Hier ist Schwäbisch (3,84 MB) - Gmünder Tagespost
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HIER IST SCHWÄBISCH. Samstag, 14. November 2009 2<br />
„Ich bin ein Bauchmensch“<br />
Ein Käpsele: Angelika Pahling hat Pahling Kabelkonfektion in Ruppertshofen gegründet<br />
„Ich hatte das nicht vor“,<br />
blickt Angelika Pahling auf<br />
die Erfolgsgeschichte ihres<br />
Unternehmens zurück. 1985<br />
fing im Keller alles an. Heute<br />
beliefert sie Auftraggeber<br />
aus der Industrie in ganz<br />
Deutschland. Diese entsenden<br />
die Kabelkonfektionen<br />
aus dem Hause Pahling in die<br />
ganze Welt. „Unsere konfektionierten<br />
Kabel sind in ganz<br />
Europa wie auch in den USA<br />
und beispielsweise in Südafrika<br />
oder China zu finden.“<br />
ANJA JANTSCHIK<br />
Ruppertshofen. Mit drei kleinen<br />
Kindern arbeiten gehen <strong>ist</strong> nicht<br />
einfach. Daher holte sich Angelika<br />
Pahling als damals 27-Jährige einfach<br />
die Arbeit ins Haus. „So konnte<br />
ich mir meine Zeit gut selbst einteilen,<br />
und manche Nacht wurde<br />
bei entsprechenden Aufträgen<br />
durchgearbeitet. Und das Radioprogramm<br />
war echt gut“, schmunzelt<br />
Angelika Pahling. Es sei erwähnt,<br />
dass sie als gelernte Arzthelferin<br />
noch bis zum Jahr 2000 an<br />
drei Tagen in der Woche arbeiten<br />
ging. Die übrige Zeit widmete sie<br />
sich ihren Kindern Tobias, Melanie<br />
und Florian.<br />
Durch die gute Auftragslage, die<br />
sie in den Anfängen als Lohnverarbeiterin<br />
durch schlichte Mundpropaganda<br />
erhielt, stellte sie schon<br />
bald eine weitere Mitarbeiterin<br />
ein. „Schritt für Schritt baute ich<br />
die Firma aus, und schon relativ<br />
schnell versorgte ich bis zu sechs<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
mit Heimarbeit.“<br />
Als immer mehr Aufträge durch<br />
den guten Ruf der Firma eingingen,<br />
war klar, dass die Kapazitäten<br />
im eingerichteten Keller einfach<br />
<strong>Hier</strong> arbeitet die Chefin aktiv mit: Angelika Pahling von der Pahling<br />
Kabelkonfektion GmbH in Ruppertshofen.<br />
(Foto: jan)<br />
nie. Die <strong>ist</strong> zwar gelernte Heilerzieherin,<br />
packt jedoch als 400-Euro-<br />
Kraft auch mit an.<br />
Angelika Pahling liegt es sehr am<br />
Herzen, dass die Mitarbeiter mit<br />
ihr an einem Strang ziehen. „Wir<br />
sind eine Einheit, ein Team“, legt<br />
sie auf die persönliche Note im Betrieb<br />
wert. „Ich bin ein Bauchmensch“,<br />
gesteht sie. Diese Intuition<br />
hat sie soweit gebracht. Bereits<br />
zum zweiten Mal wurde die Pahling<br />
Kabelkonfektion GmbH nach<br />
DIN EN ISO 9001:2000 zertifiziert.<br />
„Man darf nicht stehen bleiben<br />
und muss sich und seinen Betrieb<br />
stetig weiterentwickeln.“<br />
Der Erfolg gibt ihr also Recht.<br />
Was zählt, <strong>ist</strong> der gesunde Mennicht<br />
mehr ausreichen. „Und es<br />
zeigte sich, dass meine mittlerweile<br />
erwachsenen Kinder ebenfalls<br />
im Betrieb einsteigen wollten.“ So<br />
gründete Angelika Pahling 2003<br />
eine Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung und zog 2005 in den Neubau<br />
im Ruppertshofener Gewerbegebiet.<br />
Bundesweite Kunden sorgen<br />
mittlerweile für volle Auftragsbücher,<br />
und die Söhne Tobias und<br />
Florian sind mit eingestiegen. Was<br />
natürlich Angelika Pahling freut,<br />
bringen die beiden das nötige<br />
Fachwissen, als Ingenieur der Mechatronik<br />
und als angehender Ingenieur<br />
der Elektrotechnik, mit.<br />
Dankbar <strong>ist</strong> sie auch Tochter Mela-<br />
schenverstand und Einfühlungsvermögen<br />
im Umgang mit den<br />
Mitarbeitern. Und wer Angelika<br />
Pahling im gemütlichen Büro mit<br />
den vielen Grünpflanzen und Familienbildern<br />
sucht, sucht me<strong>ist</strong><br />
vergeblich. „Ich gehöre in die Produktion“,<br />
deshalb konfektioniert<br />
sie nach wie vor im Team mit.<br />
Übrigens hatte Angelika Pahling<br />
auch schon hohen Politbesuch auf<br />
ihrem Firmengelände: Landrat<br />
Klaus Pavel und EU-Kommissarin<br />
Danuta Hübner nahmen bereits<br />
ihren Betrieb in Augenschein. Pavel<br />
bezeichnete sie als „Unternehmerin<br />
mit Ostalbpower“. Eben ein<br />
echtes „Käpsele“. Er beschrieb die<br />
Firma Pahling bei seinem Besuch<br />
mit der EU-Delegation als „Wirtschaftsstory<br />
im Kleinen, wie sie<br />
beispielhaft für den ländlichen<br />
Raum <strong>ist</strong>“. Allerdings gibt es auch<br />
die private Seite der Angelika Pahling.<br />
