 St. Gallen<br />
Tel. 071 223 80 43<br />
<strong>vpod</strong>.ost@bluewin.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-ostschweiz.ch<br />
<strong>vpod</strong> Schaffhausen<br />
Esther Bänziger<br />
Irchelstr. 8<br />
8200 Schaffhausen<br />
Tel. <strong>05</strong>2 624 65 44<br />
r+b@email.ch<br />
<strong>vpod</strong> Schwyz<br />
Otto Kümin<br />
Hüöbli 36<br />
8808 Pfäffikon<br />
Tel. <strong>05</strong>5 410 16 19<br />
okuemin@bluewin.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-schwyz.ch<br />
<strong>vpod</strong> zürich Lehrberufe<br />
Urs Loppacher<br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8180<br />
8036 Zürich<br />
Tel. 044 295 30 00<br />
urs.loppacher@<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-zh.ch<br />
Adresses régionales de Suisse romande<br />
ssp fribourg<br />
Bernard Fragnière<br />
rue des Alpes 11, c.p. <strong>144</strong>4<br />
1701 Fribourg<br />
Tél. 026 322 29 60<br />
ssp-cft@bluewin.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp genève<br />
Margarita Castro<br />
6, rue des Terreaux-du-Temple<br />
1201 Genéve<br />
Tél. 022 741 50 80<br />
sspge@vtxnet.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp jura<br />
Thomas Sauvain<br />
Rue de la Molière 13, c.p. 875<br />
2800 Delémont<br />
Tél. 032 423 28 23<br />
ssp-jura@span.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp Région Neuchâtel<br />
Thierry Clément<br />
Place de la Gare 4a, c.p.<br />
2301 La Chaux-de-Fonds<br />
Tél. 032 913 18 01<br />
ssp-rn@bluewin.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp Valais<br />
Anne-Christine Bagnoud<br />
case postale 2348<br />
1950 Sion 2<br />
Tél. 027 323 26 60<br />
sspvalais@bluewin.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
ssp Région Vaud<br />
Philippe Martin<br />
Av. Ruchonnet 45, c.p. 1324<br />
1001 Lausanne<br />
Tél. 021 341 04 10<br />
vaud@ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
www.ssp-<strong>vpod</strong>.ch<br />
Erscheint 5 x jährlich<br />
Redaktionsschluss Nr. 145: 3. Januar 2006<br />
Redaktion / Koordinationsstelle haben eine neue Adresse:<br />
Birmensdorferstr. 67, Postfach 8279, 8036 Zürich<br />
Tel. 044 266 52 17 (oder wie bisher 071 888 3 888)<br />
Fax 044 266 52 53 (oder wie bisher 071 888 08 51)<br />
mail: redaktion@<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
Homepage: www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
Herausgeberin: Verein <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>, Zürich<br />
Einzelabonnement: Fr. <strong>40</strong>.– pro Jahr (5 Nummern)<br />
Einzelheft: Fr. 8.–<br />
Kollektivabonnement: Sektion ZH Lehrberufe;<br />
Lehrberufsgruppen AG, BL, BE (ohne Biel), LU, SG.<br />
Satz: erfasst auf Macintosh<br />
Gestaltung und Layout: Sarah Maria Lang, New York<br />
Druck: Ropress, Zürich<br />
Auflage Heft <strong>143</strong>/44: 5’500 Exemplare<br />
Zahlungen: PC 80 - 691<strong>40</strong> - 0, <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong>, Zürich<br />
Inserate: Gemäss Tarif 20<strong>05</strong>; die Redaktion kann die<br />
Aufnahme eines Inserates ablehnen.<br />
Redaktion: Verantwortlich im Sinne des Presserechts:<br />
Ruedi Tobler<br />
Redaktionsgruppe für dieses Sonderheft:<br />
Christine Flitner, Urs Loppacher, Regina Stauffer, Ruedi Tobler<br />
Weitere Beteiligte: André Allison, Béatrice Barbey, Barrigue, Martine Besse,<br />
Nihal Birkan, Rahel El-Maawi, Julia Gerber Rüegg, Ron Halbright, Judith<br />
Hollenweger, Walo Hutmacher, Winfried Kronig, Brigitta Mazzocco, Katrin<br />
Meier, Thomas Meyer, Gian Pietro Milani, Edith Olibet, Daniela Podda,<br />
Susanna Rusca, Martin Sahli, Corinne Schärer, Rosmarie Schümperli, Attilo<br />
Toptas, Markus Truniger, Martina Turnes, Urs Vögeli-Mantovani, Patrick<br />
Vogt, Pierre Voit, Katrin Wüthrich, Daniel Ziegler<br />
Verdankung / Remerciements<br />
Wir danken folgenden Organisationen und Institutionen für die Unterstützung<br />
der Tagung und/oder der Publikation «Bildung für alle – Chancengleichheit<br />
und Selektion in Schule und Berufsbildung».<br />
Nous remercions vivement les organisations et institutions suivantes pour<br />
leur soutien de la journée d’étude et/ou de la publication «Formation pour<br />
toutes et tous – Égalité des chances et sélection à l’école et dans la formation<br />
professionnelle».<br />
<strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung, Erziehung, Wissenschaft<br />
ssp Commission fédérative formation, éducation et recherche<br />
<strong>vpod</strong> Projekt interkulturelle Bildung / ssp projet d’écuation interculturelle<br />
Stiftung Kinderdorf Pestalozzi / Fondation Village d’enfants Pestalozzi<br />
Fondazione / Stiftung ECAP<br />
NCBI National Coalition Building Institute Schweiz<br />
VZB, Verein Zürcher Berufsberater<br />
Fachvereinigung für Berufsberatung, FAB<br />
HSKLVZH, HSK-Lehrerinnen- und Lehrerverein Kt. Zürich<br />
SP Schweiz / PS Suisse und Kanton Zürich;<br />
Grüne Partei Schweiz / Les Verts (Parti écologiste suisse)<br />
Grünes Bündnis Bern<br />
UNIA<br />
SGB Migrationskommission / USS Commission de la migration<br />
Finanzielle Beiträge / Soutien financier:<br />
Eidgenössische Ausländerkommission EKA<br />
Commission fédérale des étrangers CFE<br />
Schul- und Sportdepartement Stadt Zürich<br />
Erziehungsdepartement Basel-Stadt<br />
Aebli-Näf-Stiftung / Fondation Aebli Näf<br />
Stiftung Elternsein<br />
Migros-Kulturprozent / Pour-cent culturel<br />
6 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
einleitung<br />
Zum Einstieg<br />
Persönliches zu Selektion<br />
und Schulkarriere<br />
Der Einstieg in die Tagung war dem internationalen Jahr des Sports würdig. Durch eine AufstIeh-/Absitzübung machten<br />
sich die Anwesenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede vor allem in ihrer Bildungskarriere bewusst. Dann gaben drei<br />
Jugendliche Einblick in ihre Erfahrungen mit dem Schulsystem.<br />
Ron Halbright, NCBI Fairness<br />
Durch eine «Aufwärmeübung» wurden<br />
die Teilnehmenden ermutigt, sich<br />
persönlich mit verschiedenen Themen<br />
auseinander zu setzen.<br />
Bildungsbiographie, Herkunft,<br />
Umgebung<br />
Manche Teilnehmende haben Schuljahre<br />
repetiert, einen längeren Bildungsweg gemacht,<br />
wurden diskriminiert. Andere haben<br />
eine geradlinige oder eine steile Laufbahn<br />
gemacht. Manche hatten Eltern oder<br />
Lehrpersonen mit (zu) hohen Erwartungen,<br />
andere mussten sich trotz Widerstand<br />
oder Skepsis von Erziehenden durchsetzen.<br />
Was sagt das über uns und unsere Reaktionen<br />
auf das Ziel: Bildung für alle<br />
Alltagstheorien und Vorurteile<br />
Viele Teilnehmende haben Sprüche gehört<br />
wie:<br />
Besser eine gute Real- als eine schlechte<br />
Sekschülerin.<br />
Wenn die Eltern nicht helfen können,<br />
wäre das Kind sowieso überfordert.<br />
Man tut einem ausländischen Kind keinen<br />
Gefallen, in einem Grenzfall «aufzurunden».<br />
Das Kind benimmt sich wie ein Realschüler.<br />
Einige Teilnehmende haben eingestanden,<br />
selber schon solche Gedanken gehabt<br />
oder sogar ausgesprochen zu haben. Ist<br />
«Bildung für alle» oder Chancengleichheit<br />
möglich, wenn solche Alltagstheorien und<br />
Vorurteile zirkulieren<br />
Verinnerlichte Unterdrückung<br />
Eingewanderte Kinder merken schnell,<br />
dass ihre Verwandten und andere Kinder<br />
mit Migrationshintergrund in den anspruchsvolleren<br />
Schultypen seltener anzutreffen<br />
sind. Sie merken, welche Erwartungen<br />
sie begleiten, und die meisten orientieren<br />
sich danach. Das heisst die Erwartungen<br />
prägen die Leistungen der Kinder,<br />
was auch als Pygmalion-Effekt bezeichnet<br />
wird.<br />
Wenn diskriminierende Botschaften<br />
– wie «Albaner gehören in die Realschule,<br />
nicht ins Gymnasium» – verinnerlicht werden,<br />
heisst das «verinnerlichte Unterdrückung».<br />
Ein Ergebnis davon: wenn Jugendliche<br />
nicht ernst genommen werden,<br />
nehmen sie sich oft weniger ernst: Zuverlässigkeit<br />
leidet, Zukunftsorientierung verschwindet,<br />
Hoffnungslosigkeit herrscht.<br />
Rolle der Lehrerinnen und Lehrer<br />
Sind Lehrpersonen bereit, sich als «Verbündete»<br />
der eingewanderten Kinder zu<br />
sehen Das heisst, Vorurteilen sowie der<br />
verinnerlichten Unterdrückung aktiv zu<br />
widersprechen. Lehrpersonen, die diese<br />
Rolle annehmen, riskieren in manchen<br />
Schulgemeinden Isolation im Team oder<br />
Widerstand von Eltern.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 7
einleitung<br />
Jugendliche<br />
berichten von<br />
ihren<br />
Erfahrungen<br />
Drei Jugendliche haben ihre Erlebnisse<br />
beeindruckend geschildert. Ihre<br />
und die Erlebnisse von anderen sind<br />
zu finden in der Broschüre «Fairness<br />
für Jugendliche fremder Herkunft in<br />
der Schule und auf der Lehrstellensuche».<br />
Kübra, Türkin<br />
Ich bin Türkin, in der Schweiz geboren und<br />
20 Jahre alt. Ich war eine gute Primarschülerin<br />
und wollte nach der sechsten<br />
Klasse eigentlich die Sekundarschule besuchen.<br />
Da kam die Phase, in der man mir<br />
überall sagte, für die beruflichen Chancen<br />
sei es besser, eine gute Realschülerin als<br />
eine schlechte Sekundarschülerin zu sein.<br />
Ich ging also in die Realschule und war<br />
dort eine sehr gute Schülerin.<br />
In der dritten Real begann ich eine<br />
Lehrstelle als kaufmännische Angestellte<br />
zu suchen. Ich verschickte fünfzig Bewerbungen,<br />
doch gefunden habe ich nichts.<br />
Ich hatte viele Bewerbungsgespräche und<br />
kam in die engere Wahl, trotzdem scheiterte<br />
es immer an meinem Kopftuch. So<br />
entschloss ich mich, das 10. Schuljahr zu<br />
machen, das ich mit lauter Noten zwischen<br />
5 und 5,5 abschloss. Erneut verschickte<br />
ich fünfzig Bewerbungen, aber<br />
wieder fand ich keine Lehrstelle. Ich war<br />
sehr enttäuscht und wurde immer demotivierter.<br />
Meine Eltern schafften es, mich<br />
wieder zu motivieren. An einer Privatschule<br />
habe ich dann eine Ausbildung zur<br />
diplomierten Bürofachfrau gemacht und<br />
danach die Handelsdiplomprüfung bestanden.<br />
Daraufhin schrieb ich wieder etwa<br />
zwanzig Bewerbungen für eine Praktikumsstelle,<br />
ich fand jedoch keine. Es kamen<br />
immer die gleichen Fragen: Arbeiten<br />
Sie mit dem Kopftuch Wie viel halten Sie<br />
bedeckt Zum Teil hiess es, Muslime seien<br />
nicht erwünscht.<br />
Schliesslich besuchte ich das erste Hearing<br />
von NCBI-Fairness. Ich erzählte meine<br />
Geschichte, die daraufhin im Zürcher Tages<br />
Anzeiger erschien. Mein Lehrer sprach<br />
mich an dem Tag auf den Artikel an und<br />
meinte, jetzt würde ich bestimmt etwas<br />
finden – ich aber glaubte nicht mehr daran.<br />
Weshalb sollte es jetzt plötzlich klappen,<br />
nach über zwei Jahren<br />
Drei Tage später erhielt ich einen Anruf<br />
der Fairness-Projektkoordinatorin Nihal<br />
Birkan. Sie erzählte, es habe sich eine Firma<br />
gemeldet als Reaktion auf den Artikel,<br />
man möchte mich kennen lernen. Ich war<br />
einfach überwältigt. Ich weinte vor Glück.<br />
Alles war so schwierig und demotivierend<br />
gewesen und so vieles war falsch gelaufen.<br />
Ich konnte dem Unternehmen meine Unterlagen<br />
senden und nach 14 Tagen hatte<br />
ich die Stelle. Ich war überglücklich. Im August<br />
werde ich mein Praktikum beenden.<br />
Mexhit Ademi, Albaner<br />
Ich hatte das Glück, schon von klein auf in<br />
der Schweiz zu sein. So habe ich meine<br />
ganze Schulausbildung in diesem Land gemacht.<br />
Obwohl ich am Anfang sehr grosse<br />
Probleme mit der Sprache hatte, habe ich<br />
mich schnell integriert. Als Kind fühlte ich<br />
mich nie benachteiligt, zumindest nicht<br />
bis in die fünfte Klasse, bis es darum ging,<br />
in die Oberstufe eingeteilt zu werden. Ich<br />
hatte schon als Kind den Traum, einmal<br />
Arzt, Schauspieler oder Sänger zu werden.<br />
Die Broschüre zum Thema<br />
Ruedi Tobler<br />
Kernstück der Ende 2004 erschienen Broschüre «Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der<br />
Schule und bei der Lehrstellensuche» sind die Erfahrungsberichte von Jugendlichen und Erwachsenen,<br />
Lehrstellensuchenden und Lehrmeistern, Berufsberatern sowie Berufsschullehrern. Durch<br />
die unterschiedlichen Blickwinkel ergibt sich ein plastisches Bild der Diskriminierung von ausländischen<br />
Kindern und Jugendlichen in Schule und Berufswahl. Wem dies zu subjektiv ist, findet dazu<br />
auch zwei Statistiken aus dem Kanton Zürich. Wer genauer hin schaut, kann gerade in diesem<br />
Bereich sehen, dass es nicht um ein einheitliches «Ausländerproblem» geht, denn es gibt Herkunftsländer<br />
von Jugendlichen, «die im Durchschnitt mehr Erfolg haben als Schweizer SchülerInnen».<br />
Sowohl die Nationalität wie wohl noch mehr die Schichtzugehörigkeit spielen bei der Diskriminierung<br />
eine grosse Rolle. Das wird in der Broschüre wenig herausgearbeitet. Auch die Bezeichnung<br />
«Jugendliche fremder Herkunft» ist verunglückt. Werden sie damit nicht erst recht auf ihre<br />
«Fremdheit» festgenagelt<br />
Die Broschüre bleibt aber nicht bei der Darstellung oder – je nach Perspektive – Denunzierung<br />
der Situation stehen. Im abschliessenden Kapitel gibt es eine Reihe von «Tipps für die Lehrstellensuche»<br />
und «Empfehlungen für „Fairness-Schulen“ und „Fairness“-Betriebe».<br />
Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der Schule und auf der Lehrstellensuche, von NCBI Schweiz (Hg.),<br />
K2-Verlag, Hägendorf, 2004, 70 Seiten, Fr. 12.–. Zu bestellen über www.ncbi.ch, info@ncbi.ch oder 044 721 10 50.<br />
8 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
einleitung<br />
Ich wusste, dass man dafür etwas tun<br />
musste und wollte unbedingt in die Bezirksschule.<br />
Dank dieses Ehrgeizes hatte<br />
ich Ende Primarschule den nötigen Notenschnitt:<br />
eine 4,8 oder 4,9. Meine damalige<br />
Lehrerin war aber der festen Meinung,<br />
ich sollte in die Sekundarschule, denn die<br />
Bezirksschule wäre zu schwierig für mich<br />
und ich würde sowieso zurückfallen. Ich<br />
bin meinen Eltern heute noch dankbar,<br />
dass sie sich nicht von ihrem Entschluss<br />
und ihrer Meinung abbringen liessen und<br />
das durchsetzten, wozu ich auch berechtigt<br />
war.<br />
In der Bezirksschule hatte ich nie schulische<br />
Probleme. Ich habe sie mit 4,9 und<br />
der besten Deutschprüfung der Schule abgeschlossen.<br />
In drei Monaten mache ich<br />
die Matura und werde dann an der HSG<br />
Wirtschaft studieren. Übrigens habe ich<br />
meine alte Lehrerin an einem Kurs von<br />
NCBI wieder getroffen. Sie war begeistert,<br />
als sie hörte, dass ich es so weit gebracht<br />
habe. Meinen Eltern bin ich sehr dankbar,<br />
dass sie mich stark unterstützt haben. Ich<br />
weiss, dass viele nicht die Kraft und den<br />
Mut haben, sich gegen Lehrpersonen zu<br />
wehren. Man darf nicht meinen, ausländische<br />
Kinder seien weniger intelligent,<br />
sondern muss sich fragen, warum es im<br />
Gymnasium nur wenige von ihnen gibt.<br />
Schlussendlich sind die Schulen nie<br />
schuld, denn sie handeln immer korrekt.<br />
Nur vermögen sie manchmal die Kinder<br />
und Jugendlichen so stark zu demotivieren,<br />
dass es keine weitere Diskriminierung<br />
braucht.<br />
Canan, Schweizerin<br />
(bis 1994 Türkin)<br />
Ich bin in Zürich geboren und aufgewachsen.<br />
Nach der Primar- und Sekundarschule<br />
schloss ich eine kaufmännische Lehre<br />
ab. Zurzeit studiere ich an der Universität<br />
Zürich.<br />
Als ich das 2. Sekundarschuljahr besuchte,<br />
sprach unser Lehrer gewisse<br />
SchülerInnen an und motivierte diese, an<br />
der Aufnahmeprüfung für das Gymnasium<br />
teilzunehmen. Obwohl diese SchülerInnen<br />
zum Teil kein Interesse zeigten, meinte er,<br />
er würde Bücher zur Vorbereitung der Aufnahmeprüfung<br />
bestellen und den Prüfungswilligen<br />
zusätzlich Übungsstunden<br />
erteilen. Eine ausländische Kollegin und<br />
ich wollten auch das Gymnasium besuchen.<br />
Da wir das Gespräch unseres Lehrers<br />
mitgehört hatten, gingen wir in der<br />
Pause zu ihm und erklärten ihm unser<br />
grosses Interesse an der Aufnahmeprüfung.<br />
Er meinte, dass wir noch ein Jahr zuwarten<br />
und die Prüfung erst im 3. Sekundarschuljahr<br />
angehen sollten mit der Begründung,<br />
wir seien im schulischen Bereich<br />
noch nicht gut genug. Er versprach,<br />
dass er uns dann auch helfen werde.<br />
Als es endlich soweit war und unser<br />
Lehrer die Gymnasiumsaufnahmeprüfung<br />
nicht erwähnte, sprachen wir ihn darauf<br />
an. Er reagierte erstaunt und meinte, er<br />
werde die Vorbereitungsunterlagen für<br />
uns bestellen. Wir warteten in vollstem<br />
Vertrauen gegenüber unserem Lehrer auf<br />
diese Bücher. Es vergingen mehrere Wochen<br />
und wir wunderten uns, wo die<br />
Bücher geblieben seien. Unser Lehrer aber<br />
meinte, er hätte die Bücher bestellt, es<br />
würde eben einige Zeit dauern, wir sollten<br />
uns gedulden. So vergingen wiederum<br />
mehrere Tage, ja Wochen. Unterdessen<br />
versuchten meine Kollegin und ich anhand<br />
der vorhandenen Schulbücher<br />
Übungen zu lösen. Da wir aber keine Lösungshefte<br />
besassen, brachte uns diese<br />
Vorbereitung nicht viel weiter. Wir erinnerten<br />
uns an die Übungsstunden, die unser<br />
Lehrer im 2. Sekundarschuljahr angeboten<br />
hatte, und machten ihn darauf aufmerksam.<br />
Er schlug unsere Bitte ab mit der<br />
Begründung, er habe keine Zeit.<br />
So warteten wir weiterhin auf die Vorbereitungsbücher<br />
und versuchten im kleinen<br />
Rahmen, uns auf die Aufnahmeprüfung<br />
vorzubereiten. Nur noch einige Wochen<br />
fehlten bis zur Prüfung. So fragten<br />
wir unseren Lehrer ein letztes Mal nach<br />
den bestellten Unterlagen. Seine Aussage<br />
war: «Die Vorbereitungsbücher Ja, die<br />
müsst ihr selber besorgen, die kann ich<br />
euch nicht bestellen.» Wir waren äusserst<br />
schockiert. Unser Lehrer, den wir sehr<br />
achteten und gern hatten, hatte uns zutiefst<br />
enttäuscht. Auf die Bemerkung, er<br />
hätte uns mehrmals verbal bestätigt, dass<br />
er die Bücher bestellt habe, ging er gar<br />
nicht mehr ein.<br />
So versuchten meine Kollegin und ich,<br />
die Vorbereitungsbücher selber zu besorgen.<br />
Wir erkundigten uns in verschiedenen<br />
Buchhandlungen nach den Unterlagen,<br />
erhielten dann eine Adresse, an welcher<br />
die Bücher verkauft wurden und beschafften<br />
sie uns.<br />
Schlussendlich gingen wir ohne Unterstützung<br />
seitens unseres Lehrers an die<br />
Aufnahmeprüfung. Wir bestanden beide<br />
die Prüfung nicht – wie konnten wir auch!<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 9
olibet<br />
Eine starke Volksschule<br />
Chance für alle<br />
Begrüssungsansprache der<br />
Direktorin für Bildung, Soziales<br />
und Sport der Stadt Bern,<br />
Edith Olibet<br />
Predigergasse 5<br />
Postfach3000, Bern 7<br />
bss@bern.ch<br />
Ich freue mich, Sie heute als Bildungsdirektorin<br />
der Stadt Bern begrüssen zu<br />
dürfen. Herzlich willkommen. Bern ist<br />
ein Bijou der besonderen Art und hat sehr<br />
viel zu bieten. Ich bin überzeugt, dass Sie<br />
sich bei uns wohl fühlen. Ich hoffe aber<br />
auch, dass Sie Zeit finden – wenn nicht<br />
heute, so ein anderes Mal – die Schönheiten<br />
des Unesco Weltkulturerbes zu bewundern.<br />
Wie wird man in der Schule<br />
erfolgreich<br />
Ist es persönliches Verdienst, sind es Privilegien<br />
oder sind es gar Zufälle Diese Fragen<br />
sind keineswegs provokativ, sondern<br />
mehr als angebracht angesichts des mangelhaften<br />
Bildungserfolgs von Kindern aus<br />
bildungsfernen und/oder mehrsprachigen<br />
Elternhäusern. Ihr heutiges Tagungsprogramm<br />
stellt die zentralen Fragen, auf die<br />
wir dringend Antworten haben, Lösungen<br />
präsentieren und vor allem die entsprechenden<br />
Taten folgen lassen müssen.<br />
«Eine starke Volksschule – Chance für<br />
alle.» Unter diesen Titel möchte ich mein<br />
Kurzreferat stellen. Ich bin überzeugt,<br />
dass Sie sich – genauso wie ich – für eine<br />
starke Volksschule einsetzen. Bereits vor<br />
und während der obligatorischen Schulzeit<br />
wird das Fundament gebaut, auf welchem<br />
alle anderen Bildungsstufen weiter<br />
bauen. Genügt dieses Fundament nicht, so<br />
fällt das Bildungshaus wie ein Kartenhaus<br />
zusammen.<br />
«Volksschule: Hauptfach: Sparen» dies<br />
war der Titel im «Beobachter» vom 12. November<br />
2004. Zitiert wurden drei Primarschullehrerinnen:<br />
«Die Sparwut bei der Bildung<br />
wird unsere Gesellschaft teuer zu<br />
stehen kommen.» Diese Feststellung unterstütze<br />
ich voll und ganz. Dieses Szenario<br />
können und dürfen wir uns nicht leisten,<br />
die düstere Prognose darf sich nicht<br />
bewahrheiten.<br />
Bildungsstrategie der Stadt Bern<br />
Der Gemeinderat hat gehandelt und im November<br />
2004 bildungspolitische Leitlinien<br />
festgelegt und Massnahmen für die Jahre<br />
2004 – 2008 beschlossen. Dass diese auch<br />
finanzielle Konsequenzen haben ist dem<br />
Gemeinderat bewusst. Gefordert ist auch<br />
der Kanton Bern, damit sich die düstere<br />
Prognose nicht bewahrheitet.<br />
Im Mittelpunkt unserer Bildungsstrategie<br />
stehen die Kinder. Ihre Chancen müssen<br />
gezielt verbessert werden. Wir wissen<br />
nicht erst seit den PISA-Studien, wo bei<br />
uns in der Schweiz der Hase im Pfeffer<br />
liegt. Die Volksschule ist nicht mehr in der<br />
Lage, allen Kindern und Jugendlichen eine<br />
ausreichende Grundbildung (Lesen,<br />
Schreiben, Rechnen, Kommunizieren,<br />
einige Kenntnisse über naturwissenschaftliche<br />
Phänomene) zu vermitteln. Sie<br />
sind aber das Rüstzeug fürs Leben.<br />
Die Volksschule muss gestärkt werden.<br />
Zu dieser Erkenntnis ist auch die Erziehungsdirektorenkonferenz<br />
(EDK) gelangt<br />
und hat das Projekt HarmoS, Harmonisierung<br />
der obligatorischen Schule, lanciert<br />
mit dem Ziel, in den nächsten Jahren in<br />
Studien allgemeinverbindliche Bildungsstandards<br />
zu entwickeln. Doch das genügt<br />
bei Weitem nicht. Weitere Taten sind dringend<br />
nötig.<br />
Wir haben jetzt und heute Handlungsbedarf<br />
und wollen konkrete Massnahmen<br />
mit Ergebnissen. Kindergarten und Schule<br />
sind dann in der Lage, mehr Chancengerechtigkeit<br />
zu erreichen,<br />
wenn sie über die dafür notwendigen<br />
personellen und finanziellen Ressourcen<br />
verfügen,<br />
wenn sie auf die kraftvolle Unterstützung<br />
aller Beteiligten (Eltern, Lehrpersonen,<br />
Schulbehörden) zählen können,<br />
wenn sie den Rückenwind und die Wertschätzung<br />
von Politik, Wirtschaft und<br />
Gesellschaft haben.<br />
Heute ist dem nicht so, wissenschaftliche<br />
Untersuchungen und die grosse Abhängigkeit<br />
des Bildungserfolgs von der Herkunft<br />
der Kinder sind Beweis genug.<br />
Selbstverständlich spielen die Aus- und<br />
Weiterbildung der Lehrpersonen ebenso<br />
eine grosse Rolle und die kontinuierliche<br />
Qualitätsentwicklung und -kontrolle im<br />
Unterricht.<br />
Zentrale Bedeutung der<br />
Vorkindergartenzeit<br />
Der Gemeinderat ist sich der zentralen Bedeutung<br />
der Vorkindergartenzeit, der Kindergarten-<br />
und Schulzeit bewusst. Er<br />
weiss, wie wichtig es ist, die richtigen strategischen<br />
Weichen zu stellen und zu handeln.<br />
Er will den Bildungserfolg aller Kinder<br />
besser sicherstellen und seine bildungspolitische<br />
Verantwortung gegenüber<br />
der jungen Generation wahrnehmen.<br />
Sie haben gemerkt: Ich spreche auch von<br />
der Zeit vor dem Kindergarten. Aus gutem<br />
Grunde. Wir stellen fest, dass bereits beim<br />
Eintritt in den Kindergarten Kinder mit<br />
höchst unterschiedlichen Kompetenzen<br />
zusammentreffen. In der Schweiz wird die<br />
Förderung der Kinder vor dem Eintritt in<br />
den Kindergarten immer noch als ureigenste<br />
Aufgabe der Eltern betrachtet. Der<br />
Staat hat sich nicht einzumischen. Mit fatalen<br />
Folgen: Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern<br />
oder Kinder mit einer nichtdeutschen<br />
Muttersprache sind bereits im<br />
Hintertreffen, bevor sie überhaupt den ersten<br />
Fuss in den Kindergarten gestellt ha-<br />
10 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
olibet<br />
ben. Die Kantone verdrängen diese Tatsache<br />
immer noch. Das geht nicht an.<br />
In den skandinavischen Ländern oder<br />
jenen Ländern, die z.B. bei PISA hervorragende<br />
Resultate erbracht haben, ist das<br />
völlig anders. Sie beginnen mit der Förderung<br />
und Unterstützung bereits mit 3 Jahren,<br />
weil sie wissen, dass bei den Kindern<br />
in diesem Alter ungleiche Voraussetzungen<br />
am Wirkungsvollsten ausgeglichen<br />
werden können. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage<br />
der Bertelsmann Stiftung<br />
in Deutschland im Juni 2004 hat ergeben,<br />
dass 84 % der Bevölkerung der Meinung<br />
sind, Kinder hätten schon vor der<br />
Einschulung ein Recht auf Bildung, und<br />
48 % denken, dass öffentliche Investitionen<br />
in den Bildungsbereich zukünftig vorrangig<br />
auf Angebote für die ersten zehn Lebensjahre<br />
gelenkt werden sollten. Auch<br />
wir wissen es eigentlich; denn auch der<br />
Kanton Bern oder die EDK stecken Gelder<br />
in Forschungsprojekte für dieses Alter. Leider<br />
lässt man die Ergebnisse in den<br />
Büchergestellen verstauben und sitzt innovativen<br />
Entscheidungsbedarf aus. Der<br />
Gemeinderat will hier ansetzen und handeln.<br />
Chancengerechtigkeit in der<br />
Volksschule<br />
Damit komme ich zur Volksschule. Die Heterogenität<br />
in den Kindergarten- und<br />
Schulklassen, die Integration von Schülerinnen<br />
und Schülern mit besonderen Bedürfnissen<br />
und die Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit<br />
– dies sind die Herausforderungen,<br />
die dem städtischen Bildungswesen<br />
gestellt sind. Hier muss und will die<br />
Stadt auf die ihr gestellten Herausforderungen<br />
antworten. Bildungspolitik bewegt<br />
sich zwischen Wandel und Beständigkeit.<br />
In einer Zeit, die viele Menschen verunsichert,<br />
heisst dies:<br />
Position beziehen,<br />
Prioritäten setzen und<br />
nachhaltige Wirkung anstreben.<br />
Das ist die Absicht der Bildungsstrategie<br />
2004 – 2008 der Stadt Bern.<br />
Die Bildungsstrategie konzentriert sich<br />
vor allem auf die Verwirklichung von Chan-<br />
cengerechtigkeit. Heute hängt der Schulerfolg<br />
eines Kindes noch massgeblich von<br />
der sozialen Herkunft ab. So ist erwiesen,<br />
dass diese Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt<br />
weniger Chancen haben. Sie haben<br />
auf ihrem Lebensweg bedeutend grössere<br />
Schwierigkeiten. Statt eine Zweiklassen-<br />
Gesellschaft mit sozialen Spannungen zu<br />
provozieren, ist es notwendig, in Integrations-,<br />
Förder- und Unterstützungsangebote<br />
zu investieren.<br />
Ich weiss, dass die gesellschaftliche<br />
Entwicklung nicht kurzfristig beeinflusst<br />
werden kann. Es liegt aber in der Hand der<br />
Kantone, Gemeinden und Städte, die jungen<br />
Menschen in ihrem Einfluss- und Verantwortungsbereich<br />
zu stärken und zu fördern.<br />
Ich verfolge dabei eine Strategie, die<br />
dem Kindergarten und der Volksschule eine<br />
pädagogische und zeitgemässe Entwicklung<br />
zur Erfüllung ihres umfassenden<br />
Bildungsauftrags ermöglicht, ihr aber<br />
auch Orientierung und Sicherheit für die<br />
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vermittelt.<br />
«Die schöpferischen Kräfte im<br />
Kinde zur Entfaltung zu bringen»<br />
In unserer Bildungsstrategie heben wir die<br />
zentrale Bedeutung des Kindergartens<br />
und der Volksschule, aber auch der Vorkindergartenzeit<br />
im Bildungswesen hervor.<br />
Diese Zeitspanne ist das Zugangstor<br />
zum gesamten Bildungsweg. Wir berücksichtigen<br />
auch die Vorkindergartenzeit,<br />
weil die ersten sechs Jahre eines Kindes<br />
für dessen Spracherwerb und Entwicklung<br />
von grösster Bedeutung sind. Das Bildungswesen<br />
nimmt diese wissenschaftlich<br />
untermauerte Erkenntnis aber heute<br />
nur am Rande wahr und verharrt in der<br />
Auffassung, das Schaffen von Voraussetzungen<br />
für einen günstigen Schuleintritt<br />
sei allein im Verantwortungsbereich der<br />
Eltern angesiedelt. Die Stadt Bern setzt im<br />
Handlungsfeld «Vorkindergarten» einen<br />
bildungspolitischen Schwerpunkt, indem<br />
sie mit eigenen Angeboten die Sprachförderung<br />
unterstützt und die Nahtstelle zum<br />
Kindergarten systematischer gestalten<br />
will. Der familienergänzenden Betreuung<br />
kommt begleitend eine besondere Bedeutung<br />
zu, da systematisches Lernen und<br />
vertieftes Spielen klare und geordnete Tagesstrukturen<br />
bedingen.<br />
Die Bildungsstrategie des Gemeinderats<br />
ist auch pädagogisch ausgerichtet<br />
und legt in den Leitlinien die Grundlage,<br />
um – in Martin Bubers Worten gesprochen<br />
– «die schöpferischen Kräfte im Kinde zur<br />
Entfaltung zu bringen».<br />
Stadt hat Handlungsspielraum<br />
und will ihn nutzen<br />
Es stimmt nicht, wie immer wieder kolportiert<br />
wird, dass der Handlungsspielraum<br />
der Stadt im Bildungswesen stark begrenzt<br />
ist. Die Bildungsstrategie macht in<br />
den Handlungsfeldern und Massnahmen<br />
sichtbar, dass die Stadt verbesserte und<br />
zeitgemässe Rahmenbedingungen und<br />
Voraussetzungen für die Schulung und Erziehung<br />
der Kinder und Jugendlichen<br />
massgeblich gestalten und optimieren<br />
kann. Das Führen unserer öffentlichen Kindergärten<br />
und Schulen ist eine gemeinsame<br />
Aufgabe von Kanton und Stadt. In dieser<br />
Partnerschaft, so zeigt die Erfahrung,<br />
ist es ungemein wichtig, dem Kanton darzulegen,<br />
in welchem sozialen, kulturellen<br />
und ökonomischen Umfeld die Volksschule<br />
ihren Auftrag erfüllen muss. Die soziodemografischen<br />
Gegebenheiten der Stadt<br />
rufen nach dementsprechenden Ressourcen.<br />
Die sind auszuhandeln und einzufordern,<br />
setzt der Kanton doch sein Recht in<br />
der Regel für Gemeinden mittlerer Grösse<br />
(3000 EinwohnerInnen).<br />
In dieser kontinuierlichen Auseinandersetzung<br />
gilt die Bildungsstrategie als<br />
Richtschnur und zeigt, was in den kommenden<br />
Jahren zwingend zu tun ist, damit<br />
unsere Kindergärten und Schulen ihre Ziele<br />
heute und in Zukunft besser und für alle<br />
erreichen können. Es ist an uns, dafür zu<br />
sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen<br />
befähigt werden, ihr zukünftiges Leben<br />
eigenständig gestalten und gleichberechtigt<br />
am gesellschaftlichen und kulturellen<br />
Leben teilhaben zu können.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 11
kronig<br />
Irrtümer der Selektion<br />
Über die Tücken eines hierarchisch gestuften Bildungssystems<br />
1<br />
Unter<br />
PD Dr. Winfried Kronig<br />
Heilpädagogisches Institut<br />
Universität Freiburg<br />
Petrus-Kanisius-Gasse 21<br />
1700 Fribourg<br />
winny.kronig@unifr.ch<br />
dem Schleier des<br />
Leistungsprinzips<br />
Wie wird man in der Schule erfolgreich<br />
Diese Frage muss auf den ersten Blick irritieren.<br />
Sind es doch die individuell erbrachten<br />
Leistungen, die über den Erfolg<br />
eines Schülers oder einer Schülerin entscheiden<br />
sollen. Gute Lernergebnisse<br />
führen nicht nur zu guten Noten, sondern<br />
berechtigen auch zum Besuch von weiterführenden<br />
Schulen. So soll verhindert werden,<br />
dass Einzelne zum Beispiel nur auf<br />
Grund ihrer Herkunft unverdiente Ansprüche<br />
auf privilegierte Positionen erheben.<br />
Dieses Leistungsprinzip gilt gegenüber<br />
seinen historischen Vorgängern, etwa dem<br />
Geburtsrecht, als demokratisch und sozial<br />
gerecht.<br />
Das Bildungssystem verwendet einen<br />
beträchtlichen Aufwand, um das Leistungsprinzip<br />
nach Aussen zu dokumentieren.<br />
Nimmt man beispielsweise an, dass jede<br />
Schülerin und jeder Schüler nur eine<br />
einzige Leistungsbewertung in lediglich<br />
vier Schulfächern pro Semester erhält,<br />
werden allein in Schweizer Volksschulen<br />
jährlich etwa 6,5 Millionen individuelle<br />
Leistungsbewertungen vergeben.<br />
Aber hinter diesen vielfachen Belegen<br />
für eine scheinbar gerechte und gerechtfertigte<br />
Belohnung von guten Leistungsergebnissen<br />
gibt es einige grundlegende<br />
Zweifel an der vordergründigen Plausibilität<br />
des Leistungsprinzips. Zunächst einmal<br />
scheint es fraglich, was genau da bewertet<br />
wird. Bereits einfachste didaktischen<br />
Modelle legen nahe, dass das Schulkind<br />
nicht allein für seinen Lernstand verantwortlich<br />
zu machen ist. Vielmehr<br />
scheint die individuelle Leistung aus einem<br />
komplexen Zusammenspiel von<br />
Schulkind, MitschülerInnen, Lehrperson<br />
und Lernstoff zu entstehen. Wie anders<br />
könnte man die langjährige Diskussion<br />
über Unterrichtsqualität und Schulentwicklung<br />
verstehen Wie anders müsste<br />
man die Bemühungen um eine Verbesserung<br />
der Ausbildung von Lehrpersonen erklären<br />
Offensichtlich werden in diese Faktoren<br />
zu Recht viel Zeit und Geld investiert.<br />
Denn es sind nachweislich wichtige<br />
Bedingungen für die Leistungen der SchülerInnen.<br />
Wenn sie aber am Lernergebnis<br />
beteiligt sind, müsste man sie dann nicht<br />
auch bei der Leistungsbewertung berücksichtigen.<br />
In eine einfache Frage gefasst:<br />
Bewertet die Schule nicht mit jeder Note<br />
jeweils auch ihre eigene Leistung<br />
Eine wichtige Voraussetzung für einen<br />
fairen Leistungswettbewerb wären ausserdem<br />
vergleichbare Startbedingungen.<br />
Mit dem ersten Schultag nehmen die Bildungskarrieren<br />
aber nur scheinbar einen<br />
gleichen Anfang. In Wirklichkeit ist der<br />
eigentliche Start weit vorverlegt, hat der<br />
Wettlauf um eine erfolgreiche Bildungskarriere<br />
längst begonnen. Der anfängliche<br />
Vorteil einiger SchülerInnen wird im Lauf<br />
der Bildungsbiographie noch verstärkt.<br />
Denn je besser ein Schüler oder eine Schülerin<br />
im Vergleich mit den anderen abschneidet,<br />
umso günstiger ist die Ausgangsposition<br />
für den nächsten Vergleich.<br />
In den meisten Schulklassen nehmen die<br />
Abstände zwischen leistungsschwachen<br />
und leistungsstarken SchülerInnen im<br />
Lauf eines Schuljahres zu (vgl. Kronig<br />
20<strong>05</strong>). Mit den ungleichen Startbedingungen<br />
fliessen aber genau jene Faktoren in<br />
den Wettbewerb ein, welche das Leistungsprinzip<br />
überwinden sollte: das soziale<br />
und familiäre Umfeld.<br />
Solche Widersprüchlichkeiten wird die<br />
Schule kaum auflösen können. Aber unabhängig<br />
von diesen grundsätzlicheren<br />
12 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs<br />
Voranzeige des neuen Buchs von Winfried Kronig (erscheint anfangs 2006 im Haupt-Verlag)<br />
Problemen müsste ein Bildungssystem,<br />
das sich so deutlich dem Leistungsprinzip<br />
verpflichtet, glaubhaft nachweisen können,<br />
dass dieses nicht notorisch verletzt<br />
wird. Aber schon einfache bildungsstatistische<br />
Analysen fördern eine Reihe von<br />
Kuriositäten zu Tage.<br />
2<br />
Der<br />
Wohnort<br />
entscheidet mit<br />
Was muss man können, um in eine Klasse<br />
mit erweiterten Ansprüchen (in vielen<br />
Kantonen: Sekundarklasse) übertreten zu<br />
dürfen Und ab welchem Leistungsstand<br />
reicht es nur mehr für eine mit Grundansprüchen<br />
(in vielen Kantonen: Realklasse)<br />
Die Antwort fällt völlig unterschiedlich<br />
aus, je nachdem wo man die Schule besucht.<br />
Während es in einem Kanton schon<br />
genügt, besser als die schwächsten 10 Prozent<br />
der MitschülerInnen zu sein, muss<br />
man in einem andern schon besser als <strong>40</strong><br />
Prozent der MitschülerInnen sein. Es gibt<br />
wahrscheinlich keine pädagogische Massnahme,<br />
die kurzfristig einen derartigen<br />
Leistungsunterschied bewirken könnte.<br />
Ähnlich gross sind die regionalen<br />
Schwankungen auch bei Kindern und<br />
Jugendlichen aus Familien, die in die<br />
Schweiz immigriert sind. Deshalb kann<br />
man unmöglich sagen, um wie viel grösser<br />
die schulischen Misserfolge der ImmigrantInnen<br />
im Vergleich zu den Schweizer-<br />
Innen sind. Es kommt sehr darauf an, in<br />
welchem Kanton man sich gerade befindet.<br />
Die kantonalen Unterschiede in den<br />
Anforderungen sind sogar so gross, dass<br />
für die Mehrheit dieser SchülerInnen der<br />
Wohnkanton mindestens ebenso stark<br />
über den Erfolg entscheidet wie das Herkunftsland.<br />
Konkret: Die Quote der erfolgreichen<br />
SchülerInnen aus dem Balkan ist<br />
in manchen Kantonen grösser als die Quote<br />
der erfolgreichen SchülerInnen aus Italien<br />
in anderen Kantonen und umgekehrt.<br />
Bei den lernbehinderten SchülerInnen<br />
sind die Unterschiede noch viel augenfälliger.<br />
Es gibt Kantone, in denen das Risiko<br />
an eine Sonderklasse überwiesen zu werden,<br />
um ein vielfaches höher ist als in den<br />
Nachbarkantonen. Angeblich klare Konturen<br />
zwischen Regel- und SonderklassenschülerInnen<br />
verwischen deshalb zusehends.<br />
Mit individuellen Fähigkeiten sind diese<br />
Befunde nicht mehr zu erklären. Es ist<br />
nicht so, dass die Selektionsstrukturen<br />
des Bildungssystems einer Region an die<br />
Fähigkeiten angepasst werden. Vielmehr<br />
werden die Fähigkeiten auf die bestehenden<br />
Strukturen verteilt. Da sich diese<br />
Strukturen von Ort zu Ort unterscheiden,<br />
braucht es nicht überall die gleichen Leistungsfähigkeiten<br />
um erfolgreich zu sein.<br />
3<br />
Die<br />
Ist Bildung individueller Verdienst, vergebenes Privileg oder schlicht ein Zufall Die im<br />
Buch dargestellten Untersuchungen des Lernerfolgs und der Leistungsbewertungen am<br />
Ende der Primarschule verweisen auf verschiedene Kuriositäten des Bildungssystems.<br />
Diese Eigenarten machen die Frage weit weniger eindeutig beantwortbar, als dies gemeinhin<br />
angenommen wird. Nachweisbar sind für den Bildungserfolg die Zufälle des Schulstandorts<br />
und der zugeteilten Schulklasse mit entscheidend. Und ebenfalls nachweisbar hängt er von<br />
Eigenschaften wie der nationalstaatlichen und der sozialen Herkunft ab, ohne dass der Einzelne<br />
mit seiner Leistung ohne weiteres etwas ändern könnte. Teilweise kann damit der alte<br />
Verdacht erhärtet werden, dass hochselektive Bildungssysteme an der Reproduktion bestehender<br />
gesellschaftlicher Verhältnisse beteiligt sind.<br />
Neben verschiedenen Theorien über den Bildungserfolg und bildungsstatistischen Analysen<br />
beinhaltet das Buch empirische Studien über das Entstehen und die Auswirkungen von Heterogenität<br />
im Klassenzimmer, über die Leistungssteigerung bei gleichzeitigem Leistungsausgleich,<br />
über die Schulklasse als wichtige Lernbedingung, über die Einflüsse der Leistungserwartung<br />
der Lehrperson auf den Lernerfolg in der Schulklasse und über die gegenwärtige Selektionspraxis.<br />
Mehrheit sind<br />
«Grenzfälle»<br />
Eine der messbaren Folgen der regional<br />
unterschiedlichen Selektionspraxis ist<br />
die, dass es viele SchülerInnen mit vergleichbaren<br />
Fähigkeiten gibt, die aber einen<br />
anderen Schultyp besuchen. Eine Untersuchung<br />
mit rund 2000 SchülerInnen<br />
aus der deutschsprachigen Schweiz belegt,<br />
dass dies nicht nur einige wenige betrifft,<br />
wie das der gebräuchliche aber offensichtlich<br />
unangemessene Begriff der<br />
«Grenzfälle» erahnen lässt. Für mehr als<br />
zwei Drittel aller SchülerInnen gilt, dass es<br />
irgendwo in der Deutschschweiz ein<br />
Schulkind mit einem vergleichbaren Leistungsstand<br />
gibt, das aber einen anderen<br />
Schultyp (Sekundar- bzw. Realklasse) besucht<br />
als es selbst (Kronig 20<strong>05</strong>, vgl. auch<br />
die Reanalyse von PISA-Daten bei Zutavern,<br />
Brühwiler & Biedermann 2002).<br />
Man muss annehmen, dass hier das<br />
Leistungsprinzip gravierend verzerrt ist.<br />
Denn für alle diese SchülerInnen war offensichtlich<br />
nicht nur die individuelle Leistung<br />
bestimmend für ihre Bildungskarriere.<br />
4<br />
Leistungsfremde<br />
Faktoren<br />
An den Selektionsgrenzen wird sichtbar,<br />
dass nicht nur der Zufall des Wohnorts eine<br />
verfälschende Rolle spielt. Geschlecht,<br />
soziale Herkunft und nationalstaatliche<br />
Zugehörigkeit entscheiden ebenfalls über<br />
den Bildungserfolg. Mit Längsschnittuntersuchungen<br />
ist es möglich zu zeigen, wie<br />
wichtig diese Faktoren sind. Selbst bei gleichen<br />
Leistungen in den Kernfächern Mathematik<br />
und Sprache können sie die<br />
Wahrscheinlichkeit einer positiven Selektion<br />
um das zweifache erhöhen (vgl. Kronig<br />
20<strong>05</strong>).<br />
Aus dem «katholischen Arbeitermädchen<br />
vom Lande» (Dahrendorf 1965) ist inzwischen<br />
der ausländische Junge im Ballungszentrum<br />
geworden, der selbst bei<br />
guten Leistungen deutlich geringere Chancen<br />
auf Erfolg hat.<br />
5<br />
«Ein<br />
grosser Fisch im<br />
kleinen Teich»<br />
Was sich in den groben Strukturen des Bildungssystems<br />
zeigt, ist auch im einzelnen<br />
Klassenzimmer zu beobachten. Vor allem<br />
trifft man hier auf das Problem, dass die<br />
Note einer Schülerin oder eines Schülers<br />
unmittelbar von der Leistungsfähigkeit<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 13
kronig<br />
seiner MitschülerInnen abhängt. Im Extremfall<br />
belegen unterschiedlich starke<br />
Schulklassen die gleiche Bandbreite auf<br />
der Notenskala, obwohl die besten SchülerInnen<br />
der einen Klasse einen tieferen<br />
Leistungsstand haben als die Leistungsschwächsten<br />
der anderen. Bedingt durch<br />
die Klasse als Bezugsgrösse kann eine bestimmte<br />
Leistung mit einer 4, sie kann aber<br />
auch mit einer 6 bewertet werden (vgl.<br />
Kronig 20<strong>05</strong>). Die einzelne Leistungsbewertung<br />
beinhaltet also die spiegelverkehrte<br />
Leistungsfähigkeit der Schulklasse.<br />
Dieser von Marsh (1987) in einem anderen<br />
Zusammenhang treffend als «grosser Fisch<br />
im kleinen Teich» bezeichnete Effekt<br />
schmälert den Vergleichswert von Leistungsbewertungen.<br />
Ingenkamp (1989) gehörte<br />
im deutschen Sprachraum zu den ersten,<br />
die deutliche Zweifel an der Vergleichbarkeit<br />
von Zeugnisnoten geäussert<br />
