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40 vpod bildungspolitik 143-144 /05

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hutmacher<br />

Unterricht erhalten. Entgegen vielen öffentlichen<br />

Beteuerungen kommt in den<br />

aktuellen Schulregeln und der Praxis<br />

dieser Grundsatz sehr häufig zum Zug.<br />

2. Auf dem Grundsatz der Chancengleichheit<br />

baut die republikanische Schule<br />

auf. Dieser Grundsatz wird insbesondere<br />

seit den 1970er Jahren wieder stark<br />

betont, angesichts der sozialen Ungleichheit<br />

nach Geschlecht und Herkunft.<br />

Gemäss diesem Prinzip sollen alle<br />

SchülerInnen die gleichen Chancen<br />

haben, einen guten Unterricht zu erhalten.<br />

Doch kann ungleicher Erfolg unter<br />

diesem Prinizip nur über die Verbesserung<br />

der Bildungsqualität für alle<br />

bekämpft weden, u.a. durch die Erhöhung<br />

der Ressourcen.<br />

3. Die eben genannten Grundsätze gehen<br />

vom Gesichtspunkt der Ressourcen<br />

aus, welche die Schule bietet. Dabei<br />

weiss man aber, wie stark Schulerfolg<br />

von den Ressourcen abhängt, welche<br />

die SchülerInnen selber und von ihrer<br />

Familie her mitbringen: materielle Ressourcen<br />

(Einkommen der Familie, Ausstattung<br />

etc.), kulturelle Ressourcen<br />

(Informationsstand, Nähe resp. Distanz<br />

zur Leitkultur, die in der Schule gepflegt<br />

wird, etc.), und soziale Ressourcen (Beziehungsnetz,<br />

Zugang zu Entscheidungsträgern<br />

und Vertrauenspersonen,<br />

Loyalität, etc.). Vor diesem Hintergrund<br />

versucht sich neulich ein Differenzierungsprinzip<br />

mit positiver Diskriminierung<br />

zu behaupten. Demnach soll<br />

die Schule ihre Bemühungen und Ressourcen<br />

prioritär denjenigen zukommen<br />

lassen, die die schlechtesten Ausgangsbedingungen<br />

haben. SchülerInnen<br />

mit den grössten Schwierigkeiten<br />

müssen also den besten Unterricht erhalten.<br />

Die 1999 befragten SchweizerInnen wurden<br />

aufgefordert, für jede Schulstufe jenen<br />

Grundsatz auszuwählen der ihnen geeignet<br />

schien. Es fällt zuerst auf, dass viele Befragte,<br />

wahrscheinlich aus Überforderung,<br />

diese Frage nicht beantworten konnten.<br />

Eine Erklärung dafür mag darin liegen,<br />

dass sich die Öffentlichkeit seit langem<br />

wohl stark mit der Frage der Leistung der<br />

Schule auseinandersetzt, viel weniger<br />

aber mit jener der Gerechtigkeit.<br />

Bei den Befragten, die die Frage beantwortet<br />

haben, bevorzugt jeder fünfte das<br />

utilitaristische Prinzip für die Primarstufe,<br />

jeder zweite die Chancengleichheit und jeder<br />

dritte die positive Diskriminierung. Die<br />

utilitaristische Option nimmt in den darauf<br />

folgenden Schulstufen rasch zu: jeder<br />

dritte wählt sie für die obligatorische Sekundarstufe<br />

und für die Berufsschule, jeder<br />

zweite für das Gymnasium und die<br />

Hochschulen. Diese Zunahme des utilitaristischen<br />

Prinzips geht hauptsächlich auf<br />

Kosten der positiven Diskriminierung.<br />

Während sie immerhin ein Drittel der Befragten<br />

für die Primarschule angemessen<br />

finden, befürwortet sie nur jeder Sechste<br />

für die Sekundarstufe I und die Berufsbildung,<br />

und gerade noch jeder Zwanzigste<br />

möchte diesen Gerechtigkeitsgrundsatz<br />

auch in den nachobligatorischen Bildungsgängen<br />

angewendet wissen.<br />

Je höher die Schulstufe, desto eher<br />

wird also das utilitaristische Prinzip (der<br />

beste Unterricht für die besten SchülerInnen)<br />

als gerecht angesehen. Letztlich gelten<br />

in der schweizerischen Öffentlichkeit<br />

für die Schule nach der Primarstufe<br />

hauptsächlich zwei Gerechtigkeitsprinzipien:<br />

das utilitaristische und die Chancengleichheit.<br />

Beide sind übrigens mit Ungleichheit<br />

in der Schule kompatibel, zwar<br />

nicht ungleicher Zugang, aber doch ungleiche<br />

Resultate; das erste Prinzip mehr<br />

als das zweite.<br />

Die Folgen von ungleicher<br />

Ausbildung<br />

Laut der Umfrage finden es etwa drei von<br />

vier BürgerInnen gerecht, dass die am besten<br />

Ausgebildeten auch die höchsten Einkommen<br />

haben und folglich die besten sozialen,<br />

finanziellen und kulturellen Lebensbedingungen.<br />

Man weiss ja, dass in<br />

den Bewertungsschemata von Funktionen<br />

und Arbeitsplätzen in Unternehmen und<br />

Verwaltungen die verlangte Ausbildungsstufe<br />

ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung<br />

der Lohnhöhe darstellt.<br />

Dagegen finden es aber nur zwei Bürger-<br />

Innen von fünf gerecht, dass die am besten<br />

Ausgebildeten auch die besten Möglichkeiten<br />

haben, sich über das ganze Leben<br />

weiterzubilden. Hier kommt wahrscheinlich<br />

das Prinzip der Chancengleichheit<br />

wieder zum Zuge.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Über Ungleichheiten wird man ziemlich<br />

schnell einig, wenn man darüber einig ist,<br />

was wichtig ist, was im Leben einen Unterschied<br />

macht. Dem ist in unseren Gesellschaften<br />

generell so, wenn es um Einfluss,<br />

Macht, Geld, Komfort, Bildungsstand<br />

etc. geht. Und solche Grössen messen<br />

sich ja auch relativ leicht auf einer Skala<br />

von mehr oder weniger. Desgleichen<br />

sind wir über ungleiche Leistungen in der<br />

Schule einig, die üblicherweise mit unterschiedlichen<br />

Belohnungen, Anerkennungen<br />

und Noten und schliesslich Diplomen<br />

mit unterschiedlichem gesellschaftlichem<br />

Wert belohnt werden.<br />

Gerechtigkeit hingegen kann nicht so<br />

einfach wie Gleichheit gemessen werden;<br />

es geht um Wertvorstellungen und Meinungen,<br />

um Grundsätze und Kriterien für<br />

Gerechtigkeit – und diese können beträchtlich<br />

varieren. Wenn aber in einer demokratischen,<br />

auf dem Prinzip der Gleichheit<br />

aufbauenden Gesellschaft und in<br />

<strong>vpod</strong> <strong>bildungspolitik</strong> <strong>143</strong>-<strong>144</strong> /<strong>05</strong> 23

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