Wer jedoch denkt, dass sie in<br />
der wenigen Freizeit gemütlich auf<br />
der Couch sitzt und ein gutes Buch<br />
liest, irrt gewaltig. Denn wenn sie<br />
frei hat, erscheint sie in passender<br />
Arbeitskleidung im Stall. Ihr Lebensgefährte<br />
<strong>ist</strong> Nebenerwerbs-<br />
Landwirt und freut sich am Wochenende<br />
über Unterstützung.<br />
Da schwingt Angelika Pahling in<br />
Rodamsdörfle auch schon mal die<br />
M<strong>ist</strong>gabel – oder fährt im Tiertransporter<br />
mit. „Das <strong>ist</strong> ein ausgezeichneter<br />
Ausgleich zu meiner<br />
sonstigen Tätigkeit“, so Angelika<br />
Pahling. Zumal sie bei der Kabelkonfektionierung<br />
auch oft mit äußerst<br />
filigranen Dingen zu tun hat.<br />
„Im Stall braucht man vollen Körpereinsatz,<br />
nicht nur Fingerspitzengefühl.“<br />
Außerdem <strong>ist</strong> sie sich<br />
sicher, dass sie einmal ganz in der<br />
Landwirtschaft tätig sein will.<br />
„Jetzt <strong>ist</strong> sie neben meinen zwei<br />
Enkeln noch Hobby.“ Also von wegen<br />
Ruhestand …<br />
Dem Schwaben sein Dativ<br />
WILLKOMMEN AUF DER<br />
SICHERSTEN SEITE DIESER ZEITUNG.<br />
<strong>Schwäbisch</strong> für Besserwisser: konsequent dativisch<br />
Wie man was auf <strong>Schwäbisch</strong><br />
sagt, darüber gibt es meterweise<br />
Literatur. Doch warum drücken<br />
die Schwaben sich oft anders<br />
aus als der Rest der Nation? Dr.<br />
Wolf-Henning Petershagen kennt<br />
die Antworten.<br />
Schwaben sehen sich beständig<br />
dem Vorwurf ausgesetzt, sie könnten<br />
keinen Genitiv bilden. Das<br />
stimmt zwar nicht, aber der Dativ<br />
<strong>ist</strong> ihnen in der Tat lieber.<br />
„’S Nachbers Hund hat ‘s Maiers<br />
Katz verschüttelt.“ Dieser Satz enthält<br />
zwei Genitive und bewe<strong>ist</strong>,<br />
dass die Schwaben des Wes-Falles<br />
sehr wohl mächtig sind. Doch zugegebenermaßen<br />
bevorzugen sie<br />
in zunehmendem Maße die Umschreibung<br />
mit dem Dativ (Wem-<br />
Fall), und die lautet em Nachber sei<br />
Hund. Das gibt Anlass zu zwei Fragen:<br />
1. Warum <strong>ist</strong> das so? 2. Ist das<br />
falsch?<br />
Festzustellen <strong>ist</strong> zunächst, dass<br />
fast sämtliche Mundarten seit dem<br />
15. Jahrhundert den Genitiv weitgehend<br />
aufgegeben haben, wie<br />
ten: Bei „mein Hund“ und „dein<br />
Hund“ steht der Besitzer fest.<br />
Nicht aber bei „sein Hund“. Also<br />
muss man nachfragen. Nach wem<br />
muss man fragen? Nach dem Besitzer:<br />
Wem sein Hund <strong>ist</strong> das? Dem<br />
Nachbarn sein Hund.<br />
Warum soll, wie oben behauptet,<br />
diese Dativ-Konstruktion präziser<br />
sein? Das zeigt sich, wenn man<br />
Nachbars Hund und dem Nachbarn<br />
sein Hund dekliniert und das<br />
Ergebnis vergleicht. Nachbars<br />
Hund bleibt im Nominativ, Dativ<br />
und Akkusativ immer gleich: Wer<br />
<strong>ist</strong> das? Nachbars Hund. Wem gehört<br />
der Knochen? Nachbars<br />
Hund. Wen hat Katzenbesitzerin<br />
Maier vergiftet? Nachbars Hund.<br />
Ganz anders hingegen <strong>ist</strong> es im<br />
Fall von dem Nachbarn sein Hund<br />
respektive schwäbisch em Nachber<br />
sei Hund: Des isch em Nachber sei<br />
Hund. Der Knoche g’hört em<br />
Nachber seim Hund. D’ Maiere hat<br />
em Nachber sein Hund vergiftet.<br />
Im Genitiv wird es noch krasser:<br />
Nachbars Hunds Knochen <strong>ist</strong> zwar<br />
theoretisch möglich, aber prakschon<br />
Adolf Bach in seiner „Geschichte<br />
der deutschen Sprache“<br />
feststellt. Der Grund dafür wird<br />
kaum mehr festzustellen sein. Er<br />
könnte eventuell darin liegen, dass<br />
em Nachber sei Hund zwar länger,<br />
aber vielleicht bequemer auszusprechen<br />
<strong>ist</strong> als ‘s Nachbers Hund.<br />
Es <strong>ist</strong> aber auch noch ein ganz anderer<br />
Grund denkbar: erhöhte Präzision<br />
– und damit das genaue Gegenteil<br />
von Schludrigkeit, die den<br />
Schwaben in diesem Fall gerne<br />
vorgeworfen wird.<br />
Doch sei zunächst die Frage gestellt:<br />
Ist die Umschreibung mit<br />
dem Dativ falsch? Antwort: Was<br />
falsch <strong>ist</strong> und was richtig, <strong>ist</strong> eine<br />
Frage der Konvention. In jedem<br />
Falle aber wird man sagen können,<br />
dass die Umschreibung mit dem<br />
sein durchaus plausibel <strong>ist</strong>. Denn<br />
es geht beim Genitiv um Herkunft<br />
und damit auch um Zugehörigkeit.<br />
Das Verbum gehören aber regiert<br />
den Dativ: Wem gehört der Hund?<br />