haben. Sobald schulische Leistungsbewertungen<br />
das Klassenzimmer verlassen,<br />
sind sie für jegliche Vergleiche absolut untauglich.<br />
Dennoch dienen sie als Grundlage<br />
für die überregionale Selektion.<br />
3<br />
Abschliessende<br />
Bemerkungen<br />
Die im Eingang zu diesem Beitrag gestellte<br />
Frage ist wohl kaum abschliessend zu beantworten.<br />
Aber immerhin zeigen die skizzierten<br />
Probleme, dass es durchaus berechtigt<br />
ist zu fragen, wie Bildungserfolge<br />
eigentlich entstehen. Die Literatur zur Bildungsforschung<br />
ist reichhaltig an Belegen,<br />
dass sehr wahrscheinlich nicht nur die individuelle<br />
Leistung entscheidend ist. Zufälle<br />
und Privilegien führen immer wieder<br />
zu dramatischen Abweichungen vom Leistungsprinzip,<br />
auf das die Schule so viel<br />
Wert legt.<br />
Die Auswirkungen sind nicht nur ungerecht<br />
für die VerliererInnen des Bildungswettlaufs.<br />
Die durch die Systemeigenheiten<br />
provozierte Unsicherheit in der Selektionspraxis<br />
wird auch die GewinnerInnen<br />
kaum zufrieden stellen, solange sie sich<br />
nur vage auf ihre erbrachte Leistung berufen<br />
können.<br />
Literatur<br />
Dahrendorf, R. (1965): Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer<br />
für eine aktive Bildungspolitik. Hamburg: Nannen.<br />
Ingenkamp, K. (1989): Diagnostik in der Schule. Beiträge<br />
zu Schlüsselfragen der Schülerbeurteilung. Weinheim: Belz.<br />
Kronig, W. (20<strong>05</strong>): Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs.<br />
[erscheint Anfang 2006]<br />
Marsh, H. W. (1987): The big-fish-little-pond effect on<br />
academic self-concept. Theoretical and empirical justification.<br />
In: Educational Psychology Review, 77-171.<br />
Zutavern, Brühwiler & Biedermann (2002): Die Leistungen<br />
der verschiedenen Schultypen auf der Sekundarstufe I.<br />
In: EDK & BfS (Hrsg.): Bern, St. Gallen, Zürich: Für das Leben<br />
gerüstet Die Grundkompetenzen der Jugendlichen –<br />
Kantonaler Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel:<br />
EDK / BfS, 63–76.<br />
inserate<br />
Gesucht: Lehrkräfte, die sich gegen Gewalt engagieren<br />
Die «Kampagne gegen Kleinwaffen» des Schweizerischen Friedensrates setzt<br />
sich für die Eindämmung der Waffenflut im Alltag weltweit und in der Schweiz<br />
ein. Unser Land hat eines der largesten Waffengesetze und einen Justizminister,<br />
der das nicht wirklich ändern will. Zudem nimmt der Wunsch nach einer eigenen<br />
Waffe unter den Jungen beängstigend zu.<br />
Deshalb möchten wir zusätzlich zur politischen Lobbyarbeit Unterrichtsmaterialien<br />
zum Thema Kleinwaffen erarbeiten. Für eine Arbeitsgruppe dazu suchen wir<br />
Freiwillige, in erster Linie Lehrerinnen und Lehrer. Interessiert<br />
Melde Dich bei der<br />
Kampagne gegen Kleinwaffen<br />
Postfach 6386, 8023 Zürich<br />
Tel. 044 242 93 21<br />
info@friedensrat.ch<br />
www.friedensrat.ch<br />
14 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hollenweger<br />
Sozial und erfolgreich<br />
Das Schweizer Bildungssystem im internationalen Vergleich<br />
Prof. Dr. Judith Hollenweger<br />
Pädagogische Hochschule Zürich<br />
Departement Forschung und<br />
Entwicklung<br />
Hirschengraben 28, Postfach<br />
1<br />
8090 Zürich<br />
judith.hollenweger@phzh.ch<br />
Was können wir aus den<br />
PISA-Ergebnissen lernen<br />
Noch keine internationale Vergleichsstudie<br />
hat so viel Resonanz in der Bildungspolitik<br />
und in einer breiteren Öffentlichkeit<br />
gefunden wie die PISA-Studie der<br />
OECD (Organisation for Economic Cooperation<br />
and Development), ein internationales<br />
Programm der Leistungsmessung<br />
bei 15-jährigen Jugendlichen. Im Zentrum<br />
steht jedoch nicht die Leistungsmessung<br />
beim einzelnen Jugendlichen, vielmehr<br />
werden die Leistungen aller Schülerinnen<br />
und Schüler in einem Land als Indikatoren<br />
für den Erfolg der jeweiligen Bildungssysteme<br />
analysiert. Erstaunt hat vor gut zwei<br />
Jahren – und hat deshalb auch eine breite<br />
Diskussion ausgelöst – der Befund, dass<br />
die Schulsysteme, die besonders erfolgreich<br />
sind, auch besonders sozial sind. Vor<br />
PISA sagte die Intuition vielen Politikern,<br />
dass Schulsysteme, die darum bemüht<br />
sind, die Schwächsten zu stützen und viel<br />
Zeit und Energie zugunsten einer Chancengerechtigkeit<br />
aufwenden, diese egalitären<br />
Werte mit tieferen Spitzenleistungen<br />
erkaufen müssen. Nun wissen wir,<br />
dass das nicht stimmt. Das Absichern einer<br />
Bildung für Alle bedeutet somit auch<br />
eine bessere Bildung für Alle. Dieser Befund<br />
– und natürlich vor allem die damit<br />
einhergehende Einsicht bei den Bildungsverantwortlichen<br />
– stimmt zuversichtlich:<br />
bessere Leistungen werden offensichtlich<br />
in sozial gerechteren Schulsystemen er-<br />
reicht. Es ist somit möglich, sozial und erfolgreich<br />
zu sein.<br />
Erfolgreich –<br />
sozial und wenig selektiv<br />
PISA zeigt es: es gibt Länder, die nicht nur<br />
höhere Spitzenleistungen und höhere<br />
durchschnittliche Leistungen erreichen,<br />
sondern auch homogenere Leistungen<br />
ausweisen: in den besten Ländern liegen<br />
die besten und die schlechtesten Leistungen<br />
auch näher beisammen. Die Tabelle 1<br />
zeigt, dass Kanada und Finnland sowohl<br />
den höheren Mittelwert als auch geringere<br />
Standardabweichungen aufweisen und<br />
die Unterschiede zwischen den schlechtesten<br />
und besten Leistungen geringer sind<br />
als in Deutschland und der Schweiz. Die<br />
Spannbreite ist in Deutschland sogar noch<br />
etwas grösser als in der Schweiz (OECD<br />
2001, 253).<br />
Tabelle 1: Variation in den Leistungen der Schülerinnen<br />
und Schüler (combined reading literacy scale)<br />
Mittelwert Standard- Range<br />
(PISA) abweichung (5-95 %)<br />
Kanada 534 95 371 - 681<br />
Finnland 546 89 390 - 681<br />
Schweiz 494 102 316 - 651<br />
Deutschland 484 111 284 - 650<br />
OECD Ø 500 100 324 - 652<br />
Herkunft oder Leistung<br />
In allen teilnehmenden Ländern zeigte<br />
sich eine mehr oder weniger enge Beziehung<br />
zwischen der Leistung und der sozialen<br />
Herkunft der Jugendlichen. Doch in<br />
einigen Ländern ist dieser Zusammenhang<br />
enger als in anderen Ländern. Was würden<br />
Sie als Bildungsverantwortliche in einem<br />
demokratischen Staat sich wünschen Ich<br />
wünschte mir, dass Kinder und Jugendliche<br />
Leistungen gemäss ihrer Begabung<br />
und ihrem geistigen Potential erbringen<br />
und nicht, weil sie aufgrund ihrer familiären<br />
Herkunft halt bildungsnäher oder<br />
bildungsferner sind. Ich wäre glücklich,<br />
wenn bei möglichst guten Leistungen der<br />
Einfluss der sozialen Herkunft möglichst<br />
klein wäre. Leider gehört die Schweiz nicht<br />
zu jenen Ländern, denen das gelingt. Vielmehr<br />
zeichnet sie sich aus durch relativ<br />
tiefe Leistungen bei einem relativ engen<br />
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft<br />
und Schulleistungen. Erfolgreich<br />
und sozial zu sein, hiesse Spitzenleistungen,<br />
einen hohen Durchschnitt und einen<br />
relativ lockeren Zusammenhang zwischen<br />
Leistungen und sozialer Herkunft zu erreichen.<br />
Ohne Zweifel möchte auch die<br />
Schweiz sich in diese Richtung entwickeln.<br />
Doch wie – das ist die Frage: welche Faktoren<br />
führen dazu, dass die Schweiz weniger<br />
erfolgreich und weniger sozial ist<br />
Was liegt näher, als die Systeme der Länder<br />
zu analysieren, welche es schaffen, erfolgreich<br />
und sozial zu sein Um den Erfolgsfaktoren<br />
auf die Spur zu kommen, hat<br />
das Bundesamt für Statistik 2003 eine Vertiefungsstudie<br />
in Auftrag gegeben, welche<br />
von Maja Coradi Vellacott, Michel Nicolet,<br />
Stefan Wolter und mir bearbeitet wurde:<br />
«Soziale Integration und Leistungsförderung».<br />
Seitens der OECD ist im letzten Jahr<br />
eine Studie mit dem Titel «What makes<br />
School System perform» publiziert worden.<br />
Sie beschäftigt sich zwar nicht explizit<br />
mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit,<br />
sondern mit der allgemeinen Qualität<br />
von Schulsystemen. Doch ist ja gerade die<br />
Einsicht, dass eine sozial gerechte – oder<br />
vielleicht besser gesagt, eine sozial weniger<br />
selektive – Schule auch eine gute Schule<br />
ist, Ausgangspunkt meiner Ausführungen.<br />
Was machen erfolgreiche Länder<br />
anders als die Schweiz<br />
Erfolgreiche Länder wie Kanada oder Finnland<br />
haben in den letzten Jahren zahlrei-<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 15
hollenweger<br />
che Reformbemühungen angestrengt. In<br />
einem internationalen Vergleich fallen vier<br />
Reformbereiche besonders auf und werden<br />
auch von der OECD mit den guten<br />
Leistungen in Verbindung gebracht:<br />
Systematische Unterstützung und Förderung<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
mit schlechten schulischen Leistungen<br />
(v.a. frühe Förderung, ohne Segregation)<br />
Systematische Verbesserung des Lehrens<br />
und Lernens von definierten Kompetenzen<br />
(Verminderung der etwa in<br />
der Schweiz zum Teil sehr grossen Unterschiede<br />
zwischen einzelnen Klassen)<br />
Erhöhte Schulautonomie kombiniert<br />
mit Selbstverantwortung und Rechenschaftsablegung<br />
Differenzierte, auf die sozialen Begebenheiten<br />
abgestimmte Finanzierung<br />
(prioritäre Unterstützung an Schulen<br />
mit einer schwierigen Zusammensetzung<br />
der Schülerschaft)<br />
Diese Aspekte lassen sich bezüglich des<br />
Umgangs mit Kindern mit Migrationshintergrund,<br />
mit unterschiedlichen Leistungen<br />
oder Behinderungen anwenden. Drei<br />
Bereiche und ihre Weiterentwicklung sind<br />
besonders bedeutsam:<br />
1. Organisation von Unterstützungssystemen<br />
für starke Schulen<br />
Finanzielle Unterstützung für Schulentwicklungsprojekte<br />
Systematische berufliche Weiterentwicklung<br />
der Lehrpersonen<br />
Schulhausnah entwickelte, standardbasierte<br />
Curricula (auf der Basis nationaler<br />
Vorgaben) zur Unterstützung des<br />
professionellen Unterrichts<br />
Interne Evaluation und Überprüfung<br />
der Standarderreichung als Planungsgrundlage<br />
des Schulteams<br />
2. Konsequente Integration aller Schülerinnen<br />
und Schüler in Bildungsprozesse<br />
Bildungspolitik, welche die linguistische<br />
und kulturelle Pluralität als Eigenschaft<br />
der Schulen und Schülerschaft<br />
akzeptiert und aktiv mitgestaltet.<br />
Unterstützungsprogramme der Familien<br />
zur Lernförderung, vor allem im Vorschulalter.<br />
Definition von «Education Action Zones»<br />
/ «Zones d‘Education Prioritaire»:<br />
flächendeckende Massnahmen in benachteiligten<br />
Schulen.<br />
3. Aktiver Umgang mit Unterschieden zwischen<br />
Schülerleistungen und Lernzielen<br />
Frühe Unterstützung und späte Selektion<br />
von leistungsschwächeren Kindern<br />
und Kindern aus benachteiligten Familien<br />
Flexible Übergänge zwischen den Bildungsstufen<br />
und «Second Chance»-Angebote<br />
Integrierte Förderung von leistungsschwächeren<br />
oder behinderten Kindern<br />
und Jugendlichen<br />
Ist die Schweiz nun besonders<br />
selektiv und unsozial<br />
In unserer Vertiefungsstudie zu PISA 2000<br />
(Coradi Vellacott et al. 2003) haben Stefan<br />
Wolter und Maja Coradi Vellacott Modellrechnungen<br />
durchgeführt: Was wäre,<br />
wenn die Schweiz einen gleich hohen Anteil<br />
an Migranten wie Finnland hätte – also<br />
statt 19 % nur 1 % Was wäre, wenn die<br />
Schweiz das gleiche Selektionsalter – also<br />
statt 12 erst mit 16 Jahren ansetzen würde<br />
Laut ihren Modellrechnungen wäre<br />
dann die soziale Selektivität – also die Abhängigkeit<br />
der Leistungen in PISA von der<br />
sozialen Herkunft – niedriger als in den besten<br />
Ländern. Die Schweiz ist also nicht a<br />
priori sozial ungerechter, sondern sieht<br />
sich in Bezug auf ihre Schülerschaft einer<br />
besonderen Herausforderung gegenüber.<br />
Durch verschiedene Faktoren bedingt gibt<br />
es in der Schweiz einen hohen Anteil von<br />
Kindern, die gleich mehreren Risikofaktoren<br />
gleichzeitig ausgesetzt sind: sie sind<br />
arm, sozial benachteiligt, sprechen die Unterrichtssprache<br />
nicht, stammen aus bildungsfernen<br />
Familien, die sich noch nicht<br />
lange in der Schweiz aufhalten, und – oft<br />
am bedeutendsten – sie werden von ihren<br />
Lehrpersonen bezüglich ihres Leistungspotentials<br />
unterschätzt. Durch frühere<br />
Einschulung und eine spätere Selektion –<br />
also erst nach dem 9. Schuljahr statt bereits<br />
nach vier oder sechs Jahren Primarschule<br />
– könnte die Schweiz vermutlich<br />
bereits erfolgreicher und sozialer werden.<br />
Doch ohne tief greifende Reformen – etwa<br />
in der Richtung, wie sie erfolgreichere Länder<br />
bereits durchgeführt haben – wird dies<br />
kaum zu realisieren sein und würde zu ei-<br />
2<br />
ner Überforderung der Schulen und Lehrpersonen<br />
führen.<br />
Internationale Indikatoren<br />
zu Wirkungen von<br />
Bildungssystemen<br />
Ein Schock ist manchmal der beste Eisbrecher:<br />
PISA hat ein Stück weit den Weg<br />
gebahnt für einen Lernprozess: Bildungssysteme<br />
nehmen sich heute selber deutlicher<br />
wahr und beginnen zu erahnen, dass<br />
sie es sind, die in Bezug auf die Bildungschancen<br />
für alle Kinder einen Unterschied<br />
machen können. Damit ist auch der Blick<br />
frei auf die Frage, wie Bildungssysteme gerecht<br />
und erfolgreich sein können. Bildungssysteme<br />
sind dann erfolgreich,<br />
wenn sie eine Bildung für alle ermöglichen<br />
und möglichst allen Kindern eine faire<br />
Chance geben, dabei erfolgreich zu sein.<br />
Viele Jahre stand hier die Frage im Vor-<br />
16 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hollenweger<br />
dergrund, ob es Schulen gelingt, alle Kinder<br />
unabhängig von ihrer sozialen Herkunft<br />
gleich erfolgreich zu fördern. In PISA<br />
wurde ein komplexer Indikator zur Umschreibung<br />
der familiären Herkunft gebildet,<br />
der sich an den Theorien von Pierre<br />
Bourdieu orientiert und über das Vorhandensein<br />
von sozialem, kulturellem und<br />
ökonomischem Kapital definiert wird. Nur<br />
die familiäre Herkunft zur Einschätzung<br />
von ungerecht verteilten Bildungschancen<br />
in einem Land zu berücksichtigen, wäre<br />
allerdings zu kurz gegriffen. Wenn unser<br />
Ziel eine Schule ist, die allen Kindern und<br />
Jugendlichen die gleichen Bildungschancen<br />
bietet, so müssen weitere Faktoren<br />
berücksichtigt werden. Folgende weitere<br />
Zielgruppen erhalten von der UNESCO in<br />
ihrem internationalen Programm «Bildung<br />
für Alle» – oder «Education for All» – ebenfalls<br />
besondere Aufmerksamkeit: Mädchen,<br />
Kinder mit Behinderungen, Kinder<br />
mit HIV/AIDS, Kinder in ländlichen, benachteiligten<br />
Gebieten.<br />
Wer ist von Benachteiligung oder<br />
Ausschluss bedroht<br />
Die Diversität in der Schule hat ohne Zweifel<br />
zugenommen und wird heute auch bewusster<br />
wahrgenommen. Es stellt sich die<br />
Frage, wie die Schule damit umgeht: Gelingt<br />
es ihr, eine soziale Kohäsion herzustellen,<br />
die für eine solidarische Bürgergesellschaft<br />
eine wesentliche Voraussetzung<br />
ist Gelingt es der Schule, Bildungsprozesse<br />
so zu gestalten, dass alle Kinder<br />
grundsätzlich die gleiche Chance haben,<br />
ihr Potential zu entfalten und ihre Fähigkeiten<br />
gleichberechtigt einzubringen Verschiedene<br />
Gruppen können von einem<br />
Ausschluss von Bildungsprozessen gefährdet<br />
sein und die Gefährdung kann von<br />
Land zu Land mit unterschiedlichen Indikatoren<br />
in Verbindung gebracht werden.<br />
Da in Kanada mehrheitlich gut qualifizierte<br />
Personen immigrieren und viele unter<br />
ihnen eine der beiden Landessprachen bereits<br />
beherrschen, ist dort im Gegensatz<br />
zur Schweiz diese Gruppe nicht vom Ausschluss<br />
gefährdet. Wo bei uns in Bezug auf<br />
Schulmisserfolg gegenwärtig die Variable<br />
«Migrationshintergrund» am bedeutsamsten<br />
zu sein scheint, sind in Kanada andere<br />
Variablen eng mit Schulmisserfolg verbunden:<br />
Kinder die in Armut leben, mit einem<br />
alleinerziehenden Elternteil auf dem<br />
Land aufwachsen. In Finnland hingegen ist<br />
es in Bezug auf die PISA-Leistungen am riskantesten,<br />
ein Knabe zu sein: die Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern haben<br />
dort einige heisse Köpfe verursacht.<br />
In vielen Entwicklungsländern kann eine<br />
Behinderung dazu führen, dass ein Kind<br />
von allen Bildungsprozessen ausgeschlossen<br />
wird, vor allem wenn es in einer ländlichen<br />
Region lebt.<br />
Schulische Risikofaktoren<br />
Es muss jedoch in diesem Zusammenhang<br />
nicht nur die Frage nach den schulunabhängigen<br />
Risikofaktoren in den verschiedenen<br />
Ländern gestellt werden, sondern<br />
auch nach schulischen Prozessen und Faktoren,<br />
die das Risiko erhöhen, wonach bestimmte<br />
Gruppen nicht in gleichem Masse<br />
von Bildungsprozessen profitieren können.<br />
Bildungssysteme, die stark segregiert<br />
sind, zeigen im internationalen Vergleich<br />
auch eine höhere soziale Selektivität. In<br />
selektiven Schulsystemen ohne lehrerunabhängige<br />
Leistungsmessungen werden<br />
meist nicht die leistungsstärksten Kinder<br />
in die prestigereichsten Schultypen<br />
eingeteilt, sondern viel eher Kinder aus Familien<br />
mit dem entsprechenden sozialen,<br />
kulturellen und ökonomischen Kapital.<br />
Sowohl die Erfahrungen in Deutschland,<br />
den Niederlanden und der Schweiz – also<br />
Länder mit eher segregierten, stark differenzierten<br />
Bildungssystemen – zeigen,<br />
dass schulische Selektionsprozesse fast<br />
zwangsläufig sozial gefärbt sind. Bildungssysteme,<br />
welche diese Selektion nicht vornehmen,<br />
haben einfach gesagt die Möglichkeit<br />
gar nicht, hier Fehler zu machen.<br />
Bildungsferne und Unkenntnis des Schulsystems<br />
wirken sich weniger stark aus,<br />
wenn nicht gewichtige Entscheide von den<br />
Eltern gefällt werden müssen. Dies sind<br />
nicht zu gering einzuschätzende Argumente<br />
für eine weniger selektive Volksschule.<br />
Die USA haben durch ihre Politik der finanziellen<br />
Unterstützung respektive Bestrafung<br />
einzelner Schulen gemäss ihrem<br />
Leistungsausweis mit einem anderen Selektionsproblem<br />
zu kämpfen. Schulen mit<br />
schlechten Leistungen werden die finanziellen<br />
Mittel gestrichen; das macht die<br />
Schule einerseits unattraktiv für bildungsnahe<br />
Eltern, andererseits demotiviert diese<br />
Massnahme die meist schon überforderten<br />
Lehrpersonen noch mehr. Benachteiligte<br />
Schulen mit schlechten Lehrpersonen<br />
und fehlenden finanziellen Mitteln<br />
sind das Ergebnis einer solchen Politik. In<br />
den USA funktioniert also die Selektion<br />
nicht bezüglich verschiedener Klassentypen,<br />
sondern bezüglich verschiedener<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 17
hollenweger<br />
Schulen und Schulkreise. Auch die in der<br />
Schweiz immer noch sehr gerne verschriebenen<br />
Fördermassnahmen, die ausserhalb<br />
der Klasse angeboten werden, jedoch<br />
wenig soziales Prestige haben, wirken<br />
segregierend. Sonderklassen in der<br />
Schweiz werden mit schlechten Schülerleistungen,<br />
Verhaltensdefiziten und vielen<br />
Ausländern in Verbindung gebracht. Wohl<br />
zu Recht ist der Besuch dieser Schultypen<br />
eher negativ konnotiert, was dazu führt,<br />
dass bildungsnahe, sozial gut gestellte Eltern<br />
diese Schulungsformen wo immer<br />
3<br />
möglich für ihre Kinder meiden und in Notfall<br />
auf private Schulen ausweichen.<br />
Sozialer Ausschluss als<br />
Ergebnis von Interaktionen<br />
Dank PISA haben Bildungssysteme begonnen,<br />
ihre Wirkungsweise mit anderen zu<br />
vergleichen und versuchen, die Unterschiede<br />
durch systemimmanente Faktoren<br />
zu erklären. Es findet heute ein öffentlicher<br />
Diskurs zur Qualität der Schweizer<br />
Schulen statt. Es ist heute, abgestützt auf<br />
verlässliche Daten möglich, sich die Frage<br />
zu stellen: Welche schulischen Faktoren<br />
haben auf den Bildungserfolg verschiedener<br />
Kinder einen positiven oder negativen<br />
Einfluss Die Fokussierung auf den Einfluss<br />
von schulischen Faktoren auf den Bildungserfolg<br />
der unterschiedlichsten Kinder<br />
und Jugendlichen ist kein geringer<br />
Erfolg auf dem Weg hin zu einer Schule für<br />
Alle: Die Eigenschaften der Schülerinnen<br />
und Schüler werden nicht mehr ausschliesslich<br />
als unabhängige, sondern vermehrt<br />
als abhängige Variable verstanden:<br />
Soziale Differenz, Benachteiligung, Ausschluss<br />
respektive erfolgreicher Übergang<br />
ins Erwachsenenleben, Berufschancen<br />
werden als Ergebnisse von Bildungsprozessen<br />
verstanden.<br />
Beispiel Behinderungen<br />
Dieser Perspektivenwechsel lässt sich international<br />
am gewandelten Verständnis<br />
von Behinderungen illustrieren. Noch vor<br />
wenigen Jahren wurde Behinderung als Ei-<br />
genschaft des individuellen Kindes verstanden:<br />
eine Schädigung – wie etwa Blindheit,<br />
Gehörlosigkeit oder selbst Körperbehinderungen<br />
– wurde in den Köpfen der<br />
Lehrpersonen und Bildungspolitiker<br />
gleich gesetzt mit verminderten Bildungschancen.<br />
Betroffene Kinder wurden geschont,<br />
man erwartete weniger von ihnen<br />
und niemand war erstaunt, wenn sie den<br />
Anschluss an höhere Ausbildungsgänge<br />
verpassten. Behinderung wurde als unabhängige<br />
Variable, als eine fixe Eigenschaft<br />
des Kindes verstanden. Heute wissen wir,<br />
dass eine Schädigung bestimmter Körperfunktionen<br />
in keiner Weise bedeuten<br />
muss, dass Bildungsprozesse a priori verunmöglicht<br />
werden oder ein Hochschulstudium<br />
und ein erfolgreicher Einstieg ins<br />
Erwerbsleben unerreichbar bleiben müssen.<br />
Zeitgemässe Modelle von Behinderung,<br />
wie in der Internationalen Klassifikation<br />
der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />
und Gesundheit (ICF, Weltgesundheitsorganisation,<br />
2001) umgesetzt, verstehen<br />
Behinderung als ein Ergebnis von komplexen<br />
Interaktionen zwischen der Funktionsfähigkeit<br />
des Individuums und seiner<br />
Umwelt. Behinderung wird also als Ergebnis<br />
dieser Interaktion verstanden, nicht<br />
als im Voraus definierte Eigenschaft des<br />
Kindes.<br />
Perspektivenwechsel von<br />
Eigenschaften zu Interaktionen<br />
Ich bin überzeugt, dass wir auch in Bezug<br />
auf weitere Aspekte, die wir heute noch als<br />
Eigenschaften des Kindes verstehen, nach<br />
und nach erkennen werden, dass diese Eigenschaften<br />
immer zumindest auch von<br />
Bildungsprozessen mitbedingt, verstärkt<br />
oder durch sie erst für den Schulerfolg<br />
wirklich relevant werden. Behinderungen,<br />
Benachteiligungen und sozialer Ausschluss<br />
sind Ergebnisse von Interaktionen<br />
und nicht Eigenschaften von Kindern oder<br />
ihren Herkunftsfamilien. Es ist auch wichtig<br />
zu sehen, dass Indikatoren von erfolgreichen<br />
und sozial gerechten Schulen<br />
letztlich Ausdruck von demokratisch gestalteten<br />
Interaktionsprozessen sind, in<br />
denen Schulen sich bemühen, alles zu unternehmen,<br />
dass keine gemeinsamen Bildungsprozesse<br />
aufgekündigt werden müssen.<br />
Denn mit dem Abbruch wichtiger, sozialer<br />
Beziehungen gehen sehr oft Ausgrenzungsprozesse<br />
und damit verbunden<br />
auch Diskriminierungen einher. Solange in<br />
der Schweiz solche Prozesse ohne massiven<br />
Druck das gegen System stattfinden<br />
– ich spreche hier etwa von Sonderklassenzuweisungen,<br />
von Repetitionen und<br />
Ausschluss aus der Klasse bei schweren<br />
Verhaltensproblemen – solange sind wir<br />
noch ein Stück weit weg von einer sozial<br />
gerechten Schule.<br />
Internationale Kriterien<br />
International werden heute in diesem Zusammenhang<br />
einige Bereiche diskutiert, in<br />
denen soziale Ungerechtigkeiten in Bildungssystemen<br />
vorhanden sein können:<br />
Zugänglichkeit (Zulassungskriterien,<br />
Schulgeld, Abhängigkeit von Zusatzunterricht)<br />
Integration / Segregation (Schulen mit<br />
verschiedenen Profilen und die Möglichkeit,<br />
zwischen diesen zu wählen,<br />
Sonderangebote für bestimmte Gruppen)<br />
Partizipation (Drop-out Raten, Schulabgänger<br />
ohne Abschlusszeugnis)<br />
Verteilung der Ressoucen (arme und<br />
reiche Gemeinden, Kantone, bedarfsorientierte<br />
oder leistungsorientierte<br />
Finanzierung)<br />
Verschiedene Bildungsangebote können<br />
auch mit Blick auf die Kriterien für ein<br />
«Recht auf Bildung» eingeschätzt werden,<br />
so wie sie etwa in der Auslegung (United<br />
Nations 1999) des entsprechenden Artikels<br />
des Internationalen Pakts über wirtschaftliche,<br />
soziale und kulturelle Rechte<br />
der Vereinten Nationen (1966) angeführten<br />
werden:<br />
Sind Bildungsangebote für alle in<br />
gleichem Masse vorhanden Availability<br />
Sind Bildungsangebote für alle in<br />
gleichem Masse zugänglich Accessibility<br />
Sind Bildungsangebote für alle in<br />
gleichem Masse angepasst Adaptability<br />
Sind Bildungsangebote für alle in gleichem<br />
Masse akzeptierbar Acceptability<br />
18 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
Erfolgreich dank Reformprozessen<br />
Bei aller vorhandenen Vielfalt in den verschiedenen<br />
Ländern haben erfolgreiche<br />
Bildungssysteme eines gemeinsam: Sie haben<br />
sich in den letzten Jahren bewegt und<br />
bewegen lassen; es wurden umfassende<br />
Reformprozesse initiiert und kooperativ<br />
umgesetzt. Partnerschaften wurden eingegangen<br />
oder verstärkt, Lehrpersonen<br />
haben ihre Rollen ausdifferenziert, um<br />
sich gegenseitig in der gemeinsamen Gestaltung<br />
ihrer Schule unterstützen zu können.<br />
Eltern haben als Partner in der Bildung<br />
ihrer Kinder nicht nur mehr Rechte<br />
erhalten, sondern werden auch in die Verantwortung<br />
genommen. Die aufrichtige<br />
Bemühung, Anstrengung und Offenheit,<br />
sich immer wieder gemeinsam für ein gutes<br />
Bildungssystem einzusetzen, ist möglicherweise<br />
ein universelles Geheimrezept<br />
erfolgreicher Schulen. Dies zeigt sich als<br />
Systemmerkmal in kanadischen Schulen<br />
und als Qualitätsmerkmal bei einzelnen<br />
Schulen in Deutschland, die überdurchschnittlich<br />
in PISA abgeschnitten hatten.<br />
Wenn Interaktionen dazu führen, dass<br />
bestimmte Kinder eher behindert und ausgeschlossen<br />
werden, dann können Interaktionen<br />
auch diese Prozesse verhindern<br />
helfen. Die Öffentlichkeit, die mit Tagungen<br />
und einem breit geführten Bildungsdiskurs<br />
geschaffen wird, kann der Schule<br />
dabei helfen, diesen Zusammenhängen<br />
auf die Spur zu kommen. Gelingt es uns<br />
dann noch, dass alle Beteiligten genügend<br />
Mut, Einsicht und Offenheit für diese Auseinandersetzung<br />
aufbringen, und dabei<br />
die Möglichkeit des eigenen Irrtums zulassen,<br />
so bin ich zuversichtlich mit Blick auf<br />
die Weiterentwicklung Richtung sozialere<br />
und gute Schule für Alle.<br />
Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)<br />
(2004): What makes School Systems perform Seeing School<br />
Systems through the Prism of PISA.<br />
Paris: OECD.<br />
United Nations (1999). Right to Education. Scope and Implementation.<br />
General Comment 13 on the right to education (Art. 13 of<br />
the International Covenant on Economic, Social and Cultural<br />
Rights). New York: United Nations.<br />
Deutsche Übersetzung in: Deutsches Institut für Menschenrechte<br />
(20<strong>05</strong>): Die »General Comments« zu den VN-Menschenrechtsverträgen.<br />
Deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen. Baden-<br />
Baden: Nomos<br />
Vereinte Nationen (UNO) (1966): Internationaler Pakt über wirtschaftliche,<br />
soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember<br />
1966. New York: Vereinte Nationen. (In Kraft getreten für die<br />
Schweiz am 18. September 1992)<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO) (2001): International Classification<br />
of Functioning, Disability and Health (ICF). Genf: Weltgesundheitsorganisation<br />
inserat<br />
Urwald-Klassenpartnerschaften<br />
mit<br />
Kamerun oder Russland<br />
Greenpeace sucht Schulklassen, die eine Partnerschaft<br />
mit einer Schule in Russland (auf<br />
Englisch) oder in Kamerun (auf Französisch)<br />
von Dezember <strong>05</strong> bis Juni 06 eingehen. Nachdem<br />
ein Testlauf mit zwei Klassen aus Nidau<br />
und Wünnewil mit kamerunischen Klassen<br />
gut funktionierte (neben dem kulturellen<br />
Austausch sammelten die Schweizer Schüler-<br />
Innen Geld für Baum-Setzlinge in ihren Partnerschulen)<br />
sollen in Hinblick auf den «UNO-<br />
Urwaldgipfel» im März 2006 die Klassenpartnerschaften<br />
verbreitet werden.<br />
Vollständig neu überarbeiteter Ratgeber<br />
Für die Rechte der<br />
Lernenden<br />
Wer den Bewerbungsmarathon mit einem Lehrvertrag erfolgreich<br />
abgeschlossen hat ist froh, hält sich zurück, auch bei ungenügender<br />
Ausbildungsqualität des Lehrbetriebs. Die Jugendkommission<br />
des SGB (SGB-Juko) will deshalb auch jene<br />
unterstützen, die den Weg in die berufliche Grundbildung beschreiten<br />
können: Das Lehrlingsrecht von A bis Z «Ich kenne<br />
meine Rechte» wurde in der 13. deutschen und in der 5. französischen<br />
Auflage der neuen Gesetzgebung und Begrifflichkeit<br />
vollständig angepasst.<br />
Den Lernenden werden ihre Rechte umfassend, aber verständlich<br />
dargelegt, das Vorgehen bei einem Konfliktfall erläutert.<br />
Viele neue Stichworte und Informationen wurden aufgenommen.<br />
Sensible Bereiche wie Datenschutz, Mobbing,<br />
Drogenkonsum usw. werden differenziert präsentiert.<br />
Die starke Zunahme der Frauen in der beruflichen Grundbildung<br />
in den letzten Jahren wurde mit ausführlichen Hinweisen<br />
zu den Gender-Fragen und mit der Gestaltung des Titelblattes<br />
berücksichtigt.<br />
Dem neuen Medienverhalten wird der Ratgeber gerecht: Neben<br />
dem praktischen Print-Medium im Taschenformat ist der<br />
Ratgeber auf der neu designeten Website der SGB-Juko<br />
www.gewerkschaftsjugend.ch gratis verwendbar. Unter 80<br />
Stichworten sind rund 100 Web-Adressen aufgeführt, die mit<br />
einem Mausklick weiterführende Quellen erschliessen.<br />
Der SGB-Juko-Ratgeber ist konkurrenzlos: <strong>144</strong> Seiten starker<br />
Text für nur 3 Franken (ab 20 Ex: 2.50). Kein anderer Ratgeber<br />
in diesem Bereich kann da nur annähernd mithalten.<br />
Bestellungen über info@sgb.ch oder<br />
www.gewerkschaftsjugend.ch<br />
Literatur<br />
Coradi Vellacott, M., Hollenweger, J., Nicolet, M., Wolter, S.C.<br />
(2003): Soziale Integration und Leistungsförderung. Thematischer<br />
Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel: Bundesamt für<br />
Statistik, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.<br />
Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)<br />
(2001): Knowledge and Skills for Life. First Results from the OECD<br />
Programme for International Students Assessment (PISA) 2000.<br />
Paris: OECD.<br />
Interessierte können ein Info-Dossier bei<br />
kuno.roth@ch.greenpeace.org,<br />
unter 031 312 55 11 oder Greenpeace,<br />
Bollwerk 35, 3011 Bern bestellen.<br />
Bitte Postadresse angeben.<br />
inserat<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 19
hutmacher<br />
Ist unsere Schule in den Augen<br />
der BürgerInnen gerecht<br />
Die historische Entscheidung, eine öffentliche Schule für alle zu führen, ist eine Voraussetzung der modernen Demokratie.<br />
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts spielt die Schule auch eine zentrale Rolle im Bereich der kulturellen, sozialen<br />
und wirtschaftlichen Integration in modernen Staaten. Bildung ist Voraussetzung für das allgemeine Wahlrecht.<br />
Umgekehrt legitimiert der demokratische Prozess die Entscheidungen der Bildungspolitik und der Bildungsinstitutionen,<br />
insbesondere was Ziele, Strukturen, Regeln, Inhalte, Unterrichts- und Bewertungsmethoden sowie Selektion betrifft.<br />
( Atelier 6)<br />
Walo Hutmacher,<br />
Soziologe, Universität Genf<br />
74, square de Montchoisy<br />
1207 Genève<br />
walo.hutmacher@pse.unige.ch<br />
Zusammenfassung und deutsche<br />
Übersetzung: Martina Turnes<br />
Als öffentliche Institution muss<br />
die Schule den Grundsatz gleicher<br />
Rechte garantieren. Paradoxerweise<br />
liegt jedoch Ungleichheit<br />
im Kern ihres Betriebs,<br />
verteilt sie doch Ressourcen und<br />
Chancen, die für ein gutes Leben wichtig<br />
sind, sehr ungleich:<br />
SchülerInnen werden aufgrund ihrer<br />
ungleichen Leistungen ungleich benotet<br />
und belohnt, bekommen Zugang zu<br />
Bildungswegen und -inhalten unterschiedlichen<br />
sozialen Wertes, eignen<br />
sich ungleiches Wissen und ungleiche<br />
Kompetenzen an und erhalten schliesslich<br />
Diplome, die auf dem Arbeitsmarkt<br />
und im gesellschaftlichen Leben ungleichen<br />
Wert haben.<br />
Individuelle Investitionen in Bildung<br />
und Ausbildung lohnen sich nicht für alle<br />
im gleichen Ausmass, weil verschiedene<br />
Bildungsniveaus und -wege einen<br />
sehr unterschiedlichen ökonomischen,<br />
gesellschaftlichen und kulturellen Wert<br />
haben. Das Ausbildungsniveau ist u.a.<br />
für die unterschiedlichen Löhne ausschlaggebend,<br />
wie auch für das Mass an<br />
Selbständigkeit, Macht und Verantwortung,<br />
Sozialprestige, Autorität etc., und<br />
schliesslich auch für die Chancen lebenslangen<br />
Lernens.<br />
Aletta Grisay 1 schlägt vor, vier Kategorien<br />
von Gleichheit zu unterscheiden: Gleichheit<br />
des Zugangs zu Bildung und der Bildungschancen;<br />
Gleichheit der schulischen<br />
Behandlung; Gleichheit der Resultate;<br />
Gleichheit der Folgen von Bildung.<br />
Die Frage der Gerechtigkeit der Institution<br />
Schule stellt sich unter jedem dieser Gesichtspunkte<br />
unterschiedlich. Ich kann ihr<br />
hier nicht weiter nachgehen, weil mich eine<br />
andere Frage interessiert:<br />
Wie ist Ungleichheit möglich<br />
Diese Frage wurde von Wissenschaft und<br />
Gesellschaft hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt<br />
der Kausalbeziehungen gestellt.<br />
Welche Faktoren, Abläufe, Interaktionen<br />
oder Kausalitätsketten führen dazu,<br />
dass gewisse SchülerInnen dort scheitern,<br />
wo es andern gelingt zu lernen und<br />
sich die Kompetenzen anzueignen, die ihnen<br />
die Schule beibringen will Natürlich<br />
sind die SchülerInnen verschieden, in ihrer<br />
Intelligenz, ihren Talenten, ihren Begabungen<br />
sowie in ihrer Arbeitsanstrengung<br />
und -willen. Die Soziologie hat aber auch<br />
gezeigt, dass Kinder unterschiedlicher<br />
Herkunft und entsprechenden ökonomischen,<br />
kulturellen und gesellschaftlichen<br />
Ressourcen sehr ungleiche Chancen haben,<br />
gute Schulleistungen zu erzielen und<br />
gute Noten und Diplome zu erhalten. Um<br />
diese Ungleichheiten der Herkunft auszugleichen,<br />
wurden denn auch seit anfangs<br />
der 1960er Jahre viele Reformbestrebungen<br />
eingeleitet und zum Beispiel, vorerst<br />
in der Westschweiz, Orientierungsstufen<br />
gegründet.<br />
Schulischer Misserfolg bedeutet allerdings<br />
nicht nur, keinen Zugang zu Diplomen<br />
und höherer Bildung zu haben, sondern<br />
auch, für einen beträchtlichen Teil<br />
der Jugendlichen, keinen Zugang zum Wissen<br />
und zu den Kompetenzen zu erhalten,<br />
die je länger je mehr für ein wirtschaftlich<br />
und gesellschaftlich befriedigendes Leben<br />
unabdingbar sind. Es ist ein wichtiges Verdienst<br />
der IEA- 2 und der PISA-Studien, dass<br />
sie unterstreichen, dass nicht nur der ungleiche<br />
Zugang zu höherer Bildung und<br />
Diplomen auf dem Spiel steht, sondern der<br />
ungleiche Zugang zu Kompetenzen und<br />
operationellem Wissen, und oft gerade zu<br />
den elementarsten Grundwerkzeugen der<br />
Wissensaneignung und des Kulturverständnisses:<br />
Lesekompetenz, Grundkenntnisse<br />
in Mathematik und Naturkunde,<br />
sowie Problemlösefähigkeiten etc.<br />
Gleichheit – Gerechtigkeit<br />
Die Frage, wie Ungleichheit in der öffentlichen<br />
Schule möglich ist, kann aber noch<br />
von einem andern Gesichtspunkt betrachtet<br />
werden. Neben der Frage der Kausalitäten<br />
schulischer Ungleichheit kann man<br />
auch fragen, wie Ungleichheit gesellschaftlich<br />
überhaupt möglich ist: Wie kann<br />
in einer demokratischen Gesellschaft, die<br />
auf dem Prinzip der gleichen Rechte, des<br />
gleichen Werts und der gleichen Würde aller<br />
aufbaut, eine erst noch öffentliche Institution<br />
– die von den BürgerInnen kontrolliert<br />
wird – in diesem Ausmass soziale<br />
Ungleichheiten produzieren und reprodu-<br />
20 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
Zu diesem Text<br />
zieren Mit etwas Realismus müssen wir ja<br />
annehmen, dass es Ungleichheiten in demokratischen<br />
Gesellschaften und Schulen<br />
nur geben kann, wenn diese Ungleichheiten<br />
gesellschaftlich zulässig und toleriert<br />
sind, oder wenigstens nicht als so verwerflich<br />
gelten, dass sie sichtbaren Protest<br />
in Politik und Schule hervorrufen. So<br />
stellt sich denn die Frage nach der Gerechtigkeit<br />
in und von Schule.<br />
Diese Frage kam mir unvermittelt im<br />
Rahmen des OECD-Pilotprojekts «Internationale<br />
Indikatoren der Bildungssysteme»<br />
entgegen. In der Projektleitung wollten wir<br />
von Anfang an Indikatoren über die Gleichheit<br />
von Unterrichtssystemen in den Mitgliedsländern<br />
entwickeln. Im Englischen<br />
wird aber lieber der Begriff equity als<br />
equality benützt. Im Französischen besteht<br />
das gleiche Spannungsfeld zwischen<br />
den Begriffen équité und égalité (und im<br />
Deutschen zwischen Gerechtigkeit und<br />
Gleichheit). Man tendiert allzu oft, sie zu<br />
verwechseln oder zu verschmelzen. So<br />
brandmarken oder bedauern wir beispielsweise<br />
durch Herkunft und Geschlecht<br />
begründete Ungleichheiten – ungleiche<br />
Zugänge, ungleiche Laufbahnen,<br />
ungleichen Erfolg und ungleiche Schulnoten<br />
– im Namen der sozialen Gerechtigkeit,<br />
allzu oft ohne die Gerechtigkeitsgrundsätze<br />
zu präzisieren oder zu hinterfragen, auf<br />
die sich das Urteil stützt.<br />
Mit der internationalen Arbeitsgruppe<br />
im Rahmen des OECD-Projektes sind wir<br />
unweigerlich auf diese Problematik gestossen.<br />
Wir setzten uns dann mit den neuesten<br />
Entwicklungen der politischen Philosophie<br />
auseinander, insbesondere jene<br />
die auf die Theory of Justice von Rawls<br />
folgten, welche ja schon 1971 erschienen<br />
war (!). Weder Rawls 3 noch andere Autoren<br />
haben die Frage der Gerechtigkeit in<br />
Sachen Bildung und Erziehung speziell behandelt,<br />
das mussten wir selber tun. Die<br />
Arbeitsgruppe stellte 2001 einen ersten<br />
Konzeptrahmen für ein Indikatorensystem<br />
vor. 4 Die OECD wollte danach aber diesen<br />
Weg nicht weiter verfolgen. So erarbeitete<br />
denn ein Forscherteam aus Frankreich,<br />
England, Italien, Spanien, Belgien<br />
An der Tagung am 15. Januar hatte der Genfer Soziologe Walo Hutmacher zwei Funktionen.<br />
Zum einen leitete er das Atelier 6, in dem auf der Grundlage eines von ihm verteilten Rasters<br />
«Egalité de qoui – Cinq conceptions de l’égalité en matière d’éducation» über «Gleichheit und<br />
Gerechtigkeit im Bildungswesen» (Egalité et équité des systèmes éducatifs) diskutiert wurde.<br />
Zum andern setzte er den Schlusspunkt mit einigen Eindrücken zur und Folgerungen aus der<br />
Tagung.<br />
Anstelle eines Berichts zum Atelier und den Schlussbemerkungen drucken wir ein Manuskript<br />
zum Thema des Ateliers ab, «L’école est-elle juste aux yeux des citoyens», allerdings in einer<br />
gekürzten Version. Walo Hutmacher hat es für die «Assises 20<strong>05</strong>» der «Coordination Enseignement<br />
Genève» zum Thema «Qu’est-ce qu’une école juste» geschrieben. Das ungekürzte Manuskript<br />
in der Originalsprache findet sich, zusammen mit weiteren lesenswerten Beiträgen auf<br />
der Homepage: www.arobase-ge.ch (unter «assises»).<br />
und der Schweiz im Rahmen eines Socrates-Projektes<br />
der EU ein erstes Set von etwa<br />
30 Indikatoren über die Gerechtigkeit<br />
(équité) von Bildungssystemen, die demnächst<br />
veröffentlicht werden. 5<br />
Erklärungen, Rechtfertigung und<br />
Berechtigung von schulischer<br />
Ungleichheit<br />
Um der Frage der gesellschaftlichen Legitimität<br />
von schulischen Ungleichheiten<br />
näher zu kommen, habe ich meinerseits eine<br />
Befragung bei Schweizer Bürgern benutzt,<br />
aus der ich jetzt einige Ergebnisse<br />
vorstellen möchte.<br />
Je besser die Bildung, desto höher das<br />
Einkommen. Diese Feststellung gilt auch<br />
für die Schweiz: 1996 war das durchschnittliche<br />
Einkommen von Leuten mit<br />
Universitätsabschluss etwa 60 % höher<br />
als dasjenige von Leuten mit einem Abschluss<br />
auf Sek-II-Stufe (Maturität oder<br />
Lehrabschluss). Und dieses Einkommen<br />
wiederum war durchschnittlich 30 %<br />
höher als dasjenige von Personen, die<br />
nach der obligatorischen Volksschule keine<br />
weitere Ausbildung abgeschlossen hatten.<br />
Die finanziellen Vorteile einer Ausbildung<br />
sind unbestritten. Auf Universitätsniveau<br />
sind sie in der Schweiz mit denen<br />
beispielsweise in Italien und Schweden<br />
vergleichbar; in Frankreich, England und<br />
den USA sind sie noch grösser.<br />
Ist es aber gerecht, dass es besser ausgebildete<br />
Menschen gibt und dass diese<br />
erst noch besser entlöhnt werden Gleichheit<br />
und Gerechtigkeit sind eng miteinander<br />
verbunden; die Frage der Gerechtigkeit<br />
stellt sich, weil es Ungleichheiten gibt.<br />
Eine klare Unterscheidung zwischen diesen<br />
beiden Konzepten führt aber zu ein<br />
paar kniffligen Fragen:<br />
Sind alle Ungleichheiten ungerecht<br />
Nach welchen Prinzipien und Kriterien<br />
können Ungleichheiten als gerecht<br />
resp. ungerecht beurteilt werden<br />
Oder etwas paradox: Welche Ungleichheiten<br />
sind gerecht und welche nicht<br />
Ja sogar: Welche Ungleichheiten<br />
braucht die Gerechtigkeit im Bereich<br />
Bildung<br />
