09.11.2013 Aufrufe

hegels historische ansichten in der philosophie der religion

hegels historische ansichten in der philosophie der religion

hegels historische ansichten in der philosophie der religion

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DIE RELIGIONSPHILOSOFHIE HEGELS<br />

55<br />

hen: man könne nicht auf diese Weise Lebendigkeit und Bewegung erfassen,<br />

und außerdem können wir nicht <strong>in</strong> ihr die Moralität und Vernünftigkeit<br />

erreichen. Alles sei durch Aberglauben verhüllt; Hegel sieht<br />

<strong>in</strong> den Ch<strong>in</strong>esen das abergläubischste Volk <strong>der</strong> Erde.<br />

Dies ist also <strong>der</strong> Succus von Hegels Ideen zu Ch<strong>in</strong>a.<br />

Wie sehen diese Ansichten vom heutigen Standpunkt aus? Sicherlich<br />

ersche<strong>in</strong>t uns Hegels Vorstellung von den ch<strong>in</strong>esischen Sitten und den<br />

Gesellschaftsverhältnissen übertrieben. Hegel begreift nämlich den ch<strong>in</strong>esischen<br />

Staat als e<strong>in</strong>e Großfamilie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die <strong>in</strong>dividuelle Komponente<br />

mit <strong>der</strong> substanziellen verschmutz. Damit kann man erklären, daß<br />

man <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a vom <strong>in</strong>dividuellen überhaupt nicht zu sprechen vermag.<br />

Aus dem Kollektiven wird eigentlich nur <strong>der</strong> Kaiser ausgenommen.<br />

Hegel unterschätzte so die eigentliche soziale Differenzierung <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen<br />

Gesellschaft. Die heutigen Forscher sprechen nämlich <strong>in</strong> ihr<br />

von fünf sozialen Gruppen. Hegel unterschätzte auch die Tatsache, daß<br />

es <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a Handwerker und Händler gegeben hatte, <strong>der</strong>en Existenz von<br />

dem Patriarchalismus bee<strong>in</strong>trächtigt war, und eben <strong>der</strong> Patriarchalismus<br />

machte die Entwicklung des Kapitalismus <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a unmöglich.<br />

In <strong>der</strong> Auffassung von <strong>der</strong> Religion überschätzte Hegel <strong>der</strong>en statliche<br />

Funktion, und dabei g<strong>in</strong>g er viel weiter als die Berichte <strong>der</strong> Missionäre,<br />

aus denen er se<strong>in</strong>e Kenntnisse schöpfte. Die Missionäre hätten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em viel größerem Ausmaß über die Rolle <strong>der</strong> privaten Religionen berichtet<br />

und sahen <strong>in</strong> ihnen e<strong>in</strong>e Ergänzung <strong>der</strong> Staats<strong>religion</strong>en. Aber<br />

an<strong>der</strong>erseits entsprach Hegels Auffassung des Taoismus dem gegenwärtigen<br />

Stand <strong>der</strong> Kenntnisse, beson<strong>der</strong>s dort, wo er <strong>in</strong> ihm die Überreste<br />

<strong>der</strong> Volks<strong>religion</strong> sah.<br />

Begrifflich engemessem gelang es Hegel, den philosophischen Gehalt<br />

<strong>der</strong> Macht des Kaisers und des „tien" herauszupräparieren. Die Macht<br />

des Kaisers könne sich eben durch „tien" objektivieren und ihren subjektiven<br />

Charakter e<strong>in</strong>büßen.<br />

Es ist umstritten, ob Hegel für die höhere Form <strong>der</strong> Religion die <strong>in</strong>dische<br />

^Religion hielt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> dem Buddhismus die größte Rolle zufiel. Hegel sah<br />

im Buddhismus den Fortschritt und zwar nicht nur aus dem Grunde,<br />

daß <strong>in</strong> ihm <strong>der</strong> Mensch die äußere Unmittelbarkeit überschritten hatte.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite war sich Hegel bewußt, daß <strong>der</strong> Buddhismus mit<br />

dem Brahmanismus zu koexistieren gezwungen war, <strong>der</strong> Hegel als Religion<br />

<strong>der</strong> Phantasie ersche<strong>in</strong>t, die alles Reale zersetzt.<br />

Was die Quellenbasis anbelangt, so orientierte sich Hegel vor allem<br />

auf die Reiseberichte des 18. Jh,. aus denen aber die <strong>historische</strong>n Zusammenhänge<br />

nicht immer erkennbar waren. Sonst sollte er beweisen, daß<br />

<strong>der</strong> Buddhismus das Absolute als Substanz verstand, und daß sich nämlich<br />

<strong>in</strong> ihm auf diese Weise die objektive Allgeme<strong>in</strong>heit durchzusetzen<br />

vermochte, und zwar trotz <strong>der</strong> Tatsache, daß sich <strong>der</strong> Buddhismus nicht<br />

von <strong>der</strong> Unmittelbarkeit zu befreien vermochte.<br />

Wie <strong>in</strong> nur wenigen Kapiteln des untersuchten Werkes hat Hegel bei<br />

<strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen Religion philosophische Kategorien ver-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!