Dem Nachbarn. Es <strong>ist</strong> sein Hund,<br />
also dem Nachbarn sein Hund.<br />
Man kann es auch anders herlei-<br />
tisch indiskutabel. Deswegen wird<br />
auch der entschiedenste Befürworter<br />
des Genitivs einen doppelten<br />
solchen vermeiden und zum<br />
Dativ greifen: der Knochen von<br />
(wem?) Nachbars Hund.<br />
Der Schwabe hingegen kann sich<br />
entspannt zurücklehnen und konsequent<br />
dativisch formulieren: Em<br />
Nachber seim Hund sei Knoche.<br />
■ Info: Wolf-Henning Petershagen,<br />
geboren 1949, <strong>ist</strong> H<strong>ist</strong>oriker<br />
und promovierter Kulturwissenschaftler.<br />
Er arbeitet<br />
als Redakteur mit Schwerpunkt<br />
Geschichte und Volkskunde<br />
bei der Südwest Presse<br />
in Ulm. Seine Betrachtungen<br />
der <strong>Schwäbisch</strong>en Sprache erscheinen<br />
nicht nur in der Zeitung,<br />
sondern sind auch als<br />
Bücher erhältlich: „<strong>Schwäbisch</strong><br />
für Besserwisser“ (2003),<br />
„<strong>Schwäbisch</strong> für Durchblicker“<br />
(2004) und „<strong>Schwäbisch</strong><br />
für Superschlaue“ (2006) sind<br />
im Theiss Verlag erschienen.<br />
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HIER IST GUT. Samstag, 14. November 2009 3<br />
Des Hochdeutschen mächtig<br />
Ulrich Kienzle, der Mann mit dem markanten Schnurrbart, über die Schwaben<br />
Ein erfolgreicher Werbespot<br />
behauptet von uns Schwaben,<br />
wir könnten alles, außer<br />
Hochdeutsch. Das nun<br />
<strong>ist</strong> zum einen eine typisch<br />
schwäbische Wendung –<br />
nur kein uneingeschränktes<br />
Lob – andererseits eine Werbebotschaft<br />
ohne Wahrheitswert.<br />
Denn es gibt genügend<br />
Württemberger,<br />
die des Hochdeutschen<br />
mächtig sind. Ulrich Kienzle<br />
<strong>ist</strong> einer der bekanntesten<br />
unter ihnen.<br />
Ulrich Kienzle, den Mann mit dem<br />
markanten Schnurrbart, kennt<br />
man aus dem Fernsehen. Er begann<br />
seine journal<strong>ist</strong>ische Karriere<br />
in Stuttgart, leitete die SDR-<br />
Abendschau, war als Korrespondent<br />
in Südafrika und im Nahen<br />
Osten. Kienzle war zehn Jahre<br />
lang, bis 1990, Chefredakteur Fernsehen<br />
bei Radio Bremen und moderierte<br />
mit seinem Partner Bodo<br />
Hauser das ZDF-Magazin „Frontal“.<br />
„Noch Fragen, Kienzle?“ –<br />
Diese Frage machte ihn zur TV-Legende.<br />
Manfred Moll hatte Ulrich<br />
Kienzle vor wenigen Tagen an der<br />
Strippe und stellte ihm seinerseits<br />
ein paar Fragen.<br />
Herr Kienzle, sollte man eigentlich<br />
auch als Schwabe Hochdeutsch<br />
können?<br />
Auf jeden Fall. Man sollte beides<br />
können: Hochdeutsch und <strong>Schwäbisch</strong>,<br />
denn die Sprache <strong>ist</strong> die Heimat<br />
des Menschen. Mehr noch als<br />
der Ort, aus dem wir stammen<br />
oder in dem wir leben, leben wir<br />
im Alltag in unserer Sprache. Denken<br />
Sie doch nur mal an die schönen<br />
schwäbischen Schimpfwörter<br />
. . .<br />
Gutes Stichwort. Tut es Ihnen eigentlich<br />
auch gut, mal auf <strong>Schwäbisch</strong><br />
die „Sau rauszulassen“?<br />
Das schon, ja. Im schwäbischen<br />
Dialekt kann man ja so raffiniert<br />
schimpfen wie in keiner anderen<br />
Sprache. Denken Sie mal an einen<br />
„Seggl“ und an dessen Steigerung,<br />
den „Jesas-Seggl“. Das grenzt ja an<br />
Blasphemie und <strong>ist</strong> gezielte Opposition<br />
gegen den piet<strong>ist</strong>ischen<br />
Mief.<br />
Man muss im <strong>Schwäbisch</strong>en also<br />
genau auf die Zwischentöne hören,<br />
oder?<br />
Ja, und dabei kommt es oft auch<br />
auf die richtige Betonung an.<br />
Wenn ich einen Freund mit den<br />
Worten begrüße: „Wo kommsch<br />
denn Du alds Arschloch her?“, <strong>ist</strong><br />
das liebevoll gemeint. Wenn man<br />
das A-Wort aber anders betont,<br />
wird es zum Schimpfwort.<br />
Jetzt haben wir ja bald, in Person<br />
von Herrn Oettinger, einen Schwaben<br />
in Brüssel. Wird das dem<br />
Schwabentum gut tun?<br />
Na, der wird zuerst mal den Simultandolmetschern<br />
große Schwierigkeiten<br />
bereiten. Erstens spricht er<br />
Wenn ich einen Freund mit den Worten begrüße: „Wo kommsch denn Du alds Arschloch her?“, <strong>ist</strong> das liebevoll<br />
gemeint, sagt Ulrich Kienzle.<br />
schnell, und zweitens <strong>Schwäbisch</strong>.<br />
Aber im Prinzip haben wir heute<br />
zu wenig Schwaben in der hohen<br />
Politik, das war mal ganz anders.<br />
Und was <strong>ist</strong> mit Schäuble oder<br />
Kauder . . .<br />