Welche Ungleichheiten können akzeptiert<br />
werden, und unter welchen Bedingungen<br />
Der Soziologe kann solche Fragen nicht beantworten.<br />
Aber da es sich um soziale Vorstellungen<br />
und Meinungen handelt, kann<br />
er sie empirisch angehen. So habe ich 1999<br />
in einer repräsentativen Umfrage etwa 700<br />
MitbürgerInnen (im Alter von 18 bis 84) zu<br />
diesem Thema befragt: 6 Welche Ungleichheiten<br />
in Schule und Ausbildung werden in<br />
unserer Gesellschaft als gerecht resp. ungerecht<br />
befunden, und mit Bezug auf welche<br />
Grundprinzipien<br />
Ungleichheiten zwischen<br />
Einzelnen werden im Allgemeinen<br />
nicht als ungerecht empfunden<br />
Ungleiche Leistungen von SchülerInnen<br />
werden meist als «normal» ja sogar als «un-<br />
1 Grisay, A. (1984). Quels indicateurs pour quelle réduction<br />
des inégalités scolaires in: Revue de la Direction générale<br />
de l’organisation des études, 9, 3-14.<br />
2 International Association for the Evaluation of Educational<br />
Achievement, eine internationale Non-Profit-Forschungsorganisation<br />
von nationalen und staatlichen Forschungsinstitutionen,<br />
die unter anderen die TIMSS-Studie (Third International<br />
Mathematics and Science Study, 1999) durchgeführt hat.<br />
3 Rawls, J., Théorie de la justice, Seuil Points, 1997<br />
4 Hutmacher, W., Cochrane, D., Bottani, N. (eds), In Pursuit of<br />
equity. Using international indicators to compare equity policies<br />
; Kluwer Academic Publishers, Boston/Dordrecht/London,<br />
2001<br />
5 Groupe Européen de Recherche sur l’Équité des Systèmes<br />
Éducatifs (GERESE), L'équité des systèmes éducatifs européens.<br />
Un ensemble d’indicateurs, erscheint 20<strong>05</strong><br />
6 Hutmacher, W., Explication et justification des inégalités en<br />
éducation et formation, GfS-Forschungsinstitut, Zürich, 2001<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 21
hutmacher<br />
vermeidlich» betrachtet. Demgemäss werden<br />
ungleiche Noten und Bewertungen für<br />
ungleichwertige Arbeiten auch nicht als<br />
ungerecht eingestuft. Die grosse Mehrheit<br />
der befragten SchweizerInnen (82 %) findet<br />
es auch tatsächlich unvermeidlich,<br />
dass gewisse SchülerInnen in der Schule<br />
erfolgreich sind und andere nicht. Doch,<br />
soweit die Chancengleichheit gewahrt ist,<br />
kann eine unvermeidliche Ungleichheit<br />
nicht als ungerecht betrachtet werden.<br />
Die Haltung der SchweizerInnen mag etwas<br />
fatalistisch erscheinen, in der Spannung<br />
zum Postulat der allgemeinen Lernfähigkeit.<br />
Vielleicht deshalb meint eine<br />
grosse Mehrheit derselben Befragten<br />
(71 %) zugleich, die Schule trage für den<br />
ungleichen Schulerfolg eine grosse Verantwortung.<br />
Jetzt weiss jede Lehrperson, dass ungleiche<br />
Bewertungen, Benotungen oder<br />
Belohnungen in irgend einer Weise gerechtfertigt<br />
werden müssen. Das setzt wiederum<br />
einen Minimalkonsens über die Kriterien<br />
von Richtigkeit voraus, nach denen<br />
Schülerbeiträge bewertet werden, und<br />
über die Kriterien und Prinzipien von Gerechtigkeit,<br />
auf der Entscheidungen basieren,<br />
die Ungleichheit zur Konsequenz haben.<br />
Die Schule trägt übrigens sehr viel zu<br />
diesem Konsens bei. Sobald es zur Schule<br />
geht – in einem Alter, in dem die Fähigkeit<br />
der kritischen Distanz noch klein ist – lernt<br />
jedes Kind, dass es ausserhalb der Familie<br />
nicht entsprechend seinen Bedürfnissen<br />
belohnt wird, sondern gemäss seinen Leistungen<br />
und dem persönlichen Verdienst,<br />
den ihm andere zuschreiben. Was das Kind<br />
auf diese Weise lernt, wird ihm nicht im formalen<br />
Unterricht beigebracht, sondern es<br />
lernt dies sozusagen osmotisch, durch die<br />
tägliche praktische Erfahrung mit dem<br />
Funktionieren der Schule. Im Prozess der<br />
Bewertung – Belohnung und Bestrafung –<br />
lernt jeder und jede allmählich zwei kulturelle<br />
Hauptbestandteile des schulischen<br />
und letztlich des gesellschaftlichen Lebens:<br />
1. Die Kriterien der Richtigkeit (oder Exzellenz),<br />
gemäss denen Schule und Ge-<br />
sellschaft seine Leistungen bewerten.<br />
Nicht alle SchülerInnen schaffen es, das<br />
zu lernen, was die Schule lehrt. Aber die<br />
in der Schule (und Gesellschaft) geltenden<br />
kognitiven, verhaltensspezifischen,<br />
ästhetischen, ethischen etc.<br />
Massstäbe zu erkennen, sie zu respektieren<br />
und sich daran zu orientieren,<br />
das schaffen die meisten, selbst jene,<br />
denen die Schule Mühe bereitet.<br />
2. Die Kriterien der Gerechtigkeit, gemäss<br />
denen die Schule (und die Gesellschaft)<br />
Leistungen bewertet und beurteilt.<br />
Nicht alle SchülerInnen fühlen sich gerecht<br />
behandelt. Eine Umfrage im letzten<br />
obligatorischen Schuljahr an der<br />
Orientierungsstufe in Madrid, Cardiff,<br />
Paris und Rom – im Rahmen des oben<br />
erwähnten EU-Programms Socrates –<br />
zeigt z.B., dass sich eine grosse Mehrheit<br />
in ihrer Schule gerecht behandelt<br />
fühlen, aber die guten SchülerInnen<br />
fühlen sich signifikant häufiger gerecht<br />
behandelt als die schwachen. Jedoch<br />
selbst jene, die sich ungerecht behandelt<br />
fühlen, werden in ihrer langen<br />
Schulkarriere allmählich die geltenden<br />
Gerechtigkeitsprinzipien verinnerlichen<br />
und die meisten werden auch lernen,<br />
sie zu respektieren, u.a. die meritokratische<br />
Gleichung laut der «Verdienst<br />
= Talent + Arbeit» ist.<br />
Ungleichheiten zwischen<br />
Gruppen werden meist als<br />
ungerecht empfunden<br />
Beiläufig sei hier vermerkt, dass die grosse<br />
Ungleichheit der Kompetenzen, welche<br />
die PISA-Studie zwischen Ländern und<br />
Kantonen belegt hat, im Allgemeinen nicht<br />
als ungerecht empfunden wird. Ähnlich<br />
werden Entlöhnungsungleichheiten in<br />
verschiedenen Ländern nicht als ungerecht<br />
empfunden, sondern eher als eine<br />
Konsequenz des freien Markts. Gerechtigkeitsprinzipien<br />
sind also institutionell umhegt,<br />
sie gelten innerhalb dessen, was als<br />
gemeinsame Gesellschaft definiert und als<br />
«Wir» empfunden wird, wie z.B. eine Nation,<br />
eine Region oder ein Kanton, (noch)<br />
nicht Europa, auch nicht der Planet.<br />
Innerhalb von nationalen oder regionalen<br />
Rahmen jedoch werden Ungleichheiten<br />
zwischen sozialen Gruppen oder Kategorien,<br />
im Gegensatz zu Ungleichheiten zwischen<br />
Individuen, häufig als ungerecht, ja<br />
sogar als dem Chancengleichheitsprinzip<br />
widersprechende Diskriminierung empfunden.<br />
Dass Geschlecht, soziale Herkunft,<br />
ethnische oder rassische Zugehörigkeit<br />
den Schulerfolg beeinflussen,<br />
wird von vielen als ungerecht und ethisch<br />
unhaltbar eingestuft. Im Namen der Chancengleichheit<br />
haben ja die Frauen die<br />
Gleichheit in der Schule und allgemein in<br />
der Ausbildung errungen, und kämpfen sie<br />
immer noch für gleiche Löhne und Arbeitsplätze.<br />
Das Gerechtigkeitsempfinden der befragten<br />
SchweizerInnen liegt auch auf dieser<br />
Wellenlänge, ist aber je nach Schülerkategorie<br />
unterschiedlich. Nur etwa die<br />
Hälfte findet es ungerecht, dass die<br />
Mädchen in der Schule allgemein besser<br />
abschneiden als die Knaben. Hingegen findet<br />
es eine beachtliche Mehrheit von gegen<br />
zwei Dritteln ungerecht, dass Schulerfolg<br />
von der sozialen Herkunft oder von<br />
der Nationalität abhängt. Es herrscht aber<br />
nicht Einstimmigkeit in Bezug auf diese sozialen<br />
Ungleichheiten in der Schule. Handle<br />
es sich um Knaben, um Arbeiterkinder<br />
oder um Ausländerkinder, gibt es jedesmal<br />
eine nicht unbeachtliche Minderheit, die<br />
es nicht als ungerecht empfindet, dass sie<br />
in der Schule allgemein weniger gut abschneiden.<br />
Worauf beruht die Empfindung<br />
von Gerechtigkeit in der Schule<br />
Im Laufe der Geschichte haben sich vornehmlich<br />
drei Grundsätze für Gerechtigkeit<br />
in Erziehung und Bildung herauskristallisiert,<br />
aus denen sich sehr unterschiedliche<br />
Konsequenzen ergeben:<br />
1. Sehr alt schon ist der utilitaristische<br />
Grundsatz, der postuliert, dass man einen<br />
guten Unterricht umso eher verdient<br />
als man einen guten Gebrauch<br />
von ihm macht, d.h. gut und effizient<br />
lernt. Demnach sollen die besten SchülerInnen<br />
den besten und den längsten<br />
22 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hutmacher<br />
Unterricht erhalten. Entgegen vielen öffentlichen<br />
Beteuerungen kommt in den<br />
aktuellen Schulregeln und der Praxis<br />
dieser Grundsatz sehr häufig zum Zug.<br />
2. Auf dem Grundsatz der Chancengleichheit<br />
baut die republikanische Schule<br />
auf. Dieser Grundsatz wird insbesondere<br />
seit den 1970er Jahren wieder stark<br />
betont, angesichts der sozialen Ungleichheit<br />
nach Geschlecht und Herkunft.<br />
Gemäss diesem Prinzip sollen alle<br />
SchülerInnen die gleichen Chancen<br />
haben, einen guten Unterricht zu erhalten.<br />
Doch kann ungleicher Erfolg unter<br />
diesem Prinizip nur über die Verbesserung<br />
der Bildungsqualität für alle<br />
bekämpft weden, u.a. durch die Erhöhung<br />
der Ressourcen.<br />
3. Die eben genannten Grundsätze gehen<br />
vom Gesichtspunkt der Ressourcen<br />
aus, welche die Schule bietet. Dabei<br />
weiss man aber, wie stark Schulerfolg<br />
von den Ressourcen abhängt, welche<br />
die SchülerInnen selber und von ihrer<br />
Familie her mitbringen: materielle Ressourcen<br />
(Einkommen der Familie, Ausstattung<br />
etc.), kulturelle Ressourcen<br />
(Informationsstand, Nähe resp. Distanz<br />
zur Leitkultur, die in der Schule gepflegt<br />
wird, etc.), und soziale Ressourcen (Beziehungsnetz,<br />
Zugang zu Entscheidungsträgern<br />
und Vertrauenspersonen,<br />
Loyalität, etc.). Vor diesem Hintergrund<br />
versucht sich neulich ein Differenzierungsprinzip<br />
mit positiver Diskriminierung<br />
zu behaupten. Demnach soll<br />
die Schule ihre Bemühungen und Ressourcen<br />
prioritär denjenigen zukommen<br />
lassen, die die schlechtesten Ausgangsbedingungen<br />
haben. SchülerInnen<br />
mit den grössten Schwierigkeiten<br />
müssen also den besten Unterricht erhalten.<br />
Die 1999 befragten SchweizerInnen wurden<br />
aufgefordert, für jede Schulstufe jenen<br />
Grundsatz auszuwählen der ihnen geeignet<br />
schien. Es fällt zuerst auf, dass viele Befragte,<br />
wahrscheinlich aus Überforderung,<br />
diese Frage nicht beantworten konnten.<br />
Eine Erklärung dafür mag darin liegen,<br />
dass sich die Öffentlichkeit seit langem<br />
wohl stark mit der Frage der Leistung der<br />
Schule auseinandersetzt, viel weniger<br />
aber mit jener der Gerechtigkeit.<br />
Bei den Befragten, die die Frage beantwortet<br />
haben, bevorzugt jeder fünfte das<br />
utilitaristische Prinzip für die Primarstufe,<br />
jeder zweite die Chancengleichheit und jeder<br />
dritte die positive Diskriminierung. Die<br />
utilitaristische Option nimmt in den darauf<br />
folgenden Schulstufen rasch zu: jeder<br />
dritte wählt sie für die obligatorische Sekundarstufe<br />
und für die Berufsschule, jeder<br />
zweite für das Gymnasium und die<br />
Hochschulen. Diese Zunahme des utilitaristischen<br />
Prinzips geht hauptsächlich auf<br />
Kosten der positiven Diskriminierung.<br />
Während sie immerhin ein Drittel der Befragten<br />
für die Primarschule angemessen<br />
finden, befürwortet sie nur jeder Sechste<br />
für die Sekundarstufe I und die Berufsbildung,<br />
und gerade noch jeder Zwanzigste<br />
möchte diesen Gerechtigkeitsgrundsatz<br />
auch in den nachobligatorischen Bildungsgängen<br />
angewendet wissen.<br />
Je höher die Schulstufe, desto eher<br />
wird also das utilitaristische Prinzip (der<br />
beste Unterricht für die besten SchülerInnen)<br />
als gerecht angesehen. Letztlich gelten<br />
in der schweizerischen Öffentlichkeit<br />
für die Schule nach der Primarstufe<br />
hauptsächlich zwei Gerechtigkeitsprinzipien:<br />
das utilitaristische und die Chancengleichheit.<br />
Beide sind übrigens mit Ungleichheit<br />
in der Schule kompatibel, zwar<br />
nicht ungleicher Zugang, aber doch ungleiche<br />
Resultate; das erste Prinzip mehr<br />
als das zweite.<br />
Die Folgen von ungleicher<br />
Ausbildung<br />
Laut der Umfrage finden es etwa drei von<br />
vier BürgerInnen gerecht, dass die am besten<br />
Ausgebildeten auch die höchsten Einkommen<br />
haben und folglich die besten sozialen,<br />
finanziellen und kulturellen Lebensbedingungen.<br />
Man weiss ja, dass in<br />
den Bewertungsschemata von Funktionen<br />
und Arbeitsplätzen in Unternehmen und<br />
Verwaltungen die verlangte Ausbildungsstufe<br />
ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung<br />
der Lohnhöhe darstellt.<br />
Dagegen finden es aber nur zwei Bürger-<br />
Innen von fünf gerecht, dass die am besten<br />
Ausgebildeten auch die besten Möglichkeiten<br />
haben, sich über das ganze Leben<br />
weiterzubilden. Hier kommt wahrscheinlich<br />
das Prinzip der Chancengleichheit<br />
wieder zum Zuge.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Über Ungleichheiten wird man ziemlich<br />
schnell einig, wenn man darüber einig ist,<br />
was wichtig ist, was im Leben einen Unterschied<br />
macht. Dem ist in unseren Gesellschaften<br />
generell so, wenn es um Einfluss,<br />
Macht, Geld, Komfort, Bildungsstand<br />
etc. geht. Und solche Grössen messen<br />
sich ja auch relativ leicht auf einer Skala<br />
von mehr oder weniger. Desgleichen<br />
sind wir über ungleiche Leistungen in der<br />
Schule einig, die üblicherweise mit unterschiedlichen<br />
Belohnungen, Anerkennungen<br />
und Noten und schliesslich Diplomen<br />
mit unterschiedlichem gesellschaftlichem<br />
Wert belohnt werden.<br />
Gerechtigkeit hingegen kann nicht so<br />
einfach wie Gleichheit gemessen werden;<br />
es geht um Wertvorstellungen und Meinungen,<br />
um Grundsätze und Kriterien für<br />
Gerechtigkeit – und diese können beträchtlich<br />
varieren. Wenn aber in einer demokratischen,<br />
auf dem Prinzip der Gleichheit<br />
aufbauenden Gesellschaft und in<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 23
hutmacher<br />
ihren öffentlichen Schulen schulische Ungleichheiten<br />
möglich sind, dann muss man<br />
annehmen, dass sie nicht als ungerecht<br />
empfunden werden, oder zumindest, dass<br />
sie von SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen<br />
und BürgerInnen toleriert werden. Der<br />
vorliegende Beitrag will über das Gerechtigkeitsempfinden<br />
der SchweizerInnen in<br />
Bezug auf Ungleichheit in der Schule informieren.<br />
Er gründet auf einer zwar pauschalen,<br />
aber meines Wissens in der<br />
Schweiz ersten Befragung in diesem Bereich.<br />
In einer Demokratie ist es wenigstens<br />
staatspolitisch realistisch anzunehmen,<br />
dass die Schule gerecht ist, wenn und so<br />
lange die BürgerInnen – oder wenigstens<br />
eine Mehrheit von ihnen – sie als gerecht<br />
empfinden. Und unsere Umfrageergebnisse<br />
legen den Schluss nahe, dass dem in der<br />
Schweiz, gemäss dem heutigem Gerechtigkeitsempfinden<br />
so ist. Eine Mehrheit<br />
der BürgerInnen findet, dass die Schule legitimiert<br />
ist, ungleiche Ergebnisse zu produzieren,<br />
unter der Voraussetzung, dass<br />
sie nicht ganze Gruppen von Menschen<br />
diskriminiert und dass sie die Chancengleichheit<br />
von Kindern unterschiedlicher<br />
Herkunft und Nationalität gewährleistet.<br />
Dass ihrerseits schulische Ungleichheit zu<br />
sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit<br />
führt, wird ebenfalls von einer Mehrheit<br />
als gerecht empfunden. Angesichts des<br />
Einflusses, den das Einkommen auf den<br />
Status in Gesellschaft, Kultur und Familie<br />
und sogar einfach auf das körperliche<br />
Wohlbefinden hat, ist es nicht falsch zu behaupten,<br />
dass die Schule durch ungleiche<br />
Ausbildungen die gesellschaftlichen Ungleichheiten<br />
nicht nur reproduziert, sondern<br />
sie auch legitimiert. Unser soziologischer<br />
Ansatz zwingt zu dieser Erkenntnis.<br />
Weder die ungleiche Verteilung von Wissen<br />
und Können noch die Legitimation sozialer<br />
Ungleichheiten stehen zwar ausdrücklich<br />
in der Zielsetzung der Bildungssysteme.<br />
Aber zusammen mit der Homogenisierung<br />
der Kriterien von Richtigkeit<br />
und Gerechtigkeit bilden sie einen nicht<br />
unbeachtlichen Beitrag zum relativ friedlichen<br />
Funktionieren der modernen von Ungleichheit<br />
geprägten Gesellschaften. Es ist<br />
auch nicht der kleinste Widerspruch der<br />
Schule, dass sie nicht alle ihr vorgegebenen<br />
Aufgaben erfüllt, dass sie hingegen<br />
Wirkungen hat, die für das Funktionieren<br />
der Gesellschaft wichtig sind, die aber<br />
nicht zu ihren ausdrücklichen Aufgaben<br />
gehören.<br />
Die Umfrage hat auch gezeigt, dass gewisse<br />
pädagogische Reformen nicht unbedingt<br />
dem vorherrschenden Gerechtigkeitsempfinden<br />
entsprechen, ja ihm sogar<br />
widersprechen. Nur eine Minderheit empfindet<br />
heute als gerecht, dass SchülerInnen<br />
mit grossen Schwierigkeiten zusätzliche<br />
Ressourcen und Aufmerksamkeit erhalten,<br />
und nur in der Primarschule. Es<br />
zeigt sich, dass wenn solche Gerechtigkeitsgrundsätze<br />
wenigstens für die obligatorische<br />
Schulzeit gefordert werden, sie in<br />
der Öffentlichkeit vorgetragen, diskutiert<br />
und verteidigt werden müssen, damit sie<br />
von einer Mehrheit der BürgerInnen akzeptiert<br />
werden können.<br />
Die Grundsätze und das Gerechtigkeitsempfinden,<br />
deren statistische Mehrheit<br />
wir aufgezeigt haben, gehören zu einem institutionellen<br />
Erbe, das zum Teil auf das<br />
19. Jahrhunderts zurückgeht und zu einem<br />
andern auf die (nicht abgeschlossenen)<br />
bildungspolitischen Diskussion der zweiten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Wissensgesellschaft,<br />
die sich vor dem Hintergrund<br />
von wirtschaftlicher und kultureller<br />
Globalisierung entwickelt, macht eine<br />
Überprüfung und Reinterpretation dieses<br />
Erbes sinnvoll, wenn nicht sogar unumgänglich.<br />
Zudem wird es in diesem neuen<br />
Kontext auch wichtig sein, zwei weitere<br />
Gerechtigkeitsgrundsätze zu diskutieren,<br />
die Rawls umrissen hat und die ich bis jetzt<br />
noch nicht erwähnt habe.<br />
Laut dem ersten dieser Grundsätze<br />
müssen die Privilegien der am meisten Begünstigten<br />
(auch) in den Dienst der am<br />
meisten Benachteiligten gestellt werden.<br />
Im Bereich Bildung sollen also letztere die<br />
gleichen Möglichkeiten haben wie die ersteren,<br />
die professionellen Leistungen zu<br />
nutzen, die von den am besten Ausgebildeten<br />
angeboten werden, wie ÄrztInnen,<br />
IngenieurInnen, ForscherInnen und natürlich<br />
… LehrerInnen. Hier wird u.a. mit<br />
Nachdruck die Frage der Loyalität und des<br />
Engagements der Schule im Allgemeinen<br />
und der Lehrpersonen im Besonderen aufgeworfen<br />
gegenüber den schwächsten<br />
SchülerInnen, insbesondere den gesellschaftlich<br />
am meisten Benachteiligten.<br />
Der zweite Grundsatz postuliert, dass<br />
niemand unter ein Minimum an Ressourcen<br />
fallen darf. Im Bereich Bildung ist dieses<br />
Minimum an Kompetenzen und Ausbildung,<br />
das ein gesellschaftlich, wirtschaftlich<br />
und familiär gutes Leben voraussetzt,<br />
im Laufe des letzten halben Jahrhunderts<br />
dramatisch angestiegen. Eine<br />
minimale Chancengleichheit beim Eintritt<br />
ins Erwachsenenleben setzt heute u.a.<br />
voraus, dass alle Jugendlichen am Ende ihrer<br />
obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen<br />
und über eine Basiskultur verfügen,<br />
welche es ihnen erlauben, über das<br />
ganze Leben Ausbildungen und berufliche<br />
Kompetenzen zu erwerben, auf denen ihr<br />
Bestehen im Arbeitsbereich gründet.<br />
Interessanterweise verknüpft dieser<br />
zweite Grundsatz unmittelbar die Fragen<br />
der Gerechtigkeit und der Wirksamkeit,<br />
und er bedeutet eine enorme Herausforderung,<br />
vor allem für die Grundschule und<br />
die darin tätigen Fachleute. Insofern die<br />
Anerkennung dieses Grundsatzes eine Art<br />
Resultatspflicht der Institution Schule bedeuten<br />
kann, kommt sie einer eigentlichen<br />
institutionellen Revolution gleich. Man<br />
weiss, dass es für die Lehrenden keine Resultatspflicht<br />
geben kann, weil eine solche<br />
mit der Freiheit der Lernenden in Konflikt<br />
träte. Das schliesst ja die Methodenpflicht<br />
für die Lehrenden nicht aus. Und die Schule<br />
als Institution ist heute – auch im Namen<br />
der Gerechtigkeit – herausgefordert, konstant<br />
wirksamere Organisations- und Arbeitsmethoden<br />
zu erforschen und zu entwickeln,<br />
gerade und vor allem auch für die<br />
Schwächsten.<br />
24 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
thesen<br />
Tagungsthesen<br />
Zur Tagung «Bildung für alle – Chancengleichheit und Selektion in Schule und Berufsbildung»<br />
Mehr Chancengleichheit im Interesse<br />
der Einzelnen und der Gesellschaft<br />
Das Recht auf Bildung beinhaltet auch das<br />
Recht auf eine möglichst gute Förderung aller<br />
Kinder und Jugendlichen im Sinne der Chancengleichheit.<br />
Die Förderung des Potenzials aller<br />
ist im Interesse der Gesellschaft.<br />
Gut gebildete und ausgebildete Menschen sind<br />
fähig, das eigene Leben zu gestalten, sie integrieren<br />
sich in die Gesellschaft und tragen zu deren<br />
Funktionieren bei.<br />
Selektion kann Chancengleichheit verhindern,<br />
erst recht wenn Herkunft statt Leistung ausschlaggebend<br />
für die Laufbahnentscheide ist.<br />
Offensichtlich bietet das heutige Bildungswesen<br />
Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten<br />
Gruppen der Bevölkerung keine<br />
erfolgreiche Förderung an.<br />
Durch die zunehmende Lehrstellenknappheit<br />
fallen Jugendliche aus den tieferen Schulzweigen<br />
– darunter vor allem auch Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund – durch die Maschen.<br />
Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit hohen gesellschaftlichen<br />
Folgekosten verbunden.<br />
Integrative statt selektive Schulen<br />
Das Bildungssystem der Zukunft bietet keine<br />
Hand für selektive Entscheide aufgrund zugeschriebener<br />
Merkmale wie sozialer oder<br />
sprachlich-kultureller Faktoren. Das Bildungssystem<br />
setzt die Grundsätze der Verfassung<br />
und der Menschenrechte um und wahrt die<br />
Würde jedes Einzelnen.<br />
Die integrative statt selektive obligatorische<br />
Schule ermöglicht es jedem Individuum unserer<br />
gemischten Bevölkerung, sein Lernpotenzial<br />
auszuschöpfen. Das öffentliche Bildungswesen<br />
soll künftig in den allgemein bildenden Schulen<br />
auf Gleichstellung und Integration setzen und<br />
gemischte Lerngruppen fördern.<br />
An Stelle von Sonderklassen findet integrative<br />
sonderpädagogische Förderung statt, an Stelle<br />
der selektiven Leistungszweige ist die Sekundarstufe<br />
I integrativ und durchlässig ausgestaltet.<br />
Jedes kantonale Schulsystem und jede Schule<br />
soll Chancengleichheit und Bildung für alle (für<br />
MigrantInnen, bildungsferne Familien oder<br />
sonst benachteiligte Gruppen) als Qualitätskriterium<br />
setzen, regelmässig überprüfen und einen<br />
Handlungsplan zur Verbesserung entwickeln.<br />
Jede Schule soll sich die Verbesserung<br />
des Schulerfolges schulisch benachteiligter<br />
Gruppen als Ziel setzen.<br />
Unterstützung gegen Diskriminierung<br />
Die Betroffenen brauchen Unterstützung seitens<br />
des Bildungssystems, damit die Chancengleichheit<br />
besser erreicht werden kann.<br />
Jugendliche, die Diskriminierung erfahren oder<br />
vermuten, brauchen eine Ansprechstelle, welche<br />
sie beraten und stärken kann.<br />
Eltern mit einem bildungsfernen Hintergrund<br />
müssen darin gestärkt werden, ihre Mitsprache<br />
in Schulfragen ihrer Kinder wahrzunehmen.<br />
Dafür müssen sie das Bildungssystem kennen<br />
und wissen, wo sie Beratung und Unterstützung<br />
finden können.<br />
Das Rekurswesen betreffend Selektionsentscheide<br />
muss transparent und durchlässig gestaltet<br />
werden.<br />
Jugendliche werden bei der Lehrstellensuche<br />
aufgrund ihrer Herkunft und ihres Namens diskriminiert.<br />
Sie brauchen nahe und kontinuierliche<br />
Unterstützung im ganzen Berufswahlprozess.<br />
Wirksamere Lernförderung<br />
In gemischten Lerngruppen kommen Menschen<br />
mit unterschiedlichen Voraussetzungen zusammen,<br />
verschieden in Geschlecht, Alter und in<br />
ihrem sozialen, sprachlichen, kulturellen Hintergrund.<br />
Durch die vielseitigen Erfahrungen<br />
und Ideen kommen Kompetenzen zusammen,<br />
die das Lernen beflügeln.<br />
Eine wirksame Lernförderung der Benachteiligten<br />
muss früh ansetzen. Die Einrichtungen für<br />
familienergänzende Betreuung sind in den bildungspolitischen<br />
Auftrag einzubeziehen.<br />
Zweisprachig aufwachsende Kinder sollen ihre<br />
Erstsprache und die Zweitsprache (Lokalsprache)<br />
in integrierter Form innerhalb der Schweizer<br />
Schulen entwickeln können, dies fördert den<br />
Lernerfolg.<br />
Schülerinnen und Schüler werden besser lernen,<br />
wenn die Lerninhalte mit ihrer Lebenswelt<br />
und ihren sozialen Realitäten verknüpft werden<br />
und wenn sie im Sinne einer SchülerInnen-Mitsprache<br />
das Schulleben mitgestalten und mitverantworten<br />
können.<br />
Individuelle Förderung in kleinen Klassen und<br />
die notwendigen Stütz- und Fördermassnahmen<br />
erfordern zusätzliche Ressourcen.<br />
Sowohl Lehrkräfte als auch Gesellschaft sollen<br />
den jungen Menschen zeigen, dass an sie geglaubt<br />
wird und dass hohe Erwartungen in sie<br />
gesetzt werden, die sie dank der Unterstützung<br />
auch erreichen können.<br />
Die Lernbeurteilung soll in erster Linie dazu dienen,<br />
die Lernenden möglichst gut zu fördern<br />
und sie darin zu unterstützen, ihr Potenzial zu<br />
entfalten. Wenn die Schule Laufbahnentscheide<br />
fällt, dürfen nicht nur die Fachleistungen eine<br />
Rolle spielen. Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
wie Selbständigkeit, soziales Verhalten und<br />
Teamfähigkeit müssen berücksichtigt werden.<br />
Altersdurchmischtes Lernen wird der Heterogenität<br />
der heutigen Schulklassen besser gerecht<br />
und ermöglicht ein weniger selektionierendes<br />
Schulsystem.<br />
Das Recht auf Bildung muss auch auf<br />
die nachobligatorische Bildung<br />
ausgedehnt werden<br />
Jeder junge Mensch soll nach der obligatorischen<br />
Schule die Möglichkeit haben, sich nach<br />
seinen Neigungen und Möglichkeiten in einer<br />
weiterführenden Schule oder einer Berufsausbildung<br />
noch mindestens drei weitere Jahre<br />
weiter auszubilden und einen anerkannten Abschluss<br />
der Sekundarstufe II zu erlangen. Längerfristig<br />
gilt es, dieses Recht in der Bundesverfassung<br />
zu verankern.<br />
Geeignete Jugendliche aus bildungsungewohnten<br />
und eingewanderten Familien müssen gezielt<br />
gefördert werden, damit sie eine Mittelschule<br />
besuchen können. Falls notwendig können<br />
Förderangebote und Coachings ihnen helfen,<br />
sich die an Mittelschulen geforderten Lernhaltungen<br />
und -techniken anzueignen.<br />
Staat und Wirtschaft sollen dafür sorgen, dass<br />
genügend Lehrstellen, Schul- und Ausbildungsplätze<br />
für alle Schulentlassenen zur Verfügung<br />
stehen. Gefragt sind dabei vor allem auch neu<br />
zu schaffende Ausbildungsplätze in zukunftsträchtigen<br />
Berufsfeldern (Dienstleistungen, Medien,<br />
Kommunikation, Kultur, Gesundheit, Sozialbereich…)<br />
sowie Berufslehren für Jugendliche<br />
aus tieferen Schulzweigen.<br />
Brückenangebote können eine gute Rolle spielen,<br />
zum Beispiel für neu Eingewanderte zum Erlernen<br />
der lokalen Sprache. Brückenangebote<br />
dürfen jedoch nicht einfach als Ersatz dafür<br />
missbraucht werden, dass Plätze in qualifizierenden<br />
Ausbildungen fehlen.<br />
Für alle Massnahmen, welche Chancengleichheit<br />
und Integration fördern, sind die<br />
notwendigen personellen und finanziellen<br />
Ressourcen bereit zu stellen.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 25
ateliers<br />
Schule ohne Ausgrenzung<br />
Möglichkeiten und Vorbilder<br />
einer integrativen Schule<br />
Am Beispiel einer Kampagne des Grünen Bündnis Kanton Bern<br />
Atelier 1<br />
mit Corinne Schärer<br />
Gewerkschaftssekretärin <strong>vpod</strong>,<br />
Grossrätin Grünes Bündnis<br />
2010 soll im Kanton Bern der «Integrationsartikel»<br />
des revidierten Volksschulgesetzes in die Praxis umgesetzt<br />
werden. Der Integrationsartikel (Art. 17<br />
Volksschulgesetz, VolG) verlangt, dass möglichst alle<br />
Kinder, also auch solche mit besonderen Bedürfnissen, in der<br />
selben Klasse unterrichtet werden.<br />
Die Diskussion um Integration statt Ausgrenzung beschränkt<br />
sich aber nicht auf den Kanton Bern, sondern wird schweizweit,<br />
wenn nicht sogar in ganz Europa geführt. Auch das Grüne Bündnis<br />
beteiligt sich an dieser Diskussion. Seit Jahren engagiert es<br />
sich für eine nachhaltige Bildungspolitik, welche die Begabungen<br />
und Fähigkeiten eines jeden Kindes fördert und allen unabhängig<br />
von ihrer Herkunft die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten gibt.<br />
Leider sind wir heute weit von diesem Ziel entfernt. Kinder aus<br />
bildungsfernen Schichten, fremdsprachige Kinder und Kinder mit<br />
Behinderungen werden heute oft ausgegrenzt, ungenügend gefördert<br />
oder gar stigmatisiert. Dies will das Grüne Bündnis ändern.<br />
Mit einer Informationskampagne informiert es über die<br />
Chancen und Rahmenbedingungen von integrativen Schulen und<br />
fordert die beteiligten Akteure dazu auf, weiter zu denken und<br />
sich für Verbesserungen einzusetzen.<br />
Bedenkliche Entwicklung<br />
Dass diese Verbesserungen nötig sind, zeigen folgende Zahlen:<br />
Die Zahl der Kleinklassen hat im Kanton Bern in den letzten<br />
Jahren zugenommen.<br />
Während der Anteil an «ausgesonderten» Kindern mit körperlichen<br />
und geistigen Behinderungen etwa gleich bleibt (keine<br />
Verbesserungen), steigt vor allem die Aussonderung von ausländischen<br />
Kindern an. Gesamtschweizerisch hat sich der Anteil<br />
an ausländischen Kindern in ausgesonderten Klassen praktisch<br />
verdoppelt. 1980/81 wurde jedes 15. ausländische Kind<br />
in Sonderklassen oder -schulen unterrichtet. 1997/98 ist dies<br />
für jedes 9. ausländische Kind der Fall.<br />
In der Schweiz gibt es einen überdurchschnittlichen Anteil von<br />
Kindern mit geringer Lesekompetenz. In der Schweiz, Deutsch-<br />
land und Belgien ist die Lesekompetenz am stärksten vom Berufsstatus<br />
der Eltern geprägt (PISA-Studie).<br />
In den Kantonen Bern und St. Gallen sind 61 % der SekundarschülerInnen<br />
in Lesen und Mathematik gleich kompetent wie<br />
die GymnasiastInnen. Im Kanton Bern sind fast 30 % der RealschülerInnen<br />
aufgrund ihrer mathematischen Leistungen<br />
nicht von GymnasiastInnen zu unterscheiden. Das Problem<br />
der falschen Selektion nimmt zu. (PISA-Kantonsauswertung).<br />
Integration: Eine alte Aufgabe der Schule,<br />
die eine neue Bedeutung erhält<br />
Rhetorisch hat sich die Idee der integrativen Schule bzw. der<br />
«Schule ohne Ausgrenzung» weitgehend durchgesetzt: Lehrkräfte,<br />
Erziehungsdirektion und Bildungsforschung sind im Grundsatz<br />
für eine Schule, die möglichst viele Kinder einschliesst statt<br />
ausgrenzt und die weniger selektioniert und mehr fördert. Diese<br />
Einsicht fusst zum einen auf den Ergebnissen vieler Schulversuche,<br />
die zeigen, dass eine integrierende Schule tendenziell in der<br />
Tat weniger Jugendliche aus der Schule entlässt, die den Anschluss<br />
verpasst haben und sich und der Gesellschaft deshalb zur<br />
Last werden. Zum anderen zeigen die Resultate der PISA-Studie,<br />
dass ausgrenzende Schulen in der Tendenz durchschnittlich leistungsschwächere<br />
SchulabgängerInnen hervorbringen als integrative<br />
Schulen.<br />
Lehrkräfte stehen also vor einem Dilemma: Während aus<br />
pädagogischer Sicht eine Schule ohne Ausgrenzung Vorbild ist,<br />
sieht die Praxis anders aus: Die heute bestehende Schule belastet<br />
vor allem in den sozial sehr heterogenen städtischen Gebieten<br />
und Agglomerationen die Lehrkräfte bereits im Übermass. Eine<br />
integrative Schule ohne genügende Ressourcen erhöht die Belastung<br />
zusätzlich, heterogene Klassen sind naturgemäss anspruchsvoller.<br />
Schule ohne Ausgrenzung braucht adäquate<br />
Ressourcen<br />
Auf gesellschaftlicher Ebene gilt es, das Kind nicht mit dem Bade<br />
auszuschütten: Eine Schule ohne Ausgrenzung umsetzen zu wollen,<br />
ohne die entsprechenden Ressourcen für Teamteaching, Supervision,<br />
Coaching, heilpädagogische Unterstützung etc. zur<br />
Verfügung zu stellen, wird genau das Gegenteil dessen erzielen,<br />
26 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
was sie bei genügend Ressourcen erreichen könnte: Eine Entlastung<br />
der Folgekosten aus «nachschulischer Betreuung» verwahrloster<br />
Jugendlicher, die ihr Leben nicht bewältigen können.<br />
Wenn der Kanton Bern die Umsetzung des Integrationsartikels<br />
wirklich Ernst nehmen will, muss er einen sorgfältigen Prozess bei<br />
den Lehrkräften einleiten. Dieser Prozess umfasst von der Ausund<br />
Weiterbildung über Motivation durch berührende Erfolgsund<br />
Misserfolgsbeispiele sowie der Auseinandersetzung mit den<br />
dahinter stehenden Konzepten bis zu den pädagogischen Zusatzaufwendungen<br />
eine breite Palette von wichtigen Schritten.<br />
Zentral ist auch die Einsicht, dass heterogene Klassen, die naturgemäss<br />
aus einer Schule ohne Ausgrenzung folgen, geeignete Ressourcen<br />
und Strukturen brauchen, namentlich Teamteaching, Zusatz-<br />
und Stützunterricht, heilpädagogische Unterstützung etc.<br />
Einsatz auf politischer Ebene ist nötig<br />
Wenn «realpolitisch» zu wenig Ressourcen da sind, sollen Schritte<br />
in Richtung integrativer Schulen nicht einfach abgelehnt werden.<br />
Vielmehr geht es darum, aus Einsicht in die Notwendigkeit<br />
einer «Schule ohne Ausgrenzung» mit geeinten Kräften die nötigen<br />
Mittel beschaffen. Und auch mit einem Teil der Mittel kann<br />
bereits einiges erreicht werden. Das Grüne Bündnis hat deshalb<br />
eine Homepage aufgeschaltet: www.integrative-schule.ch. Damit<br />
will es Möglichkeiten und Vorbilder einer integrativen Schule aufzeigen.<br />
Die Homepage beinhaltet:<br />
Gute Modelle und Anregungen, wie integrative Schulmodelle<br />
heute bereits umgesetzt werden.<br />
Vorschläge für politische Entscheidungen, die uns auf dem<br />
Weg der Integration weiterbringen können.<br />
Eine Liste mit links zu weiteren Modellen und pädagogischen<br />
Anregungen zum Thema.<br />
Integrative Schulsysteme auf der<br />
Sekundarstufe I<br />
Vorgestellt an Beispielen aus drei Sprachregionen<br />
Atelier 2<br />
mit<br />
André Allisson, Projektleiter, Erziehungsdepartement Neuenburg<br />
Béatrice Barbey, Lehrerin im Cycle d’orientation, Genf<br />
Gian-Pietro Milani, Vizedirektor der scuola media, Losone<br />
Martin Sahli, Schulleiter Bern-Stapfenacker/Brünnen<br />
Regina Stauffer, Präsidentin <strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung<br />
Erziehung Wissenschaft (Leitung)<br />
Zusammenfassung: Ruedi Tobler<br />
Informiert und diskutiert wurde über die verschiedenen integrativen<br />
Schulmodelle, ihr politisches Umfeld, sowie ihre Chancen<br />
und allfälligen Gefahren. Im Bericht gehen wir nicht auf das Neuenburger<br />
Modell ein, da der Kanton ein Reformprojekt nicht zuletzt<br />
wegen Widerstands der Lehrkräfte aufs Eis gelegt hat.<br />
Die scuola media im Tessin –<br />
eine Oberstufen-Gesamtschule<br />
terogenen Klassen, und der zweite, die «Orientierungsstufe», geprägt<br />
von einem teilweise oder ganz differenzierten Angebot.<br />
Im Verlaufe der dreissig Jahre hat sie verschiedene Anpassungen<br />
erfahren, insbesondere im zweiten Zyklus. So ist man von<br />
einer Gliederung in Sektion A und B (unterschiedliche Klassen)<br />
übergegangen zu einer mit vorerst Niveau 1 und 2 und danach<br />
Kurs A und B (beide teilweise differenziert).<br />
Seit 1980 wurde ein pädagogischer Unterstützungsdienst eingeführt<br />
für SchülerInnen mit Lernrückständen oder Verhaltensschwierigkeiten,<br />
sowie praktische Kurse zur Förderung der Integration;<br />
(reduzierte Lernanforderungen, Ersatz gewisser Fächer<br />
durch manuelle Tätigkeiten zur Vorbereitung auf die Eingliederung<br />
in die Arbeitswelt). Parallel dazu wurden für Kinder aus anderen<br />
Sprachgebieten Basiskurse in Italienisch eingeführt, um ihre<br />
rasche Integration zu fördern.<br />
Der Genfer cycle d’orientation –<br />
eine Orientierungsschule<br />
Der Genfer «cycle d’orientation» umfasst die drei letzten Jahre der<br />
obligatorischen Schule (7. - 9. Klasse). Mit wenigen Ausnahmen<br />
treten alle SchülerInnen in sie ein. Besondere Anstrengungen werden<br />
für junge ImmigrantInnen mit den Einführungsklassen unternommen<br />
(<strong>40</strong> % der Genfer Bevölkerung sind AusländerInnen).<br />
Aufgrund von Noten oder Tests am Ende der 6. Primarklasse<br />
werden die SchülerInnen dem Niveau A oder B zugewiesen. Die<br />
Vor dreissig Jahren hat der Tessiner Grosse Rat beschlossen, die<br />
«scuola media» einzuführen, die alle Schulkinder im Alter zwischen<br />
11 und 15 Jahren unter einem Dach vereint, die bis dahin<br />
schon mit elf Jahren zur Wahl zwischen dem Weg in Richtung<br />
Hochschulstudium oder Berufslehre gezwungen waren.<br />
Die Reform bestand in der Einführung einer Stufe von vier Jahren,<br />
aufgeteilt in zwei Zweijahreszyklen. Der erste, die «Beobachtungsstufe»,<br />
charakterisiert durch gemeinsamen Unterricht in he<strong>vpod</strong><br />
<strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 27
ateliers<br />
beiden Niveaus sind theoretisch nicht hierarchisch geordnet. Die<br />
Lehrziele sind für alle gleich, auch wenn der Lehrplan unterschiedlich<br />
ist. Die Stundentafel ist die gleiche, trotz einigen Wahlfächern,<br />
nur die Klassengrössen sind unterschiedlich, ungefähr<br />
24 im A und 16 im B.<br />
Ein Wechsel zwischen A und B ist jederzeit möglich. Am Ende<br />
des Schuljahres erfolgt er automatisch beim Erreichen eines Notendurchschnitts<br />
von 4,8 im B, im Laufe des Jahres aufgrund eines<br />
Beschlusses der Lehrerkonferenz. Ein Durchschnitt von 4,8<br />
ist ziemlich leicht zu erreichen, haben doch alle Fächer das gleiche<br />
Gewicht (die Turn- kann die Deutschnote kompensieren).<br />
Aber gute Noten im B stellen nicht zwingend sicher, dass ein ins<br />
A wechselndes Schulkind dort mithalten kann.<br />
Zusätzliche Mittel für die B-Klassen sollten den Graben zwischen<br />
den beiden Niveaus in Grenzen halten. Aber sie sind bei<br />
weitem ungenügend (z.B. 2 Wochenstunden mit Präsenz von zwei<br />
Lehrkräften). Und die ständig steigenden Schülerzahlen in den<br />
A-Klassen erlauben es den LehrerInnen nicht, einem aus dem B<br />
kommenden Kind oder einem gefährdeten Kind, das ins B zu «fallen»<br />
droht, die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Die Berner Quartierschule Stapfenacker/Brünnen<br />
mit integrativer Oberstufe<br />
Die Berner Quartierschule Stapfenacker/Brünnen umfasst das<br />
Angebot vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I. Zudem wird<br />
eine Tagesschule angeboten. Der Schulversuch Bern-West ist<br />
durch einen politischen Entscheid zustande gekommen; sein Ende<br />
ist auf das Schuljahr 20<strong>05</strong>/2006 vorgesehen.<br />
Seit 1988 gilt das Modell, bei dem die Klassen vom 1. bis 9.<br />
Schuljahr zusammen bleiben. Alle SchülerInnen besuchen die<br />
gleiche Klasse; vom 7. Schuljahr an werden in Deutsch, Mathematik<br />
und Französisch Niveaugruppen gebildet und innerhalb der<br />
Klasse gleichzeitig unterrichtet. Ein Niveauwechsel ist zu Beginn<br />
jeden Semesters möglich. Den definitiven Entscheid fällen die Erziehungsberechtigten<br />
nach Vorschlag der Lehrkräfte und Wunsch<br />
des Kindes.<br />
Die Beurteilung der Leistungen erfolgt vom Kindergarten bis<br />
zum neunten Schuljahr ohne Noten. Am Ende jedes Schuljahres<br />
wird mit einem ausführlichen Bericht informiert; dazu gehört<br />
auch eine Selbstbeurteilung des Kindes. Nach dem ersten Semester<br />
erfolgt in jedem Schuljahr ein obligatorisches Gespräch zwischen<br />
Eltern, SchülerIn und Lehrkraft. Der Übertritt in die Berufsbildung<br />
funktioniert gut, dank Gesprächen, die für die Lehrmeister<br />
viel mehr aussagen als Noten.<br />
Eine schulische Heilpädagogin oder Heilpädagoge betreut jede<br />
Klasse. Durch Beobachtung, Gespräche und gezielte Hilfe im<br />
Klassen-, Gruppen- oder Einzelunterricht helfen sie Kindern mit<br />
Schwierigkeiten. Bringen die Massnahmen nicht den gewünschten<br />
Erfolg, ist ein Wechsel in eine polyvalente Kleinklasse möglich<br />
(Besuch einzelner Fächer oder des ganzen Unterrichts). Nach<br />
dem Provisorium wird mit allen Beteiligten die Rückkehr in die<br />
Stammklasse oder der Übertritt in die Kleinklasse beschlossen.<br />
Die Rückkehr in eine Regelklasse ist auch später möglich.<br />
Fazit<br />
Die Selbstbeurteilung der drei Modelle fällt unterschiedlich aus.<br />
Zur scuola media nimmt die Mehrheit der konsultierten Lehrkräfte,<br />
Direktionen, Sachverständigen und Elternorganisationen<br />
eine positive Haltung ein, insbesondere was Chancengleichheit<br />
und Selektion betrifft. Die scuola media hat das Tessiner Schulsystem<br />
für alle sozialen Schichten geöffnet und gleiche Schulbedingungen<br />
für alle gebracht. Der bedeutendste und wichtigste Gewinn<br />
für die Jugendlichen aus den weniger bevorteilten Schichten<br />
besteht in einer umfassenderen und moderneren Schulbildung<br />
als früher.<br />
Wie schon aus der kritischen Darstellung hervor geht, fällt das<br />
Urteil über den cycle d’orientation eher zwiespältig aus. Das System<br />
ist zweischneidig, denn es bringt eine gewisse Heterogenität,<br />
aber nicht eine wirkliche. In Finnland ist die Schule völlig heterogen<br />
bis zum Alter von 16 Jahren. Die guten SchülerInnen leiden<br />
nicht darunter und jene mit Schwierigkeiten werden von den<br />
besseren angespornt. Genf hat weder das eine noch das andere:<br />
