Journal August 2001 - gdp-deutschepolizei.de
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LANDES<br />
J OURNAL<br />
JUSTIZ UND POLIZEI<br />
Spannungen zwischen StA und Polizei?<br />
Im Mai <strong>2001</strong> kam es in <strong>de</strong>n Mainzer Zeitungen zu einer veröffentlichten<br />
Debatte zwischen Leiten<strong>de</strong>m Oberstaatsanwalt Klaus<br />
Pu<strong>de</strong>rbach und Polizeipräsi<strong>de</strong>nt Franz Kirchberger, in <strong>de</strong>r die Polizei<br />
die zögerliche Genehmigung zur Veröffentlichung von<br />
Fahndungsfotos kritisierte, während die StA <strong>de</strong>r Polizei zu langsame<br />
Bearbeitung sonstiger Ermittlungsansätze vorwarf. Wir sprachen<br />
mit Sachbearbeitern aus <strong>de</strong>m Präsidium Mainz und machten<br />
dies zur Grundlage eines Interviews mit Herrn Pu<strong>de</strong>rbach:<br />
DP: Sehr geehrter Herr Pu<strong>de</strong>rbach,<br />
es gab in <strong>de</strong>n letzten Wochen<br />
unschöne Debatten in <strong>de</strong>r Mainzer<br />
Presse zum Thema Veröffentlichung<br />
von Fahndungsfotos. Viele Bürger,<br />
aber auch viele unserer Kolleginnen<br />
und Kollegen sind von einer solchen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung, nun, sagen wir<br />
mal, irritiert.<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Ich bedauere <strong>de</strong>n<br />
Vorgang sehr, <strong>de</strong>nn eine solche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
kann die Bevölkerung<br />
in <strong>de</strong>r Tat verunsichern. Ich für<br />
meinen Teil habe aber auf einen öffentlich<br />
erhobenen Vorwurf nur reagiert.<br />
Dazu war ich im Hinblick auf<br />
die Stellung <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit verpflichtet.<br />
Aber zur Sache: Der Grundsatz<br />
<strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit gilt auch bei<br />
Verfahren gegen Unbekannt. Unnötige<br />
Bloßstellungen sind zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Das be<strong>de</strong>utet vor allem, dass<br />
auf <strong>de</strong>r Hand liegen<strong>de</strong> Ermittlungen<br />
ausgeschöpft sein müssen, z.B. die<br />
Auswertung von DNA o<strong>de</strong>r AFIS –<br />
Spuren. Wir müssen zur Kenntnis<br />
nehmen, dass zum 1.1.<strong>2001</strong> die<br />
StPO mit <strong>de</strong>n §§ 131, 131a geän<strong>de</strong>rt<br />
wur<strong>de</strong>. Die Entscheidung für die<br />
Öffentlichkeitsfahndung liegt beim<br />
Richter. Die Staatsanwaltschaft beantragt<br />
die Entscheidung.<br />
Im übrigen habe ich <strong>de</strong>n Verdacht,<br />
dass man auf meine Entscheidung,<br />
zunächst weitere Ermittlungen<br />
durchzuführen, in <strong>de</strong>m erwähnten<br />
Fall nicht gera<strong>de</strong> mit beschleunigter<br />
Bearbeitung reagiert hat – im Gegenteil.<br />
Ich erwarte, dass man auf<br />
Ermittlungsersuchen <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
angemessen reagiert – und<br />
sei es, dass man uns mitteilt, dass<br />
eine angeregte Ermittlung aus <strong>de</strong>m<br />
o<strong>de</strong>r jenem Grund nicht durchgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Die Kommunikation<br />
war in <strong>de</strong>m genannten Fall<br />
sicher verbesserungswürdig.<br />
DP: Die Kollegen argumentieren<br />
aus unserer Sicht zu Recht, dass SIE<br />
die Spezialisten für Fahndungstätigkeiten<br />
seien.<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Unbestritten; wir<br />
prüfen aber pflichtgemäß, ob wir<br />
<strong>de</strong>n Antrag beim Richter vertreten<br />
Leiten<strong>de</strong>r Oberstaatsanwalt Klaus Pu<strong>de</strong>rbach<br />
können. Das ist unsere gesetzlich<br />
zugewiesene Aufgabe – und die nehmen<br />
wir wahr.<br />
DP: Im Falle Sarah sei es zu Kollisionen<br />
gekommen, weil es sich um<br />
eine Gemengelage zwischen Strafverfolgung<br />
und Gefahrenabwehr gehan<strong>de</strong>lt<br />
habe und letzteres bei <strong>de</strong>r<br />
Polizei im Vor<strong>de</strong>rgrund stehe.<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Dass es sich im Fall<br />
Sarah um eine Straftat han<strong>de</strong>lte war<br />
ein<strong>de</strong>utig; ich vermag zu<strong>de</strong>m nicht<br />
zu erkennen, wo es hier zu einer<br />
Kollision zwischen Strafverfolgung<br />
und Gefahrenabwehr gekommen<br />
sein soll.<br />
DP: Deutlicher gesagt: Mancher<br />
Polizist fühlte sich in <strong>de</strong>r Pressearbeit<br />
nicht recht repräsentiert.<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Ich fin<strong>de</strong>, dass Erklärungen<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Presse von<br />
einer Stelle abgegeben wer<strong>de</strong>n sollten<br />
– zumin<strong>de</strong>st sollten sie vernünftig<br />
abgesprochen sein. Im Fall Sarah<br />