. . . aber das sind doch Badener!<br />
Und die Schavan <strong>ist</strong> eine Rheinländerin!<br />
– Bis in die 80er-Jahre hinein<br />
hieß es in Bonn: Wer Karriere machen<br />
will, muss <strong>Schwäbisch</strong> lernen,<br />
denn an vielen Schaltstellen<br />
der Macht in der Min<strong>ist</strong>erialbürokratie<br />
saßen Schwaben. Der Helmut<br />
Kohl hat dann nach 1989 die<br />
„Spätzlesrepublik“ abgeschafft,<br />
weil er zurecht befürchtete, die<br />
Schwaben könnten ihm auf Dauer<br />
gefährlich werden. Der Lothar<br />
Späth hat’s ja dann auch nicht bis<br />
ganz vornehin geschafft. Erwin<br />
Teufel hat sich mit Berlin nie angefreundet<br />
und das Thema „Süddeutschland“<br />
allein dem Edmund<br />
Stoiber überlassen. Und heute im<br />
politischen Berlin sind die Schwaben<br />
total unterrepräsentiert.<br />
Mal zur Tagespolitik: Wie beurteilt<br />
ein welterfahrener Schwabe wie Sie<br />
das Dilemma um Opel?<br />
Die Schwaben werden da nicht viel<br />
Mitleid haben, Mercedes geht’s<br />
selber schlecht. In den Vorstandsetagen<br />
der deutschen Autohersteller<br />
wird kaum Traurigkeit herrschen,<br />
eher die Freude, dass ein<br />
Konkurrent Probleme hat. Eine<br />
große Sauerei aber <strong>ist</strong> es, wie mit<br />
den Gefühlen der Opel-Mitarbeiter<br />
umgegangen wird – einen Tag<br />
lang gilt dies, tags darauf <strong>ist</strong> schon<br />
alles wieder anders.<br />
Wäre es zur Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
gekommen, wenn<br />
mehr Schwaben im internationalen<br />
Bankgeschäft arbeiteten?<br />
Wahrscheinlich nicht. Diese Banker,<br />
also ich meine die schlimmen<br />
Banker, dachten nämlich, man<br />
könnte aus Geld neues Geld machen.<br />
Ein Schwabe weiß aber, dass<br />
das nicht geht. Zu Geld kommen<br />
kann man nur mit „Schaffa und<br />
spara“.<br />
Sind Sie selbst eigentlich ein sparsamer<br />
Mensch?<br />
Hm. Kommt drauf an. Ich esse<br />
gern mal gut, aber ich schmeiß’<br />
das Geld nicht zum Fenster ‘raus.<br />
Vor etlichen Jahren habe ich mir,<br />
als in Metzingen so ein „Outlet“ eröffnet<br />
hat, für 99 Mark einen guten<br />
Wintermantel gekauft. Geschmackvoll<br />
und preiswert, das<br />
muss im Schwabenland kein Widerspruch<br />
sein.<br />
Sie waren ja beruflich lange Zeit im<br />
Ausland. Schwaben gibt’s dort<br />
überall, aber gemocht werden sie<br />
nicht so sehr. Warum?<br />
Das hat auch wieder mit unserer<br />
Sprache zu tun, aber nicht so sehr<br />
A g’scheits Büchle<br />
Ulrich Kienzles Betrachtungen zum Spätzles-Kosmos<br />
Jetzt so a Schwoba-Buach. D’r<br />
Kienzle hot’s gschrieba. Des<br />
wär net neetig gwä, abr<br />
luschtig isch’s trotzdem. Und<br />
frech, leck me am Arsch!<br />
Was man hier zu Lande über das<br />
Schwabentum weiß, hat man von<br />
Sebastian Blau oder Thaddäus<br />
Troll gelernt. Ulrich Kienzle, der<br />
Journal<strong>ist</strong>, erweitert die Schwabenschau<br />
mit seinem Buch um<br />
eine entscheidende Perspektive:<br />
die Außensicht. Der bekennende<br />
Schwabe Kienzle war nämlich lange<br />
und intensiv genug in der Welt<br />
unterwegs, um mit freundlich-kritischem<br />
Abstand auf den Spätzle-<br />
Kosmos zwischen Ostalb und Bodensee<br />
blicken zu können.<br />
damit, dass viele sie nur schwer<br />
verstehen können. Der Schwabe<br />
wirkt oft unfreundlich mit dem,<br />
was er sagt, und wie er es sagt.<br />
Können Sie ein konkretes Beispiel<br />
dafür geben?<br />
Da nehme ich mich am besten<br />
selbst. Zu der Zeit, als ich Chefredakteur<br />
bei Radio Bremen war, haben<br />
sich Mitarbeiter darüber beklagt,<br />
ich würde nie ein Lob für sie<br />
finden. – Mit dieser Einschätzung<br />
kam ich nicht zurecht, aber sie<br />
hielten mir vor: „Sie sagen höchstens<br />
einmal, das sei nicht<br />
schlecht.“ Wir Schwaben haben<br />
die negative Eigenschaft, Gutes<br />
und Schönes mit negativen Worten<br />
zu charakterisieren. Oder was<br />
<strong>ist</strong> das, wenn wir auf der Straße „a<br />
saumäßig schöns Mädle“ gesehen<br />
haben?<br />
Manfred Moll<br />
Natürlich befasst sich Kienzle<br />
humorvoll und informativ mit den<br />
sprichwörtlichen Tugenden wie<br />
„Schaffa, spara, Häusle baua“.<br />
Oder mit den klassischen Charakteren.<br />
Der Reiz von Ulrich Kienzles<br />
120-Seiter aber liegt in den bissigen<br />
Betrachtungen zu den Piet<strong>ist</strong>en<br />
(den „schwäbischen Taliban“),<br />
seiner treffenden Analyse des<br />
kraftwortigen Dialekts oder den<br />