beide Niveaus sind in sich heterogen, aber im B-Niveau fehlt der<br />
Ansporn durch die guten SchülerInnen. Dazu kommt die Schwierigkeit,<br />
eine Lehrstelle zu finden (in Genf werden weniger als zehn<br />
Prozent der Lehrverträge mit AbsolventInnen der 9. Klasse abgeschlossen).<br />
Im Urteil über die integrative Quartierschule Stapfenacker/<br />
Brünnen, die ja nicht nur die Oberstufe umfasst, werden die Gelingensbedingungen<br />
hervor gehoben. Entscheidend ist, dass alle<br />
Massnahmen (innere Differenzierung, Beurteilung, heilpädagogisches<br />
Konzept, interne Fortbildung) von allen Beteiligten unterstützt<br />
werden (SchülerInnen, Erziehungsberechtigte, Elternrat<br />
und Schulkommission). Weiter ist ein Gesamtkonzept für den Erfolg<br />
zwingend nötig.<br />
Und aus Genf wurde noch auf eine notwendige Rahmenbedingung<br />
für jede Schulreform hingewiesen, das Problem der Einrichtung<br />
eines grosszügig erscheinenden Systems in einer Zeit<br />
von Budgetrestriktionen und einer Politik der leeren Kassen. Damit<br />
es reelle Emanzipationschancen für alle SchülerInnen bietet,<br />
braucht es die entsprechenden Mittel. In Genf sind aber innert<br />
zehn Jahren die Schülerzahlen um beinahe 10'000 gestiegen,<br />
während zugleich mehr als hundert Stellen von LehrerInnen verschwunden<br />
sind.<br />
28 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
Altersdurchmischtes Lernen<br />
Die wieder entdeckte<br />
Schulungsform der Zukunft<br />
Basisstufe, Mehrklassen- und Gesamtschulen als Antwort auf die Heterogenität<br />
Atelier 3<br />
mit<br />
Katrin Meier, Primarlehrerin<br />
Elisabeth Vogt, Grundstufenlehrerin<br />
Peter Zweerus, Schulleiter/Primarlehrer<br />
Das altersdurchmischte Lernen ergänzt die natürliche<br />
Heterogenität in Bezug auf den Bildungshintergrund,<br />
die Sprache und die Kultur der Schülerinnen<br />
und Schüler und unterstützt somit die Integration aller.<br />
Auch nach verschiedenen Selektionen ist es unmöglich, eine<br />
homogene Klasse zusammen zu stellen, denn auch in Jahrgangsklassen<br />
leben und lernen Kinder aus verschiedenen Kulturen, mit<br />
unterschiedlichem Bildungshintergrund und uneinheitlichen intellektuellen<br />
Fähigkeiten.<br />
Der grosse Unterschied zwischen Jahrgangsklassen und altersdurchmischten<br />
Lerngruppen ist, dass in Mehrklassen die Heterogenität<br />
offensichtlich ist. Sobald allen bewusst ist, dass nicht<br />
alle gleich schnell, gleich viel und gleich gut lernen, kann in einem<br />
entspannten und somit besseren Lernklima gearbeitet werden –<br />
die Chancengleichheit ist in solchen Klassen gewährleistet.<br />
Altersdurchmischtes Lernen ist die konsequente Fortsetzung<br />
natürlichen Lernens, das mit der Basis-/Grundstufe eingeführt<br />
wird und sich bis ans Ende der Schullaufbahn hinziehen muss.<br />
Altersdurchmischtes Lernen hat in den letzten Jahren diverse<br />
Höhen und Tiefen erlebt. Nachdem die Mehrklassen 1920 zur «optimalen<br />
Schulform» erklärt wurden, wollte man sie 1960 wo immer<br />
möglich abschaffen. In der Schweiz werden nun aber von Jahr<br />
zu Jahr neue Mehrklassen gebildet, und dies nicht als Folge von<br />
Sparmassnahmen, sondern aus Überzeugung engagierter Lehrkräfte,<br />
denn mit der Einführung von Mehrklassen ergeben sich positive<br />
Effekte auf der pädagogischen und der methodisch/didaktischen<br />
Ebene.<br />
Pädagogische Vorteile<br />
Die Konkurrenzsituation wird entschärft, das unterschiedliche<br />
Wissen genutzt und somit als positiv wahrgenommen – Jüngere<br />
lernen von Älteren.<br />
Da jedes Jahr ein Teil der Kinder neu hinzukommt, respektive<br />
in die nächste Stufe wechselt, können die Kinder in neue Rollen<br />
schlüpfen, sich eine andere soziale Stellung in der Klasse<br />
erarbeiten. Sie erfahren, was es heisst, sich einer Kindergruppe<br />
unterzuordnen oder aber deren Führung zu übernehmen.<br />
RepetentInnen und Hochbegabte werden nicht stigmatisiert,<br />
da kaum mehr ersichtlich ist, in wie vielen Jahren ein Kind eine<br />
Schulstufe durchläuft.<br />
Die sozialen Fähigkeiten wie Rücksichtnahme, Toleranz und<br />
Hilfsbereitschaft werden im konkreten Umgang,<br />
in einer natürlichen Lernsituation gelernt,<br />
gelebt und geübt.<br />
Die Integration kultureller Unterschiede zwischen<br />
Kindern in heterogenen Gruppen gelingt<br />
besser, Disziplinschwierigkeiten und<br />
Gewalterscheinungen unter den Kindern<br />
können stark reduziert werden.<br />
Die Integration schwächerer und behinderter<br />
Kinder findet in Mehrklassen optimale<br />
Voraussetzungen.<br />
Methodisch/didaktische Vorteile<br />
Die Mehrklassen bilden eine ideale Grundlage<br />
für neue, individuelle Lernmethoden.<br />
Dem individuellen Lerntempo kann und<br />
muss vermehrt Rechnung getragen werden,<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 29
ateliers<br />
weil die Jahrgangsgruppen innerhalb der Klassen jeweils sehr<br />
klein sind.<br />
Die persönlichen Lernfortschritte der Kinder stehen, wie es<br />
der neue Lehrplan fordert, im Vordergrund.<br />
Die Bereiche Lern-, Sozial- und Arbeitsverhalten werden gefordert<br />
wie gefördert und können somit auch beurteilt werden.<br />
Der Unterricht kann in solchen Klassen nur erfolgversprechend<br />
funktionieren, wenn die Zusammenarbeit unter den Kindern<br />
gefördert wird. Eine Lehrkraft muss Unterrichtsformen<br />
suchen, wo sie sich einzelnen Gruppen widmet, während andere<br />
Gruppen in Einzel- oder Gruppenarbeit sich Wissen aneignen<br />
oder üben. Damit werden Kompetenzen gefördert, welche<br />
unsere Gesellschaft dringend fordert: Informationsbeschaffung,<br />
-verarbeitung und -selektion, verschiedene Arbeitsund<br />
Lernmethoden.<br />
Da in Mehrklassen ein Teil der Schulkinder immer selbstorganisiert<br />
lernen und üben muss, respektive darf, müssen die<br />
Lehrkräfte einen zielorientierten Unterricht einführen. Die Kinder<br />
müssen wissen, auf welches Ziel sie hinzuarbeiten haben.<br />
Mit der Bekanntgabe der Ziele (z.B. Wochen- und Monats- oder<br />
Jahresplan etc.) werden die Kinder zu Selbständigkeit und<br />
Selbstverantwortung erzogen.<br />
Durch die offen gelegten Ziele erhalten die Eltern Informationen,<br />
welche eine bessere Unterstützung des Kindes und Zusammenarbeit<br />
zwischen Eltern und Lehrkräften ermöglicht.<br />
Kinder und Jugendliche aus altersdurchmischten Klassen sind<br />
nicht nur in den fachlichen Bereichen sondern auch in Bezug auf<br />
die sozialen Kompetenzen gut auf das Berufsleben oder weiterführende<br />
Schulen vorbereitet.<br />
Bessere Förderung des<br />
Potenzials für mehr Jugendliche<br />
in der Sekundarstufe II<br />
Thesen zur Problematik insbesondere bei Migrantenkindern und Lösungsansätze<br />
Atelier 4<br />
mit Daniela Podda, Attial Toptas und Martina Turnes<br />
(konnte wegen zu wenigen Anmeldungen nicht durchgeführt werden)<br />
Wir wollten wissen, über welche Potenziale Jugendliche<br />
ausländischer Herkunft aufgrund ihrer Migrationserfahrung<br />
verfügen. Zu diesem Zweck haben<br />
wir männliche und weibliche ausländische Schüler-<br />
Innen des KV Reinach im Alter von 16 bis 19 Jahren befragt. Ihre<br />
Herkunftsländer sind Portugal, Spanien, Italien, Kroatien, Montenegro,<br />
Albanien und die Türkei. Einen ersten Teil der Daten haben<br />
wir mit einem Fragebogen erhoben, im Anschluss daran haben<br />
wir geschlechtergetrennte Gruppengespräche durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse haben zu den folgenden Thesen geführt.<br />
1. Die SchülerInnen ausländischer Herkunft, die es auf die Sekundarstufe<br />
II geschafft haben, verfügen über Durchhaltewillen,<br />
haben Umwege in Kauf genommen, haben gelernt sich ohne<br />
Hilfe der Eltern zu orientieren, waren auf Primar- und Sekundarstufe<br />
I abhängig von Wissen und Ansichten der jeweiligen<br />
Lehrpersonen.<br />
2. SchülerInnen ausländischer Herkunft haben nicht gelernt, wie<br />
sie auf Ausgrenzungen, Kritik, aber auch auf Unverständnis,<br />
auf Fragen und auf Unwissen bezüglich ihrer Herkunftskultur<br />
reagieren können. Dazu sollten sie über ein breites Verhaltensrepertoire<br />
verfügen.<br />
3. Lehrpersonen fehlt weitgehend das Wissen, wie sie die Ressourcen<br />
von jugendlichen MigrantInnen aktivieren könnten.<br />
4. Jugendliche MigrantInnen können gefördert werden, indem ihnen<br />
die Lehrpersonen bewusst machen, dass sie über Durchhaltewillen<br />
verfügen, Energie mobilisieren können, dass sie die<br />
Fähigkeit haben, Hilfe zu suchen bei Techniken und bei Personen.<br />
Einige haben einen besonderen Weitblick über unterschiedliche,<br />
kulturell bedingte Verhaltensweisen entwickelt<br />
und dadurch Vorurteile abgebaut, andere nutzen ihre Fähigkeit<br />
des Fremdsprachenerwerbs. Diese Fähigkeiten sollen sie bewusst<br />
zu nutzen lernen.<br />
5. In Schulklassen – gerade auf Sekundarstufe II – sollen die verschiedenen<br />
Sichtweisen, Verhaltensweisen, Gepflogenheiten,<br />
Wertvorstellungen von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern<br />
thematisiert werden, z.B. Respekt gegenüber<br />
Eltern; Rolle in der (Gross-)Familie.<br />
Ziele:<br />
Erkennen, a) dass alle anders sind, also Persönlichkeiten;<br />
30 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
b) dass nicht alles als schlecht oder gut beurteilt werden<br />
muss, sondern auch als «anders» erkannt werden kann.<br />
Lernen, wie Wissenslücken aufgefüllt und Vorurteile abgebaut<br />
werden können: Interesse aneinander wecken, Fragen<br />
stellen. Das ist für die ganze Klasse eine Chance zu lernen,<br />
wie man sich verhalten kann, wenn man exponiert ist. Jugendliche<br />
sollen lernen, sich zu zeigen und Kontakt aufzunehmen,<br />
statt dreinzuschlagen – die Sprache der Neugierde<br />
statt die der Gewalt lernen.<br />
6. Lehrpersonen müssen das Bewusstsein dafür fördern, dass<br />
korrektes Deutsch bzw. Französisch oder Italienisch, je nach<br />
Sprachregion, wichtig und lernbar ist. Falls nötig, erhalten<br />
SchülerInnen ein Unterstützungsprogramm.<br />
7. Der Kontakt zu den Eltern ist wichtig: Wertvorstellungen und<br />
unterschiedliche Bereiche von Kompetenz sollen thematisiert<br />
werden. Selbständigkeit, Selbstkompetenz, Sozialkompetenz<br />
müssen erklärt werden, damit Eltern aus der Migration begreifen<br />
können, dass diese Fähigkeiten genauso Voraussetzung<br />
für Karrierechancen sind wie gute Leistungsnoten.<br />
Neue Beurteilungsformen im<br />
Chancengleichheitstest<br />
Eindeutige und überprüfbare Anforderungen (Standards) sind notwendig.<br />
Atelier 5<br />
mit Urs Vögeli-Mantovani, Schweizerische Koordinationsstelle<br />
für Bildungsforschung, Aarau<br />
Die Beurteilung von Lernleistungen und Verhalten<br />
von SchülerInnen müssen mit dem Widerspruch leben,<br />
dass sie entweder der Förderung von Lernen<br />
und Entwicklung dienen oder der Auslese für Bildungslaufbahnen.<br />
Beides zusammen und gleichzeitig<br />
geht nicht. Zur Entschärfung der Selektion und zur Stärkung<br />
der Förderung sind in den letzten fünfzehn Jahren unterschiedliche<br />
neue Formen und Verfahren der Beurteilung erprobt und z.T.<br />
eingeführt worden, so auch das Portfolio. Das Portfolio wurde im<br />
Atelier vorgestellt und mit den Teilnehmenden auf ihren Beitrag<br />
zur Chancengleichheit geprüft.<br />
These zum Atelier<br />
Alle Neuerungen in der Beurteilung sind letztlich an Verfahren<br />
und Instrumente gebunden, die sowohl die Förderung als auch<br />
die Selektion stärken können. Entscheidend ist die Ausprägung<br />
einiger Faktoren wie gesellschaftlicher Bildungsauftrag, Lern- und<br />
Leistungsverständnis, Bezugsnorm (Massstab) der Beurteilung,<br />
strukturelle Laufbahnbedingungen der Institution Schule. Wenn<br />
die Förderorientierung verstärkt werden soll, was grundsätzlich<br />
nötig ist, so kann die Ausprägung dieser Faktoren nicht beliebig<br />
Chancengerechtigkeit im schweizerischen<br />
Bildungswesen<br />
Trendbericht Nr. 9 der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung<br />
Chancengerechtigkeit im schweizerischen Bildungssystem wird in diesem Bericht mit Bezug auf<br />
drei Kriterien dokumentiert: sozioökonomische Benachteiligung, Migrationshintergrund und Geschlecht.<br />
Es werden also Fragen gestellt wie: Hat ein sozioökonomisch benachteiligtes Kind die<br />
selbe Chance, bei der Selektion am Ende der Primarstufe einem Schultyp mit höheren Anforderungen<br />
zugewiesen zu werden, wie ein Kind aus sozioökonomisch gut gestelltem Elternhaus Hat<br />
ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund die selbe Chance, am Ende der obligatorischen Schule<br />
gute Leistungen vorzuweisen, wie ein Schweizer Jugendlicher Hat eine Frau die gleiche Chance<br />
wie ein Mann, nach dem Abschluss der Tertiärstufe im akademischen Bereich zu arbeiten<br />
Mit einer Bestandesaufnahme von Forschungsarbeiten aus der Schweiz wird solchen Fragen systematisch<br />
nachgegangen. Danach werden mögliche Ursachen für die bestehenden Ungerechtigkeiten<br />
aufgezeigt. Schliesslich widmet sich der Bericht auch den politischen Massnahmen, mittels<br />
deren man in der Schweiz versucht, dem Ziel der Chancengerechtigkeit näher zu kommen.<br />
Trendbericht SKBF Nr. 9, 20<strong>05</strong>, 108 Seiten, CHF 30.–; ISBN 3-908117-96-8; Bezug: SKBF, Entfelderstr. 61, 5000 Aarau<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 31
ateliers<br />
sein, sondern muss bestimmten Normen folgen.<br />
In den Tagungsthesen findet sich unter dem Titel «Wirksame<br />
Lernförderung» die folgende, den Workshop betreffende These:<br />
Die Lernbeurteilung soll in erster Linie dazu dienen, die Lernenden<br />
möglichst gut zu fördern und sie darin zu unterstützen, ihr<br />
Potential zu entfalten. Wenn die Schule Laufbahnentscheide fällt,<br />
dürfen nicht nur die Fachleistungen eine Rolle spielen. Selbstund<br />
Sozialkompetenzen wie Selbständigkeit, soziales Verhalten<br />
und Teamfähigkeit müssen berücksichtigt werden.<br />
Kommentar<br />
Diese These findet mit Sicherheit eine sehr breite Zustimmung unter<br />
Schulleuten, BildungspolitikerInnen und Eltern. LehrerInnen<br />
werden mit Überzeugung sagen, dass sie diese These bereits umsetzen.<br />
Dies ist deshalb der Fall, weil sie keine konkrete Verbindlichkeit<br />
schafft, indem z.B. Kriterien genannt und Standards gesetzt<br />
werden, die zu deren Einlösung zwingend sind. Eine eindeutige<br />
und überprüfbare Anforderung (Standard) ist der verwendete<br />
Massstab der Beurteilung. Gemäss obiger These wären<br />
nur der Vergleich einer Leistung oder eines Verhaltens mit einem<br />
konkreten Lernziel oder die Feststellung des individuellen Fortschritts<br />
zulässige Massstäbe des Beurteilens. Verboten oder<br />
Nicht-Erfüllung der These wäre der Vergleich einer Leistung oder<br />
eines Verhaltens mit denjenigen der SchülerInnen der Klasse, was<br />
nach wie vor, landauf landab die vorherrschende Praxis ist. An<br />
diesem Beispiel kann gezeigt werden, wie Verbindlichkeit geschaffen<br />
und die Erfüllung geprüft werden kann, so dass der Chancengleichheit<br />
von der Seite der Beurteilung keine Steine in den<br />
Weg gelegt werden.<br />
Im weiteren geht die These nicht auf das Dilemma zwischen<br />
Fördern und Auslesen ein, dem die LehrerInnen nicht ausweichen<br />
können, und stärkt damit die Förderung nicht wirksam.<br />
Fazit<br />
Das Portfolio wie auch andere Beurteilungsinstrumente können<br />
nur dann einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten, wenn sie<br />
ausschliesslich zur Unterstützung der Lernförderung und zur<br />
Zielerreichung eingesetzt und von der Selektionsaufgabe befreit<br />
werden. Denn unter den Beurteilungsfunktionen ist die Selektion<br />
dominant und überstrahlt die anderen.<br />
Literatur<br />
Vögeli-Mantovani Urs, Mehr fördern, weniger auslesen. Zur Entwicklung der<br />
schulischen Beurteilung in der Schweiz. Aarau 1999, 284 S., Fr. 20.--.<br />
Bestellung: Schweiz. Koordinationsstelle für Bildungsforschung,<br />
Entfelderstr. 61, 5000 Aarau, oder per mail: urs.voegeli@swissonline.ch<br />
Nach der Schule in die Leere<br />
Chancen(un)gleichheit und Selektion beim Übergang in Lehren oder weiter führende Schulen<br />
Atelier 7<br />
mit Thomas Meyer, Projektleiter der nationalen<br />
Jugendlängsschnitt-Untersuchung TREE<br />
(Transitionen von der Erstausbildung ins Erwerbsleben)<br />
TREE ist in der Schweiz die erste nationale Längsschnittuntersuchung<br />
zum Übergang Jugendlicher<br />
von der Schule ins Erwachsenenleben (Transition).<br />
Im Zentrum der Untersuchung stehen die Ausbildungs-<br />
und Erwerbsverläufe nach Austritt aus der obligatorischen<br />
Schule. Die TREE-Stichprobe umfasst rund 6'000 Jugendliche,<br />
die im Jahr 2000 am Projekt PISA (Programme for International<br />
Student Assessment) teilnahmen und im selben Jahr aus<br />
der obligatorischen Schulpflicht entlassen wurden. Die Stichprobe<br />
ist national und sprachregional repräsentativ.<br />
Im Rahmen von TREE wurden in einer ersten Phase bis 2003<br />
drei (jährliche) Nachbefragungen durchgeführt. Dabei wurden<br />
die Ausbildungs- und Erwerbsverläufe der Befragten an der<br />
Schnittstelle zwischen obligatorischer Schule und Sekundarstufe<br />
II detailliert erfasst. Im Fokus dieser ersten Phase stehen Entstehungsbedingungen,<br />
Prozessmerkmale und Wirkungen von sog.<br />
irregulären oder kritischen Ausbildungsverläufen, insbesondere<br />
des frühzeitigen Ausstiegs aus der Bildungslaufbahn (Jugendliche,<br />
die ohne Abschluss einer mehrjährigen nachobligatorischen<br />
Ausbildung bleiben).<br />
In der zweiten Phase von TREE (vier weitere jährliche Nachbefragungen<br />
zwischen 2004 und 2007) steht die so genannte Zweite<br />
Schwelle im Zentrum der Untersuchung, d.h. der Übertritt von<br />
einer Ausbildung der Sekundarstufe II (Lehre, Gymnasium, Diplommittelschule,<br />
etc.) ins Erwerbsleben oder in eine weiter<br />
führende Tertiärausbildung.<br />
Auf welchen Wegen ins Erwachsenenleben<br />
Von drei Befragungen liegen zur Zeit Ergebnisse vor (Stand Januar<br />
20<strong>05</strong>). Die Baum-Grafik zeigt, weshalb wir unserem Projekt den<br />
Namen TREE gegeben haben, das englische Wort für Baum. Den<br />
Stamm des Baums bilden hochgerechnet rund 80’000 Jugendliche<br />
aus der ganzen Schweiz, die im Sommer 2000 die obligatorische<br />
Schule verlassen haben.<br />
32 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
Grafik: TREE<br />
Von dort an beginnt sich der Baum immer mehr zu verzweigen:<br />
2001 sind rund die Hälfte in eine Berufsbildung und rund ein Viertel<br />
in eine weiter führende allgemein bildende Schule eingestiegen.<br />
Rund ein weiteres Viertel ist 2001 in einer Zwischenlösung<br />
oder gar nicht in Ausbildung.<br />
2002, zwei Jahre nach Ende der Volksschule, gibt's weitere Verzweigungen:<br />
Etwa ein Sechstel steigt nach einer Zwischenlösung<br />
mit einem Jahr Verzögerung in Berufs- oder Allgemeinbildung ein,<br />
während rund 7 % den Einstieg auch zwei Jahre nach Schulaustritt<br />
noch suchen. Auf dem «Direkteinsteiger-Ast» haben 2002<br />
rund 10 % die Ausbildung gewechselt, rund 3 % sind nach zwei<br />
Jahren wieder aus der eingeschlagenen Ausbildung ausgestiegen.<br />
2003, drei Jahre nach Schulaustritt, wird's in der Baumkrone<br />
schon ziemlich unübersichtlich. Links auf dem dicken Ast der<br />
«Gradlinigen» sitzen mittlerweile nur noch gut die Hälfte der untersuchten<br />
Jugendlichen. Alle anderen haben innert dreier Jahre<br />
etliche Um- und Abwege gemacht – oder machen müssen: Zwischenjahre,<br />
Ausbildungswechsel, -unterbrüche oder -abbrüche.<br />
So haben sich innert dreier Jahre die Werdegänge von jungen Leuten,<br />
die im Frühling 2000 noch gemeinsam die Schulbank drückten,<br />
in ganz unterschiedlichem Tempo in ganz unterschiedliche<br />
Richtungen entwickelt: Die einen hatten im Sommer 2003 bereits<br />
den Lehrabschluss oder die Matur in der Tasche, während andere<br />
eben erst in eine Lehre oder weiter führende Schule eingestiegen<br />
waren. Sowohl 2002 als auch 2003 besuchten 9 von 10 unter<br />
ihnen eine Berufsausbildung oder eine weiter führende allgemein<br />
bildende Schule.<br />
Wer hat, dem wird gegeben<br />
Das ist in der Tendenz die Regel, die das Funktionieren des hiesigen<br />
Bildungssystems bestimmt. Und zwar umso mehr, je höher<br />
man in der Bildungshierarchie steigt. Auch an der Schwelle von<br />
der obligatorischen Schule in die Berufsbildung oder weiter<br />
führende allgemein bildende Schulen ist die soziale Herkunft als<br />
Einfluss-Faktor allgegenwärtig. Während etwa das sozial am besten<br />
gestellte Viertel der Jugendlichen die Hälfte der Gymnasiums-Schulbänke<br />
besetzt, strampeln am anderen Ende des sozialen<br />
Spektrums Jugendliche jahrelang um eine Lehrstelle, obwohl<br />
sie gemäss PISA durchaus «konkurrenzfähige» Leistungen erbringen.<br />
Die Leistung spielt bei diesem Gerangel um Ausbildungsplätze<br />
der Sekundarstufe II oft nur eine untergeordnete Rolle. Viel<br />
wichtiger ist – unabhängig von den Leistungen – häufig die Frage,<br />
ob man vor Schulaustritt die Real- oder die Sekundarschule besucht<br />
hat. Die Realschülerinnen und -schüler sind hier einer regelrechten<br />
Stigmatisierung unterworfen, egal, wie gut ihre Leistungen<br />
sind. So kumulieren sich an dieser Schwelle die sozialen<br />
Ungleichheiten: denn in der Realschule landen vielfach – wiederum<br />
relativ unabhängig von der erbrachten Leistung – die sozial<br />
eher schwächer Gestellten.<br />
Mehr Informationen zum Projekt TREE sind zu finden unter: www.tree-ch.ch.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 33
ateliers<br />
Berufsvorbereitung, Brückenangebote, Zwischenlösungen<br />
Modelle und Forderungen<br />
Das Recht auf Bildung muss auch auf die nachobligatorische Bildung ausgedehnt werden<br />
Atelier 8<br />
mit Susanna Rusca, Kantonsrätin SP, Martin Wolfer, Nahtstelle<br />
Zürich, Katrin Wüthrich, Projektleitung boa Schaffhausen<br />
Text: Susanna Rusca<br />
Jeder junge Mensch soll nach der obligatorischen<br />
Schule die Möglichkeit haben, sich seinen Neigungen<br />
und Möglichkeiten entsprechend in einer weiterführenden<br />
Schule oder einer Berufsausbildung<br />
mindestens drei weitere Jahre auszubilden und einen anerkannten<br />
Abschluss der Sekundarstufe II zu erlangen. Längerfristig gilt<br />
es, dieses Recht in der Bundesverfassung zu verankern.<br />
Abschluss auf Sekundarstufe II ist absolut notwendig<br />
Die «Sekundarstufe II» ist zu einer Bildungsstufe geworden, die alle<br />
durchlaufen müssen, um eine genügende Grundlage für das berufliche<br />
und private Leben zu haben, im Sinne einer Grundlage für<br />
das lebenslange Lernen. Sie unterscheidet sich nur in den Anteilen<br />
an Allgemeinbildung sowie in unterschiedlichen Lerninhalten<br />
und ihrer Gewichtung.<br />
Heute ist unser Bildungsangebot auf der «Sekundarstufe II» zu<br />
stark durch die Alternative von Gymnasium und dualer Berufsbildung<br />
geprägt. Es braucht eine Vielfalt verschiedener Ausbildungswege,<br />
um der unterschiedlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit,<br />
den unterschiedlichen Neigungen und dem unterschiedlichen<br />
Entwicklungsstand der Jugendlichen Rechnung zu tragen.<br />
Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass allen Jugendlichen<br />
mit einer kostenlosen Ausbildung in Mittel- und Berufsschulen<br />
ein qualifizierter Eintritt in die Berufswelt ermöglicht<br />
wird. Es gilt allen Jugendlichen mit vereinten Kräften gute Chancen<br />
für ihren zukünftigen Berufseinstieg zu ermöglichen. Dabei<br />
sind Politik und Wirtschaft gleichsam gefordert.<br />
Brückenangebote werden immer wichtiger<br />
Leider erhalten noch immer fast die Hälfte der ausländischen und<br />
über ein Fünftel der schweizerischen Jugendlichen keine solche<br />
Bildung. Für die schulisch schwächeren Jugendlichen wird die Integration<br />
in die Berufswelt immer schwieriger. Rund 7 % stehen<br />
nach der obligatorischen Schulzeit ohne weitere Ausbildung da<br />
(dieser Durchschnitt liegt bei den jungen Frauen und den fremdsprachigen<br />
Jugendlichen noch höher).<br />
Vor allem die anhaltende prekäre Lehrstellensituation hat gezeigt,<br />
dass die sogenannten Brückenangebote an Bedeutung gewinnen.<br />
Denn für viele Jugendliche ist der nahtlose Übertritt in<br />
eine Ausbildung nach der obligatorischen Schulzeit nicht möglich.<br />
Oft müssen Jugendliche ein Zwischenjahr einschalten, weil<br />
sie nach der Schule keinen ihnen entsprechenden Ausbildungsplatz<br />
finden. Brückenangebote spielen dabei eine wichtige Rolle,<br />
zum Beispiel für neu Eingewanderte zum Erlernen der lokalen<br />
Sprache, oder sie bereiten auf den Übertritt ins Erwerbsleben vor.<br />
Brückenangebote dürfen jedoch nicht einfach als Ersatz dafür<br />
missbraucht werden, dass Plätze in qualifizierenden Ausbildungen<br />
fehlen.<br />
Es braucht Standards für wirksame<br />
Brückenangebote<br />
Mit dem neuen BBG (Berufsbildungsgesetz) werden die Brückenangebote<br />
geregelt und die Kantone sind verpflichtet, Massnahmen<br />
zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung zu ergreifen.<br />
Die Kantone sind aufgefordert, eine aktive und innovative Berufs<strong>bildungspolitik</strong><br />
zu betreiben. Die vielfältigen Brückenangebote<br />
erleichtern den Jugendlichen den Zugang zu einer Anschlusslösung.<br />
Oft sind diese aber unsystematisch konzipiert und daher<br />
wenig effizient. Die verschiedenen Schnittstellenangebote sind zu<br />
koordinieren. Die bestehenden Brückenangebote sollen auf ihre<br />
Qualität und Wirksamkeit überprüft werden. Die Standardisierung<br />
der Brückenangebote, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage<br />
in allen Kantonen und eine einheitliche Finanzierung stehen im<br />
Vordergrund. Sowohl bezüglich Finanzierung als auch bezüglich<br />
der inhaltlichen Ausgestaltung ist die Zusammenarbeit zwischen<br />
Berufsbildungs- und Arbeitsmarktbehörden zu forcieren. Der Zugang<br />
zur Berufsbildung und damit auch zu höheren Ausbildungsgängen<br />
auf der Tertiärstufe soll erhöht werden.<br />
Eine aktive Zusammenarbeit von Wirtschaft und Staat ist unumgänglich.<br />
Durch ein enges Zusammengehen der Wirtschaftsverbände<br />
mit Lehrbetrieben und Berufsschulen können rechtzeitig<br />
dem Strukturwandel angepasste Ausbildungsprojekte entwickelt<br />
werden. Es braucht eine Vielfalt und ein genügendes Angebot<br />
an Ausbildungsplätzen für alle.<br />
Deshalb sollen Staat und Wirtschaft dafür sorgen, dass genügend<br />
Lehrstellen, Schul- und Ausbildungsplätze für alle Schulentlassenen<br />
zur Verfügung stehen. Es braucht politische Massnahmen.<br />
Das Grundlagenpapier der <strong>vpod</strong> Verbandskommission Bildung, Erziehung, Wissenschaft<br />
«Bildung auf der Sekundarstufe II: Ein Recht für alle! – Visionen für eine Reform der<br />
Sekundarstufe II» kann beim <strong>vpod</strong> bezogen oder von der Website www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />
als PDF-Dokument herunter geladen werden.<br />
34 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
Wie kann eine Schule Fairness<br />
für MigrantInnen fördern<br />
Vorstellung von Angeboten von NCBI (National Coalition Building Institute)<br />
Atelier 9 und 10<br />
mit Ron Halbright, Rahel El-Maawi, Canan Salda<br />
Wir bearbeiteten einen Teil des «Fairness-Kurses»<br />
zum Thema Umgang mit Frustration und Enttäuschung.<br />
Eine junge Frau stellte das Teilprojekt,<br />
«doCH möglich – junge Vorbilder motivieren Schulklassen»<br />
(durchkommen ohne CH-er Herkunft ist<br />
möglich) vor und gemeinsam diskutierten wir die<br />
Möglichkeiten einer Fairness-Schule.<br />
Jede Schule soll Chancengleichheit und Bildung für<br />
alle – inklusive MigrantInnen – als Qualitätsmerkmal<br />
setzen und regelmässig überprüfen und einen Handlungsplan<br />
zur Verbesserung entwickeln.<br />
Sek ist für Schweizer und manche Italiener, Real für<br />
Italiener, Spanier, ein paar schwache Schweizer und brave Jugos.<br />
Oberschule für weniger brave Jugos. (ausländische Jugendliche)<br />
oder<br />
Wenn der Name auf «ic» endet, haben sie weniger Chancen. Dann<br />
muss ich persönlich mit dem Lehrmeister reden und sagen, er ist<br />
nicht so einer wie die anderen. (Lehrer)<br />
So zumindest tönt es immer, wenn wir mit jungen MigrantInnen<br />
oder Lehrpersonen im Gespräch sind. Das Projekt «NCBI-<br />
Fairness» versucht, mit mehreren Teilprojekten junge AusländerInnen<br />
zu unterstützen, und lancierte eine breite Kampagne,<br />
um eine allgemeine Öffentlichkeit und vor allem Betroffene, Lehrkräfte,<br />
BerufsberaterInnen, Schulbehörden, LehrmeisterInnen<br />
und weitere Bezugspersonen von Jugendlichen für diese Thematik<br />
zu sensibilisieren.<br />
Die Schule und die Berufslehre sind wichtige integrative Institutionen.<br />
Leider weisen junge MigrantInnen markant weniger «Erfolg»<br />
bei der Schulselektion und der Lehrstellensuche aus.<br />
NCBI-Fairness analysierte kantonalzürcherische Daten, um<br />
den Schulerfolg ausländischer Kinder und Jugendlicher zu eruieren,<br />
und brachte diese in einer grösseren Kampagne an die Öffentlichkeit.<br />
Anerkannt ist, dass AusländerInnen markant weniger<br />
«Erfolg» in der Schule und bei der Lehrstellensuche aufweisen. Die<br />
Analyse hat weiter gezeigt, dass 1. der Erfolg der AusländerInnen<br />
je nach Gemeinde stark variiert und 2. dass AusländerInnen weniger<br />
Erfolg bei der Lehrstellensuche haben als SchweizerInnen<br />
aus einem tieferen Schultypus.<br />
Engagierte LehrmeisterInnen, Lehrkräfte, JugendarbeiterInnen<br />
u.a. bemängeln den Einsatz und die Motivation ausländischer<br />
Jugendlicher, sie weisen auf frustrierendes, selbstzerstörerisches<br />
Verhalten hin, das die Chancen mancher dieser Jugendlichen verringert<br />
(z.B. Schulabsenz, auffälliges Verhalten, mangelnde Auseinandersetzung<br />
mit der Berufswahl). Einerseits haben Jugendliche<br />
gewisser Nationalitäten einen schlechten Ruf in der Schule<br />
und auf dem Lehrstellenmarkt, anderseits schöpfen sie ihre Möglichkeiten<br />
nicht aus und geben frustriert auf. Tatsache ist, dass<br />
der Übergang Schule – Lehrstelle von vielen Jugendlichen verlangt,<br />
dass sie mit Dutzenden von Absagen klar kommen müssen.<br />
Insbesondere diejenigen, die aus biografischen Gründen (Familie,<br />
Herkunft, Schulerfahrung, Vitamin B, ...) einen kleineren Handlungsspielraum<br />
haben, müssen mehr Enttäuschung und Ablehnung<br />
verkraften.<br />
Das Projekt setzt den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit<br />
mit der Schule und auf die Unterstützung der Lehrkräfte, betroffener<br />
Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern. NCBI-Fairness hat<br />
ein Paket von Massnahmen für Schulgemeinden entwickelt, um<br />
den Erfolg ausländischer Jugendlicher zu erhöhen. In der Vereinbarung<br />
zur «Fairness-Schule» werden gemeinsam Fragen genannt,<br />
die in den folgenden Jahren der Zusammenarbeit angegangen<br />
werden.<br />
Eine davon ist das Mentoring-Projekt «Vitamin M», bei dem<br />
Freiwillige aus der Gemeinde oder dem Quartier Jugendliche bei<br />
der Lehrstellensuche über rund acht Monate begleiten.<br />
Eine andere ist der Besuch von Schulklassen durch «doCH<br />
möglich»-Vorbilder. Viele ausländische Jugendliche setzen ihre<br />
Ausbildungsziele zu tief, geben auf und verstehen nicht, was für<br />
sie «doch möglich» ist. Laut kantonalzürcherischer Untersuchung<br />
finden rund <strong>40</strong> % der südländischen Jugendlichen eine Lehrstelle.<br />
Sie übernehmen eine wichtige Vorbildfunktion für ihre Landsleute.<br />
Im Rahmen des Projektes «doCH möglich» haben sie einige<br />
Erfahrungen als WorkshopleiterInnen in Schulklassen gesammelt<br />
und berichten, wie es für sie möglich ist, Gleichaltrigen Tipps weiter<br />
zu geben und sie zu motivieren, nicht aufzugeben.<br />
Im Atelier wurde das Thema «Enttäuschungen annehmen» in<br />
Rollenspielen angeschaut: Wie ist es, den Frust von Betroffenen<br />
entgegenzunehmen Der Frust muss irgendwie raus, d.h. die Bezugspersonen<br />
haben geübt, diese Gefühle empathisch aufzunehmen<br />
und bei den Stärken bzw. Ressourcen der Jugendlichen anzusetzen.<br />
Informationen zu NCBI und dem Fairness-Projekt sind zu finden unter: www.ncbi.ch.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 35
zeitz<br />
Gesellschaft im Wandel<br />
– Schule im Wandel<br />
Die Selektion in der Volksschule war schon 1990 Thema einer Verbandskonferenz Lehrberufe des <strong>vpod</strong>. Im Gedenken<br />
an den kürzlich verstorbenen Alex Zeitz drucken wir hier die gekürzte Version eines Beitrags von ihm aus der damaligen<br />
Tagungsdokumentation ab.<br />
Wozu selektioniert die Schule<br />
Das heute praktizierte Auslesesystem für getrennte Schullaufbahnen<br />
ist entstanden, weil es in der Arbeitswelt unterschiedliche<br />
Tätigkeiten und Stellungen gibt. Diese werden im Hinblick auf<br />
Sozialprestige und Einkommen auch unterschiedlich bewertet.<br />
Ausscheidungen sind zu vollziehen, weil es in höheren Positionen<br />
weniger Leute braucht als in den unteren Etagen der Berufehierarchie.<br />
In diesem Ausscheidungsverfahren leistet die obligatorische<br />
Volksschule einen nicht unwesentlichen<br />
Beitrag, indem sie durch systematische<br />
Vorselektionierung die Anzahl der<br />
möglichen Anwärter reduziert und lenkt.<br />
Diese aufwendige und belastende schulische<br />
Selektion ist weder pädagogisch<br />
noch bildungsmässig sinnvoll. Ob sie der<br />
Gesellschaft und der Arbeitswelt tatsächlich<br />
Lösungen bringt, ist zu bezweifeln.<br />
Um heutigen Anforderungen standzuhalten<br />
und künftige Schwierigkeiten zu<br />
meistern, benötigt die heranwachsende<br />
Generation grundlegendere Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten, als es ein auf Schulstoff<br />
fixiertes Selektionssystem bringt. Belastende<br />
Erlebnisse aus dem schulischen Selektionswettkampf<br />
bringen schwerwiegende<br />
Verluste an Selbstvertrauen, behindern<br />
weiteres Lernen und somit den Erwerb<br />
neuer Kenntnisse und Fertigkeiten.<br />
Das schulische «Vorsortieren» macht<br />
die Härte des Erwerbslebens keineswegs besser verkraftbar. Aber<br />
auch die beträchtlichen Allokationsprobleme der Wirtschaft, ihre<br />
Suche nach geeigneten, flexiblen und lernfreudigen Mitarbeitern,<br />
wird dadurch nicht erleichtert. Im Gegenteil, die veränderten<br />
und noch sich verändernden Lebenssituationen – gesellschaftliche,<br />
technologisch und ökologisch – zeigen ebenso wie<br />
die schulrechtliche und bildungspolitische Sachlage, dass auf die<br />
pädagogisch fragwürdige schulische Selektion nicht nur verzichtet<br />
werden kann, sondern dass diese im allgemeinen Interesse abzuschaffen<br />
ist.<br />
Veränderte Arbeitswelt –<br />
Bedarf nach lebenslangem Lernen<br />
In der gemeinsamen obligatorischen Schulzeit – also in der Volksschule<br />
– sind jene Kräfte der Kinder zu entwickeln, die einem sinnerfüllten<br />
Leben dienen und helfen, sich in der schnell wandelnden<br />
Umwelt und Arbeitswelt zurechtzufinden.<br />
Eine Schule ohne Selektion ist nicht wirtschaftsfeindlich, denn<br />
statt Prüfungsstoff zu drillen, hat sie Zeit, jene Fähigkeiten zu fördern,<br />
die es braucht, um die anstehenden<br />
Zukunftsaufgaben zu bewältigen.<br />
Es gilt, den Sinn für mitmenschliche<br />
Solidarität zu stärken,<br />
wie auch die Entwicklung individueller<br />
Fähigkeiten zu berücksichtigen.<br />
Im enger werdenden Lebensraum<br />
ist es wichtig, Zusammenarbeit<br />
zu üben und zu lernen, Konflikte<br />
friedlich zu lösen. Vor allem<br />
soll die Erziehungsarbeit der Volksschule<br />
darauf ausgerichtet sein,<br />
den Kindern die angeborene Neugier<br />
und Lernlust für spätere Lebensphasen<br />
zu erhalten. Neue berufliche<br />
Anforderungen entwerten<br />
bisher als notwendig erachtete<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten. Berufshierarchien<br />
verlieren ihre Gültigkeit.<br />
Zuvor anerkannte Berufserfahrung<br />
wird in Frage gestellt. Fachleute<br />
und Berufsberatung stellen fest, dass die Folgen des technologischen<br />
Wandels mit beruflichen Qualifizierungsmassnahmen<br />
allein nicht mehr zu bewältigen sind.<br />
Die Weiterbildung sieht sich vor neue Anforderungen gestellt.<br />
Es wird ersichtlich, dass berufliche Weiterbildung im engeren Sinne<br />
für die sich abzeichnenden Bedürfnisse aus Beruf und Leben<br />
nicht mehr ausreicht. Es geht vielmehr um lebenslanges Lernen<br />
in der Art einer umfassend gestalteten Erwachsenenbildung, die<br />
imstande sein sollte, sowohl berufsspezifische wie allgemeinbildende<br />
Kenntnisse zu vermitteln.<br />
36 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
zeitz<br />
Alex Zeitz – unermüdlicher Kämpfer für ein<br />
offenes und gerechtes Bildungswesen<br />
Am 18. September ist Alex Zeitz im Alter von 86 Jahren gestorben.<br />
Über Jahrzehnte hat er für ein gerechtes, zeitgemässes und<br />
offenes Bildungswesen gekämpft, insbesondere für eine starke<br />
Volksschule. Wir werden auf sein Wirken im Februarheft zurückkommen.<br />
In diesem Heft drucken wir die gekürzte Version eines<br />
Textes von ihm ab, den er vor fünfzehn Jahren für die Dokumentation<br />
«Fördern statt auslesen – für eine Volksschule ohne Selektion»<br />
geschrieben hat. Sie bildete die Grundlage für die Diskussion<br />
über eine Volksschule ohne Selektion an der Verbandskonferenz<br />
1990 in Biel. Alex Zeitz leitete die Arbeitsgruppe, welche<br />
die Dokumentation erarbeitet hat.<br />
Wertewandel – Wandel des Bildungswesens<br />
Deshalb ist es nicht gleichgültig, von welcher Art Erziehung und<br />
Bildung ist, die eine Gesellschaft ihren Mitgliedern angedeihen<br />
lässt. Eine sich zu demokratischen Prinzipien bekennende Gesellschaft<br />
muss immer wieder überprüfen, ob das vorhandene Bildungssystem<br />
dem Anspruch, verantwortungsbewusste und kompetente<br />
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger hervorzubringen,<br />
genügt. Deshalb ist abzuklären, welche Form das gesamte Bildungswesen<br />
braucht, um in der gesellschaftlich so kontroversen<br />
Situation seine Aufgabe erfüllen zu können. Die heute noch geübte<br />
Praxis – auch mit Hilfe des schulischen Selektionssystems –,<br />
dem an materiellen Werten orientierten Leistungs- und Aufstiegsdenken<br />
den Vorzug zu geben und bereits Privilegierte zu<br />
schützen, muss einer umfassenden und weitsichtigen Betrachtungsweise<br />
Platz machen. Die nachindustrielle Informationsgesellschaft<br />
muss sich notwendigerweise zur Bildungsgesellschaft<br />
wandeln, in welcher das lebenslange Lernen Leitlinie des kulturellen<br />
Lebens darstellt.<br />
Erwachsenenbildung –<br />
ein Bestandteil des lebenslangen Lernens<br />
Die Forderung, Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen<br />
müssten Mittel und Wege suchen, um Menschen mit negativer<br />
Lernerfahrung aus der Schulzeit zum Weiterlernen zu motivieren,<br />
ist entscheidend zu ergänzen durch den Auftrag an die Volksschule,<br />
an die Grundausbildung, durch einen offeneren Schulaufbau<br />
und den Verzicht auch die schulische Selektion solch negative<br />
Lernerfahrungen zu vermeiden und statt dessen lernmotivierend<br />
zu wirken. Vor allem gilt es ein Gesamtkonzept der rekurrenten<br />
Bildung zu erarbeiten, welches Grundausbildung und<br />
Nachfolgebildungen einbezieht. Soll lebenslanges Lernen nicht<br />
ein leeres Schlagwort bleiben, ist die in unserem föderalistischen<br />
Bildungswesen zwangsläufig komplizierte Aufgabe unverzüglich<br />
und koordiniert anzugehen.<br />
Bestelltalon <strong>143</strong>/<strong>144</strong><br />
Unser Magazin und die vom <strong>vpod</strong> herausgegebenen Broschüren können auch über unsere homepage:<br />
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(Sendet mir die nächsten drei Hefte unverbindlich zur Probe)<br />
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die Volksschule», Mai 2004 (gratis)<br />
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Schulen – ein wichtiges Potenzial», Oktober 2004 (gratis)<br />
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<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 37
Seit über 25 Jahren die<br />
unabhängige gewerkschaftliche<br />
Zeitschrift in der Bildungspolitik<br />
mit den Schwergewichten<br />
interkulturelle Themen, Mehrsprachigkeit<br />
und Migrationsfragen<br />
Diskriminierung, Rassismus, Sexismus<br />
und Gewalt<br />
Recht auf Bildung für alle, Widerstand<br />
gegen Kommerzialisierung und Privatisierung<br />
des Bildungswesens<br />
innere und äussere Schulreformen,<br />
Widerstand gegen Deregulierung<br />
und Abbau im öffentlichen Dienst<br />
Die Stimme der Gewerkschaft in einem Berufsfeld, in dem zahlenmässig<br />
Standesvereine und Stufenorganisationen dominierend sind. Sie behandelt<br />
die Themen aus gewerkschaftlicher – aber durchaus nicht immer<br />
gewerkschaftsoffizieller – Sicht.<br />
Zielpublikum sind in erster Linie Beschäftigte im Bildungsbereich – vom<br />
Kindergarten bis zur Universität und in Bildungsverwaltungen –, aber<br />
auch alle an schul- und bildungspolitischen Fragen interessierten<br />
Personen und Institutionen – z.B. Mitglieder von Schulkommissionen und<br />
anderen Erziehungsbehörden.<br />
Erscheint fünfmal jährlich; Herausgeberin ist ein eigenständiger Trägerverein<br />
im Rahmen des <strong>vpod</strong> (Verband des Personals öffentlicher Dienste).<br />
Probehefte, Abobestellungen und Unterlagen für Inserate<br />
elektronisch auf der Website oder<br />
telefonisch oder schriftlich bei der Redaktion und Administration:<br />
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Birmensdorferstr. 67,<br />
Postfach 8279, 8036 Zürich<br />
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Fax (++41) (0)44 266 52 53<br />
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www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
Unsere Website präsentiert die neusten Hefte, vermittelt einen Überblick über die Breite der Themenwahl und wiederkehrende<br />
Schwerpunktsetzung, bietet verschiedene Dienstleistungen wie eine Rubrik mit den wichtigsten völkerrechtlichen Dokumenten zum<br />
Recht auf Bildung und einen Veranstaltungskalender (zurzeit leider ausser Betrieb).