hat - gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>s Gewichts <strong>de</strong>r<br />
Gefahrenabwehr - Ihr Kollege Alois<br />
Ochs die Pressekonferenz geleitet<br />
und dabei die gute Arbeit <strong>de</strong>r Polizei<br />
engagiert und überzeugend darstellen<br />
können. Wir waren doch eher<br />
Zuschauer. Lassen Sie mich noch mal<br />
betonen: Wir haben eine gesetzliche<br />
Funktion und die müssen wir auch<br />
wahrnehmen.<br />
DP: Die GdP hat im November<br />
2000 ein Symposium in Ludwigshafen<br />
durchgeführt unter <strong>de</strong>r Überschrift:<br />
„Staatsanwaltschaft und<br />
Polizei – Partner für Innere Sicherheit“.<br />
Wir waren verwun<strong>de</strong>rt, dass<br />
schon <strong>de</strong>r Begriff „Partner“ für Irritationen<br />
sorgte?<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Es gibt<br />
Sensibilitäten, die durch einzelne<br />
Polizeibeamte hervorgerufen wur<strong>de</strong>n<br />
– nicht durch die Gewerkschaft.<br />
Manche sehen die Funktion <strong>de</strong>r<br />
Staatsanwaltschaft nicht so, wie sie<br />
im Gesetz steht. Einige maßen sich<br />
manchmal schon Befugnisse an, die<br />
ihnen nicht o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st so nicht<br />
zustehen, z.B. die Beurteilung von<br />
Rechtsfragen. Ich persönlich habe<br />
mit <strong>de</strong>m Begriff „Partner“ kein Problem,<br />
wenn er <strong>de</strong>nn richtig verstan<strong>de</strong>n<br />
wird und die unterschiedliche<br />
Aufgabenzuweisung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />
richtig interpretiert. Die StA ist nicht<br />
sakrosankt, aber Kritik sollte intern<br />
vorgetragen wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht<br />
sein, dass Polizeibeamte sich z.B.<br />
an einzelne Opfer wen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />
Staatsanwaltschaft kritisieren, weil<br />
sie sich über die Einstellung <strong>de</strong>s Verfahrens<br />
ärgern. Schließlich bereiten<br />
wir die Anklage vor und müssen <strong>de</strong>n<br />
Fall vor Gericht vertreten.<br />
DP: Oft wird die Vielzahl <strong>de</strong>r Einstellungen<br />
kritisiert ...<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Richtig ist, dass ca.<br />
70 % <strong>de</strong>r Verfahren durch die Staatsanwaltschaft<br />
eingestellt wer<strong>de</strong>n, in<br />
einem ganz erheblichen Teil hiervon<br />
jedoch durch eine Einstellung mit<br />
Sanktionscharakter. Der Rest <strong>de</strong>r<br />
Verfahren –also 30 %- kommen vor<br />
Gericht, wobei ein Teil wie<strong>de</strong>rum<br />
per Strafbefehl erledigt wird. Man<br />
macht einen Fehler, wenn man bei<br />
‚Sanktion‘ immer nur auf das Urteil<br />
eines Strafgerichts schielt – auch das<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>r<br />
Staatsanwaltschaft ist eine wichtige<br />
Reaktion <strong>de</strong>s Staates auf ein Fehlverhalten.<br />
Höchstens Ziel <strong>de</strong>r Strafverfolgung<br />
ist nicht allein die Verurteilung<br />
o<strong>de</strong>r die Verwirklichung eines<br />
imaginären Strafverfolgungsanspruches<br />
<strong>de</strong>s Staates. Wichtig ist bei<br />
dafür in Frage kommen<strong>de</strong>n Fällen<br />
vor allem die Herstellung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsfrie<strong>de</strong>ns – ggf. auch neben<br />
einer Strafe. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ermitteln<strong>de</strong><br />
Polizeibeamte kann aufgrund <strong>de</strong>s<br />
engen persönlichen Kontakts mit<br />
Täter und Opfer gute Hinweise darauf<br />
geben, ob die Chance besteht,<br />
dass ein Konflikt durch einen Täter-Opfer-Ausgleich<br />
beseitigt wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
DP: Apropos: Polizeibeamte<br />
mögen meist am TOA nicht teilnehmen.<br />
Droht dann als ‚Strafe‘ die Einstellung<br />
<strong>de</strong>s Verfahrens?<br />
Pu<strong>de</strong>rbach: Nein. Aber nach <strong>de</strong>m<br />
Gesetz kann schon das ‚ernsthafte<br />
Bemühen‘ von Be<strong>de</strong>utung sein.<br />
Im übrigen gab es schon <strong>de</strong>n einen<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Polizeibeamten<br />
<strong>de</strong>r froh war, dass es <strong>de</strong>n TOA gibt,<br />
wenn er nämlich als Beschuldigter<br />
die Möglichkeit für ein Ausgleichsgespräch<br />
erhielt. Ich wür<strong>de</strong> mir wünschen,<br />
wenn Polizeibeamtinnen<br />
o<strong>de</strong>r Polizeibeamte ernsthaft prüfen<br />
wür<strong>de</strong>n, ob für sie nicht doch<br />
ein Gespräch mit <strong>de</strong>m Täter in Frage<br />
kommt. Sie hätten so die einmalige<br />
Chance (!), selbst <strong>de</strong>n Standpunkt<br />
<strong>de</strong>r Polizisten darzustellen und Einsichten<br />
beim Täter zu wecken. Bei<br />
Polizeibeamten, die sich auf <strong>de</strong>n<br />
4 8/<strong>2001</strong> Deutsche Polizei