Erinnerungen an die „Spätzles-Republik“<br />
zu seligen Bonner Zeiten.<br />
Übersetzungen schwäbischer Originalzitate<br />
erleichtern Nichtschwaben<br />
das Lesen.<br />
Ein g’scheites Büchle für Schwaben<br />
und solche, die es werden wollen<br />
– ob sie nun Badener oder Berliner<br />
sind!<br />
Manfred Moll<br />
<br />
<br />
<br />
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EIN MUSS FÜR ALLE SCHWABEN.<br />
UND FÜR JEDEN, DER SIE VERSTEHEN MÖCHTE.<br />
Ulrich Kienzle begibt sich auf einen h<strong>ist</strong>orischen Exkurs.<br />
»Wer sind wir?«, fragt er sich. »Wo kommen wir her?<br />
Was sind die Wurzeln unserer Macken?« Mit »wir« meint<br />
er sich. Und seine Landsleute, also die Schwaben.<br />
Ein unterhaltsamer Essay. Mit spitzer Feder und augenzwinkernd<br />
geschrieben. Im Alter wird Ulrich Kienzle zum<br />
schwäbischen Tucholsky.<br />
IM BUCHHANDEL:<br />
ULRICH KIENZLE »WO KOMMSCH DENN<br />
DU ALDS ARSCHLOCH HER?«<br />
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A g’scheits Bier<br />
Ein bierseliger Überblick: Brauereitradition im Ostalbkreis<br />
Was gibt es denn Schöneres,<br />
als abends nach Hause zu<br />
kommen und ein Feierabendbier<br />
zu genießen. Dabei hat<br />
der Ostälbler oft die Qual der<br />
Wahl, was das kühle Nass anbelangt,<br />
denn in der Region<br />
gibt es einige Brauereien, die<br />
mit gutem Geschmack Lust<br />
auf mehr machen.<br />
Ostalbkreis. Doch stimmt es<br />
denn auch, dass im Ostalbkreis<br />
Bier lieber getrunken wird als Wein<br />
und es noch immer viele kleine,<br />
traditionelle Brauereien gibt? Um<br />
dies in Erfahrung zu bringen, muss<br />
man die Leute fragen, die davon<br />
am me<strong>ist</strong>en Ahnung haben.<br />
Bier oder Wein? Was <strong>ist</strong> in der<br />
Region gefragter?<br />
„<strong>Hier</strong> wächst eben weniger Wein,<br />
daher trinken die Leute mehr<br />
Bier“, begründet Karl Ladenburger<br />
Senior, Geschäftsführer der Brauerei<br />
Ladenburger, die Lust zum<br />
Bier. In der Brauerei Ladenburger<br />
in Neuler wird in der achten Generation<br />
und seit über 200 Jahren<br />
Bier gebraut. Wichtig sei der<br />
Brauerei der gute Kontakt zur<br />
Kundschaft, so Ladenburger.<br />
In dieselbe Kerbe schlägt auch<br />
Ulrich Kumpf von der Kaiserbrauerei<br />
in Geislingen. „Wir sind<br />
eine Brauerei mit persönlichem<br />
Kontakt zu Land und Leuten, da<br />
die Welt immer anonymer wird, <strong>ist</strong><br />
uns das sehr wichtig“, betont er.<br />
Schon seit fünf Generation wird in<br />
Geislingen am gleichen Standort<br />
unter der Verantwortung der Brauerfamilie<br />
Kumpf Bier gebraut. Ob<br />
nun hier in der Region mehr Bier<br />
als Wein getrunken wird, sei nicht<br />
entscheidend, sondern, dass die<br />
Leute zum regionalen Produkt<br />
greifen,“ sagt Kumpf.<br />
Alexander Veit von der Rotochsen<br />
Brauerei in Ellwangen denkt<br />
auch, wie Kollege Ladenburger,<br />
dass der geringe Weinverbauch in<br />
der Region am spärlichen Anbau<br />
liegt. Er erinnert sich noch an die<br />
Zeit, als jedes Wirtshaus eigenes<br />
Bier gebraut hat. „In unserer Region<br />
gibt es tatsächlich viele Brauereien<br />
mit ausschließlich regionalem<br />
Absatzgebiet“, sagt Veit. Viele<br />
davon seien schon lange Zeit im<br />
Familienbesitz und daher mit viel<br />
Herzblut und Engagement geführt.<br />
Die Marke Rotochsen Bier<br />
gibt es seit 1680. Die Brauerei <strong>ist</strong><br />
seit 1798 im Eigentum der Familie<br />
Veit.<br />
„Wir befinden uns hier in einem<br />
Grenzgebiet“, sagt Thomas Mayer<br />
von der Hirschbrauerei aus Heubach,<br />
die es schon seit dem Jahr<br />
1725 gibt. „Das Remstal <strong>ist</strong> im<br />
Kommen, was den Wein betrifft“,<br />
meint Mayer. Dennoch: „Bier <strong>ist</strong><br />
ein breitgefächertes Getränk und<br />
spricht mehr Bevölkerungsschichten<br />
an“, sagt Mayer und denkt vor<br />
allem an den ganzen süddeutschen<br />
Raum. Doch auch ein paar<br />
negative Schlagzeilen hat er übrig:<br />
„Der Bierverbrauch in Deutschland<br />
sinkt pro Kopf schon seit Jahren.“<br />
In der Wasseralfinger Löwenbrauerei<br />
wird seit dem Jahr 1864<br />
das beliebte goldgelbe Getränk gebraut.<br />
„Der Weinpegel steigt gen<br />
Stuttgart an“, sagt Ralf Löffler von<br />
der Wasseralfinger Brauerei und<br />
findet eine weitere Erklärung, warum<br />
hier mehr Bier getrunken<br />
wird: „Früher war Wein etwas für<br />
die Leute mit gehobenem Standard,<br />