introduction<br />
Entrée en matière<br />
sélection et filière scolaire à l'aide de<br />
quelques exemples personnels<br />
L'introduction à la journée d'étude était consacrée à l'Année internationale du sport. Grâce à un exercice où il fallait<br />
s'asseoir et se mettre debout, les participant-e-s ont pris conscience des points communs et des différences, avant<br />
tout dans leur filière de formation. Ensuite, trois jeunes ont donné un aperçu de leurs expériences qu'il/elles ont faites<br />
avec le système scolaire.<br />
Ron Halbright, NCBI Fairness<br />
traduction: Pierre Voit<br />
Par le biais d'un «exercice d'échauffement»,<br />
les participant-e-s ont été<br />
encouragés à aborder personnellement<br />
plusieurs thèmes.<br />
Biographie éducative, origine,<br />
environnement<br />
De nombreux participant-e-s ont répété<br />
des classes, ont suivi un parcours de formation<br />
plus long, voire ont été discriminés.<br />
D'autres ont suivi une filière plus directe<br />
et plus rapide. Certain-e-s avaient<br />
des parents ou enseignant-e-s avec des attentes<br />
(trop) élevées à leur égard, d'autres<br />
encore devaient se frayer un chemin malgré<br />
l'obstacle ou le scepticisme des éducatrices<br />
et éducateurs. Que cela signifie-til<br />
par rapport à nous et à nos réactions<br />
concernant l'objectif «une formation pour<br />
toutes et tous»<br />
Lieux communs et préjugés<br />
Beaucoup de participante-s ont entendu<br />
des réflexions du genre:<br />
Mieux vaut être une bonne élève d'une<br />
filière à exigences élémentaires qu'une<br />
mauvaise élève d'école secondaire.<br />
Si les parents ne sont pas en mesure<br />
d'aider, alors l'enfant serait de toute façon<br />
surmené.<br />
L'on ne rend aucun service à un enfant<br />
étranger en arrondissant une note «vers<br />
le haut» dans un cas limite.<br />
L'élève se comporte comme un élève<br />
d'une école à exigences élémentaires.<br />
Certains participant-e-s ont avoué avoir<br />
déjà eu, voire prononcé de telles pensées.<br />
La «formation pour toutes et tous», en<br />
d'autres termes l'égalité des chances estelle<br />
possible si de tels lieux communs et<br />
préjugés circulent<br />
Oppression intériorisée<br />
Les enfants issus de la migration remarquent<br />
rapidement que leurs proches parents<br />
et d'autres enfants d'origine migratoire<br />
sont moins présents dans les types<br />
scolaires plus exigeants. Ils prennent<br />
conscience de ce qui les attend et la plupart<br />
s'orientent en conséquence. Cela signifie<br />
en d'autres termes que les attentes<br />
se répercutent sur les performances des<br />
élèves, un «effet Pygmalion» en quelque<br />
sorte.<br />
Si des messages discriminatoires du type<br />
«les Albanais ont leur place dans une école<br />
à exigences élémentaires et non dans un<br />
gymnase» sont intériorisés, on parle d'«oppression<br />
intériorisée». Le résultat: si les<br />
jeunes ne sont pas pris au sérieux, ils se<br />
prennent souvent moins au sérieux, eux<br />
aussi. Et par conséquence, la fiabilité pâtit,<br />
l'orientation vers l'avenir disparaît et le<br />
désespoir prend le dessus.<br />
Rôle des enseignantes et<br />
enseignants<br />
Le personnel enseignant se voit-il en «associé»<br />
d'enfants immigrés C'est-à-dire,<br />
contredire de manière active tout préjugé<br />
et oppression intériorisée. Or, les enseignant-e-s<br />
qui endossent ce rôle courent le<br />
risque d'être isolés au sein de leurs<br />
consœurs et confrères dans nombre de<br />
communes scolaires, voire de provoquer<br />
la résistance des parents.<br />
<strong>40</strong> <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
introduction<br />
Les jeunes<br />
parlent<br />
de leurs<br />
expériences...<br />
Trois jeunes ont présenté leurs expériences<br />
de manière impressionnante.<br />
Vous pourrez lire leurs expériences,<br />
mais aussi d'autres jeunes,<br />
dans la brochure publiée en langue<br />
allemande: «Fairness für Jugendliche<br />
fremder Herkunft in der Schule und<br />
auf der Lehrstellensuche» (fairplay<br />
pour les jeunes d'origine étrangère<br />
au sein des écoles et à la recherche<br />
d'une place d'apprentissage).<br />
traduction: Pierre Voit<br />
Kübra, Turque<br />
Je suis Turque, née en Suisse et j'ai 20 ans.<br />
J'étais une bonne élève à l'école primaire<br />
et voulais, après la sixième classe, fréquenter<br />
l'école secondaire. Ensuite est venue la<br />
phase où je devais entendre partout que<br />
pour avoir de bonnes perspectives professionnelles,<br />
il valait mieux être une bonne<br />
élève d'une école à exigences élémentaires<br />
qu'une mauvaise élève d'une école<br />
secondaire. J'ai donc fréquenté la première<br />
école et étais une très bonne élève.<br />
Durant la troisième année, j'ai commencé<br />
à chercher une place d'apprentissage<br />
d'employée commerciale, et, à cet effet,<br />
j'ai envoyé une cinquantaine de demandes<br />
d'emploi, en vain toutefois. J'ai eu<br />
beaucoup d'entretiens de candidature et<br />
fait partie du cercle restreint des candidat-e-s,<br />
mais je n'ai finalement rien trouvé en<br />
raison du voile que je portais. C'est ainsi<br />
que je me suis décidée à suivre la dixième<br />
année, que j'ai terminée avec des notes oscillant<br />
entre 5 et 5,5! Et à nouveau, j'ai envoyé<br />
une cinquantaine de dossiers de candidature,<br />
mais sans succès. J'étais très déçue<br />
et de plus en plus démotivée. Mes parents<br />
ont toutefois réussi à me donner la<br />
motivation nécessaire. J'ai suivi une formation<br />
dans une école privée en tant<br />
qu'employée de bureau spécialisée diplômée<br />
et a réussi ensuite l'examen pour l'obtention<br />
du diplôme de commerce. A la suite<br />
de quoi, j'ai réécrit une vingtaine de demandes<br />
d'emploi en vue d'un stage, mais<br />
je n'ai de nouveau rien trouvé. Les mêmes<br />
questions sont toujours revenues: travaillez-vous<br />
avec le voile Quelle partie de<br />
votre corps est couverte Parfois même,<br />
l'on m'a fait savoir que les musulmans<br />
n'étaient pas les bienvenus.<br />
Et finalement, j'ai assisté au premier<br />
hearing de NCBI Fairness. J'ai raconté mon<br />
histoire qui a paru ensuite dans le quotidien<br />
«Tages Anzeiger» de Zurich. Mon professeur<br />
s'est adressé à moi le jour de la parution<br />
de l'article et était d'avis que maintenant,<br />
je trouverais sûrement quelque<br />
chose, mais quant à moi, je n'y croyais<br />
plus. En effet, pourquoi cela jouerait-il soudain<br />
après plus de deux années <br />
Trois jours plus tard, j'ai reçu un appel<br />
de la coordinatrice du projet Fairness, Nihal<br />
Birkan. Elle m'a raconté qu'une société<br />
s'était annoncée en réaction à l'article<br />
du journal, et qu'on voulait faire ma<br />
connaissance. J'en étais tout simplement<br />
bouleversée et pleurais de joie. Tout était<br />
1 Bezirksschule: filière scolaire (prégymnase) succédant à<br />
l'école primaire (4 ans), que l'on peut suivre dans le canton<br />
d'Argovie et qui est sanctionnée par un examen permettant<br />
d'accéder au gymnase.<br />
si difficile et démotivant, et beaucoup de<br />
choses se sont mal passées. J'ai pu envoyer<br />
mon dossier à l'entreprise et deux<br />
semaines plus tard, j'ai eu mon poste.<br />
J'étais super heureuse. En août, je terminerai<br />
mon stage.<br />
Mexhit Ademi, Albanais<br />
J'ai eu la chance, depuis tout petit déjà,<br />
d'habiter en Suisse. C'est ainsi que j'ai pu<br />
suivre toute la formation scolaire dans ce<br />
pays. Bien qu'au début j'aie eu de gros problèmes<br />
avec la langue, je me suis rapidement<br />
intégré. Comme enfant, je ne me suis<br />
jamais senti défavorisé, du moins pas jusqu'en<br />
cinquième année où il s'agissait<br />
d'être sélectionné au premier cycle de l'enseignement<br />
secondaire. Enfant, je rêvais<br />
toujours de devenir médecin, acteur ou<br />
chanteur. Pour cela, je savais qu'il fallait<br />
entreprendre quelque chose et voulais absolument<br />
fréquenter la «Bezirksschule» 1 .<br />
Mon ambition aidant, j'ai obtenu à la fin de<br />
l'école primaire la moyenne nécessaire,<br />
respectivement 4,8 et 4,9. Or, ma maîtresse<br />
était fermement d'avis que je devais aller<br />
à l'école secondaire, car le prégymnase<br />
serait trop difficile et que je devrais répéter<br />
de toute façon. Aujourd'hui encore, je<br />
suis reconnaissant envers mes parents de<br />
n'avoir pas changé d'avis et d'avoir imposé<br />
ce à quoi j'avais droit.<br />
A la Bezirksschule, je n'avais jamais de<br />
problèmes scolaires. J'ai terminé cette fi-<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 41
introduction<br />
lière avec la note 4.9 et le meilleur examen<br />
d'allemand de l'établissement. Dans trois<br />
mois, je passerai la maturité et ferai ensuite<br />
des études d'économie à l’ Université<br />
de Saint-Gall. A propos, j'ai à nouveau<br />
rencontré mon ancienne maîtresse d'école<br />
dans le cadre d'un cours organisé par<br />
NCBI. Elle était enchantée lorsqu'elle a appris<br />
que je suis arrivé aussi loin dans ma<br />
formation. Et je suis très reconnaissant envers<br />
mes parents qui m'ont fortement soutenu.<br />
Je sais aussi que beaucoup de jeunes<br />
n'ont pas la force et le courage de se défendre<br />
contre le personnel enseignant. Il<br />
ne faut pas croire que les enfants étrangers<br />
sont moins intelligents; bien plus, il faut se<br />
demander pourquoi ils sont si peu nombreux<br />
dans les gymnases. En fin de compte,<br />
on ne peut pas imputer la faute aux<br />
écoles car elles agissent (toujours) correctement.<br />
Si ce n'est que, parfois, elles<br />
réussissent à démotiver les enfants et les<br />
jeunes de telle manière qu'une nouvelle<br />
discrimination ne serait même plus nécessaire!<br />
Canan, Suissesse<br />
(Turque jusqu’en 1994)<br />
Je suis née à Zurich où j'ai également passé<br />
ma jeunesse. Après l'école primaire et<br />
secondaire, j'ai fait un apprentissage de<br />
commerce. Actuellement, j'étudie à l'Université<br />
de Zurich.<br />
Lorsque je fréquentais la deuxième année<br />
d'école secondaire, notre professeur<br />
s'est adressé à certain-e-s élèves pour les<br />
encourager à participer à l'examen d'admission<br />
au gymnase. Bien que ces jeunes<br />
n'aient montré qu'un intérêt limité, il était<br />
d'avis qu'il commanderait des livres pour<br />
la préparation de l'examen d'admission et<br />
dispenserait des cours complémentaires à<br />
celles et à ceux qui désiraient passer l'examen.<br />
Une collègue étrangère et moi-même<br />
voulaient également fréquenter le gymnase.<br />
Etant donné que nous avions suivi la<br />
conversation de notre prof, nous sommes<br />
allés le rencontrer à la pause et lui avons<br />
expliqué que nous étions très intéressées<br />
à passer cette épreuve. Il pensait qu'il fallait<br />
encore attendre une année et ne nous<br />
présenter qu’à partir de la troisième année<br />
d'école secondaire, en prétextant que<br />
nous n’étions pas encore suffisamment<br />
bonnes au niveau scolaire. Il nous a<br />
d'ailleurs promis de nous aider.<br />
Lorsque le moment tant attendu est enfin<br />
venu, et que notre professeur n'a pas<br />
fait mention de l'examen d'admission,<br />
nous nous sommes adressées à lui. Il avait<br />
l'air étonné et a fait savoir qu'il commanderait<br />
la documentation de préparation<br />
pour nous. C'est plein de confiance envers<br />
notre prof que nous avons attendu les<br />
livres. Plusieurs semaines se sont écoulées<br />
et nous nous demandions où ils<br />
étaient restés. Notre enseignant nous disait<br />
cependant qu'il avait commandé les<br />
livres, mais que cela durerait un certain<br />
temps et que par conséquent nous devions<br />
patienter un peu. Plusieurs jours,<br />
voire des semaines entières ont à nouveau<br />
passé. Entre temps, ma collègue et moi<br />
avons essayé de résoudre des exercices,<br />
mais comme nous ne disposions pas du<br />
cahier des solutions, cette préparation ne<br />
nous a pas menées très loin. Nous lui<br />
avons rappelé les heures d'exercices qu'il<br />
nous avait proposées durant la deuxième<br />
année. Il a cependant refusé notre demande<br />
pour des raisons de temps.<br />
C'est ainsi que nous avons continué d'attendre<br />
le matériel utile et avons essayé de<br />
nous préparer, dans un cadre restreint, à<br />
l'examen d'admission. Seules quelques semaines<br />
restaient encore jusqu'à l'épreuve<br />
proprement dite. Nous avons sollicité une<br />
dernière fois notre prof concernant les<br />
livres. Sa réponse était la suivante: «Les<br />
livres de préparation Ah oui, vous devez<br />
vous les procurer vous-mêmes, je ne peux<br />
pas vous les commander.» Nous étions<br />
complètement choquées: notre professeur,<br />
que nous estimions et aimions beaucoup<br />
nous a déçues au plus profond.<br />
Quant à la promesse qu'il nous a confirmé<br />
verbalement et à maintes reprises avoir<br />
passé commande pour les livres, il n'y a<br />
même plus fait allusion!<br />
Nous avons donc essayé, ma collègue<br />
et moi, de nous procurer nous-mêmes le<br />
matériel nécessaire en nous renseignant<br />
auprès de diverses librairies. Nous avons<br />
obtenu une adresse d'une personne à laquelle<br />
les livres avaient été vendus et les<br />
avons enfin obtenus.<br />
Finalement, nous nous sommes présentées<br />
sans le soutien de la part de notre<br />
prof à l'examen d'admission. Nous avons<br />
échoué à l'épreuve – quoi d'étonnant!<br />
Fairness für Jugendliche fremder Herkunft in der Schule<br />
und auf der Lehrstellensuche, NCBI Suisse (éditeur), K2-<br />
Verlag, Hägendorf, 2004, 70 pages, Fr. 12.– (uniquement en<br />
allemand, présentation à la page 8; à commander à l'adresse<br />
www.ncbi.ch).<br />
42 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
olibet<br />
Une école obligatoire forte<br />
une chance pour tou-te-s<br />
Allocution de bienvenue de la<br />
Cheffe du Département de<br />
l'éducation, de la sécurité sociale<br />
et des sports de la Ville de Berne,<br />
Edith Olibet<br />
Predigergasse 5, Postfach 3000,<br />
Bern 7, mail: bss@bern.ch<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
En ma qualité de Cheffe du Département<br />
de l'éducation de la Ville de Berne, j'ai le<br />
plaisir de vous souhaiter la bienvenue à<br />
cette journée d'étude. La Ville de Berne est<br />
un bijou particulier avec de nombreux attraits.<br />
C'est pourquoi je suis convaincue<br />
que vous vous sentirez à l'aise chez nous.<br />
J'espère aussi que vous trouverez du<br />
temps – si ce n'est aujourd'hui, alors un<br />
autre jour – pour visiter les beautés de<br />
notre Ville, qui ont été inscrites sur la liste<br />
du patrimoine mondial de l'UNESCO.<br />
J'aimerais également vous annoncer trois<br />
points forts du programme de l'année<br />
20<strong>05</strong>: l'exposition Einstein et le parc d'expérimentations<br />
physiques au Musée Historique<br />
de Berne à l'occasion du 100 e anniversaire<br />
de la théorie de la relativité,<br />
l'inauguration du Zentrum Paul Klee dans<br />
la partie est de la Ville ainsi que l'ouverture<br />
du Stade de Suisse Wankdorf.<br />
Le succès, s'explique-t-il par le mérite individuel<br />
ou par des privilèges ou est-il simplement<br />
le fruit du hasard Ces questions<br />
ne sont pas une provocation, elles sont<br />
tout à fait pertinentes lorsqu'on constate<br />
le manque de succès scolaire qui caractérise<br />
les enfants issus de familles éloignées<br />
de la formation ou de familles plurilingues.<br />
Le programme de votre journée d'étude<br />
pose les questions centrales auxquelles<br />
nous devons d'urgence trouver des réponses<br />
et proposer des solutions. Mais ce<br />
qui importe avant tout, c'est la mise en<br />
œuvre des mesures nécessaires.<br />
«Une école obligatoire forte – une chance<br />
pour tou-te-s»: voilà le titre que j'ai voulu<br />
donner à ma courte intervention. Je suis<br />
convaincue que vous aussi, vous vous engagez<br />
pour une école obligatoire forte. Car<br />
avant et pendant l'école obligatoire sont<br />
posées les fondations sur lesquelles s'appuient<br />
tous les autres niveaux de la formation.<br />
Si ces fondations ne sont pas assez<br />
solides, l'édifice de la formation<br />
s'écroule comme un château de cartes.<br />
«Volksschule: Hauptfach: Sparen»<br />
[«école publique, branche principale:<br />
mesures d'économies»; trad.]: voilà le titre<br />
de l'édition du 12 novembre 2004 du magazine<br />
«Beobachter.» Cette publication<br />
contient également une citation émanant<br />
de trois enseignantes d'école primaire: «La<br />
volonté acharnée de réaliser des économies<br />
dans le domaine de formation coûtera<br />
cher à notre société.» Je soutiens entièrement<br />
cette analyse. Nous ne pouvons et<br />
ne devons accepter un tel scénario; il ne<br />
faut pas que ce pronostic se vérifie.<br />
Stratégie en matière de formation<br />
de la Ville de Berne<br />
En novembre 2004, le Conseil municipal a<br />
décidé d'agir: il a fixé des lignes directrices<br />
en matière de politique de la formation et<br />
a déterminé une série de mesures pour<br />
la période 2004 – 2008, tout en étant<br />
conscient des conséquences financières<br />
de ces décisions. Le Canton de Berne est<br />
également invité à entrer en action pour<br />
déjouer les sombres pronostics.<br />
Notre stratégie en matière de formation<br />
se concentre sur les enfants et vise à améliorer<br />
leurs chances de manière ciblée.<br />
Avant la publication des résultats de l'étude<br />
PISA (Programme international pour le<br />
suivi des acquis des élèves), nous connaissions<br />
déjà les sources des problèmes auxquels<br />
est confrontée la Suisse. L'école obligatoire<br />
n'est plus en mesure de dispenser<br />
à tous les enfants et jeunes personnes une<br />
formation de base suffisante (lire, écrire,<br />
calculer, communiquer, savoirs dans les<br />
domaines des sciences naturelles),<br />
connaissances qui sont pourtant les outils<br />
nécessaires à la vie.<br />
Il faut renforcer l'école obligatoire. C'est<br />
Le succès personnel se<br />
construit-il à l'école<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 43
olibet<br />
également la conclusion de la Conférence<br />
suisse des directeurs cantonaux de l'instruction<br />
publique (CDIP), qui a lancé le<br />
projet HarmoS (Harmonisation de la scolarité<br />
obligatoire), dont l'objectif est de développer,<br />
par le biais d'études, des standards<br />
de formation (niveaux de compétences)<br />
contraignants au cours de ces prochaines<br />
années. Or c'est loin d'être suffisant.<br />
Il faut d'urgence des mesures supplémentaires.<br />
C'est aujourd'hui et maintenant que<br />
nous devons agir et nous voulons des mesures<br />
concrètes qui produisent leurs effets.<br />
L'école enfantine et l'école obligatoire<br />
pourront atteindre une meilleure équité<br />
des chances si elles:<br />
disposent des ressources personnelles<br />
et financières nécessaires pour atteindre<br />
cet objectif;<br />
peuvent compter sur un soutien fort de<br />
toutes les parties concernées (parents,<br />
enseignant-e-s, autorités scolaires, etc.);<br />
ont l'appui et l'estime du monde politique,<br />
de l'économie et de la société.<br />
Aujourd'hui, il n'en est pas ainsi, les enquêtes<br />
scientifiques ainsi que le fort lien<br />
de dépendance entre le succès scolaire et<br />
l'origine des enfants en sont une preuve<br />
suffisante. Il va de soi que la formation de<br />
base et la formation continue des enseignant-e-s<br />
ainsi que le développement et le<br />
contrôle en permanence de la qualité dans<br />
l'enseignement sont des éléments tout<br />
aussi importants.<br />
Importance primordiale de la période<br />
précédant l'école enfantine<br />
Le Conseil municipal est conscient de l'importance<br />
primordiale que revêtent la période<br />
précédant l'école enfantine, la période<br />
de l'école enfantine et celle de la scolarité<br />
obligatoire. Il sait combien il est important<br />
de faire les bons choix stratégiques<br />
et de les mettre en œuvre. Il veut<br />
garantir un meilleur succès de la formation<br />
de tous les enfants et assumer ses responsabilités<br />
en matière de politique de la<br />
formation envers la jeune génération.<br />
Vous l'aurez remarqué: je parle également<br />
de la période précédant l'école enfantine<br />
et ce, pour de bonnes raisons.<br />
Nous constatons que dès l'entrée à l'école<br />
enfantine, des enfants aux compétences<br />
très différentes d'un individu à l'autre sont<br />
réunis. En Suisse, le développement des<br />
aptitudes des enfants avant l'entrée à<br />
l'école enfantine est toujours considéré<br />
comme une tâche intimement liée aux parents,<br />
l'État ne devant pas s'en mêler. Mais<br />
cette situation entraîne des conséquences<br />
fâcheuses: les enfants issus de familles<br />
éloignées de la formation ou dont la langue<br />
maternelle n'est pas l'allemand se trouvent<br />
déjà dans une situation désavantageuse<br />
avant même d'avoir mis un pied à<br />
l'école enfantine. Les cantons ne veulent<br />
toujours pas voir ce problème. C'est inacceptable.<br />
Dans les pays scandinaves ou dans<br />
ceux qui ont obtenu de très bons résultats<br />
dans le cadre de l'enquête PISA, la situation<br />
est totalement différente. Ces pays<br />
commencent à encourager et soutenir les<br />
enfants dès l'âge de trois ans, car ils savent<br />
que c'est à cet âge que l'on peut le plus efficacement<br />
corriger dans le sens de l'égalité<br />
des conditions de départ inégales. Une<br />
enquête représentative menée par la Fondation<br />
Bertelsmann en Allemagne en juin<br />
2004 a montré que 84 % de la population<br />
pensent que les enfants ont droit à la formation<br />
déjà avant l'entrée à l'école et 48 %<br />
estiment que les investissements publics<br />
dans le secteur de la formation devraient<br />
dorénavant être dirigés en priorité vers les<br />
offres destinées à la période des 10 premières<br />
années de la vie d'un enfant. Nous<br />
en sommes conscients puisque le canton<br />
de Berne et la CDIP financent des projets<br />
de recherche pour les enfants de cet âge.<br />
Malheureusement, les résultats de ces travaux<br />
sont simplement classés et tombent<br />
dans l'oubli et au lieu d'agir, l'on néglige de<br />
prendre les décisions innovatrices qui<br />
s'imposent. C'est précisément l'angle d'attaque<br />
choisi par le Conseil municipal pour<br />
son action.<br />
Équité des chances à l'école<br />
obligatoire<br />
J'aimerais maintenant aborder la question<br />
de l'école obligatoire. L'hétérogénéité<br />
dans les écoles enfantines et les classes<br />
d'école, l'intégration des élèves ayant des<br />
besoins particuliers et la progression du<br />
chômage des jeunes – voilà les défis que<br />
doit relever le Département de l'éducation<br />
de la Ville de Berne. Dans ces domaines, la<br />
Ville doit et veut relever les défis qui lui<br />
sont posés. La politique de la formation<br />
évolue entre le changement et la continuité.<br />
Dans une époque où de nombreuses<br />
personnes sont désécurisées, cela signifie<br />
qu'il faut :<br />
prendre position;<br />
fixer des priorités;<br />
viser un effet durable.<br />
Voilà les objectifs de la stratégie en matière<br />
de formation 2004 – 2008 de la Ville de<br />
Berne.<br />
Cette stratégie se concentre avant tout<br />
sur la réalisation de l'équité des chances.<br />
Aujourd'hui, le succès scolaire d'un enfant<br />
dépend encore d'une manière déterminante<br />
de l'origine sociale. Ainsi, il est prouvé<br />
que ces jeunes ont moins de chances<br />
sur le marché du travail. Sur leur chemin<br />
de vie, ils rencontrent des difficultés nettement<br />
plus grandes que les autres. Au lieu<br />
de provoquer l'émergence d'une société à<br />
deux vitesses et marquée par les tensions<br />
sociales, il est nécessaire d'investir des<br />
moyens dans des offres d'intégration,<br />
d'encouragement et de soutien.<br />
Je sais que l'on ne peut pas influencer<br />
l'évolution de la société à court terme. Les<br />
cantons, les communes et les villes ont<br />
néanmoins la possibilité de fortifier et<br />
d'encourager les jeunes dans leurs domaines<br />
de compétence et de responsabilités.<br />
Dans ce but, je poursuis une stratégie<br />
qui permette un développement pédagogique<br />
et moderne de l'école enfantine et de<br />
l'école obligatoire en vue de remplir leur<br />
mandat éducatif étendu, mais qui puisse<br />
aussi donner une orientation et une sécurité<br />
pour le travail avec les enfants et les<br />
jeunes.<br />
44 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
«Permettre l'épanouissement des<br />
forces créatrices de l'enfant»<br />
Dans notre stratégie de formation, nous<br />
mettons en exergue l'importance centrale<br />
de l'école enfantine et de l'école obligatoire,<br />
mais aussi de la période précédant<br />
l'école enfantine. Cette période est la porte<br />
donnant accès à l'ensemble du parcours<br />
de formation. Nous prenons également en<br />
compte la période précédant l'école enfantine<br />
parce que les six premières années<br />
de vie d'un enfant sont très importantes<br />
pour l'apprentissage d'une langue et pour<br />
le développement de l'enfant. Cependant,<br />
le système éducatif n'accorde actuellement<br />
qu'une attention très marginale à ce<br />
fait prouvé scientifiquement et persiste<br />
dans son approche selon laquelle la création<br />
des conditions favorables pour la scolarisation<br />
de l'enfant relève uniquement de<br />
la responsabilité des parents. Dans le domaine<br />
d'action de la «pré-école enfantine»,<br />
la Ville de Berne fixe une priorité en matière<br />
de politique de la formation en ce<br />
qu'elle encourage l'apprentissage des langues<br />
par des offres élaborées par elle-même<br />
et par le fait qu'elle affirme vouloir aménager<br />
de manière plus systématique la<br />
transition entre la période pré-école enfantine<br />
et l'école enfantine. Parallèlement,<br />
l'encadrement dans les structures d'accueil<br />
extra-familales pour enfants revêt<br />
une importance particulière, étant donné<br />
que l'apprentissage systématique ainsi<br />
que les jeux plus évolués nécessitent des<br />
structures pour l'accueil de jour qui soient<br />
claires et bien organisées.<br />
La stratégie du Conseil municipal en<br />
matière de formation contient également<br />
une orientation pédagogique et pose dans<br />
ses lignes directrices les fondements permettant<br />
– comme l'a exprimé Martin Buber<br />
– «l'épanouissement des forces créatrices<br />
de l'enfant».<br />
de formation met en évidence, dans les<br />
champs d'action et dans les mesures, le<br />
fait que la Ville peut aménager et optimiser<br />
de manière prépondérante les conditions<br />
cadres et les conditions préalables<br />
d'une scolarisation et d'une éducation des<br />
enfants et des jeunes adaptées aux besoins<br />
actuels. La gestion de nos écoles enfantines<br />
et obligatoires publiques est une<br />
tâche commune du canton et de la Ville.<br />
Dans de ce partenariat, nous savons d'expérience<br />
qu'il est absolument important<br />
d'expliquer au canton le cadre social, culturel<br />
et économique dans lequel l'école publique<br />
doit remplir son mandat. Les caractéristiques<br />
sociodémographiques de la<br />
Ville exigent des ressources suffisantes.<br />
Ces dernières doivent être négociées et réclamées,<br />
étant donné que le canton fixe le<br />
droit en règle générale pour des communes<br />
de taille moyenne (3000 habitant-e-s).<br />
Dans ce processus de discussion permanent,<br />
la stratégie en matière de formation<br />
fait office de référence et montre les<br />
mesures qui devront nécessairement être<br />
prises ces prochaines années pour que<br />
nos écoles enfantines et nos écoles obligatoires<br />
puissent mieux atteindre leurs<br />
objectifs en faveur chacun-e et ce, aussi<br />
bien aujourd'hui qu'à l'avenir. Il nous appartient<br />
de veiller à ce que tous les enfants<br />
et jeunes acquièrent la capacité de pouvoir<br />
gérer leur vie future de manière indépendante<br />
et qu'ils puissent participer à la<br />
vie sociale et culturelle en disposant des<br />
mêmes droits que tous les autres.<br />
Je vous souhaite une journée d'étude<br />
passionnante et instructive et je vous remercie<br />
de votre engagement, tout en espérant<br />
que vous soutiendrez mes projets<br />
en matière de politique de la formation.<br />
Un guide entièrement remanié<br />
Pour les droits des apprenant-e-s<br />
Le ou la jeune qui sort de la course aux obstacles des candidatures<br />
avec un contrat d’apprentissage en poche est content et fait preuve<br />
de réserve, même lorsque la qualité de la formation en entreprise<br />
laisse à désirer. Dès lors, la Commission de la jeunesse de l’Union<br />
syndicale suisse (USS) entend aussi aider celles et ceux qui ont la<br />
chance de suivre une formation professionnelle initiale: le Guide<br />
Apprentie, apprenti, tes droits de A à Z «Je défends mes droits», qui<br />
en est à sa 5 e édition en français et à sa 13 e en allemand, fait entièrement<br />
peau neuve pour tenir compte de la nouvelle législation et<br />
de la nouvelle terminologie (la nouvelle loi sur la formation professionnelle<br />
en vigueur depuis le 1er janvier 2004 prévoit un délai<br />
transitoire de cinq ans et les ordonnances sur la formation professionnelle<br />
sont revues pour chaque profession).<br />
Le guide présente les droits des apprentis et apprenties, les apprenant-e-s<br />
comme on les appelle désormais, de façon complète<br />
mais néanmoins compréhensible. Il explique aussi les procédures<br />
prévues en cas de litiges. La dernière édition s’est enrichie de nombreux<br />
mots-clés et informations et la présentation de sujets délicats,<br />
comme la protection des données, le harcèlement psychologique,<br />
la drogue, etc. fait l’objet d’un traitement nuancé.<br />
Il a aussi été tenu compte du fort afflux de femmes dans la formation<br />
professionnelle initiale ces dernières années, en traitant les<br />
questions de genre de façon détaillée et en modifiant le graphisme<br />
de la page de titre.<br />
Enfin, il a également été tenu compte des nouvelles habitudes<br />
de lecture: outre la publication imprimée à un format de poche pratique,<br />
le guide sera disponible gratuitement sur le site de la Commission<br />
de la jeunesse de l’USS www.jeunesse-syndicale.ch,<br />
relooké pour la rentrée. Quatre-vingts mots-clés comprennent une<br />
centaine de liens vers des sites Internet qui permettent aux lecteurs<br />
et aux lectrices de s’informer rapidement et en détail des sujets qui<br />
les intéressent particulièrement.<br />
Le guide de l’USS est offert à un prix défiant toute concurrence :<br />
<strong>144</strong> pages de texte «solide» pour seulement 3 francs (frs. 2.50 dès<br />
20 ex.). Dans ce domaine, aucun guide ne lui arrive à la cheville.<br />
Pour vos commandes :<br />
info@sgb.ch ou www.jeunesse-syndicale.ch<br />
La Ville dispose d'une marge de<br />
manœuvre et elle entend l'utiliser<br />
L'affirmation souvent entendue selon laquelle<br />
la marge de manœuvre de la Ville<br />
dans le secteur éducatif serait fortement<br />
réduite est fausse. La stratégie en matière<br />
publicité<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 45
kronig<br />
Les erreurs commises dans la sélection<br />
Les défauts cachés d'un système éducatif à structure hiérarchique<br />
1<br />
Sous<br />
Prof. Winfried Kronig<br />
Institut de pédagogie curative<br />
Université de Fribourg<br />
Rue St.-P. Canisius 21<br />
1700 Fribourg<br />
winny.kronig@unifr.ch<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
le voile des performances<br />
scolaires<br />
Comment avoir du succès à l'école Cette<br />
question est dérangeante de prime abord,<br />
puisque que les performances individuelles<br />
sont censées décider du succès<br />
d'un-e élève. En effet, de bonnes performances<br />
d'apprentissage ne permettent<br />
pas seulement d'obtenir de bonnes notes,<br />
elles donnent également le droit d'entrer<br />
dans des écoles de formation subséquente.<br />
Ce système doit empêcher que des individus<br />
revendiquent de manière indue<br />
des positions privilégiées, par exemple du<br />
seul fait de leur origine. Contrairement aux<br />
systèmes qui l'ont précédé au cours de<br />
l'histoire, fondés notamment sur les droits<br />
de naissance, le principe des performances<br />
est considéré comme démocratique<br />
et équitable sur le plan social.<br />
Le système éducatif déploie de grands<br />
efforts pour documenter le principe de<br />
des performances sur le plan externe. Si<br />
l'on évaluait chaque élève ne serait-ce<br />
qu’une seule fois dans quatre branches au<br />
cours d'un semestre, le nombre d'évaluations<br />
des performances individuelles effectuées<br />
dans les écoles publiques suisses<br />
s'élèverait à 6,5 millions par année.<br />
Néanmoins, ces nombreuses appréciations<br />
qui récompensent de bons résultats<br />
de performance de manière apparemment<br />
équitable et justifiée ne réussissent pas à<br />
effacer une série de doutes fondamentaux<br />
quant à la plausibilité du principe des performances.<br />
Tout d'abord, ce qui est réelle-<br />
ment évalué semble incertain. Même les<br />
modèles didactiques les plus simples suggèrent<br />
que l'élève n'est pas seul responsable<br />
de l'état de ses acquis scolaires. Il<br />
semble plutôt que les performances individuelles<br />
soient le résultat d'une interaction<br />
complexe entre l'élève, ses camarades<br />
de classe, l'enseignant et la matière<br />
scolaire. S'il en était autrement, alors comment<br />
faudrait-il comprendre les discussions<br />
durant plusieurs années au sujet de<br />
la qualité de l'enseignement et le développement<br />
scolaire Et comment faudrait-il<br />
alors expliquer les efforts entrepris en vue<br />
d'améliorer la formation des enseignant-e-s<br />
A l'évidence, beaucoup de temps et<br />
d'argent sont investis dans ces facteurs.<br />
Car il est prouvé qu'ils représentent des<br />
conditions importantes pour les performances<br />
des élèves. Or si les élèves ont une<br />
part dans le résultat de l'enseignement, ne<br />
devrait-on pas aussi en tenir compte lors<br />
de l'évaluation des performances Résumons<br />
cette pensée de la manière suivante:<br />
avec chaque note que l'école attribue,<br />
n'évalue-t-elle pas aussi ses propres performances<br />
Une condition préalable importante<br />
pour une compétition des performances<br />
équitable serait que les conditions initiales<br />
soient comparables. Or ce n'est qu'en<br />
apparence que les carrières de formation<br />
débutent de la même manière au premier<br />
jour d'école d'un élève. En réalité, le vrai<br />
départ intervient beaucoup plus tôt et la<br />
course pour s'assurer une bonne carrière<br />
de formation a déjà démarré depuis longtemps.<br />
Et durant le parcours de formation,<br />
l'avantage dont disposent certain-e-s élèves<br />
au début de la scolarisation va encore<br />
se renforcer. Car, plus les résultats d'un-e<br />
élève sont bons par rapport aux autres<br />
élèves, plus sa position de départ sera favorable<br />
lors de la comparaison suivante.<br />
Dans la plupart des classes, l'écart entre<br />
les élèves aux bonnes performances et<br />
ceux aux performances faibles s'accroît au<br />
cours de l'année scolaire (cf. Kronig 20<strong>05</strong>).<br />
L'inégalité des conditions initiales explique<br />
le fait que la compétition soit influencée<br />
par les facteurs mêmes dont le principe<br />
des performances aurait dû effacer les<br />
effets: les contextes social et familial.<br />
L'école n'arrivera guère à supprimer<br />
ces contradictions. Mais, indépendamment<br />
de ces problèmes plus fondamentaux,<br />
le fait est qu'un système éducatif qui<br />
se réclame aussi clairement du principe<br />
des performances devrait être en mesure<br />
de prouver de façon crédible que ledit<br />
principe n'est pas violé de manière flagrante.<br />
Or de simples analyses statistiques<br />
du système éducatif mettent déjà<br />
en lumière une série de bizarreries.<br />
2<br />
Lieu<br />
de résidence: facteur<br />
également déterminant<br />
Quels sont les acquis nécessaires pour<br />
pouvoir passer dans une classe à exigences<br />
étendues (dans bon nombre de cantons,<br />
il s'agit de l'école secondaire) Et<br />
quel est le niveau de compétences limite<br />
au-dessous duquel seule une filière à exigences<br />
élémentaires est possible (dans<br />
bon nombre de cantons alémaniques, il<br />
s'agit de la «Realschule» ou filière à exigences<br />
élémentaires) Les réponses varient<br />
fortement en fonction du lieu de scolarisation.<br />
Tandis qu'il suffit dans un canton<br />
d'avoir des notes supérieures à celles<br />
des 10 % d'élèves les plus faibles de la classe,<br />
il faut avoir des notes supérieures à<br />
celles des <strong>40</strong> % d'élèves les plus faibles de<br />
la classe dans un autre canton. Il n'existe<br />
vraisemblablement aucune mesure pédagogique<br />
pouvant produire un écart de performance<br />
aussi important que celui-ci à<br />
très courte échéance.<br />
Les variations régionales sont tout aussi<br />
importantes en ce qui concerne les en-<br />
46 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
kronig<br />
fants et les jeunes issus de familles immigrées<br />
en Suisse. C'est pourquoi il est impossible<br />
de dire dans quelle mesure<br />
l'échec scolaire des immigrés est plus élevé<br />
que l'échec scolaire des Suisses. Cela<br />
dépend fortement du canton dans lequel<br />
on se trouve. Les différences cantonales<br />
au niveau des exigences sont même à tel<br />
point importantes que pour la plupart de<br />
ces élèves, le canton de domicile détermine<br />
tout autant le succès scolaire que le<br />
pays d'origine. Concrètement: le quota<br />
des élèves réussissant sur le plan scolaire<br />
et originaires des Balkans est dans de nombreux<br />
cantons plus élevé que le quota des<br />
élèves réussissant sur le plan scolaire et<br />
originaires d'Italie dans d'autres cantons<br />
(et inversement).<br />
Au niveau des élèves à faible capacité<br />
d'apprentissage, les différences sont encore<br />
plus marquées. Il existe des cantons<br />
dans lesquels le risque d'être assigné à une<br />
classe spéciale est plusieurs fois plus élevé<br />
que dans les cantons voisins. Les délimitations<br />
prétendument claires entre les<br />
classes ordinaires et les classes spéciales<br />
deviennent ainsi de plus en plus floues.<br />
Ces constatations ne peuvent plus être<br />
expliquées par les capacités individuelles.<br />
Ce n'est pas que l'on adapte les structures<br />
de sélection du système éducatif d'une région<br />
aux capacités des élèves. Au contraire,<br />
ce sont les capacités des élèves qui<br />
sont réparties en fonction des structures<br />
existantes. Comme ces structures diffèrent<br />
d'un lieu à un autre, il n'est pas nécessaire<br />
d'avoir le même niveau de capacités<br />
partout pour réussir sur le plan scolaire.<br />
3<br />
Les<br />
«cas limites» sont<br />
majoritaires<br />
Une des conséquences mesurables des<br />
différences dans la pratique de sélection<br />
selon les régions est qu'il existe de nombreux<br />
élèves aux capacités comparables,<br />
mais qui ne suivent pas la même filière scolaire.<br />
Une enquête effectuée sur un échantillon<br />
de près de 2000 élèves de Suisse alémanique<br />
prouve que cette situation ne<br />
concerne pas seulement un petit nombre<br />
d'élèves comme pourrait le laisser croire<br />
le terme usuel mais manifestement inapproprié<br />
de «cas limites». En effet, plus de<br />
deux tiers des élèves sont dans la situation<br />
suivante: il existe quelque part en Suisse<br />
alémanique un-e autre élève dont le niveau<br />
de compétences est comparable au sien,<br />
mais qui suit une autre filière scolaire (école<br />
secondaire ou «Realschule», filière à exigences<br />
élémentaires) que lui ou elle (Kronig<br />
20<strong>05</strong>; cf. également la réanalyse des<br />
données PISA par les auteurs Zutavern;<br />
Brühwiler & Biedermann, 2002).<br />
Ces cas donnent à croire que nous<br />
sommes en présence d'une grave entorse<br />
au principe des performances. Car pour<br />
tou-te-s ces élèves, il semble évident que<br />
les performances individuelles n'ont pas<br />
été le seul critère déterminant leur carrière<br />
de formation.<br />
4<br />
Facteurs<br />
non liés aux<br />
performances<br />
Les limites du système de sélection font<br />
ressortir que le hasard lié au facteur «lieu<br />
de résidence» ce n'est pas le seul élément<br />
qui fausse le système. Le sexe, l'origine sociale<br />
et la nationalité sont également des<br />
facteurs déterminant le succès de la formation.<br />
À l'aide d'études longitudinales, il<br />
est possible de montrer combien ces facteurs<br />
sont importants. Même en cas de<br />
performances identiques dans les branches<br />
principales, mathématiques et langues,<br />
ils peuvent faire doubler la probabilité<br />
d'une sélection positive (cf. Kronig<br />
20<strong>05</strong>).<br />
La «jeune fille ouvrière et catholique de<br />
la campagne» (Dahrendorf 1965) a été remplacée<br />
par le jeune homme d'origine étrangère<br />
et habitant dans une agglomération,<br />
qui, même avec de bonnes performances<br />
scolaires, a nettement moins de chances<br />
de succès.<br />
5<br />
«Un<br />
gros poisson dans un<br />
petit étang»<br />
Ce qui est visible à grande échelle lorsqu'on<br />
analyse les structures du système<br />
éducatif peut également être observé à<br />
l'échelle des classes. C'est surtout le problème<br />
suivant qui apparaît: la note donnée<br />
à un-e élève dépend directement du niveau<br />
de capacités de ses camarades de<br />
classe. Dans le cas extrême, des classes<br />
qui se différencient selon le niveau de compétences<br />
des élèves, mais qui affichent les<br />
mêmes écarts minimums et maximums<br />