hier in der Gegend gab es<br />
aber überwiegend Arbeiter und<br />
am Stammtisch wird sowieso lieber<br />
Bier getrunken.“<br />
Auch Löffler hat ernüchternde<br />
Worte über den Brauereibetrieb:<br />
„Es <strong>ist</strong> besorgniserregend, dass die<br />
Dichte der kleinen Brauereien abnimmt“,<br />
betont er und erläutert<br />
die Lage: „Es liegt häufig an den<br />
fehlenden Nachfolgern, am<br />
Durchhaltevermögen.“<br />
Schadet der Trend<br />
Biermixgetränk?<br />
Viele große Brauereien haben die<br />
Zeit der Biermixgetränke eingeläutet.<br />
Vor allem Jugendliche greifen<br />
zu solchen Mixgetränken. Müssen<br />
also die kleinen Brauereien um ihr<br />
Bier bangen, oder schätzen die<br />
Leute würzig, goldgelbe Tradition<br />
auch weiterhin?<br />
Kumpf kann kein Trend in Richtung<br />
Kommerz-Bier sehen. Mit einem<br />
bestimmten „Ja“ hebt er hervor,<br />
dass kleine Brauereien auch<br />
weiterhin ihre Geltung haben werden.<br />
„Regional schmeckt einfach<br />
besser“, weiß Kumpf und we<strong>ist</strong> darauf<br />
hin, dass seine Brauerei nur<br />
Rohstoffe aus der Region bezieht<br />
und das Bier noch mit echter<br />
Handarbeit hergestellt wird. „Wir<br />
haben eben g’scheite Rohstoffe<br />
und a g’scheits Bier,“ sprudelt es<br />
aus ihm heraus.<br />
„Für uns heißt das aufpassen und<br />
uns anpassen“, reagiert Thomas<br />
Mayer auf den Trend der Mixgetränke.<br />
Für ihn gibt es zwei Grundsätze,<br />
die für kleine Brauereien<br />
sprechen: „Wir sind von den Kosten<br />
flexibler und wir arbeiten mit<br />
den Leuten direkt aus der Region<br />
zusammen, zum Beispiel mit vielen<br />
Vereinen. Außerdem spreche<br />
man die Genießer an. „Es <strong>ist</strong> nicht<br />
unser Ziel, 16-Jährige anzusprechen,<br />
die unser Bier cool oder hip<br />
finden“, betont Mayer.<br />
„Ich bin fest davon überzeugt,<br />
dass die kleinen Brauereien durchhalten.“<br />
Ralf Löffler unterstreicht<br />
seine Worte mit einer festen Stimme.<br />
„Ich denke, eher die Fernseherbiere<br />
haben ein Problem.“ Das<br />
merke man daran, dass sie an<br />
Glaubwürdigkeit durch ihre<br />
schwankenden Preise einbüßen<br />
würden. „Wir wissen, was in der<br />
Region abgeht, unterstützen sie<br />
und bieten ein frisches Produkt<br />
an“, betont Löffler die Vorteile der<br />
Regionalbiere.<br />
„Aufgabe <strong>ist</strong> der Ausbau der<br />
Marktposition als anerkannte, regionale<br />
Brauerei im Wettbewerb<br />
gegen nationale und multinationale<br />
Konzerne, Billiganbietern<br />
und Massenproduzenten,“ sagt<br />
Alexander Veit. Außerdem <strong>ist</strong> ihm<br />
eine Aufrechterhaltung der besonderen<br />
regionalen Biervielfalt mit<br />
qualitativ hochwertigsten Bieren,<br />
als Ausdruck der Liebe zum Bier<br />
und zum Brauerhandwerk, sehr<br />
wichtig. „Qualität geht einfach vor<br />
Quantität“, betont Veit. Auch ihm<br />
<strong>ist</strong> der Kunde aus der Region sehr<br />
wichtig: direkte, persönliche Geschäftsbeziehungen<br />
von Mensch<br />
zu Mensch – ohne leere Versprechen,<br />
sondern Taten.“ Dazu gehört<br />
natürlich auch der Service,<br />
dem Konsumenten das Bier direkt<br />
in den Keller zu tragen.<br />
Karl Ladenburger hofft darauf,<br />
dass die Kunden eine Bindung<br />
zum regionalen Gerstensaft haben:<br />
Wir sind verwurzelt mit unserer<br />
Tradition, ich hoffe die Leute<br />
wissen das.“ Dass man nicht unzählige<br />
Mixgetränke fertigen muss,<br />
bestätigt er: „Unser Radler hat sich<br />
gemausert, das wird wirklich gerne<br />
getrunken.“<br />
Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise<br />
auf das Bier aus?<br />
Die Wirtschaftskrise lässt so<br />
manchen vom Blick in den Geldbeutel<br />
zurückschrecken. Man<br />
spart lieber, als Schwabe sowieso,<br />
und kauft weniger. Doch als echter<br />
Genießer kommt man nicht um<br />
sein Feierabendbier drumrum.<br />
Was meinen die Experten dazu?<br />
Die Krise würde er am eigenen<br />
Leibe nicht erfahren, seine Brauerei<br />
liege im Plus dieses Jahr, erläutert<br />
Ralf Löffler und schiebt nach:<br />
„Nationale Zahlen sagen schon etwas<br />
anderes, nämlich, dass die<br />
Konsumenten in Deutschland weniger<br />
Bier getrunken haben.“ Dennoch<br />
bezweifelt er, ob dies an der<br />
Wirtschaftskrise liege.<br />
„Zu unseren Kunden zählen Genießer,<br />
die durch einen normalen<br />
Bierkonsum sich auch in der Krise<br />
ihr Feierabendbier le<strong>ist</strong>en können<br />
und wollen“, sagt auch Thomas<br />