sur l'échelle des notes appliquée, bien que<br />
les meilleurs élèves de la première classe<br />
considérée aient un niveau de compétences<br />
inférieur à celui des moins bons<br />
élèves de la seconde classe. Suivant la<br />
classe choisie comme grandeur de référence,<br />
un-e élève peut, pour une certaine<br />
performance, obtenir la note 4 dans une<br />
classe ou la note 6 dans une autre (cf. Kronig<br />
20<strong>05</strong>). Ainsi, l'évaluation individuelle<br />
des performances reflète comme un effet<br />
de miroir inversé l'image du niveau de capacités<br />
de la classe en question.<br />
Cet effet, que Marsh (1987) appelle avec<br />
pertinence dans un autre contexte «l’effet<br />
du gros poisson dans le petit étang», diminue<br />
la valeur de comparaison des évaluations<br />
de performances.<br />
Ingenkamp (1989) a été l'un des premiers<br />
auteurs germanophones à émettre<br />
de sérieux doutes concernant la comparabilité<br />
des notes des bulletins. Dès que les<br />
évaluations de performances scolaires<br />
sont sorties du contexte de la classe, elles<br />
sont absolument inutiles pour effectuer<br />
une comparaison. Et pourtant, ces évaluations<br />
servent de base pour la sélection suprarégionale.<br />
6<br />
Remarques<br />
en guise de<br />
conclusion<br />
Il n'est vraisemblablement pas possible de<br />
donner une réponse définitive à la question<br />
posée au début de la présente intervention.<br />
Néanmoins, les problèmes esquissés<br />
montrent que la question de savoir<br />
comment se construit le succès de la<br />
formation est tout à fait justifiée. Dans le<br />
contexte de la recherche en éducation, de<br />
nombreux ouvrages tendent à prouver<br />
que les performances individuelles ne<br />
constituent probablement pas l'unique<br />
suite page suivante en bas<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 47
hollenweger/kronig<br />
Système social, système performant<br />
Le système éducatif suisse en comparaison internationale<br />
Prof. Judith Hollenweger<br />
Haute école pédagogique Zurich<br />
Département recherche et<br />
développement<br />
Hirschengraben 28<br />
case postale, 8090 Zurich<br />
1<br />
judith.hollenweger@phzh.ch<br />
traduction: Pierre Voit/Patrick Vogt<br />
Que pouvons nous retenir<br />
des résultats de l'étude PISA<br />
ciennes disait que les systèmes scolaires<br />
s'efforçant de soutenir les plus faibles et<br />
nécessitant beaucoup de temps et d'énergie<br />
en faveur de l'égalité des chances doivent<br />
acquérir ces valeurs égalitaires au<br />
prix de prestations de pointe amoindries.<br />
Or, nous savons entre-temps que cela est<br />
faux: la garantie d'une éducation pour toute-s<br />
signifie également une meilleure éducation<br />
pour chacun-e. Ce constat – mais<br />
surtout une grande compréhension auprès<br />
des responsables de l'éducation – rassure:<br />
les meilleures performances sont<br />
manifestement réalisées dans les systèmes<br />
scolaires plus équitables. Il est par<br />
conséquent possible d'avoir à la fois du<br />
succès et d'être social.<br />
Performant:<br />
social et peu sélectif<br />
Démonstration est faite par PISA: il y a des<br />
pays qui atteignent non seulement des<br />
performances médianes et de pointe plus<br />
élevées, mais aussi plus homogènes: en effet,<br />
dans les pays plus performants, l'écart<br />
est moindre entre les meilleures et les<br />
moins bonnes prestations. Le tableau 1<br />
montre que le Canada et la Finlande affichent<br />
tant une valeur médiane plus élevée<br />
que des écarts type moins importants; en<br />
outre, il en ressort que les différences<br />
entre les moins bonnes et les meilleures<br />
performances sont plus faibles qu'en Alle-<br />
Aucune étude comparative internationale<br />
n'a rencontré un tel écho dans la politique<br />
d'éducation et, partant, dans un large public,<br />
que l'étude PISA de l'OCDE (Organisation<br />
de coopération et de développement<br />
économiques); ce programme avait<br />
pour objectif de mesurer les performances<br />
des jeunes de 15 ans. Néanmoins, ce n’est<br />
pas l'évaluation de chaque adolescent-e<br />
qui était au cœur de l'étude; les performances<br />
de tou-te-s les élèves du pays<br />
concerné étaient bien plutôt analysées<br />
comme indicateurs de qualité du système<br />
éducatif de cet Etat. Ce qui a étonné les<br />
gens voici deux ans – et aussi suscité un<br />
large débat –, c'était la constatation que les<br />
systèmes scolaires ayant beaucoup de<br />
succès sont aussi particulièrement sociaux.<br />
Avant la publication de PISA, l'intuition<br />
de nombreux politiciens et politimagne<br />
et en Suisse. L'écart est toutefois un<br />
peu plus grand chez notre voisin du nord<br />
(OCDE 2001, 253).<br />
Tableau 1: variation concernant les performances des<br />
élèves (combined reading literacy scale)<br />
Valeur médiane Ecart Fourchette<br />
(PISA) type (5-95 %)<br />
Canada 534 95 371 - 681<br />
Finlande 546 89 390 - 681<br />
Suisse 494 102 316 - 651<br />
Allemagne 484 111 284 - 650<br />
OECD Ø 500 100 324 - 652<br />
Origine ou performance<br />
Dans tous les pays ayant participé à l'étude,<br />
on peut constater une relation plus ou<br />
moins étroite entre la performance et l'origine<br />
sociale des jeunes. Toutefois, dans<br />
certains pays, ce lien est plus fort que dans<br />
d'autres.<br />
Que souhaiterait-on en qualité de responsable<br />
de l'éducation dans un Etat démocratique<br />
Que les enfants et les adolescent-e-s<br />
réalisent des performances en<br />
fonction de leurs aptitudes et de leur potentiel<br />
intellectuel, et non le fait qu'ils/elles<br />
aient davantage – ou moins – accès à l'éducation<br />
en raison de leur provenance familiale.<br />
Je serais aussi heureuse si, pour les<br />
meilleures performances possibles, l'influence<br />
de l'origine sociale était négli-<br />
suite de la page 47<br />
facteur déterminant le succès de la formation. Le hasard et les<br />
privilèges sont responsables de continuelles entorses graves au<br />
principe des performances, auquel l'école attache pourtant une<br />
si grande importance.<br />
Les effets de ces entorses ne sont pas seulement injustes pour<br />
les perdant-e-s de la compétition de la formation. L'insécurité engendrée<br />
par les caractéristiques intrinsèques du système dans la<br />
pratique de la sélection ne satisfera pas non plus les gagnant-e-s<br />
aussi longtemps qu'ils/elles ne pourront s'appuyer sur une évaluation<br />
vraiment solide de leurs performances.<br />
Références bibliographiques<br />
Dahrendorf, R. (1965): Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik.<br />
Hamburg: Nannen.<br />
Ingenkamp, K. (1989): Diagnostik in der Schule. Beiträge zu Schlüsselfragen der Schülerbeurteilung.<br />
Weinheim: Belz.<br />
Kronig, W. (20<strong>05</strong>): Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. [erscheint Anfang 2006]<br />
Marsh, H. W. (1987): The big-fish-little-pond effect on academic self-concept. Theoretical and<br />
empirical justification. In: Educational Psychology Review, 77-171.<br />
Zutavern, Brühwiler & Biedermann (2002): Die Leistungen der verschiedenen Schultypen auf der<br />
Sekundarstufe I. In: EDK & BfS (Hrsg.): Bern, St. Gallen, Zürich: Für das Leben gerüstet<br />
Die Grundkompetenzen der Jugendlichen – Kantonaler Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel:<br />
EDK / BfS, 63–76.<br />
48 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hollenweger<br />
geable. Malheureusement, la Suisse ne fait<br />
pas partie des pays où cela est possible.<br />
Bien plus, elle se distingue par ses performances<br />
relativement faibles et un lien assez<br />
étroit entre l'origine sociale et les prestations<br />
scolaires. En effet, avoir du succès<br />
tout en étant social signifierait réaliser des<br />
performances de pointe, une moyenne élevée,<br />
et assurer un lien relativement souple<br />
entre prestations et origine sociale. Sans<br />
aucun doute, la Suisse aimerait évoluer<br />
dans ce sens. Mais la question est de savoir<br />
comment: quels facteurs font que<br />
notre pays est moins social et a moins de<br />
succès<br />
Dans ce contexte, quoi de plus logique<br />
alors que d'analyser les systèmes des pays<br />
qui réussissent à combiner ces deux éléments<br />
A la recherche de ces facteurs de<br />
succès, l'Office fédéral de la statistique<br />
moins sélectif – est également une bonne<br />
école, servira de point de départ à mes raisonnements.<br />
Que font d'autre les pays à<br />
succès par rapport à la Suisse<br />
handicap. Trois domaines et leur évolution<br />
sont particulièrement significatifs:<br />
1. Organisation de systèmes de soutien<br />
pour des écoles performantes<br />
Soutien financier de projets de développement<br />
scolaire<br />
Développement professionnel systématique<br />
du personnel enseignant<br />
Curriculums évoluant en fonction du<br />
contexte scolaire et basés sur un modèle<br />
national (standard) pour le soutien<br />
d'un enseignement professionnel<br />
Evaluation interne et vérification de la<br />
réalisation des niveaux standard en<br />
tant que base de planification pour le<br />
personnel enseignant<br />
2. Intégration conséquente de tous les<br />
élèves dans les processus de formation<br />
Politique de formation qui accepte et<br />
structure activement la pluralité linguistique<br />
et culturelle en tant que particularité<br />
des écoles et de ses élèves<br />
Programmes de soutien des familles<br />
pour l'encouragement à l'apprentissage,<br />
surtout en période préscolaire<br />
Définition des «Zones d‘Education Prioritaire»:<br />
mesures globales pour les écoles<br />
défavorisées<br />
(OFS) a mandaté en 2003 Maja Coradi Vellacott,<br />
Michel Nicolet, Stefan Wolter et<br />
moi-même pour une étude approfondie,<br />
intitulée «Soziale Integration und Leistungsförderung»<br />
(Intégration sociale et encouragement<br />
des prestations). Et du côté<br />
de l'OCDE, l'étude «What makes School<br />
System perform» a été publiée. Elle<br />
n'aborde pas explicitement la question de<br />
l'équité sociale mais la qualité des systèmes<br />
scolaires en général. Or, la constatation<br />
qu'un établissement scolaire équitable<br />
au niveau social – ou autrement dit,<br />
Des pays tels que le Canada ou la Finlande<br />
ont accompli ces dernières années de<br />
nombreuses réformes. En comparaison internationale,<br />
quatre domaines de réforme<br />
sortent du lot et sont aussi mis en relation<br />
par l'OCDE avec les bonnes performances.<br />
Voici ces domaines:<br />
soutien systématique et encouragement<br />
des élèves fournissant de mauvaises<br />
performances (avant tout encouragement<br />
précoce, sans ségrégation);<br />
amélioration systématique de l'enseignement<br />
et de l'apprentissage de compétences<br />
(réduction en Suisse, en l'occurrence,<br />
des grandes différences de niveau<br />
entre les diverses classes);<br />
renforcement de l'autonomie scolaire<br />
combinée à la responsabilité individuelle<br />
et aux comptes à rendre;<br />
financement différencié selon la réalité<br />
sociale (soutien prioritaire à des écoles<br />
dont la composition des classes est<br />
problématique).<br />
Ces aspects peuvent être appliqués en relation<br />
avec des enfants vivant dans un<br />
contexte de migration, fournissant des<br />
performances variées ou souffrant d'un<br />
3. Attitude volontariste face aux différences<br />
entre les performances des élèves<br />
et les objectifs d'apprentissage<br />
Soutien précoce et sélection tardive<br />
d'enfants de familles défavorisées et<br />
dont les performances sont plus faibles<br />
Transitions flexibles entre les degrés de<br />
formation et les offres de «seconde<br />
chance»<br />
Encouragement intégratif d'enfants ou<br />
adolescent-e-s plus «faibles» ou handicapés<br />
La Suisse est-elle particulièrement<br />
sélective et anti-sociale<br />
Dans notre étude concernant PISA 2000<br />
(Coradi Vellacott et al. 2003), Stefan Wolter<br />
et Maja Coradi Vellacott ont effectué<br />
des calculs-type : quelle serait la situation<br />
si la Suisse avait un taux de migrant-e-s<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 49
hollenweger<br />
égal à celui de la Finlande – donc 1 % au<br />
lieu de 19 % Et que se passerait-il si notre<br />
pays avait le même âge de sélection, c'està-dire<br />
16 ans et non 12 Selon leurs calculstype,<br />
la sélectivité sociale – autrement dit<br />
la dépendance des performances selon<br />
PISA en fonction de l'origine sociale – serait<br />
plus basse que dans les «meilleurs»<br />
pays. La Suisse n'est donc a priori pas<br />
moins sociale, mais elle doit faire face à un<br />
défi particulièrement important concernant<br />
ses élèves. En effet, en raison de divers<br />
facteurs, notre pays abrite un nombre<br />
élevé d'enfants qui sont exposés à plusieurs<br />
facteurs de risque à la fois: ils sont<br />
pauvres, socialement défavorisés, ne parlent<br />
pas la langue d'enseignement, proviennent<br />
de familles aux ressources culturelles<br />
défavorables et n'habitent que depuis<br />
peu de temps en Suisse; mais souvent<br />
– et c'est le facteur le plus décisif – leur potentiel<br />
de performance est sous-estimé<br />
par leurs enseignant-e-s. Par une scolarisation<br />
encore plus précoce, couplée à une<br />
sélection plus tardive (après la 9e année<br />
seulement et non après 4 ou 6 années d'école<br />
primaire déjà), la Suisse pourrait vraisemblablement<br />
devenir plus sociale et<br />
avoir davantage de succès. Toutefois, sans<br />
réformes profondes, c'est-à-dire sur la voie<br />
que d'autres Etats «plus performants» ont<br />
déjà empruntée, cela ne sera guère réali-<br />
sable et mènerait à un surcharge des<br />
2<br />
écoles et de leur personnel enseignant.<br />
Indicateurs internationaux<br />
concernant les effets de<br />
systèmes éducatifs<br />
Un choc est parfois le meilleur «briseur de<br />
glace». En effet, l'enquête PISA a ouvert en<br />
partie une nouvelle voie pour les processus<br />
d'apprentissage: de nos jours, les systèmes<br />
éducatifs prennent davantage<br />
conscience de leur valeur et commencent<br />
à se rendre compte que ce sont eux qui<br />
sont à même de faire la différence quant<br />
aux chances de formation pour tous les enfants.<br />
Se pose dès lors la question de savoir<br />
comment les systèmes éducatifs peuvent<br />
être équitables et performants. Ces<br />
systèmes ont du succès à partir du moment<br />
où ils peuvent offrir une formation<br />
pour chacun-e et qu'ils permettent au plus<br />
grand nombre possible d'enfants d'avoir<br />
une chance équitable de réussite. Durant<br />
plusieurs années, la question se posait<br />
principalement de savoir si les écoles sont<br />
capables de promouvoir avec le même<br />
succès tous les élèves, indépendamment<br />
de leur origine sociale. Dans le programme<br />
PISA, un indicateur complexe a été formé,<br />
servant à décrire les origines familiales, un<br />
indicateur qui s'oriente selon les théories<br />
de Pierre Bourdieu et qui se définit selon<br />
le capital social, culturel et économique<br />
disponible. Cependant, le fait de ne tenir<br />
compte que de l'origine familiale pour estimer<br />
les chances de formation inéquitablement<br />
distribuées dans un pays serait<br />
insuffisant. En effet, si notre objectif est<br />
une école offrant les mêmes chances de<br />
formation à tous les enfants et adolescent-e-s,<br />
d'autre facteurs doivent être pris en<br />
considération. D'autres groupes-cibles<br />
obtiennent l’attention nécessaire de<br />
l'UNESCO dans son programme international<br />
«Education pour tous»: les filles, les<br />
enfants handicapés et atteints du sida, les<br />
enfants habitant des régions rurales, défavorisées.<br />
Qui est menacé-e d'un handicap<br />
ou d'une exclusion<br />
La diversité à l'école a sans conteste augmenté,<br />
une situation qui est davantage prise<br />
en compte de nos jours. Or, la question<br />
se pose de savoir comment l'école en général<br />
aborde cette situation: parvient-elle<br />
à établir une cohésion sociale, condition<br />
essentielle pour une société citoyenne solidaire<br />
Est-elle aussi capable d'établir des<br />
processus de formation de façon à ce que<br />
tous les enfants aient en principe la même<br />
chance de développer leur potentiel et de<br />
disposer équitablement de leurs capacités<br />
Plusieurs groupes peuvent en effet<br />
être menacés d'une exclusion des processus<br />
de formation, une menace qui peutêtre<br />
mise en relation de pays à pays avec<br />
différents indicateurs. Etant donné que ce<br />
sont majoritairement des personnes bien<br />
qualifiées qui immigrent au Canada et que<br />
beaucoup parmi elles maîtrisent déjà l'une<br />
des deux langues nationales, ce groupe<br />
n'est pas menacé d'exclusion, contrairement<br />
à ce qui se passe en Suisse. Là où, en<br />
relation avec l'échec scolaire, la variable<br />
«origine migrante» semble être la plus significative,<br />
d'autres variables sont étroitement<br />
liées à l'échec scolaire pour ce qui<br />
est du Canada: des enfants vivant dans la<br />
pauvreté ou grandissant avec des familles<br />
monoparentales à la campagne. En Finlande,<br />
par contre, le fait d'être un garçon représente<br />
le facteur de risque le plus élevé<br />
par rapport aux performances de PISA: en<br />
effet, les différences de sexe ont échauffé<br />
les esprits dans ce pays. Dans de nombreux<br />
pays en voie de développement, enfin,<br />
un handicap peut mener un enfant à<br />
être exclu de tout processus de formation,<br />
surtout s'il habite une région rurale.<br />
Facteurs de risque scolaires<br />
Dans ce contexte, il ne convient pas seulement<br />
de se poser la question des facteurs<br />
de risque indépendants de l'école<br />
dans les différents pays, mais aussi celles<br />
concernant les processus scolaires et les<br />
facteurs augmentant le risque en ce sens<br />
que certains groupes ne peuvent pas profiter<br />
de la même façon des processus de<br />
50 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hollenweger<br />
formation. Les systèmes éducatifs fortement<br />
ségrégatifs montrent aussi en comparaison<br />
internationale une sélectivité sociale<br />
plus élevée. Dans des systèmes scolaires<br />
sélectifs sans évaluations des performances<br />
indépendantes des enseignant-e-s,<br />
ce ne sont souvent pas les enfants les<br />
plus performants qui sont sélectionnés<br />
dans les types scolaires les plus «prestigieux»,<br />
mais bien davantage des enfants en<br />
provenance de familles disposant du capital<br />
social, culturel et économique correspondant.<br />
Tant les expériences faites en Allemagne,<br />
aux Pays-Bas et en Suisse – c'està-dire<br />
dans des pays ayant des systèmes<br />
éducatifs ségrégatifs et fortement différenciés<br />
– montrent que les processus de<br />
sélection subissent pour ainsi dire involontairement<br />
une coloration sociale. En effet,<br />
les systèmes éducatifs qui ne procèdent<br />
pas à cette sélection n'ont pour ainsi<br />
dire aucune possibilité de commettre des<br />
erreurs. Des ressources culturelles défavorisées<br />
et une ignorance du système scolaire<br />
ont moins d'effet au cas où les parents<br />
ne doivent pas prendre de décisions importantes.<br />
Ce sont là pour le moins des arguments<br />
de poids en faveur d'une école<br />
primaire moins sélective.<br />
Du fait de leur politique de soutien ou<br />
de sanction financière de certaines écoles<br />
selon leur attestation de performances, les<br />
Etats-Unis ont un problème avec un autre<br />
critère de sélection. En effet, les écoles<br />
présentant de mauvaises performances se<br />
voient supprimer les moyens financiers,<br />
ce qui les rend, d'une part, peu attrayantes<br />
pour les parents culturellement défavorisés,<br />
d'autre part ces mesures démotivent<br />
encore davantage les enseigant-e-s qui<br />
sont souvent déjà surmenés. Les résultats<br />
d'une telle politique sont des écoles défavorisées<br />
avec un mauvais personnel enseignant<br />
et des moyens financiers faisant<br />
défaut. Aux USA, la sélection ne se fait<br />
donc pas en fonction des divers types de<br />
classes, mais en fonction des écoles et arrondissements<br />
scolaires. Et même en Suisse,<br />
les mesures d'encouragement encore<br />
très prisées, qui sont proposées en dehors<br />
des classes mais qui ont peu de prestige<br />
social, ont un effet ségrégatif. Dans notre<br />
pays, les classes spéciales sont souvent<br />
mises en relation avec de mauvaises performances<br />
scolaires, des déficits de comportement<br />
et de nombreux étrangers et<br />
étrangères. C'est donc à juste titre que la<br />
fréquentation de ces types scolaires est<br />
plutôt connotée négativement, ce qui<br />
pousse les parents culturellement et socialement<br />
favorisés à éviter, dans la mesure<br />
du possible, ces formes de scolarisation<br />
3<br />
pour leurs enfants et, le cas échéant, à<br />
choisir une école privée.<br />
Exclusion sociale:<br />
résultat d'interactions<br />
Grâce à l'étude PISA (Programme international<br />
de l'OCDE pour le suivi des acquis<br />
des élèves), l'on a commencé à comparer<br />
l'efficacité des différents systèmes éducatifs<br />
et à tenter d'expliquer les différences<br />
constatées par des facteurs liés aux systèmes<br />
analysés. C'est également en raison<br />
de cette étude qu'il existe aujourd'hui un<br />
discours public sur la qualité des écoles<br />
suisses. En se basant sur des données<br />
fiables, il est maintenant possible de se poser<br />
la question suivante: quels sont les facteurs<br />
scolaires qui ont un effet positif ou<br />
un effet négatif sur la réussite scolaire Sur<br />
la voie vers une école pour tou-te-s, le fait<br />
de se concentrer sur l'influence des facteurs<br />
scolaires quant au succès scolaire<br />
des enfants et des jeunes aux situations les<br />
plus diverses est une victoire importante:<br />
les caractéristiques des élèves ne sont<br />
plus perçues exclusivement comme des<br />
variables indépendantes, mais de plus en<br />
plus souvent comme des variables dépendant<br />
d'un contexte. Ainsi, la différence sociale,<br />
le fait d'être désavantagé, l'exclusion<br />
ou la transition réussie vers la vie adulte<br />
ainsi que les chances professionnelles<br />
sont comprises comme les résultats d'un<br />
processus de formation.<br />
Exemple: les handicaps<br />
Sur le plan international, ce changement<br />
de perspective peut aussi être illustré par<br />
l'exemple du changement dans la manière<br />
de percevoir les handicaps. Il y a encore<br />
quelques années, un handicap était considéré<br />
comme une caractéristique d'un enfant<br />
individuel: un handicap – la malvoyance,<br />
la surdité ou d’autres handicaps<br />
physiques – signifiait pour les enseignant-e-s<br />
et les politicien-ne-s travaillant sur le<br />
dossier de la formation que les chances de<br />
formation de ces personnes étaient réduites.<br />
Les enfants concernés étaient alors<br />
protégés: les exigences à leur égard étaient<br />
moindres, si bien que personne n'était surpris<br />
s'ils échouaient aux tests pour accéder<br />
à des filières de formation supérieure.<br />
Un handicap était considéré comme une<br />
variable indépendante, comme une caractéristique<br />
fixe de l'enfant. Aujourd'hui,<br />
nous savons qu'un handicap au niveau de<br />
certaines fonctions corporelles ne signifie<br />
pas que les personnes concernées seront<br />
a priori exclues des processus de formation,<br />
ni qu'elles ne réussiront pas à suivre<br />
des études dans une haute école ou entrer<br />
avec succès dans la vie active. Les modèles<br />
actuels pour expliquer les handicaps,<br />
telle que la classification internationale<br />
du fonctionnement, du handicap et de<br />
la santé (ICF, Organisation mondiale de la<br />
santé, 2001), considèrent un handicap<br />
comme résultant d'interactions complexes<br />
entre le fonctionnement d'un individu<br />
et son environnement. Un handicap<br />
est donc compris comme le résultat de<br />
cette interaction et non comme une caractéristique<br />
prédéfinie de l'enfant.<br />
Changement de perspective:<br />
passage des caractéristiques<br />
aux interactions<br />
Je suis convaincue que plus nous avancerons,<br />
plus nous nous rendrons compte que<br />
d'autres aspects considérés aujourd'hui<br />
encore comme des caractéristiques de<br />
l'enfant sont tout au moins co-déterminés<br />
et renforcés par les processus de formation<br />
ou que ces aspects ne deviennent pertinents<br />
pour le succès scolaire qu’au travers<br />
de ces processus de formation. Des<br />
handicaps, des désavantages ou l'exclusion<br />
sociale résultent d'interactions et ne<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 51
hollenweger<br />
sont pas des caractéristiques de l'enfant<br />
ou de sa famille d'origine. En outre, il est<br />
également important de voir que les indicateurs<br />
caractéristiques des écoles qui défendent<br />
la justice sociale et qui sont performantes<br />
sont, en fin de compte, l'expression<br />
de processus d'interactions organisés<br />
de manière démocratique. Dans le<br />
cadre de ces interactions, les écoles font<br />
tout leur possible pour qu'aucun processus<br />
de formation en commun ne doive être<br />
interrompu. En effet, l'interruption de relations<br />
sociales importantes engendre<br />
très souvent des processus d'exclusion et<br />
des discriminations. Aussi longtemps que<br />
le système en Suisse n'exercera pas une<br />
pression massive sur ces processus d'exclusion<br />
– je citerais par exemple le fait de<br />
diriger les enfants dans des classes spécialisées,<br />
de redoubler ou d'être exclu de<br />
la classe en cas de problèmes de comportement<br />
graves – pour faire évoluer la situation<br />
en sens inverse, nous serons encore<br />
éloignés d'une école défendant la justice<br />
sociale.<br />
Critères internationaux<br />
Au niveau international, des discussions<br />
ont actuellement lieu au sujet de certains<br />
domaines dans lesquels des injustices sociales<br />
liées au système éducatif peuvent<br />
être présentes:<br />
Accessibilité (critères d'admission,<br />
frais d'écolage, nécessité de cours complémentaires)<br />
Intégration / ségrégation (écoles avec<br />
différents profils et possibilité de choisir<br />
des profils, offre spéciale pour certains<br />
groupes)<br />
Participation (taux de drop-out, élèves<br />
quittant l'école sans certificat de fin de<br />
scolarité)<br />
Distribution des ressources (communes<br />
riches et pauvres, cantons, financement<br />
selon les besoins ou selon les<br />
performances)<br />
L'on peut aussi évaluer les différentes<br />
offres en matière de formation sur la base<br />
des critères du «droit à l'éducation» tels<br />
qu'énoncés par exemple dans le commentaire<br />
général (Nations Unies 1999) de l'article<br />
13 du Pacte international sur les<br />
droits économiques, sociaux et culturels<br />
des Nations Unies (1966):<br />
Les offres de formation sont-elles disponibles<br />
de manière égale pour toute-s<br />
Availability<br />
Les offres de formation sont-elles accessibles<br />
de manière égale pour toute-s<br />
Accessibility<br />
Les offres de formation sont-elles adaptées<br />
de manière égale à tou-te-s<br />
Adaptability<br />
Les offres de formation sont-elles acceptables<br />
de manière égale par tou-te-s<br />
Acceptability<br />
Succès grâce aux réformes<br />
Malgré la diversité des systèmes éducatifs<br />
dans les différents pays, les systèmes performants<br />
ont un point en commun: ils ont<br />
évolué au cours de ces dernières années<br />
et ils se sont laissés transformer; des processus<br />
de réformes étendues ont été initiés<br />
et appliqués dans le cadre de coopérations.<br />
Des partenariats ont été conclus<br />
ou renforcés et les enseignant-e-s ont complètement<br />
différencié leurs rôles afin de<br />
pouvoir se soutenir mutuellement dans le<br />
processus d'organisation de l'école mené<br />
en commun. En tant que partenaires dans<br />
le processus de formation de leurs enfants,<br />
les parents n'ont pas seulement obtenu<br />
davantage de droits, ils ont également<br />
dû accepter des responsabilités. Des<br />
efforts sincères et la volonté de s'engager<br />
continuellement pour un bon système<br />
éducatif sont probablement les ingrédients<br />
de la recette secrète universelle qui<br />
est à l'origine du succès de certaines<br />
écoles. Voilà les caractéristiques du système<br />
des écoles canadiennes et les caractéristiques<br />
de qualité de certaines écoles<br />
d'Allemagne qui ont obtenu des résultats<br />
au-dessus de la moyenne dans le cadre de<br />
l'étude PISA.<br />
Si des interactions ont pour effet de plutôt<br />
handicaper ou exclure certains enfants,<br />
alors des interactions peuvent aussi<br />
contribuer à empêcher de tels processus.<br />
La dimension publique de ces questions,<br />
donnée par des journées d'étude, et<br />
un large débat sur la formation, peuvent aider<br />
l'école à découvrir ces interactions. Si,<br />
ensuite, nous réussissons à faire en sorte<br />
que toutes les personnes concernées<br />
montrent assez de courage, de compréhension<br />
et d'ouverture pour ce débat, tout<br />
en admettant de pouvoir se tromper, alors,<br />
je crois qu'une évolution vers une école<br />
meilleure et plus sociale pour tou-te-s est<br />
possible.<br />
Bibliographie<br />
Coradi Vellacott, M., Hollenweger, J., Nicolet, M., Wolter, S.C.<br />
(2003): Intégration sociale et amélioration des performances<br />
scolaires. Rapport thématique sur l'enquête PISA 2000, Neuchâtel:<br />
Office fédéral de la statistique, Conférence suisse des directeurs<br />
cantonaux de l'instruction publique.<br />
Organisation de coopération et de développement économiques<br />
(OCDE) (2001): Connaissances et compétences: des atouts pour<br />
la vie. Premiers résultats du Programme international de l'OCDE<br />
pour le suivi des acquis des élèves (PISA) 2000. Paris: OCDE.<br />
Organisation de coopération et de développement économiques<br />
(OCDE) (2004): What makes School Systems perform Seeing<br />
School Systems through the Prism of PISA. Paris: OCDE.<br />
Nations unies (1999). Droit à l’éducation. Portée et mise en<br />
œuvre. Observation générale 13 sur le droit à l’éducation (art. 13<br />
du Pacte international relatif aux droits économiques, sociaux et<br />
culturels). New York: Nations unies.<br />
Nations unies (ONU) (1966): Pacte international relatif aux droits<br />
économiques, sociaux et culturels du 19 décembre 1966. New<br />
York: Nations unies (entré en vigueur en Suisse le 18 septembre<br />
1992).<br />
Organisation mondiale de la santé (OMS) (2001): Classification internationale<br />
du fonctionnement, du handicap et de la santé (ICF).<br />
Genève: Organisation mondiale de la santé.<br />
52 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hutmacher<br />
L’école est-elle juste aux yeux<br />
des citoyens<br />
L’option historique en faveur d’une école publique ouverte à tous est au fondement des démocraties modernes. Elle<br />
forme depuis le milieu du XIX e siècle l’un des principaux mécanismes d’intégration culturelle, sociale et économique.<br />
L’instruction universelle est une condition du suffrage universel. Réciproquement, la décision démocratique permet de<br />
légitimer les options de politique éducative, en particulier les buts, les structures, les règles et les méthodes d’enseignement,<br />
d’évaluation et de sélection des institutions éducatives.<br />
( Atelier 6)<br />
Walo Hutmacher, sociologue<br />
Université de Genève<br />
74, square de Montchoisy<br />
1207 Genève<br />
walo.hutmacher@pse.unige.ch<br />
En tant qu’elles sont publiques,<br />
les institutions scolaires doivent<br />
garantir le principe d’égalité des<br />
droits. Mais paradoxalement,<br />
l’inégalité est installée au cœur<br />
de leur fonctionnement. L’école<br />
distribue bel et bien inégalement des ressources<br />
qui comptent dans la vie:<br />
Compte tenu de leurs performances inégales,<br />
les élèves reçoivent des notes et<br />
des récompenses inégales, ont accès à des<br />
filières et des curricula d’inégale valeur sociale,<br />
acquièrent des savoirs et des compétences<br />
inégales, et finalement des diplômes<br />
d’inégale valeur sur le marché du<br />
travail et dans la vie sociale.<br />
Une fois la scolarité ou la formation initiale<br />
achevées, les retours sur investissement<br />
sont inégaux, parce que les différents<br />
niveaux et types de formation ont typiquement<br />
des conséquences significatives<br />
en termes d’inégalités économiques, sociales<br />
et culturelles. Le niveau de formation<br />
figure parmi les principales légitimations<br />
des inégalités de revenus, d’autonomie,<br />
de pouvoir et de responsabilité, de<br />
prestige social ou d’autorité, etc. Et nous<br />
savons qu’il détermine aussi fortement les<br />
opportunités d’apprentissage tout au long<br />
de la vie.<br />
Aletta Grisay 1 propose de distinguer<br />
quatre grandes exigences d’égalité qui<br />
peuvent s’adresser à l’école: l’égalité d’accès<br />
et de chances; l’égalité de traitement;<br />
l’égalité de résultats; l’égalité de conséquences.<br />
La question de la justice se pose<br />
à chaque fois spécifiquement.<br />
Comment l’inégalité est-elle<br />
possible<br />
Quels sont les facteurs, processus, interactions<br />
et chaînes de causalité qui expliquent<br />
que certains élèves échouent là où<br />
d’autres réussissent à apprendre et à démontrer<br />
la maîtrise des compétences que<br />
l’école vise à leur faire acquérir Il y a évidemment<br />
des différences individuelles<br />
entre élèves, qu’elles soient de l’ordre de<br />
l’intelligence, des talents ou des dons ou<br />
encore de l’effort et de la volonté de travail.<br />
La sociologie a pu montrer que les<br />
chances de réaliser de bonnes performances<br />
à l’école, d’y obtenir de bonnes<br />
notes et de bons diplômes sont très inégalement<br />
réparties entre les enfants<br />
d’origines sociales précisément inégales<br />
sous l’angle des ressources économiques,<br />
Pourquoi ce texte<br />
culturelles et sociales. C’est précisément<br />
dans le but de réduire les inégalités sociales<br />
que furent créés, par exemple, dès<br />
le début des années 1960 des cycles<br />
d’orientation, notamment en Suisse romande.<br />
L’échec scolaire n’est cependant pas<br />
seulement le non accès aux diplômes et<br />
aux titres, c’est aussi et surtout la privation<br />
pour une fraction des jeunes de savoirs<br />
et de compétences qui sont de plus<br />
en plus indispensables pour mener sa vie<br />
dans des conditions économiques et sociales<br />
satisfaisantes. Ce n’est pas le<br />
moindre mérite des études de l’IEA 2 et de<br />
l’enquête PISA que de souligner précisément,<br />
au-delà de l’inégalité d’accès aux<br />
titres, l’inégalité d’accès aux compétences,<br />
aux savoirs opérationnels, et en<br />
particulier aux plus élémentaires et fondamentaux,<br />
aux outils qui ouvrent la voie<br />
du savoir et de la culture: compétence lectrice,<br />
culture mathématique et scientifique,<br />
aptitude à aborder et résoudre des<br />
problèmes, etc.<br />
Lors de la journée d’étude du 15 janvier, le sociologue Walo Hutmacher endossait un double<br />
rôle. D’une part, il animait l’atelier 6, dans lequel a été discuté le thème «Égalité et équité des<br />
systèmes éducatifs» sur la base d’un papier «Egalité de quoi – Cinq conceptions de l’égalité<br />
en matière d’éducation». D’autre part, il a mis le point final à la journée en avançant quelques<br />
impressions et conclusions.<br />
En lieu et place d’un rapport sur l’atelier et des impressions et conclusions de Walo Hutmacher,<br />
nous publions son texte: «L’école est-elle juste aux yeux des citoyens» (en version abrégée).<br />
Il l’a écrit pour les «Assises 20<strong>05</strong>» de la «Coordination Enseignement Genève» sur<br />
«Qu’est-ce qu’une école juste». Le manuscrit original se trouve, avec d’autres contributions<br />
intéressantes, sur le site www.arobase-ge.ch (sous «assises»).<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 53
hutmacher<br />
Equité – justice<br />
C’est ainsi que nous dénonçons ou regrettons<br />
souvent des inégalités (notamment<br />
sociales et sexuelles) d’accès, de parcours,<br />
de réussite ou de résultats à l’école<br />
au nom de la justice sociale, sans préciser<br />
ni même interroger les principes de justice,<br />
d’équité sur lesquels se fondent nos dénonciations.<br />
Le groupe de travail s’est en particulier<br />
appuyé sur les récents développements<br />
de la philosophie politique, dans le prolongement<br />
de la Théorie de la justice de<br />
Rawls 3 entre autres, dont la première publication<br />
en anglais remonte à 1971 déjà!<br />
Ni Rawls ni d’autres auteurs n’ont toutefois<br />
traité spécifiquement la question de<br />
l’équité en éducation; il a fallu que nous le<br />
fassions nous-mêmes. En 2001, le groupe<br />
Explication, justification et légitimité<br />
des inégalités scolaires<br />
On constate que les gens mieux formés<br />
touchent des revenus plus élevés pour<br />
leur travail. En Suisse en 1996, les personnes<br />
ayant achevé une formation universitaire<br />
touchaient un revenu du travail<br />
moyen de l’ordre de 60 % supérieur à celui<br />
que touchaient des personnes ayant<br />
achevé une formation de niveau secondaire<br />
supérieur. A leur tour, celles-ci touchaient<br />
un revenu moyen de 30 % supérieur<br />
à celui de personnes qui n’avaient<br />
pas achevé une formation après la scolarité<br />
obligatoire. … Les avantages des universitaires<br />
étaient en gros comparables<br />
dans des pays comme l’Italie ou la Suède,<br />
mais plus importants en France, au Royaume-Uni<br />
et aux Etats-Unis.<br />
Mais est-il juste, au sens d’équitable,<br />
qu’il existe des gens mieux formés que<br />
d’autres et qu’ils soient en plus mieux<br />
payés<br />
Egalité et équité sont intimement associées;<br />
la question de l’équité se pose parce<br />
qu’il existe des inégalités. Et la distinction<br />
entre les deux concepts ouvre sur<br />
quelques questions trapues:<br />
Mais la question «Comment l’inégalité estelle<br />
possible à l’école publique» admet<br />
une autre acception encore. A côté de la<br />
problématique des causalités, on peut en<br />
effet se demander «Comment l’inégalité<br />
scolaire est socialement possible» Comment,<br />
dans une société démocratique, fondée<br />
sur le principe d’égalité des droits et<br />
d’égale valeur et dignité de tous, une institution<br />
publique de surcroît – placée sous<br />
le contrôle des citoyens – peut-elle être un<br />
lieu à ce point central de production et de<br />
reproduction des inégalités sociales Le<br />
réalisme sociologique oblige en effet à<br />
penser que si des inégalités existent dans<br />
ces sociétés et dans leurs écoles, c’est<br />
qu’elles sont socialement tolérables et tolérées,<br />
ou du moins qu’elles ne sont pas assez<br />
intolérables pour soulever des protestations<br />
visibles au plan social et politique,<br />
et au plan scolaire. C’est poser la question<br />
de la justice, de l’équité, à et de l’école.<br />
J’ai été confronté plus directement à<br />
cette question dans le cadre du projet<br />
«Indicateurs des systèmes éducatifs» de<br />
l’OCDE. Le groupe directeur de ce projet a<br />
souhaité très tôt développer des indicateurs<br />
sur l’égalité des systèmes éducatifs<br />
des pays membres. Mais l’anglais ne recourt<br />
pas volontiers à la notion d’equality<br />
mais utilise plus souvent celle d’equity. La<br />
même tension existe en français entre les<br />
notions d’égalité et d’équité qu’on a trop<br />
tendance à confondre ou à amalgamer.<br />
de travail a publié un premier cadre de référence<br />
conceptuel. 4<br />
Mais l’OCDE n’a pas voulu poursuivre<br />
sur cette piste. Un groupe de chercheurs<br />
français, anglais, italiens, espagnols,<br />
belges et suisses s’est alors tourné vers le<br />
programme Socrates de l’Union Européenne<br />
et a élaboré dans ce cadre un premier<br />
ensemble d’une trentaine d’indicateurs<br />
d’équité des systèmes éducatifs qui<br />
sera publié prochainement. 5<br />
Pour avancer sur la question de la légitimité<br />
des inégalités à l’école, j’ai de mon<br />
côté posé la question dans une enquête<br />
conduite en Suisse. En voici quelques résultats.<br />
Toutes les inégalités sont-elles injustes<br />
En vertu de quels principes et de quels<br />
critères, certaines sont-elles considérées<br />
comme justes et d’autres injustes<br />
Ou bien, un peu paradoxalement: Quelles<br />
inégalités sont-elles équitables Et<br />
lesquelles ne le sont-elles pa Voire:<br />
quelles sont les inégalités requises par<br />
l’équité en éducation<br />
Quelles inégalités sont-elles tolérables<br />
et à quelle condition<br />
Puisqu’il s’agit de représentations sociales<br />
et d’opinions, nous avons interrogé<br />
les contemporains à ce sujet (enquête<br />
conduite en 1999 auprès d’un échantillon<br />
représentatif d’environ 700 citoyens suisses<br />
(18-84 ans) 6 .): Dans quelle mesure les<br />
inégalités scolaires ou en rapport avec la<br />
formation sont-elles jugées justes ou injustes<br />
dans la société actuelle, lesquelles,<br />
et en référence à quels principes.<br />
54 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hutmacher<br />
Des inégalités entre individus<br />
ne sont dans l’ensemble pas<br />
perçues comme injustes<br />
L’inégalité de performance entre les élèves<br />
est couramment considérée comme «normale»,<br />
voire «inévitable». Des notes ou des<br />
appréciations inégales sanctionnant des<br />
travaux d’inégale valeur ne sont en général<br />
pas considérées comme injustes.<br />
Les citoyens suisses pensent très majoritairement<br />
(82 %) qu’il est inévitable<br />
que certains élèves réussissent à l’école et<br />
d’autres pas. Or, sous réserve de l’égalité<br />
des chances, une inégalité inévitable ne<br />
peut pas être considérée comme injuste.<br />
Cette attitude peut paraître quelque<br />
peu fataliste en regard du postulat d’éducabilité.<br />
Et en effet, elle n’empêche pas<br />
une majorité très significative des Suisses<br />
(71 %) de penser aussi que «les écoles portent<br />
une grande responsabilité dans l’inégale<br />
réussite des élèves».<br />
Tout enseignant sait cependant que –<br />
même individuelles – des notes, des appréciations<br />
ou des récompenses inégales<br />
requièrent une forme ou une autre de justification,<br />
qui à son tour suppose un accord<br />
minimum sur les critères de justesse<br />
permettant de juger les contributions des<br />
élèves, ainsi que sur les critères et principes<br />
de justice qui fondent les décisions<br />
entraînant des inégalités.<br />
Dès qu’il entre à l’école, très jeune<br />
donc, à un âge où il ne dispose pas de tous<br />
les outils de prise de distance critique,<br />
tout enfant apprend qu’en dehors de la famille,<br />
les récompenses ne lui sont pas attribuées<br />
en fonction de ses besoins, mais<br />
1 Grisay, A. (1984). Quels indicateurs pour quelle réduction des<br />
inégalités scolaires in: Revue de la Direction générale de l’organisation<br />
des études, 9, 3-14.<br />
2 International Association for Student Assessment, organisation<br />
non gouvernementale de chercheurs qui a entre autre produit<br />
l’étude TIMSS (Third International Mathematics and Science<br />
Study, 1999)<br />
3 Rawls, J., Théorie de la justice, Seuil Points, 1997<br />
4 Hutmacher, W., Cochrane, D., Bottani, N. (eds), In Pursuit of<br />
equity. Using international indicators to compare equity policies;<br />
Kluwer Academic Publishers, Boston/Dordrecht/London,<br />
2001<br />
5 Groupe Européen de Recherche sur l’Équité des Systèmes Éducatifs<br />
(GERESE), L'équité des systèmes éducatifs européens.<br />
Un ensemble d’indicateurs, à paraître en 20<strong>05</strong><br />
6 Hutmacher, W., Explication et justification des inégalités en<br />
éducation et formation, GfS-Forschungsinstitut, Zurich, 2001<br />
en proportion de ses performances et du<br />
mérite individuel qui lui est reconnu par<br />
d’autres. Ce qu’il apprend là ne lui est pas<br />
véritablement enseigné dans un cours formel,<br />
il l’apprend par osmose, dans l’expérience<br />
pratique quotidienne de l’école telle<br />
qu’elle fonctionne. Par le biais de l’évaluation<br />
et des sanctions (récompenses ou<br />
punitions), chacun apprend progressivement<br />
deux composantes majeures de la<br />
vie scolaire et ultérieurement sociale:<br />
1. Les critères de justesse (ou d’excellence)<br />
que l’école et la société appliquent<br />
à ses performances. Tous les élèves ne<br />
réussissent pas à apprendre ce que l’école<br />
enseigne. Mais la plupart apprennent<br />
à reconnaître et à respecter les<br />
standards de référence cognitifs, comportementaux,<br />
esthétiques, éthiques,<br />
etc. qui y sont en usage, même ceux qui<br />
ont des difficultés, comme on dit.<br />
2. Les critères de justice en vertu desquels<br />
l’école évalue et juge ses performances.<br />
Les élèves ont-ils le sentiment<br />
d’être traités équitablement Une enquête<br />
conduite auprès d’élèves du dernier<br />
cycle de scolarité obligatoire à Madrid,<br />
Cardiff, Paris et Rome dans le<br />
cadre du projet Socrates mentionné<br />
plus haut, montre … qu’une forte majorité<br />
se sentent traités équitablement<br />
dans leur école. Mais pas tous. Les<br />
élèves forts se sentent bien plus souvent<br />
traités avec équité que les élèves<br />
faibles. Mais dans ce registre aussi,<br />
après un long parcours, même ceux qui<br />
n’ont pas le sentiment d’être traités<br />
équitablement, auront intériorisé et<br />
pour la plupart appris à respecter les<br />
principes de justice en vigueur, notamment<br />
l’équation méritocratique.<br />
Des inégalités entre groupes ou<br />
catégories sont souvent perçues<br />
comme injustes<br />
Notons au passage que les très grandes inégalités<br />
de niveau de compétences entre<br />
les pays et les cantons observées dans<br />
l’enquête PISA ne sont en général pas<br />
considérées comme des injustices. On ne<br />
considérerait pas non plus les inégalités<br />
de rémunération entre les pays comme<br />
une injustice, mais comme un effet du marché.<br />
Les principes de justice sont bornés<br />
par des limites institutionnelles et s’appliquent<br />
pour l’essentiel à l’intérieur de ce<br />
qui est défini comme une commune «société»,<br />
un «Nous», en référence à la Nation,<br />
la Région ou le canton, pas l’Europe (encore),<br />
ni la planète.<br />
En revanche, à l’intérieur des cadres nationaux<br />
ou régionaux, en contraste avec<br />
les inégalités entre individus, les inégalités<br />
entre des groupes sociaux ou des catégories<br />
sont souvent considérées comme injustes,<br />
voire comme des discriminations<br />
contraires au principe d’égalité des chances.<br />
Que le sexe, l’origine sociale, l’appartenance<br />
ethnique ou raciale affectent les<br />
chances de réussite scolaire est considéré<br />
comme injuste et intolérable par beaucoup.<br />
C’est d’ailleurs au nom du principe<br />
d’égalité des chances que les femmes ont<br />
conquis l’égalité à l’école et plus généralement<br />
dans la formation et qu’elles luttent<br />
pour l’acquérir en termes de revenus et de<br />
places.<br />
Les sentiments de justice se distribuent<br />
différemment selon la catégorie d’élèves<br />
concernés. Une majorité appréciable de<br />
près de deux tiers trouve injuste que les<br />
bons résultats scolaires soient liés à l’origine<br />
sociale et à l’origine nationale. Mais<br />
on retiendra aussi de ce résultat que les citoyens<br />
ne sont pas unanimes à propos de<br />
l’inégalité sociale devant l’école. Qu’il<br />
s’agisse des garçons, des enfants d’ouvriers<br />
ou des élèves étrangers, il reste à<br />
chaque fois une proportion notable qui ne<br />
trouve pas injuste que leurs résultats scolaires<br />
soient en général moins bons.<br />
Quels principes fondent donc les<br />
sentiments de justice scolaire<br />
Historiquement, on peut discerner trois<br />
grands principes d’équité en matière<br />
d’éducation et d’instruction et dont les<br />
conséquences diffèrent sensiblement:<br />
1. Un très ancien principe utilitariste veut<br />
qu’on mérite une bonne instruction<br />
d’autant plus que l’on peut en faire un<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 55
hutmacher<br />
bon usage selon les critères scolaires.<br />
Suivant ce principe les meilleurs élèves<br />
doivent recevoir le meilleur enseignement<br />
et le plus long. Quoique la rhétorique<br />
prétende souvent le contraire, ce<br />
principe est d’un usage très courant<br />
dans la réalité des règles et des pratiques<br />
scolaires.<br />
2. Le principe d’égalité des chances se<br />
trouve au fondement de l’école républicaine,<br />
et a été réaffirmé avec force<br />
depuis les années 1970, notamment au<br />
vu du constat des inégalités sexuelles<br />
et sociales devant l’école. Ce principe<br />
commande que tous les élèves doivent<br />
avoir les mêmes chances de recevoir un<br />
bon enseignement. Pour lutter contre<br />
l’inégale réussite, l’école ne peut que<br />
chercher à améliorer la qualité pour<br />
tous, notamment en augmentant les<br />
ressources.<br />
3. Les deux précédents principes se situent<br />
du point de vue des ressources<br />
que l’école offre et met en œuvre. Or, on<br />
sait que dans le succès scolaire, les inégalités<br />
de ressources des élèves et de<br />
leurs familles comptent pour beaucoup,<br />
que ce soit aux plans matériel<br />
(revenus, équipement, etc.), culturel<br />
(niveau d’information, distance par<br />
rapport à la culture valorisée à l’école,<br />
etc.) ou encore social (réseaux de relations,<br />
accès aux lieux de décision,<br />
confiance, loyauté, etc.). En regard de<br />
ce constat, on a vu s’affirmer récemment<br />
un principe de discrimination positive.<br />
L’école doit prêter dans ce cas<br />
davantage d’attention et consacrer davantage<br />
de ressources à ceux qui disposent<br />
de moins bonnes conditions de<br />
départ: les élèves qui rencontrent les<br />
plus grandes difficultés doivent recevoir<br />
le meilleur enseignement.<br />
L’échantillon de citoyens suisses a été invité<br />
à choisir l’un de ces trois principes<br />
pour chaque niveau de scolarité. Nombreux<br />
sont ceux qui ne peuvent ou ne savent<br />
se décider. On est tenté d’attribuer<br />
cette difficulté de se positionner à l’absence<br />
de débat public explicite sur ces<br />
questions de justice scolaire.<br />
L’augmentation de l’adhésion au principe<br />
utilitariste s’opère en premier lieu au<br />
détriment du principe de discrimination<br />
positive qui est retenu par un tiers des répondants<br />
pour l’école primaire, mais seulement<br />
un sixième pour le secondaire obligatoire<br />
et la formation professionnelle, et<br />
un vingtième au-delà de ce niveau scolaire!<br />
La discrimination positive (le meilleur<br />
enseignement pour les élèves qui ont le<br />
plus de difficultés) obtient une part appréciable<br />
de suffrages dans l’enseignement<br />
primaire seulement. Sa faveur diminue<br />
… rapidement à mesure qu’on s’élève<br />
dans les degrés scolaires, tandis que gagne<br />
l’option utilitariste (le meilleur enseignement<br />
pour les meilleurs élèves). Au final,<br />
au delà de l’enseignement primaire,<br />
deux principes dominent dans l’opinion<br />
suisse, qui tous deux admettent des inégalités<br />
sinon d’accès, du moins de résultats,<br />
le premier plus explicitement que le<br />
second.<br />
Les conséquences des inégalités<br />
de formation<br />
Près de trois citoyens sur quatre jugent<br />
équitable que les gens mieux formés aient<br />
de meilleures conditions de vie sociales,<br />
pécuniaires et culturelles, donc qu’ils<br />
soient en général mieux payés. D’ailleurs,<br />
dans les grilles d’évaluation des fonctions<br />
et des postes de travail, le niveau de formation<br />
requis est un critère important<br />
pour déterminer le salaire. Mais deux citoyens<br />
sur cinq seulement jugent équitable<br />
que les mieux formés aient aussi le<br />
plus de chances de continuer à se former<br />
tout au long de leur vie.<br />
Conclusion<br />
On se met assez facilement d’accord sur<br />
les inégalités si on s’entend à propos de ce<br />
qui importe ou qui fait une différence dans<br />
la vie. C’est généralement le cas dans nos<br />
sociétés au sujet de l’influence, du pouvoir,<br />
de l’argent, du confort, du niveau<br />
d’instruction, etc. Et ces grandeurs s’apprécient<br />
assez facilement en termes de<br />
plus ou moins. Tel est aussi le cas à l’école,<br />
où des performances inégales se traduisent<br />
couramment en récompenses, reconnaissances<br />
et notes inégales et en fin<br />
de compte en diplômes d’inégale valeur<br />
sociale.<br />
L’équité ne peut se mesurer aussi facilement<br />
que l’égalité; c’est une question<br />
d’appréciation et de jugement en référence<br />
à des principes et des critères de justice<br />
à propos desquels les divergences sont<br />
fréquentes. Mais si, dans une société démocratique<br />
fondée sur le principe d’égalité,<br />
des inégalités scolaires sont possibles<br />
à l’école publique, c’est entre autres parce<br />
qu’elles ne sont pas considérées comme<br />
injustes ou du moins sont tolérées par les<br />
élèves, les parents, les enseignants et les<br />
citoyens, dont il importe donc, en princi-<br />
56 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
hutmacher<br />
pe, de connaître les jugements et les sentiments<br />
de justice. La présente contribution<br />
s’intéresse plus particulièrement aux<br />
sentiments de justice des citoyens suisses<br />
en rapport avec les inégalités scolaires.<br />
Elle se fonde sur un sondage certes sommaire,<br />
mais à ma connaissance le premier<br />
du genre en Suisse.<br />
Dans une démocratie, l’école est juste<br />
si et tant que les citoyens considèrent<br />
qu’elle l’est, ou du moins une majorité<br />
d’entre eux. Nos résultats suggèrent que<br />
dans l’état présent des sentiments de justice,<br />
tel est le cas en Suisse. Une majorité<br />
des citoyens considère que l’école est légitime<br />
de produire des inégalités de résultats,<br />
à condition toutefois de ne discriminer<br />
aucun groupe et aucune catégorie sociale,<br />
et d’assurer notamment l’égalité des<br />
chances entre enfants d’origines sociale et<br />
nationale différentes. Qu’à leur tour les inégalités<br />
scolaires entraînent des inégalités<br />
sociales et notamment économiques, est<br />
également considéré comme équitable<br />
par une majorité des citoyens. Sachant<br />
l’impact des revenus sur la vie sociale, culturelle,<br />
familiale, voire même simplement<br />
physique des individus, il n’est par conséquent<br />
pas faux de dire que par le biais de<br />
l’inégalité des niveaux de formation l’école<br />
ne contribue pas seulement à la reproduction<br />
des inégalités, mais à leur légitimité<br />
sociale en même temps. La sociologie<br />
commande de se rendre à ce constat.<br />
Certes, ni la production de l’inégalité de<br />
compétences et de connaissances ni la légitimation<br />
des inégalités sociales ne figurent<br />
parmi les buts explicitement assignés<br />
au système de formation. Mais ensemble<br />
avec l’homogénéisation des critères de<br />
justesse et de justice, elle en est un effet<br />
qui constitue sans aucun doute une de ses<br />
contributions majeures au fonctionnement<br />
relativement pacifique des sociétés<br />
modernes inégalitaires. Ce n’est cependant<br />
pas la moindre des contradictions de<br />
l’institution scolaire que de ne pas atteindre<br />
tous les buts qui lui sont assignés,<br />
mais d’avoir des effets importants du<br />
point de vue du fonctionnement de la société<br />
qui ne figurent pas explicitement parmi<br />
ses buts.<br />
On aura aussi noté au passage que certaines<br />
réformes pédagogiques peuvent ne<br />
pas correspondre au sentiment de justice<br />
dominant, voire le heurter. Ainsi, l’allocation<br />
de ressources supplémentaires aux<br />
élèves qui ont les plus grandes difficultés<br />
n’apparaît acceptable qu’à une minorité<br />
des citoyens et seulement dans l’enseignement<br />
primaire. Il sera sans doute nécessaire<br />
de plaider cette cause davantage<br />
pour qu’elle devienne acceptable pour<br />
une majorité significative des citoyens et<br />
pour le niveau de la scolarité obligatoire<br />
au moins.<br />
Les principes et les sentiments de justice<br />
que nous venons de voir à l’œuvre font<br />
partie d’un héritage institutionnel qui remonte<br />
pour une bonne part à la fin du XIX e<br />
siècle et résulte pour une autre du débat<br />
(inachevé) de politique de l’éducation de<br />
la deuxième moitié du XX e . Cet héritage demande<br />
réexamen et une réinterprétation<br />
qui prenne en compte les défis qu’entraîne<br />
l’émergence de la société de la connaissance<br />
sur fond de mondialisation économique<br />
et culturelle. Dans ce nouveau contexte,<br />
il devient à la fois pertinent et urgent<br />
de débattre aussi de deux autres principes<br />
de justice préconisés par Rawls que je n’ai<br />
pas abordés jusqu’ici.<br />
Le premier de ces principes veut que<br />
les privilèges des plus avantagés soient au<br />
service des plus désavantagés. Il commande<br />
notamment que les plus désavantagés<br />
aient les mêmes chances que les<br />
plus avantagés de bénéficier des services<br />
de qualité produits par les mieux formés,<br />
tels par exemple les médecins, les ingénieurs<br />
ou les chercheurs, … et naturellement<br />
les enseignants. Il soulève à ce titre<br />
sérieusement la question de la loyauté et<br />
de l’engagement de l’école en général, et<br />
des enseignants en particulier, à l’égard<br />
des élèves les plus faibles, notamment<br />
ceux qui sont issus des conditions sociales<br />
les plus désavantagées.<br />
Le deuxième de ces principes commande<br />
que personne ne tombe en dessous<br />
d’un niveau de ressources minimum. En<br />
matière éducative, le niveau minimum de<br />
compétences et de formation nécessaire<br />
pour une vie citoyenne, sociale, familiale<br />
et économique satisfaisante, s’est dramatiquement<br />
élevé au cours du dernier demisiècle.<br />
Pour garantir un minimum d’égalité<br />
des chances à l’entrée dans la vie adulte,<br />
il faut aujourd’hui que tous les jeunes<br />
maîtrisent à la sortie de la scolarité obligatoire<br />
des compétences et une culture de<br />
base leur permettant de poursuivre une<br />
formation et d’acquérir des compétences<br />
professionnelles donnant accès à l’emploi.<br />
Ce principe met directement l’équité en<br />
rapport avec l’efficacité, et représente un<br />
véritable défi pour l’école et ses professionnels.<br />
En effet, dans la mesure où son<br />
adoption pourrait signifier une sorte<br />
d’obligation de résultat minimal pour l’institution,<br />
il représenterait une véritable révolution<br />
institutionnelle. Il ne peut y avoir<br />
d’obligation de résultat pour les enseignants,<br />
on le sait, notamment parce<br />
qu’elle entrerait en conflit avec la liberté<br />
des élèves. Il n’empêche, l’école est au<br />
défi aujourd’hui au nom de l’équité aussi,<br />
de rechercher constamment et de mettre<br />
en œuvre les méthodes d’organisation et<br />
de travail les plus efficaces, y compris et<br />
même surtout pour les plus faibles.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 57
thèses<br />
Thèses pour la journée de conférence du 15 janvier 20<strong>05</strong><br />
«Formation pour toutes et tous – égalité des chances et sélection à l'école et dans la formation professionnelle»<br />
Une plus grande égalité des chances<br />
dans l'intérêt de l'individu et de la<br />
société<br />
Le droit à la formation inclut le droit à une promotion<br />
aussi bonne que possible de tous les enfants<br />
et jeunes, conformément au principe de<br />
l'égalité des chances. Il est dans l'intérêt de la<br />
société de développer le potentiel de tou-te-s.<br />
Des personnes bien instruites et bien formées<br />
sont capables de façonner leur propre vie.<br />
Elles s'intègrent dans la société et contribuent<br />
à son fonctionnement.<br />
La sélection peut empêcher l'égalité des<br />
chances et ce, d'autant plus lorsque le critère<br />
déterminant pour une décision de carrière est<br />
l'origine de la personne et non ses performances.<br />
A l'évidence, le système éducatif actuel<br />
n'offre pas de moyens de promotion efficaces<br />
aux enfants et aux jeunes issus de groupes sociaux<br />
défavorisés.<br />
Du fait de la pénurie de plus en plus marquée<br />
des places d'apprentissage, les jeunes des filières<br />
inférieures – parmi lesquels figurent aussi<br />
surtout des personnes issues de la migration<br />
– passent à travers les mailles du filet. Les coûts<br />
inhérents au chômage des jeunes sont élevés<br />
pour la collectivité.<br />
Écoles intégratives et non sélectives<br />
Le système éducatif de l'avenir s'oppose à des<br />
décisions de sélection imputables à des critères<br />
tels que les facteurs sociaux, linguistiques ou<br />
culturels. Le système éducatif applique les principes<br />
constitutionnels et les droits humains et<br />
garantit la dignité de l'individu.<br />
Une école obligatoire intégrative et non<br />
sélective permet à chaque individu de notre<br />
société hétérogène d'exploiter au mieux son<br />
potentiel d'apprentissage. A l'avenir, le système<br />
éducatif public devrait miser sur l'égalité et sur<br />
l'intégration et promouvoir des groupes d'apprentissage<br />
hétérogènes dans le cadre de l'enseignement<br />
général.<br />
Au lieu de prévoir des classes spéciales, l'on<br />
mettra en oeuvre une promotion basée sur la<br />
pédagogie spécialisée intégrative. Et au lieu de<br />
prévoir des filières sélectives basées sur les performances,<br />
l'on aménagera le degré secondaire<br />
I de manière intégrative et perméable.<br />
Chaque école devrait fixer comme critères<br />
de qualités l'égalité des chances ainsi que la formation<br />
pour toutes et tous (pour les migrant-e-s,<br />
les familles n'ayant pas un haut niveau de<br />
formation et pour les groupes défavorisés sur<br />
d'autres plans). Elle doit également contrôler<br />
régulièrement l'application de ces critères et développer<br />
un plan d'action pour améliorer la situation.<br />
Chaque école devrait se fixer comme<br />
but l'amélioration du succès scolaire des groupes<br />
défavorisés sur le plan scolaire.<br />
Soutien contre la discrimination<br />
Les personnes discriminées ont besoin d'un<br />
soutien de la part du système éducatif afin de<br />
pouvoir accroître l'égalité des chances.<br />
Les jeunes qui subissent ou soupçonnent de<br />
la discrimination ont besoin d'un lieu de contact<br />
qui puisse les conseiller et les soutenir.<br />
Les parents issus d'un milieu n'ayant pas un<br />
haut niveau de formation doivent être soutenus<br />
afin de pouvoir assumer leur participation lorsqu'il<br />
s'agit d'aborder des questions scolaires<br />
concernant leurs enfants. Pour ce faire, ils doivent<br />
connaître le système éducatif et savoir où<br />
trouver conseils et soutien.<br />
Les voies de recours concernant les décisions<br />
de sélection doivent être aménagées de façon<br />
à permettre la transparence et la perméabilité.<br />
Lors de la recherche d'une place d'apprentissage,<br />
les jeunes sont discriminés en raison de<br />
leur origine ou de leur nom. Ils/elles ont besoin<br />
d'un soutien continu tout au long du processus<br />
de choix d'une profession.<br />
Promotion efficace de l'apprentissage<br />
Dans des groupes d'apprentissage hétérogènes,<br />
des personnes différentes les unes des autres se<br />
rencontrent. Les différences concernent leur<br />
sexe, leur âge, leurs origines sociale, linguistique<br />
et culturelle. La diversité d'expériences et<br />
d'idées qui caractérise ce cadre engendre une<br />
synergie de compétences stimulante pour le<br />
processus d'apprentissage.<br />
Afin que la promotion de l'apprentissage<br />
pour les personnes défavorisées soit efficace,<br />
elle doit intervenir très tôt. C'est pourquoi les<br />
structures d'accueil extra-familiales doivent<br />
être intégrées dans le mandat politique en matière<br />
de formation.<br />
Les enfants élevés dans un contexte bilingue<br />
doivent aussi pouvoir développer leur langue<br />
première dans le cadre des écoles suisses, car<br />
cela favorise leur succès scolaire.<br />
Les élèves vont mieux apprendre ce qui leur<br />
est enseigné si les contenus des cours établissent<br />
un lien avec leur monde vécu et ses réalités<br />
sociales et si, en vertu du principe de la participation<br />
des élèves, ces derniers peuvent participer<br />
à l'élaboration de la vie scolaire et donc<br />
être coresponsables de ce processus.<br />
La promotion individuelle dans le cadre de<br />
classes à effectif restreint ainsi que les mesures<br />
d'appui et de soutien nécessaires exigent des<br />
ressources supplémentaires.<br />
La société ainsi que le personnel enseignant<br />
devraient montrer aux jeunes personnes que<br />
l'on a confiance en elles et que les attentes à leur<br />
égard sont très élevées, mais qu'elles pourront<br />
y répondre grâce au soutien qui leur est accordé.<br />
L'évaluation de l'apprentissage devrait servir<br />
en premier lieu à promouvoir le mieux possible<br />
les apprenant-e-s et les aider à développer leur<br />
potentiel. Si l'école prend des décisions de carrière,<br />
les performances dans les branches enseignées<br />
ne doivent pas être le seul critère déterminant.<br />
Les compétences personnelles et sociales<br />
comme l'indépendance, le comportement<br />
social et la capacité à fonctionner en équipe<br />
doivent également être prises en considération.<br />
L'apprentissage dans un contexte où les<br />
groupes d'âges sont mélangés répond mieux à<br />
l'hétérogénéité des classes actuelles et rend<br />
possible un système scolaire moins sélectif.<br />
Le droit à la formation doit être étendu<br />
à la formation post-obligatoire<br />
Une fois la scolarité obligatoire terminée,<br />
chaque jeune personne devrait, en fonction de<br />
ses intérêts et de ses possibilités, pouvoir continuer<br />
à se former pendant au moins trois années<br />
supplémentaires dans une école de formation<br />
post-obligatoire ou dans le cadre d'une formation<br />
professionnelle et obtenir un diplôme reconnu<br />
du degré secondaire II. A long terme, il<br />
convient d'inscrire ce droit dans la Constitution<br />
suisse.<br />
Les jeunes issus de familles immigrées et caractérisées<br />
par un accès difficile à la formation<br />
doivent être encouragés de manière ciblée à<br />
s'inscrire dans une école du degré diplôme. Si<br />
cela s'avère nécessaire, des mesures de soutien<br />
et de coaching peuvent les aider à acquérir dans<br />
ces écoles le comportement et les techniques<br />
d'apprentissage requises.<br />
L'État et l'économie devraient veiller à ce<br />
qu'il y ait un nombre suffisant de places d'apprentissage,<br />
de places dans les écoles et de<br />
places de formation pour toutes les personnes<br />
ayant terminé leur formation scolaire. En ce qui<br />
concerne les besoins, il s'agit surtout aussi de<br />
créer de nouvelles places de formation dans les<br />
domaines professionnels porteurs d'avenir<br />
(services, médias, culture, santé, secteur social…)<br />
ainsi que des places d'apprentissage<br />
pour des jeunes issus des filières inférieures.<br />
Des offres de formation transitoire peuvent<br />
jouer un rôle important, par exemple pour aider<br />
de nouveaux immigrés à apprendre la langue locale.<br />
Ces offres de formation transitoire ne doivent<br />
cependant pas être utilisées abusivement<br />
comme une solution de remplacement pour pallier<br />
le manque de places de formation qualifiante.<br />
Les ressources nécessaires au niveau du<br />
personnel et des finances doivent être mises<br />
à disposition pour toutes les mesures<br />
qui favorisent l'égalité des chances et<br />
l'intégration.<br />
(Traduction: Patrick Vogt)<br />
58 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
Ecole sans exclusion<br />
Possibilités et modèles<br />
d'une école intégrative<br />
A l'exemple d'une campagne de l'Alliance verte et sociale Berne<br />
Atelier 1<br />
animé par Corinne Schärer, secrétaire syndicale du ssp,<br />
députée Alliance verte et sociale au Grand Conseil bernois<br />
traduction: Pierre Voit<br />
En 2010, l'article en matière d'intégration stipulé<br />
dans la Loi sur l'école obligatoire (LEO) devra être<br />
appliqué au Canton de Berne. L'article 17 de cette<br />
loi – elle a d'ailleurs été révisée – demande que tous<br />
les enfants puissent bénéficier en règle générale de l'enseignement<br />
scolaire dans des classes régulières, même ceux nécessitant<br />
de mesures particulières.<br />
Or, la discussion sur l'intégration en lieu et place d'une discrimination<br />
ne se limite pas seulement au Canton de Berne, elle est<br />
aussi menée au niveau national, voire à l'échelle européenne. L'Alliance<br />
verte et sociale de Berne participe également à cette discussion.<br />
En effet, cela fait des années qu'elle s'engage en faveur<br />
d'une politique éducative à long terme encourageant les dons et<br />
capacités de chaque enfant et offrant à chacun, indépendamment<br />
de l'origine, les mêmes possibilités de développement. Malheureusement,<br />
nous sommes encore très éloignés de ce but à l'heure<br />
actuelle. Les enfants issus de milieux défavorisés, de langue<br />
étrangère de même que les élèves présentant des handicaps sont<br />
souvent discriminés, insuffisamment encouragés, voire stigmatisés.<br />
Une situation que l'Alliance verte et sociale veut changer; au<br />
moyen d'une campagne, elle informe sur les chances et les conditions-cadres<br />
d'écoles intégratives et encourage les personnes impliquées<br />
à réfléchir plus avant et à s'engager en faveur d'améliorations.<br />
Evolution inquiétante<br />
Les chiffres ci-dessous montrent que des améliorations sont<br />
nécessaires:<br />
Le nombre des petites classes a augmenté dans le Canton de<br />
Berne ces dernières années.<br />
Alors que la part des enfants «exclus» présentant des handicaps<br />
physiques et psychiques reste environ la même (aucune<br />
amélioration), c'est avant tout la mise à l'écart d'élèves étrangers<br />
qui croît. En effet, au niveau de la Suisse, la part d'enfants<br />
étrangers scolarisés dans des classes séparées a pratiquement<br />
doublé. En 1980 et 81, un élève sur quinze en provenance d'un<br />
pays étranger a reçu un enseignement dans une classe ou école<br />
spéciale. Et en 1997 et 98, c'était encore le cas pour chaque<br />
neuvième enfant étranger.<br />
En Suisse, la part des élèves présentant de faibles compétences<br />
en lecture se situe au-dessus de la moyenne. En Suisse,<br />
Allemagne et Belgique, ces compétences dépendent le plus fortement<br />
du statut professionnel des parents (cf. étude de PISA).<br />
Dans les cantons de Berne et Saint-Gall, 61 % des élèves de<br />
l'école secondaire sont tout aussi compétents en lecture et mathématiques<br />
que leurs collègues fréquentant le gymnase. Dans<br />
le Canton de Berne, presque 30 % des élèves issus des classes<br />
à exigences élémentaires ne diffèrent pas des élèves du gymnase<br />
sur la base de leurs compétences mathématiques. Le problème<br />
de la mauvaise sélection prend de l'ampleur (évaluation<br />
PISA au niveau cantonal).<br />
L'intégration: une ancienne tâche de l'école qui<br />
prend une nouvelle signification<br />
Au niveau rhétorique, l'idée d'une école intégrative, c'est-à-dire<br />
«sans exclusion» s'est répandue à une large échelle. Le personnel<br />
enseignant, la Direction de l'Instruction publique de même que la<br />
recherche en matière de formation préconisent en principe une<br />
école qui intègre le plus grand nombre possible d'élèves au lieu<br />
de les discriminer, des établissements scolaires sélectionnant<br />
moins et encourageant davantage. D'une part, ce discernement<br />
se base sur les résultats de nombreux projets pilote qui font ressortir<br />
qu'une école intégrative a tendance à exclure moins de<br />
jeunes qui n'ont «pas réussi à suivre» et qui de ce fait deviennent<br />
une charge pour la société. D'autre part, les résultats de l'étude<br />
PISA montrent que les établissements scolaires de type discriminatoire<br />
«produisent» tendanciellement des élèves plus faibles en<br />
fin de scolarité que les écoles intégratives.<br />
Les enseignantes et enseignants se trouvent dès lors devant<br />
un dilemme: si, du point de vue pédagogique, une école sans exclusion<br />
fait figure de modèle, la pratique est tout autre; en effet,<br />
l'école actuelle représente déjà une grande charge pour le personnel<br />
enseignant, avant tout dans les agglomérations et les régions<br />
citadines hétérogènes. Une école à caractère intégratif mais<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 59
ateliers<br />
manquant de ressources suffisantes augmente de surcroît la pénibilité,<br />
les classes hétérogènes sollicitant, de par la nature des<br />
choses, davantage les enseignant-e-s.<br />
Une école sans discrimination a besoin de<br />
ressources adéquates<br />
Du point de vue social, il ne s'agit pas de jeter le bébé avec l'eau<br />
du bain! En effet, réaliser une école où la discrimination fait défaut,<br />
sans mettre à disposition les ressources adéquates pour l'enseignement<br />
en duo pédagogique, la supervision, le «coaching», le<br />
soutien pédagogique, etc. mène à un résultat diamétralement opposé<br />
à celui que l'on aurait atteint avec des ressources suffisantes:<br />
un allègement des frais consécutifs découlant de la «prise<br />
en charge extrascolaire» de jeunes à la dérive, qui sont incapables<br />
de prendre leur vie en main.<br />
Si le Canton de Berne a vraiment la volonté de prendre au<br />
sérieux l'application de l'article concernant l'intégration scolaire,<br />
il doit, à cet effet, mettre en place une procédure méticuleuse auprès<br />
du personnel enseignant. Cette procédure engloberait de<br />
multiples étapes telles que formation, perfectionnement, motivation<br />
par le biais d'exemples concrets de réussite et d'échec,<br />
étude des concepts sous-jacents et finalement dépenses supplémentaires<br />
en matière de pédagogie. Il y a aussi lieu de savoir que<br />
les classes hétérogènes, qui découlent naturellement d'écoles ne<br />
connaissant pas la discrimination, nécessitent des ressources et<br />
structures appropriées, notamment le team-teaching, l'enseignement<br />
supplémentaire et d'appoint, le soutien pédagogique, etc.<br />
Intervention nécessaire au niveau politique<br />
Si, au niveau de la «réalité politique», les ressources étaient insuffisantes,<br />
les étapes en direction d'une école intégrative ne devraient<br />
pas purement et simplement être refusées. Il s'agit bien<br />
plus, au vu de la nécessité d'une «école sans exclusion», de se<br />
procurer les moyens nécessaires en réunissant toutes les forces.<br />
Et avec une partie seulement des instruments disponibles, il est<br />
déjà possible de réaliser certaines choses. A cet effet, l'Alliance<br />
verte et sociale a créé un site (en allemand) sous l'adresse<br />
www.integrative-schule.ch. Ce site, qui a pour objectif de présenter<br />
les possibilités et les modèles d'une école de type intégratif,<br />
contient:<br />
des modèles performants et suggestions quant à l'application<br />
déjà en cours de modèles d'intégration scolaire;<br />
des propositions en vue de décisions politiques, qui peuvent<br />
nous amener plus loin sur le chemin de l'intégration scolaire;<br />
une liste contenant des liens pour d'autres modèles et des suggestions<br />
pédagogiques en la matière.<br />
Systèmes scolaires hétérogènes<br />
au degré secondaire I<br />
Présentés à la lumière d’exemples concrets empruntés aux trois régions linguistiques<br />
Atelier 2<br />
Le Grand Conseil tessinois a décidé il y a trente ans de mettre en<br />
place la «scuola media», un modèle destiné à accueillir sous le<br />
même toit tous les élèves de 11 à 15 ans ; auparavant, les enfants<br />
se voyaient contraints de choisir à onze ans entre la voie qui les<br />
conduirait vers des études supérieures et celle qui déboucherait<br />
sur un apprentissage.<br />
La réforme a consisté à introduire un bloc de quatre ans subdivisé<br />
en deux cycles de deux ans. Le premier cycle dit «d’observation»<br />
se caractérisait par un enseignement commun dans des<br />
classes hétérogènes, tandis que le second, dit «d’orientation»<br />
comprenait un enseignement partiellement ou entièrement différencié<br />
(à niveaux).<br />
Au cours des trente années écoulées, ce système a connu pluavec<br />
André Allisson, chef de projet, Département de l’instruction<br />
publique du canton de Neuchâtel; Béatrice Barbey, enseignante<br />
au Cycle d’orientation à Genève; Gian-Pietro Milani, vice-directeur<br />
de la scuola media, à Losone; Martin Sahli, directeur de<br />
l’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen à Berne; Regina<br />
Stauffer, présidente de la commission fédérative ssp Formation<br />
Education Sciences (présidence)<br />
résumé: Ruedi Tobler, traduction: Martine Besse<br />
Les informations et les discussions portaient sur différents modèles<br />
scolaires hétérogènes, leur contexte politique ainsi que les<br />
chances qu’ils offraient et les éventuels dangers qu’ils comportaient.<br />
Dans ce rapport, nous laissons de côté le modèle neuchâtelois,<br />
car le canton a gelé le projet de réforme, en partie à cause<br />
de l’opposition des enseignant-e-s.<br />
La scuola media au Tessin – une école qui<br />
accueille tous les élèves du degré secondaire I<br />
60 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
sieurs modifications, notamment dans le deuxième cycle. Ainsi, on<br />
est passé d’une organisation en sections A et B (classes différentes)<br />
à une organisation en niveaux 1 et 2, pour finalement aboutir<br />
à des cours A et B (tous deux partiellement différenciés).<br />
Depuis 1980, il existe un service de soutien pédagogique pour<br />
les élèves qui présentent des difficultés d’apprentissage ou de<br />
comportement ainsi que des cours pratiques visant à favoriser<br />
l’intégration (exigences réduites, remplacement de certaines disciplines<br />
par des activités manuelles afin de faciliter l’insertion des<br />
élèves dans le monde du travail). Parallèlement, des cours de base<br />
d’italien ont été introduits pour les enfants issus d’autres<br />
contextes linguistiques, afin de favoriser leur intégration.<br />
Le cycle d’orientation genevois<br />
Le «cycle d’orientation» genevois comprend les trois dernières années<br />
de l’école obligatoire (7 e à 9 e année). A quelques rares exceptions<br />
près, tous les élèves y entrent. Des mesures particulières<br />
sont mises en place pour les jeunes migrant-e-s, par le biais des<br />
classes d’accueil (<strong>40</strong> % de la population genevoise est d’origine<br />
étrangère).<br />
Sur la base de leurs notes et de tests passés à la fin de la 6 e année<br />
primaire, les élèves sont orientés dans la filière A ou B. En<br />
principe, ces deux filières ne sont pas hiérarchisées. Les objectifs<br />
d’apprentissage y sont les mêmes, bien que les plans d’étude diffèrent.<br />
La grille-horaire est la même, en dépit de certaines branches<br />
à option; seuls les effectifs de classe sont différents: environ<br />
24 élèves en A et 16 en B.<br />
Il est possible de passer d’une filière à l’autre à n’importe quel<br />
moment. A la fin de l’année scolaire, le passage de B à A s’effectue<br />
automatiquement si l’élève obtient une moyenne générale de<br />
4,8; en cours d’année, le passage se fait selon la décision de la<br />
conférence des maîtres. Il est assez facile d’obtenir une moyenne<br />
de 4,8, car toutes les branches ont la même valeur (la note de gymnastique<br />
peut donc compenser la note d’allemand). Mais de<br />
bonnes notes en B ne garantissent pas à l’élève qui passe en A<br />
puisse suivre.<br />
Des moyens supplémentaires accordés aux classes B devraient<br />
permettre de réduire l’écart entre les deux filières. Mais ces<br />
moyens sont insuffisants (par ex. 2 heures hebdomadaires avec<br />
la présence de deux enseignant-e-s). Et les effectifs en hausse<br />
dans les classes de la filière A ne permettent pas aux enseignant-e-s<br />
d’accorder l’attention nécessaire à un élève arrivant de B ou<br />
à un élève qui risque de «tomber» en B.<br />
L’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen,<br />
à Berne, avec un modèle hétérogène pour les<br />
élèves de la 7 e à la 9 e année<br />
L’école du quartier de Stapfenacker/Brünnen accueille des enfants<br />
de l’école enfantine au degré secondaire I. Cet établissement<br />
propose aussi une prise en charge des enfants toute la journée.<br />
Le projet pilote de Bern-Ouest a vu le jour sur la base d’une décision<br />
politique; il devrait prendre fin durant l’année scolaire<br />
20<strong>05</strong>/2006.<br />
Le modèle qui prévoit de maintenir ensemble les élèves, de la<br />
1 ère à la 9 e année, est en place depuis 1988. Tous les élèves fréquentent<br />
la même classe; à partir de la 7 e année, des groupes à niveau<br />
sont constitués en allemand, mathématique et français; les<br />
élèves restent toutefois dans la même classe pour<br />
l’enseignement. Il est possible de changer de niveau<br />
au début de chaque semestre. La décision définitive<br />
est prise par les responsables légaux en<br />
fonction de la proposition des enseignant-e-s et du<br />
vœu de l’enfant.<br />
L’évaluation des prestations se fait sans notes,<br />
de l’école enfantine à la neuvième année. A la fin<br />
de chaque année scolaire, un rapport d’évaluation<br />
détaillé est remis à l’élève, accompagné de son auto-évaluation.<br />
Au terme du premier semestre, un<br />
entretien réunissant les parents, l’élève et l’enseignant-e<br />
doit avoir lieu obligatoirement chaque année.<br />
La transition vers la formation professionnelle<br />
fonctionne bien, grâce à des entretiens qui sont,<br />
pour le maître d’apprentissage, beaucoup plus révélateurs<br />
que les notes.<br />
Un-e enseignant-e spécialisé-e suit chaque classe. Grâce à son<br />
observation, à des entretiens et à une aide ciblée durant l’enseignement<br />
en classe, en groupe ou individuel, l’enseignant-e spécialisé-e<br />
vient en aide aux enfants en difficulté. Si ces mesures<br />
n’apportent pas le résultat escompté, il est possible de transférer<br />
l’enfant dans une classe polyvalente à effectif réduit (pour y<br />
suivre certaines branches ou la totalité des branches). Au terme<br />
d’une période probatoire, la décision du retour dans la classe<br />
d’origine ou du transfert dans la classe à effectif réduit est prise<br />
avec toutes les personnes impliquées. Le retour dans une classe<br />
régulière reste possible, même ultérieurement.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 61
ateliers<br />
Conclusion<br />
La façon dont les trois modèles sont perçus diffère. Concernant<br />
la scuola media, la majorité des enseignant-e-s, des directions, des<br />
spécialistes et des organisations de parents consultés ont une attitude<br />
positive, en particulier en ce qui concerne l’égalité des<br />
chances et la sélection. La scuola media a ouvert le système scolaire<br />
tessinois à toutes les classes sociales et créé des conditions<br />
scolaires identiques pour tous. Le gain essentiel pour les jeunes<br />
issus de couches sociales moins favorisées est le fait de pouvoir<br />
bénéficier d’une formation scolaire plus complète et plus moderne<br />
qu’auparavant.<br />
Comme le ton critique de la présentation le laisse entendre,<br />