Mayer – das Biergeschäft sei nicht<br />
so anfällig. Vor allem den August<br />
und September habe man zur<br />
Biergartensaison positiv gespürt,<br />
dass die Leute sich das kühle Bier<br />
schmecken lassen.<br />
„Wir spüren die Krise“, lässt Ladenburger<br />
verlauten. Ein weiteren<br />
Trend macht er aus: „es werden<br />
billigere Biere gekauft“.<br />
Ulrich Kumpf hat andere Erfahrungen<br />
gemacht. „Die Leute sparen<br />
eher am Ausgehen“, schildert<br />
er seine Eindrücke. Trotzdem<br />
glaubt auch er, dass es nächstes<br />
Jahr schwieriger werden könnte.<br />
„Falls in der Krise mehr Bier getrunken<br />
werden sollte, dann sicherlich<br />
die ‘Preis-Einstiegs- Biere’“,<br />
vermutet Alexander Veit. Er<br />
bemängelt es, dass vielen Konsumenten<br />
oftmals nicht bekannt <strong>ist</strong>,<br />
dass ein maßvoller Bierkonsum<br />
positive Wirkungen auf den Organismus<br />
hat. „Frisches Bier mit<br />
Freunden genossen, stellt doch ein<br />
Stück Lebensfreude und Lebensqualität<br />
dar“, hebt er hervor.<br />
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Der andere schwäbische Gruß<br />
<strong>Schwäbisch</strong> für Besserwisser: der „Frage- und Antwort-Gruß“<br />
o, isch ma au scho auf!?“ Eigentlich<br />
eine saudumme<br />
„S<br />
Frage, da sie nur ein Ja zulässt und<br />
sich somit selbst beantwortet.<br />
Oder <strong>ist</strong> es am Ende gar keine Frage?<br />
Wer am Samstag kurz vor 16 Uhr<br />
auf dem Recyclinghof gefragt wird:<br />
„So, duet ma au no schnell entsorge?“<br />
wird wohl kaum antworten<br />
„Noi, i b’sorg mr grad a neue Eirichtung!“<br />
Solcher Sarkasmus wäre<br />
hier völlig verfehlt. Vielmehr wird<br />
der oder die so Angesprochene die<br />
Frage bejahen und einen längeren<br />
Seufzer über den Gruscht hinzufügen,<br />
der sich im Laufe der Jahrzehnte<br />
im Haus angesammelt hat.<br />
„So, isch ma au unterwegs?“ Jeder<br />
Schwabe kennt jene Fragen,<br />
die keine sind und nur gestellt werden,<br />
damit etwas geschwätzt <strong>ist</strong>.<br />
Die Sprachwissenschaftler nennen<br />
derlei Formulierungen „Frageund<br />
Antwort-Gruß“ oder einen<br />
„Zwiesprache-Gruß“. Der <strong>ist</strong> vergleichbar<br />
mit der Pseudo-Frage<br />
„Wie geht’s?“, die keine ernsthafte<br />
Antwort erwartet (zumal sie sonst<br />
in vielen Fällen gar nicht gestellt<br />
würde).<br />
Zur schwäbischen Höflichkeit<br />
gehört es, dem Gegenüber bevorzugt<br />
solche Grußfragen zu entbieten,<br />
die ihm Gelegenheit geben,<br />
seine Tugenden hervorzuheben:<br />
„So, isch ma fleißig!?“ „So, gåht ma<br />
zom Schaffe?“ „So, duet ma Rase<br />
mähe?“<br />
Die Fragegrüße werden überwiegend<br />
mit einem „So!“ eingeleitet.<br />
Das unterscheidet sie von der<br />
schlichten Frage, die sonst in diesen<br />
Fällen me<strong>ist</strong> eine dumme Frage<br />
wäre. Schließlich wäre es in der<br />
Tat dämlich, jemanden, der gerade<br />
triefnass aus dem Regen kommt,<br />
zu fragen: „Sind Sie nass worde?“<br />
Ganz anders verhält es sich mit<br />
„So, isch ma nass worde?“ Das<br />
drückt Teilnahme aus, in der allerdings<br />
auch Schadenfreude oder<br />
Spott mitschwingen kann. Im Übrigen<br />
zeigen die beiden Beispiele<br />
einen weiteren Unterschied zwi-<br />
„So, duet ma Rase mähe?“ – Die Sprachwissenschaftler nennen derlei Formulierungen „Frage- und Antwort-Gruß“.<br />
Der <strong>ist</strong> vergleichbar mit der Pseudo-Frage „Wie geht’s?“, die keine ernsthafte Antwort erwartet<br />
(zumal sie sonst in vielen Fällen gar nicht gestellt würde).<br />
(Foto: Oliver Giers)<br />
schen echter Frage und Grußfrage:<br />
Die Grußfrage vermeidet das direkte<br />
Du/Ihr/Sie und bevorzugt<br />
das neutrale Man.<br />
Tatsächlich kann man Grußfragen<br />
durchaus in boshafter Absicht<br />
stellen, wobei stets der Ton die<br />
Musik macht und die Mimik eine<br />
wichtige Rolle spielt. Etwa im Falle<br />
von „So, war ma beim Frisör?“ Wer<br />
dabei den korrespondierenden<br />
anerkennenden Gesichtsausdruck<br />
vermissen lässt, riskiert ernsthafte<br />
atmosphärische Störungen, vor allem,<br />
wenn die Frage an eine Vertreterin<br />
des weiblichen Geschlechts<br />
gerichtet <strong>ist</strong>.<br />
Die Grußfrage kann auch dazu<br />
dienen, Neugier als Anteilnahme<br />
erscheinen zu lassen. So erwartet<br />
ein fröhlich ausgerufenes „So, håt<br />
ma an Gipsfuß?“ die Schilderung<br />
des Unfallhergangs, <strong>ist</strong> aber nicht<br />
so plump und direkt wie die Frage:<br />
„Was <strong>ist</strong> denn Ihnen passiert?“<br />
Schließlich kann die Grußfrage<br />
auch pädagogische Absichten verfolgen,<br />
etwa wenn der verschlafene<br />
Spätaufsteher empfangen wird<br />
mit den Worten: „So, kââ ma’s au<br />
scho richte?“ Auch dann, wenn die<br />
Begrüßung lautet „So, hat ma<br />
Knoblauch ‘gässe?“ <strong>ist</strong> es angebracht,<br />
sich Gedanken darüber zu<br />
machen, ob den Mitmenschen etwas<br />
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Michael „Flex“ Flechsler über das schwäbische Erfolgsrezept Fleiß und Spaß<br />
Sie sind die Gralshüter des<br />
saftigen und brunnentiefen<br />
<strong>Schwäbisch</strong>. Die Rede <strong>ist</strong><br />
von „Herrn Stumpfes Zieh &<br />
Zupf Kapelle“. Den Dialekt<br />
ihrer Heimat verwenden die<br />
„Stumpfes“ nicht als Gag,<br />
sondern als Stilmittel.<br />
Kann mit Singen auf <strong>Schwäbisch</strong><br />
Geld verdienen?<br />
Ich hoffe doch – der jetzt begonnene<br />
Vorverkauf für unseren Auftritt<br />
am 30. Dezember in der Stadthalle<br />
Aalen wird’s zeigen.<br />
Spaß beiseite – natürlich kann<br />
man das. Und zwar schon seit Willi<br />
Reichert, Werner Veitdt, Oscar<br />
Müller, Schwoißfuaß, Wolle Kriwanek<br />
… Die Schwaben erfreuen<br />
sich an ihrem Dialekt und unterstützen<br />
das durch Platten- und<br />
CD-Käufe oder Konzertbesuche.<br />
Ihr seid ja nun im 18. Jahr als<br />
Stumpfes. Hättet Ihr jemals gedacht,<br />
dass Ihr im Jahr 150 me<strong>ist</strong><br />
ausverkaufte Konzerte gebt und<br />
von Eurer Musik Leben könnt?<br />
Nie und nimmer … zuallererst waren<br />
wir ja wirklich „nur“ ‘ne Hausmusiktruppe,<br />
die hauptsächlich<br />
für sich gespielt, und ab und an<br />
mal bei Künstlerkollegen auf Vernissagen<br />
oder auf Privatfeiern aufgezwickt<br />
hat. Aber ohne eine solche<br />
Profi Perspektive war’s wohl<br />
auch nur möglich so entspannt<br />
Musik zu machen.<br />
War für Euch immer klar, dass<br />
<strong>Schwäbisch</strong> Eure Amtssprache <strong>ist</strong>?<br />
Oder habt ihr auch mal mit einer<br />
anderen Ausdrucksmöglichkeit geliebäugelt?<br />
<strong>Schwäbisch</strong>e Mundart macht uns<br />
schon großen Spaß, und hat auch<br />
einen großen Anteil an unserem<br />
Programm, trotzdem haben wir<br />
von Anfang an immer wieder andere<br />
Sprachen und Sprachfärbungen<br />
in unseren Liedern mit verwendet.<br />
Was passt muss herhalten<br />
– auch hier sind wir also einfach<br />
skrupellos.<br />
Euch hat aber nicht nur die Skrupellosigkeit<br />
erfolgreich gemacht,<br />
oder? Welche schwäbischen Eigenschaften<br />
muss man haben, damit<br />
man in der schnelllebigen Unterhaltungswelt<br />
nicht untergeht?<br />
Die Mischung macht’s, glaub. Humor,<br />
Spielfreude, Spaß, Witz, Albernheit,<br />
Themenauswahl bei den<br />
Michael „Flex“ Flechsler.<br />
Texten … Ob das nun typisch<br />
schwäbische Tugenden sind, weiß<br />
ich nicht, aber ein gerüttelt Maß an<br />
Fleiß, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen<br />
hilft schon auch<br />
weiter.<br />
Wie kommt ihr mit der <strong>Schwäbisch</strong>en<br />
Eigenart „ned g’schempft isch<br />
globt gnuag“ klar? Es wäre doch<br />
schade, wenn es auf Euren Konzerten<br />
keinen Applaus gäbe, oder? Gibt<br />
es sonst noch eine schwäbische<br />
Mentalität, die so gar nicht zu den<br />
Stumpfes passen will?<br />
Wir sind sicherlich:<br />
- net phäb (Geizig übergenau, penibel)<br />
- keine „Kehrwuch-Päpste“<br />
- und haben keine zehn Sparbücher<br />
im Schrank (wieso auch –<br />
man darf ja auf eines soviel drauftun<br />
wie man will)<br />
Wie schätzt Du den Stellenwert von<br />
<strong>Schwäbisch</strong> allgemein im Moment<br />
ein? Zum einen gibt es die Kampagne<br />
„Wir können alles außer Hochdeutsch“<br />
zum anderen wird im<br />
neuen Stuttgart-Tatort nicht mehr<br />
schwäbisch gesprochen.<br />
Na ja, es gibt ja auch Männer und<br />
Frauen die sich auf das jeweilig andere<br />
Geschlecht umoperieren lassen.<br />
Was soll man machen, wenn<br />
man es nicht mehr aushält? So etwas<br />
<strong>ist</strong> wohl eher was für den Psychiater.<br />
Ihr tourt ja quer durchs Ländle. Wie<br />
steht es um die Feindseligkeit zwischen<br />
Schwaben und Badenern?<br />
Bei uns überhaupt kein Problem.<br />
Wir sind sehr gern im Badischen<br />
und kommen da sehr gut an. Wir<br />
haben uns sogar schon das Recht<br />
auf „Landerwerb und Bebauung“<br />
in Baden erspielt.<br />
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