l’appréciation du cycle d’orientation est plutôt ambivalente. Le<br />
système est à double tranchant, car il introduit une certaine<br />
– mais pas une vraie – hétérogénéité. En Finlande, le système est<br />
entièrement hétérogène jusqu’à l’âge de seize ans. Les bons élèves<br />
n’en souffrent pas et ceux qui rencontrent des difficultés sont<br />
stimulés par les meilleurs. Dans le système genevois, il n’y a ni<br />
l’un ni l’autre: les deux niveaux sont hétérogènes, mais le niveau<br />
B ne bénéficie pas de l’effet de stimulation des bons élèves. Une<br />
difficulté supplémentaire vient s’ajouter: celle de trouver une<br />
place d’apprentissage (à Genève, moins de dix pour cent des<br />
contrats d’apprentissage sont signés avec des élèves sortant de<br />
la 9 e année).<br />
Le jugement formulé sur le modèle hétérogène de l’école du<br />
quartier de Stapfenacker/Brünnen – qui ne se limite pas aux dernières<br />
années du degré secondaire I – met particulièrement en<br />
évidence les conditions nécessaires à la réussite d’un tel projet.<br />
Il est essentiel que toutes les mesures (différenciation interne,<br />
évaluation, soutien pédagogique spécialisé, formation continue)<br />
bénéficient du soutien de toutes les parties impliquées (élèves,<br />
représentants légaux, conseil des parents et commission scolaire).<br />
Un concept global est en outre indispensable pour la réussite<br />
du projet.<br />
Concernant Genève, on a relevé une condition cadre nécessaire<br />
à toute réforme scolaire, à savoir la difficulté de mettre en<br />
place un système généreux en apparence dans une période de<br />
restrictions budgétaires où prévaut la politique des caisses vides.<br />
Si l’on veut qu’un tel système offre de réelles chances d’émancipation<br />
à tous les élèves, il faudrait que les moyens appropriés<br />
soient mis à disposition. Mais à Genève, le nombre d’élèves a augmenté<br />
de presque 10'000 en dix ans, alors que plus de cent postes<br />
d’enseignant-e-s ont disparu.<br />
L’enseignement dispensé à des<br />
élèves de différentes classes d'âge<br />
– redécouverte d'un type<br />
d'enseignement d'avenir<br />
Cycle élémentaire, classes à plusieurs niveaux et école globale – une réponse à l'hétérogénéité<br />
Atelier 3<br />
animé par Katrin Meier, enseignante d'école primaire<br />
Elisabeth Vogt, enseignante du cycle de base<br />
Peter Zweerus, directeur d'école/enseignant d'école primaire<br />
traduction: Pierre Voit<br />
L'apprentissage chez les élèves de diverses classes<br />
d'âge complète l'hétérogénéité découlant naturellement<br />
de leur formation, de leur langue et de leur culture,<br />
et étaye ainsi l'intégration de tou-te-s.<br />
Il est impossible, en fonction de diverses sélections, de mettre<br />
sur pied une classe homogène, car même dans des classes dont<br />
la tranche d'âge est identique, les enfants en provenance de cultures<br />
diverses et ne disposant pas d'une formation et capacités<br />
intellectuelles uniformes, vivent ensemble dans ces classes pour<br />
apprendre.<br />
La grande différence entre les classes de la même tranche d'âge<br />
et les classes dont les âges sont différents est que dans ces dernières,<br />
l'hétérogénéité est manifeste. A partir du moment où l'on<br />
sera conscient du fait que la vitesse, le volume et la qualité d'apprentissage<br />
varient d'élève en élève, il sera possible d'apprendre<br />
dans un climat détendu, et partant, plus favorable, l'égalité des<br />
chances étant ainsi garanti dans ce type de classes.<br />
62 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
L'apprentissage dans des classes hétérogènes<br />
au niveau de l'âge est la conséquence<br />
logique d'un apprentissage naturel, qui<br />
est introduit par le biais du cycle élémentaire<br />
et qui doit se poursuivre jusqu'à la fin<br />
de la filière scolaire.<br />
Ce type d'apprentissage a d'ailleurs connu<br />
des hauts et des bas ces dernières années.<br />
Après que les classes à plusieurs niveaux<br />
ont été déclarées, en 1920, comme<br />
«forme scolaire optimale», on a voulu à nouveau<br />
les abolir en 1960, dans la mesure du<br />
possible. Ces dernières années, on assiste<br />
toutefois dans tout le pays à la création de<br />
nouvelles classes à plusieurs niveaux, et<br />
ce, non à la suite de mesures d'économies,<br />
mais grâce à l'engagement et à la conviction d'enseignant-e-s. L’introduction<br />
de ce genre de classes se répercute positivement sur<br />
la pédagogie, la méthodologie et la didactique.<br />
Avantages pédagogiques<br />
La situation concurrentielle se détend, on tire profit des différents<br />
savoirs tout en les considérant comme positifs, et les<br />
jeunes apprennent des plus âgé-e-s.<br />
Etant donné que chaque année, une nouvelle volée d'élèves<br />
arrive, voire passe à un degré supérieur, les enfants peuvent<br />
assumer de nouveaux rôles et se construire une nouvelle place<br />
sociale au sein de la classe. En outre, ils apprennent à<br />
connaître ce que signifie se soumettre à un groupe d'enfants,<br />
voire en prendre la direction.<br />
Les élèves qui répètent une année scolaire et les surdoué-e-s<br />
ne sont pas stigmatisés car il n'est pratiquement plus possible<br />
de remarquer le nombre d'années dont un enfant a besoin pour<br />
achever un niveau scolaire.<br />
Les capacités sociales telles que l’égard, la tolérance et la serviabilité<br />
seront vécues, exercées et apprises dans des relations<br />
concrètes et une situation d'apprentissage naturelle.<br />
Il est plus facile d'intégrer les diversités culturelles entre enfants<br />
appartenant à des groupes hétérogènes; les difficultés au<br />
niveau de la discipline et la violence apparente entre enfants<br />
peuvent être fortement réduites.<br />
Les classes à plusieurs niveaux offrent des conditions optimales<br />
à l'intégration d'enfants handicapés et plus faibles.<br />
Avantages méthodiques/didactiques<br />
Les classes à plusieurs niveaux offrent une base idéale pour de<br />
nouvelles méthodes d'apprentissage individuel. En effet, on<br />
peut ainsi, et cela devient même une contrainte, tenir davantage<br />
compte de la vitesse d'apprentissage, étant donné que les<br />
groupes d’une même tranche d'âge sont très petits au sein des<br />
classes.<br />
Tel que demandé par le nouveau plan d'études, les progrès personnels<br />
des élèves doivent se situer au premier plan.<br />
L'attitude face au travail et à l'apprentissage, de même que l'attitude<br />
sociale sont des savoir-être exigés et encouragés, et pouvant<br />
par conséquent aussi être évalués.<br />
L'enseignement dans de telles classes ne peut fonctionner<br />
avec succès que si la collaboration entre enfants est encouragée.<br />
Le personnel enseignant doit rechercher des formes d'enseignement<br />
qui permettent de s'occuper de groupes individuels,<br />
pendant que d'autres groupes font des exercices ou acquièrent<br />
du savoir individuellement ou au sein d'un travail de<br />
groupe. L'on encourage ainsi des compétences dont notre société<br />
a instamment besoin: l'acquisition, le traitement et la sélection<br />
d'informations, ainsi que diverses méthodes de travail<br />
et d'apprentissage.<br />
Etant donné que dans les classes à plusieurs niveaux, une partie<br />
des écolières et écoliers doit – et peut – apprendre en s'organisant<br />
individuellement, les enseignant-e-s doivent, pour<br />
leur part, introduire un enseignement qui soit orienté vers un<br />
objectif: les enfants doivent savoir en vue de quoi ils apprennent.<br />
En formulant clairement les objectifs (p. ex. par le biais<br />
d'un plan d'études hebdomadaire, mensuel ou annuel), les<br />
élèves apprennent à devenir indépendants et à assumer des<br />
responsabilités personnelles.<br />
Et finalement, en présentant ouvertement les objectifs à réaliser,<br />
les parents obtiennent des informations permettant de<br />
mieux soutenir leur-s enfant-s et de collaborer davantage avec<br />
le personnel enseignant.<br />
Les enfants et jeunes en provenance de classes hétérogènes ne<br />
sont pas seulement bien préparés pour la vie active ou d'autres<br />
écoles en ce qui concerne les domaines spécifiques, mais également<br />
pour ce qui est des compétences sociales.<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 63
ateliers<br />
Pour une meilleure promotion du<br />
potentiel pour davantage de jeunes<br />
au degré secondaire II<br />
Thèses concernant cette problématique, notamment par rapport aux enfants de migrant-e-s et pistes pour trouver des<br />
solutions<br />
Atelier 4<br />
avec Daniela Podda, Attial Toptas et Martina Turnes<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
(n'a pas eu lieu faute de participant-e-s)<br />
Voulant savoir de quels potentiels les jeunes d'origine<br />
étrangère disposent du fait de leurs expériences<br />
de migration, nous avons réalisé une enquête<br />
auprès d'élèves, garçons et filles, âgé-e-s de 16<br />
à 19 ans, d'origine étrangère et qui sont en formation à l'école de<br />
commerce KV Reinach. Leurs pays d'origine sont les suivants:<br />
Portugal, Espagne, Italie, Croatie, Monténégro, Albanie et Turquie.<br />
Dans un premier temps, nous avons récolté des données au<br />
moyen d'un questionnaire, puis nous avons mené des discussions<br />
avec des groupes de garçons et de filles séparés. Les résultats de<br />
cette enquête ont permis de formuler les thèses suivantes:<br />
1. Les élèves d'origine étrangère ayant réussi à être admis au degré<br />
secondaire II ont une capacité d'endurance, ont accepté de<br />
faire des détours, ont appris à s'orienter sans l'aide de leurs<br />
parents et ont dépendu au degré primaire et au degré secondaire<br />
I des connaissances et des opinions des enseignant-e-s<br />
concernés.<br />
2. Les élèves d'origine étrangère n'ont pas appris comment réagir<br />
aux mécanismes d'exclusion, à la critique, à l'incompréhension,<br />
aux questions sur leur culture d'origine et à la méconnaissance<br />
de cette dernière. Pour pouvoir réagir, ils/elles devraient<br />
disposer d'un large répertoire de modes de comportement.<br />
3. Les enseignant-e-s manquent assez généralement des connaissances<br />
nécessaires pour savoir comment activer les ressources<br />
dont disposent les jeunes migrant-e-s.<br />
4. Les jeunes migrant-e-s peuvent être encouragés, si les enseignant-e-s<br />
leur font prendre conscience qu'ils ont une capacité<br />
d'endurance, qu'ils peuvent mobiliser leur énergie et qu'ils<br />
sont capables de trouver une aide dans certaines techniques<br />
ou auprès de certaines personnes. Certain-e-s ont développé<br />
une connaissance approfondie des différences de comportement<br />
liées à la culture et ont ainsi réussi à réduire les préjugés;<br />
d'autres utilisent leur capacité à apprendre les langues étrangères.<br />
Ils devraient apprendre à utiliser consciemment ces capacités.<br />
5. Dans les classes – précisément dans celles du degré secondaire<br />
II – il convient de thématiser les différentes perceptions,<br />
attitudes, habitudes et valeurs de personnes provenant de différents<br />
pays d'origine. Par exemple: le respect des parents par<br />
les jeunes, le rôle de la famille (élargie).<br />
Objectifs:<br />
Reconnaître: a) que toutes les personnes sont différentes<br />
les unes des autres et qu'elles ont une personnalité propre;<br />
et b) qu'il ne faut pas considérer que toute chose est soit<br />
bonne, soit mauvaise, mais qu'une chose peut aussi être reconnue<br />
comme étant «différente».<br />
Apprendre à pallier le manque de connaissances et à réduire<br />
les préjugés: éveiller l'intérêt réciproque des uns pour<br />
les autres et poser des questions. Cela donne à l'ensemble<br />
de la classe l'occasion d'apprendre comment réagir lorsqu'on<br />
est «montré du doigt». Les jeunes devraient apprendre<br />
à montrer qui ils/elles sont et nouer des contacts<br />
au lieu de recourir à la force physique – apprendre à utiliser<br />
le langage de la curiosité plutôt que celui de la violence.<br />
6. Les enseignant-e-s doivent faire prendre conscience aux jeunes<br />
qu'une maîtrise correcte de l'allemand, du français ou de l'italien<br />
– selon la région linguistique considérée – est importante<br />
et qu'ils/elles sont capables de l'acquérir. Si nécessaire, les<br />
élèves bénéficieront d'un programme de soutien.<br />
7. Le contact avec les parents est important: les valeurs et les différents<br />
domaines de compétence devraient être thématisés.<br />
Les notions d'indépendance, de compétences personnelles et<br />
de compétences sociales doivent être expliquées aux parents<br />
issus de la migration pour qu'ils puissent comprendre que ces<br />
capacités sont des conditions tout aussi importantes pour les<br />
chances de carrière de leurs enfants que les bonnes notes attribués<br />
pour les performances scolaires.<br />
64 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
ateliers<br />
Nouvelles formes d'évaluation jugées<br />
à l'aune de l'égalité des chances<br />
Nécessité d’exigences (standards) très claires et dont la réalisation est vérifiable.<br />
Atelier 5<br />
Urs Vögeli-Mantovani, Centre suisse de coordination<br />
pour la recherche en éducation, Aarau<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
L'évaluation des acquis et de l'attitude des élèves face<br />
au travail doit accepter la contradiction suivante:<br />
elle sert soit à favoriser l'apprentissage et le développement,<br />
soit à trier les élèves pour les diriger<br />
dans les différentes filières de formation. Elle ne peut servir aux<br />
deux objectifs simultanément. Afin d'atténuer l'effet sélectif et de<br />
renforcer la promotion de l'apprentissage, différentes nouvelles<br />
formes et procédures d'évaluation ont été testées et parfois introduites<br />
au cours des quinze dernières années. L’un des ces outils<br />
est le Portfolio des langues. Il a été présenté dans le cadre de<br />
l'atelier et testé par les participant-e-s quant à sa contribution à<br />
la réalisation de l'égalité des chances.<br />
Thèse<br />
Toutes les nouveautés en matière d'évaluation des élèves sont, en<br />
fin de compte, liées à des procédures et à des instruments qui<br />
peuvent aussi bien renforcer l'aspect de la promotion que l'effet<br />
sélectif. Ce qui est déterminant, c'est l'accent mis sur certains<br />
facteurs tels que la tâche de formation attribuée par la société, la<br />
manière de concevoir l'apprentissage et les performances des<br />
élèves, les normes de référence (ou de mesure) appliquées par<br />
l'évaluation, les conditions structurelles de la carrière scolaire<br />
liées à l'institution école. Si l'on veut renforcer l'aspect de la «promotion»,<br />
ce qui est fondamentalement nécessaire, alors la manière<br />
d'accentuer ces facteurs ne peut être quelconque, elle doit<br />
respecter des normes spécifiques.<br />
Parmi les thèses élaborées en vue de la journée d'étude figure<br />
– sous le titre «Promotion efficace de l'apprentissage» – la thèse<br />
suivante, qui concerne l'atelier:<br />
L'évaluation de l'apprentissage devrait servir en premier lieu à promouvoir<br />
le mieux possible les apprenant-e-s et les aider à développer<br />
leur potentiel. Si l'école prend des décisions de carrière,<br />
les performances dans les branches enseignées ne doivent pas<br />
être le seul critère déterminant. Les compétences personnelles et<br />
sociales comme l'indépendance, le comportement social et la capacité<br />
à fonctionner en équipe doivent également être pris en<br />
considération.<br />
Commentaire<br />
Cette thèse est certainement largement soutenue par les professionnels<br />
de l'école, les politicien-ne-s travaillant sur le dossier de<br />
la formation et les parents. Les enseignant-e-s affirmeront avec<br />
conviction qu'ils/elles appliquent déjà cette thèse. Si elle est mise<br />
en œuvre, c'est parce qu'elle ne fixe pas d'obligations concrètes,<br />
telles que des critères et des standards devant être respectés<br />
impérativement pour sa réalisation. Une exigence (standard)<br />
claire et dont la réalisation est vérifiable est la norme de référence<br />
appliquée par l'évaluation. Conformément à la thèse cidessus,<br />
les seules normes acceptables pour une évaluation seraient<br />
la comparaison d'un acquis ou d'une attitude d'élève face<br />
au travail avec un objectif d'apprentissage concret ou la constatation<br />
d'un progrès individuel. Par contre, le fait de comparer un<br />
acquis ou une attitude face au travail avec les acquis et attitudes<br />
des autres élèves de la classe en question ne serait pas admissible<br />
ou ne remplirait pas les exigences de cette thèse. C'est pourtant<br />
encore la pratique dominante dans l'ensemble du pays. Au<br />
moyen de cet exemple, il est possible de montrer comment l'on<br />
peut créer un cadre contraignant et vérifier si les objectifs ont été<br />
atteints, de manière à ce que l'évaluation des élèves ne crée pas<br />
d'obstacles à la réalisation de l'égalité des chances.<br />
La thèse évoquée ci-dessus n'aborde cependant pas le dilemme<br />
de l'évaluation des élèves («promouvoir ou sélectionner») et<br />
auquel les enseignant-e-s ne peuvent échapper. De ce fait, elle ne<br />
renforce pas de manière efficace la promotion.<br />
Conclusion<br />
Tout comme les autres instruments d'évaluation, le Portfolio des<br />
langues ne peut apporter une contribution à la réalisation de l'égalité<br />
des chances que s'il est utilisé exclusivement pour soutenir<br />
la promotion de l'apprentissage et pour atteindre les objectifs<br />
fixés et non pour sélectionner. En effet, parmi les fonctions de<br />
l'évaluation, celle de la sélection est dominante et éclipse toutes<br />
les autres.<br />
Référence bibliographique<br />
Vögeli-Mantovani Urs, Mehr fördern, weniger auslesen. Zur Entwicklung der schulischen<br />
Beurteilung in der Schweiz. Aarau 1999, 284 S., Fr. 20.--.<br />
En français: Pour une évaluation plus formative et moins sélective. Le développement de<br />
l'évaluation scolaire en Suisse<br />
Version abrégée du rapport de tendance n° 3, Fr 10.–, IRDP, Neuchâtel, 1999, ISBN 288451-001-X<br />
Commande: Centre suisse de coordination pour la recherche en éducation (CSRE),<br />
Entfelderstr. 61, 5000 Aarau, ou par e-mail: urs.voegeli@swissonline.ch<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 65
ateliers<br />
Après l’école, le grand saut dans le vide<br />
(In)égalité des chances et sélection lors de la transition vers l’apprentissage et les écoles du degré secondaire II<br />
Atelier 7<br />
animé par Thomas Meyer, chef de projet de l’étude longitudinale<br />
nationale sur la Transition de l’Ecole à l’Emploi TREE<br />
traduction: TREE et Martine Besse<br />
TREE est la première étude longitudinale nationale<br />
sur la transition des jeunes de l'école à la vie adulte.<br />
Cette étude porte sur les parcours de formation et<br />
et les parcours professionnels des jeunes après<br />
l'école obligatoire. L'échantillon de TREE comprend environ 6000<br />
jeunes qui ont participé à l'enquête PISA (Programme for International<br />
Student Assessment) en 2000 et ont terminé l'école obligatoire<br />
la même année. Cet échantillon est représentatif tant sur<br />
le plan national qu'au niveau des régions linguistiques. Lors de la<br />
première phase de TREE jusqu'en 2003, trois volets d'enquête ont<br />
été menés. Ces volets ont permis d'analyser de manière détaillée<br />
les parcours de formation et les trajectoires professionnelles des<br />
répondants au moment du passage de l'école obligatoire au degré<br />
secondaire II.<br />
Cette première phase porte avant tout sur les conditions, les<br />
caractéristiques du processus et les conséquences de parcours<br />
irréguliers ou critiques, surtout en cas d'abandon prématuré de<br />
la formation (jeunes qui restent sans diplôme de formation postobligatoire).<br />
La deuxième phase de TREE (quatre volets supplémentaires<br />
entre 2004 et 2007) se concentre sur le deuxième pallier de l'enquête,<br />
à savoir le passage d'une formation de niveau secondaire<br />
II (apprentissage, gymnase, école de degré diplôme) à la vie<br />
professionnelle ou à une formation de niveau tertiaire.<br />
Quels chemins mènent à la vie d’adulte <br />
Les résultats sont disponibles pour les trois premiers questionnaires<br />
(état janvier 20<strong>05</strong>). Le graphique en arbre vous montre<br />
pour quelle raison nous avons appelé notre projet TREE, le mot<br />
anglais pour arbre. Le tronc de l’arbre représente selon nos estimations<br />
environ 80'000 jeunes de toute la Suisse, qui ont quitté<br />
l’école obligatoire en été 2000.<br />
A partir de là, les branches de l’arbre sont de plus en plus nombreuses:<br />
en 2001, la moitié des jeunes suivent une formation professionnelle<br />
et un quart environ ont commencé une formation<br />
scolaire de type général. Un autre quart environ fréquentait une<br />
Graphique: TREE<br />
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ateliers<br />
solution transitoire ou n’était pas en formation.<br />
En 2002, soit deux ans après la fin de l’école obligatoire,<br />
d’autres branches ont poussé: environ une personne sur six,<br />
après être passée par une solution transitoire, entre avec un décalage<br />
d’une année dans une formation générale ou professionnelle,<br />
alors qu’à peu près 7 % sont encore à la recherche d’une<br />
formation deux ans après la sortie de l’école obligatoire. Sur la<br />
branche de celles et ceux qui ont directement commencé une formation,<br />
10 % environ ont changé de formation en 2002, quelque<br />
3 % ont abandonné après deux années la formation commencée.<br />
En 2003, soit trois années après la fin de l’école obligatoire, la<br />
couronne de l’arbre est devenue plus touffue. En haut à gauche<br />
de la branche directe, seule une bonne moitié des jeunes y restent<br />
encore.Tous les autres ont fait – ou dû faire – au cours de ces<br />
trois années quelques détours ou écarts: solution transitoire,<br />
changement, interruption ou abandon de formation.<br />
C’est ainsi qu’en trois ans les destins des jeunes gens et jeunes<br />
filles, qui se pressaient ensemble sur les bancs d’école au printemps<br />
2000 encore, ont évolué dans des directions et à des<br />
rythmes tout à fait différents. En été 2003, certains avaient déjà<br />
un CFC ou une maturité en poche, alors que d’autres commençaient<br />
seulement un premier apprentissage ou des études. Dans<br />
l’ensemble, en 2002 comme en 2003, 9 jeunes sur 10 suivaient une<br />
formation professionnelle ou une école de formation générale.<br />
On ne donne qu’à celles et ceux qui ont déjà<br />
Telle, est dans l’ensemble, la règle qui détermine le fonctionnement<br />
du système de formation que nous connaissons. Et cette<br />
tendance s’accentue plus on monte dans la hiérarchie de la formation.<br />
Au moment de passer de l’école obligatoire à la formation<br />
professionnelle ou à des écoles de formation générale du degré<br />
secondaire II, l’origine sociale est un facteur d’influence omniprésent.<br />
Tandis que le quart des jeunes dont la position sociale<br />
est la meilleure occupent la moitié des places dans les écoles<br />
de type gymnasial, on trouve à l’autre extrémité du spectre social<br />
des jeunes qui piétinent pendant des années pour trouver une<br />
place d’apprentissage, bien qu’ils fournissent, d’après PISA, des<br />
prestations tout à fait «concurrentielles».<br />
Dans cette lutte pour trouver des places de formation au degré<br />
secondaire II, les prestations ne jouent souvent qu’un rôle secondaire.<br />
Ce qui est souvent bien plus déterminant – indépendamment<br />
des prestations – c’est le fait d’avoir suivi avant la fin<br />
de la scolarité obligatoire une école du degré secondaire de type<br />
gymnasial ou non. Les élèves qui ont suivi les filières «générales»<br />
sont stigmatisés, peu importe la qualité de leurs prestations. Au<br />
moment de la transition, les inégalités sociales se cumulent, car<br />
les élèves qui fréquentent les filières générales sont plutôt ceux<br />
qui sont socialement les plus démunis – indépendamment des résultats<br />
qu’ils fournissent.<br />
D’autres informations concernant le projet TREE sont disponibles sur le site Internet: www.tree-ch.ch.<br />
Préparation de la profession, offres<br />
passerelles, solutions transitoires<br />
– modèles et revendications<br />
Le droit à la formation doit être étendu à la formation post-obligatoire.<br />
Atelier 8<br />
avec Susanna Rusca, Martin Wolfer, Katrin Wüthrich<br />
Texte: Susanna Rusca<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
Après l'école obligatoire, chaque jeune personne devrait<br />
pouvoir continuer à se former dans une école<br />
subséquente ou dans le cadre d'une formation professionnelle,<br />
en fonction de ses intérêts et de ses<br />
possibilités, pour une durée minimale de trois ans et obtenir ensuite<br />
un certificat de fin d'études du degré secondaire II qui soit<br />
reconnu. A terme, il s'agit d'ancrer ce droit dans la Constitution<br />
suisse.<br />
Certificat de fin d'études du degré secondaire II:<br />
une nécessité absolue<br />
Le «degré secondaire II» s'est transformé en degré de formation<br />
obligatoire pour toute personne en vue d'acquérir une base suffisante<br />
pour la vie professionnelle et la vie privée et s'inscrit ainsi<br />
dans le processus d'apprentissage qui caractérise toute la durée<br />
de vie. Les filières du degré secondaire II ne se différencient<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 67
ateliers<br />
ou pour préparer les jeunes à entrer dans<br />
la vie active. Cependant, les offres de raccordement<br />
ne doivent pas simplement être<br />
utilisées comme solution de remplacement<br />
en raison du manque de filières de formation<br />
qualifiante.<br />
que par rapport aux parties consacrées à la culture générale ainsi<br />
que par rapport aux contenus de l'enseignement et du poids<br />
qui est accordé à chaque contenu.<br />
Aujourd'hui, l'offre de formation du «degré secondaire II» est<br />
trop fortement marquée par l'alternative: «gymnase» ou «formation<br />
professionnelle duale». Il faut une multitude de filières de formation<br />
différentes pour tenir compte des capacités intellectuelles,<br />
des intérêts et des degrés de développement des jeunes<br />
qui varient d'une personne à l'autre.<br />
Il est nécessaire de créer les conditions permettant à tous les<br />
jeunes d'entrer dans le monde du travail avec un bagage de qualifications<br />
acquises au cours d'une formation gratuite dans un<br />
gymnase ou une école professionnelle. Il s'agit d'unir les forces<br />
pour offrir à tous les jeunes de bonnes chances pour leur future<br />
entrée dans la vie professionnelle. Tant le monde politique que<br />
l'économie doivent œuvrer en ce sens.<br />
Importance croissante des offres passerelles<br />
Malheureusement presque la moitié des jeunes d'origine étrangère<br />
et plus d'un cinquième des jeunes suisses sont toujours privés<br />
de ce type de formation. Pour les jeunes à faibles performances<br />
scolaires, l'insertion dans le monde du travail devient de<br />
plus en plus difficile. Près de 7 % des jeunes ne trouvent pas de<br />
possibilité de formation subséquente après la scolarité obligatoire<br />
(ce chiffre est encore plus élevé pour les jeunes femmes et<br />
les jeunes allophones).<br />
C'est surtout la prolongation de la précarité des places d'apprentissage<br />
qui a mis en évidence l'importance croissante des<br />
offres passerelles. Car, pour grand nombre de jeunes, le passage<br />
sans interruption de l'école obligatoire à une formation n'est pas<br />
possible. Souvent, les jeunes doivent consacrer une année à faire<br />
autre chose, parce qu'ils ne trouvent pas de place de formation<br />
adaptée à leur situation après l'école. Dans ce contexte, les offres<br />
passerelles jouent un rôle important, par exemple pour permettre<br />
à des jeunes récemment immigrés d'apprendre la langue locale<br />
Nécessité de standards pour<br />
l'efficacité des offres passerelles<br />
La nouvelle loi sur la formation professionnelle<br />
(nLFPr) règle les offres passerelles<br />
et oblige les cantons à prendre des<br />
mesures de préparation à la formation professionnelle<br />
initiale. Les cantons sont invités<br />
à pratiquer une politique de la formation<br />
active et innovatrice. Les multiples<br />
offres passerelles facilitent l'accès des jeunes à des solutions de<br />
raccordement. Bien souvent, ces solutions ne reposent pas sur<br />
un concept systématique, ce qui les rend peu efficaces. Les différentes<br />
offres de raccordement doivent être coordonnées. Il<br />
convient également d'évaluer les offres passerelles existantes<br />
quant à leur qualité et leur efficacité. Au premier plan de ce processus<br />
figurent la standardisation des offres passerelles, la création<br />
d'une base légale dans tous les cantons ainsi qu'un financement<br />
uniforme. Il faut faire avancer la collaboration entres les autorités<br />
responsables de la formation professionnelle et celles responsables<br />
du marché de travail en ce qui concerne le financement<br />
et les contenus des ces offres. L'accès à la formation professionnelle<br />
et donc également à des filières de formation supérieure du<br />
degré tertiaire doit être amélioré.<br />
Une collaboration active entre le secteur économique et l'Etat<br />
est indispensable. Par une coopération étroite entre les associations<br />
économiques, les institutions de formation et les écoles professionnelles,<br />
il est possible de développer à temps des projets<br />
de formation adaptés aux changements structurels. Il est nécessaire<br />
de disposer d'une diversité et d'une offre suffisante de<br />
places de formation pour tou-te-s.<br />
Dans ce contexte, l'Etat et le monde économique doivent<br />
veiller à mettre à disposition un nombre suffisant de places d'apprentissage,<br />
de places dans les écoles ainsi que de places de formation<br />
professionnelle pour tou-te-s les élèves ayant terminé leur<br />
scolarité obligatoire. Des mesures politiques sont nécessaires.<br />
Le dossier de la Commission fédérative formation, éducation et recherche du ssp «Formation<br />
au niveau secondaire II: Un droit pour toutes et tous! – Perspectives pour une réforme<br />
du degré secondaire II» peut être obtenu auprès du ssp ou est à trouver sur le site<br />
www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch (sous «Material») en format PDF.<br />
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ateliers<br />
Comment l'école peut-elle favoriser<br />
une attitude impartiale (fairness)<br />
à l'égard des migrant-e-s<br />
Présentation de programmes du National Coalition Building Institute (NCBI)<br />
Atelier 9 et 10<br />
avec Ron Halbright, Rahel El-Maawi, Canan Salda<br />
traduction: Patrick Vogt<br />
Cet atelier a abordé une partie du cours «fairness»<br />
(impartialité) consacrée à la manière de gérer la<br />
frustration et la déception. Une jeune femme a présenté<br />
le projet partiel «doCH möglich – junge Vorbilder<br />
motivieren Schulklassen» (durchkommen ohne<br />
CH-er Herkunft ist möglich) [trad.: «C'est quand<br />
même possible – des jeunes, servant de modèles,<br />
motivent des classes d'école» (réussir sans être<br />
d'origine suisse est possible)]. Cette présentation a<br />
été suivie d'une discussion sur les possibilités d'une<br />
école adoptant une attitude impartiale («fairness»).<br />
Chaque école doit fixer comme critères de qualité l'égalité des<br />
chances et la formation pour tout-e-s – y compris pour les migran-t-e-s<br />
– et contrôler régulièrement le respect de ces critères.<br />
Elle doit également développer un plan d'action pour améliorer la<br />
situation sur ce plan.<br />
L'école secondaire, c'est pour les Suisses et de nombreux Italiens.<br />
La «Realschule» (école du 1 er cycle de l'enseignement secondaire),<br />
c'est pour les Italiens, les Espagnols, quelques Suisses qui<br />
sont mauvais à l'école et pour quelques Yougoslaves gentils. La<br />
«Oberschule» (école primaire supérieure), c'est pour les Yougoslaves<br />
moins gentils. (Des jeunes d'origine<br />
étrangère.)<br />
Ou:<br />
Ceux dont le nom finit par «ic» ont moins<br />
de chances que les autres. Dans ces cas, je<br />
dois parler personnellement au maître d'apprentissage<br />
et lui dire que celui-là, il n'est<br />
pas comme les autres. (Un enseignant.)<br />
Voilà les paroles que nous entendons<br />
lorsque nous discutons avec des jeunes migrant-e-s<br />
ou avec des enseignant-e-s. Le<br />
projet «NCBI-Fairness» tente de soutenir<br />
les jeunes étrangers au moyen de plusieurs<br />
projets partiels. Il a lancé une campagne<br />
large pour sensibiliser à cette thématique<br />
l'opinion publique et notamment les personnes<br />
concernées, les enseignant-e-s, les orientateurs professionnels,<br />
les autorités scolaires, les maîtres d'apprentissage ainsi<br />
que d'autres personnes de référence pour les jeunes.<br />
L'école et l'apprentissage professionnel sont des institutions<br />
importantes pour l'intégration. Malheureusement, il est apparaît<br />
que les jeunes migrant-e-s s'en sortent moins bien lorsqu'ils passent<br />
par le processus de sélection scolaire et lorsqu'ils recherchent<br />
une place d'apprentissage que les autres jeunes.<br />
NCBI-Fairness a analysé les données pour le canton de Zurich<br />
pour déterminer le taux de succès scolaire des enfants et des<br />
jeunes d'origine étrangère. Les résultats ont ensuite été rendus<br />
publics au moyen d'une grande campagne. C'est un fait reconnu<br />
que les étrangers/-ères ont nettement moins de «succès» à école<br />
et dans la recherche d'une place d'apprentissage que les autres.<br />
En outre, l'analyse des données a montré premièrement, que le<br />
succès des étrangers/-ères varie fortement d'une commune à<br />
l'autre et deuxièmement, que les étrangers/-ères ont moins de<br />
succès dans la recherche d'une place d'apprentissage que des<br />
suisses d'une filière scolaire inférieure à la leur.<br />
Des maîtres/-ses d'apprentissage, enseignant-e-s et animateurs<br />
jeunesse – à savoir des personnes qui s'engagent pour la cause<br />
des jeunes étrangers – émettent différentes critiques, entre<br />
autres, le manque d'engagement et de motivation des jeunes<br />
étrangers/-ères. Elles font également remarquer qu'il existe chez<br />
<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 69
ateliers<br />
ces jeunes une frustration et des attitudes autodestructrices, qui<br />
diminuent leurs chances (p. ex. les absences scolaires, les comportements<br />
pour se faire remarquer, le manque d'efforts lorsqu'il<br />
s'agit de s'orienter professionnellement). D'une part, les jeunes<br />
de certaines nationalités ont une mauvaise réputation à l'école et<br />
sur le marché de l'emploi. D'autre part, ils n'épuisent pas leur potentiel<br />
et abandonnent en raison de leur frustration. Nous savons<br />
que le passage de l'école à une place d'apprentissage implique<br />
qu'il faut accepter de recevoir des dizaines de réponses négatives.<br />
Il s'avère que ce surtout les jeunes dont la marge de manœuvre<br />
est moins grande que celle des autres à cause de leur<br />
contexte biographique (famille, origine, expériences scolaires, relations,<br />
etc.) qui doivent supporter davantage de déceptions et<br />
de rejets.<br />
Le projet abordé dans le présent atelier met l'accent sur la collaboration<br />
avec l'école et sur le soutien des enseignant-e-s, des<br />
enfants et jeunes concernés ainsi que de leurs parents. NCBI-Fairness<br />
a ainsi développé une série de mesures pour les communes<br />
scolaires en vue d'augmenter les chances de succès des jeunes<br />
étrangers/-ères. Dans la convention concernant la «Fairness-Schule»<br />
(école adoptant une attitude impartiale), l'on soulève ensemble<br />
des questions qui seront abordées dans le cadre de la collaboration<br />
au cours des années suivantes.<br />
Une de ces mesures est le projet de tutorat intitulé «Vitamin<br />
M». Il prévoit que des volontaires issus des communes ou du quar-<br />
bulletin de commande<br />
Je commande ex. du numéro spécial «La diversité linguistique dans les<br />
écoles suisses – un potentiel important», octobre 2004 (gratuit)<br />
Je commande ex. du dossier «Formation au niveau secondaire II:<br />
Un droit pour toutes et tous», 2003 (gratuit)<br />
Je commande ex. du dossier «Bon scolaire – remède miracle pour une<br />
meilleure école», 2001 (gratuit)<br />
J’adhère au Syndicat des services publics ssp<br />
Je m’intéresse pour le Syndicat des services publics ssp<br />
Envoyez-moi du matériel d’information<br />
Nom:<br />
Prénom:<br />
Rue:<br />
Lieu (NPA):<br />
Profession:<br />
Tél:<br />
Date:<br />
Signature:<br />
A renvoyer à: ssp/<strong>vpod</strong> Enseignant-e-s, case postale 8279, 8036 Zurich<br />
tier concerné accompagnent des jeunes dans la recherche d'une<br />
place d'apprentissage pendant près de 8 mois.<br />
Une autre mesure consiste à ce que des personnes, dont le parcours<br />
est exemplaire, et qui font partie du projet «doCH möglich»<br />
(réussir sans être d'origine suisse est quand même possible) visitent<br />
les classes. Bon nombre de jeunes étrangers/-ères se fixent<br />
des objectifs trop bas en matière de formation, abandonnent et<br />
ne comprennent ensuite plus ce qui serait «quand même possible»<br />
pour eux/elles. Selon l'enquête réalisée dans le canton de<br />
Zurich, près de <strong>40</strong> % des jeunes issus du sud de l'Europe trouvent<br />
une place d'apprentissage. Leur exemple joue un rôle important<br />
pour leurs compatriotes. Dans le cadre du projet «doCH», ils/elles<br />
ont acquis une certaine expérience en tant qu'animateurs/-trices<br />
d'atelier dans les classes d'école et expliquent comment ils/elles<br />
sont en mesure de donner des conseils à des jeunes de leur âge<br />
et de les motiver à ne pas abandonner.<br />
Dans le cadre de cet atelier, le thème «accepter des déceptions»<br />
a été abordé au moyen de jeux de rôles. Comment réagir face aux<br />
réactions de frustration de personnes concernées La frustration<br />
doit s'extérioriser d'une manière ou d'une autre. Les personnes<br />
de référence se sont entraînées à réagir avec empathie face à ces<br />
sentiments et à aider les jeunes à se relever en puissant dans leurs<br />
forces et leurs ressources propres.<br />
Informations (en allemand) sur NCBI et son projet «Fairness» sous: www.ncbi.ch.<br />
70 <strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong>
Unser Einsatz:<br />
Ein gutes Bildungswesen<br />
für alle<br />
Bildung ist ein Menschenrecht und keine Handelsware.<br />
Das Schul- und Bildungswesen – von der Vorschule bis zu den<br />
Universitäten – ist ein Teil des Service public und muss dies bleiben.<br />
Hohe Qualität im Bildungswesen heisst auch Chancengleichheit,<br />
Integration und möglichst späte Selektion.<br />
Das Recht auf Bildung muss auf die nachobligatorische Bildung ausgedehnt<br />
werden, insbesondere ist das Recht auf einen Abschluss auf der Sekundarstufe<br />
II für jede und jeden zu verwirklichen.<br />
Die öffentliche Schule muss mehrsprachig und interkulturell werden.<br />
Die Schule in der Demokratie muss eine Schule der Demokratie sein, mit<br />
Partizipation aller Beteiligten und demokratischer Kontrolle.<br />
Zu einem guten Bildungswesen gehören unabdingbar faire und sichere<br />
Anstellungsbedingungen für die Lehrkräfte – keine prekären<br />
Anstellungsverhältnisse und kein Leistungslohn.<br />
Um effektiv für diese Ziele einstehen zu können,<br />
braucht der <strong>vpod</strong> Ihre Solidarität und Ihr Engagement!<br />
Werden Sie Mitglied des <strong>vpod</strong>.<br />
Sie engagieren sich damit nicht nur für ein gutes Bildungswesen für alle<br />
und den Service public insgesamt;<br />
Sie erhalten beim <strong>vpod</strong> auch in persönlichen Fragen zu Ihrem Beruf und<br />
Arbeitsplatz kompetente Beratung und notfalls Rechtsschutz<br />
und Sie haben im <strong>vpod</strong> Zugang zu wichtigen, für die Mitglieder<br />
kostenlosen oder vergünstigten Dienstleistungen.<br />
Nous nous engageons<br />
en faveur d'un système<br />
éducatif performant<br />
pour toutes et tous<br />
L’éducation est un droit humain et non une marchandise.<br />
Le système scolaire et éducatif – du préscolaire jusqu'à l'université – est un<br />
service public et doit le rester.<br />
Parmi les caractéristiques d'un système éducatif de haute qualité figurent<br />
aussi l'égalité des chances, l'intégration et une sélection la plus tardive possible.<br />
Le droit à la formation doit être étendu à la formation post-obligatoire;<br />
il s'agit notamment de concrétiser le droit de chacun-e à obtenir un diplôme<br />
reconnu du degré secondaire II.<br />
L’école publique doit devenir multilingue et interculturelle.<br />
Dans un pays démocratique, l’école doit être démocratique, prévoyant une<br />
participation de toutes les personnes concernées ainsi qu'un contrôle<br />
démocratique.<br />
Pour que le système éducatif soit performant, il est indispensable que les<br />
conditions de travail soient sûres et justes et qu'il n'y ait pas d’emplois<br />
précaires et pas de salaires au mérite.<br />
Pour atteindre ces objectifs, le ssp a besoin de votre<br />
solidarité et de votre engagement!<br />
Devenez membre du ssp!<br />
En adhérant au ssp, vous défendrez un système éducatif performant pour<br />
toutes et tous ainsi que le service public.<br />
Vous bénéficierez aussi de conseils compétents pour des questions<br />
personnelles concernant votre profession et votre poste de travail et, si<br />
nécessaire, d'une assistance juridique.<br />
Vous profiterez également de prestations importantes, qui sont gratuites<br />
ou avantageuses pour le membres.<br />
Talon auf Seite 37<br />
bulletin de commande à la page 70<br />
die Gewerkschaft<br />
le syndicat<br />
www.<strong>vpod</strong>-ssp.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-bildung.ch<br />
www.<strong>vpod</strong>-<strong>bildungspolitik</strong>.ch<br />
<strong>vpod</strong> bildung<br />
Postfach 8279<br />
8036 Zürich