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Heutiger Zustand erzgebirgischer Moore aus Sicht des Naturschutzes

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<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong><br />

<strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong><br />

Sabrina Scharf<br />

TU Bergakademie Freiberg<br />

Abstract. Mit einem Mooranteil von < 0,5% der Lan<strong>des</strong>fläche gehört Sachsen zu<br />

den Moorärmsten Bun<strong>des</strong>ländern. <strong>Moore</strong> sind laut § 20 <strong>des</strong> BNatSchG und § 26<br />

<strong>des</strong> Sächsischen Naturschutzgesetzes geschützte Biotope. Sie bieten Lebensräume<br />

für gefährdete Arten. Der Schutz der Moor ist nicht nur wichtig für den Arten-,<br />

sondern auch für den Hochwasser- und Klimaschutz .<br />

Jedoch wurden die <strong>Moore</strong> in der Vergangenheit stark durch Entwässerung,<br />

Nutzung und Immissionen gestört. Um den Erhalt der <strong>Moore</strong> zu gewährleisten<br />

sind Moorschutzkonzepte nötig, die die natürlichen Regenerationsprozesse<br />

fördern.<br />

Einleitung<br />

<strong>Moore</strong> bilden sich nur an Standorten, an denen die Bilanzmenge der Wasserzufuhr<br />

größer ist als die Wasserverluste durch Abfluss, Versickerung und<br />

Evapotranspiration.<br />

<strong>Moore</strong> lassen in ökologische und hydrologische <strong>Moore</strong>typen untergliedern. Die<br />

ökologischen Moortypen beschreiben zum einen die Nährstoffverhältnisse<br />

(Trophie, N c -Wert) und zum anderen den pH- Wert <strong>des</strong> Wassers, welches das<br />

Moor ernährt. Bei den hydrologischen Moortypen erfolgt die Unterteilung nach<br />

dem Wasserh<strong>aus</strong>halt der <strong>Moore</strong>.<br />

Bei den erzgebirgischen <strong>Moore</strong>n handelt es sich um den hydrologischen<br />

Moortyp <strong>des</strong> Mittelgebirgs- Regenmoor. Nach ZINKE (2002) sind viele der<br />

<strong>Moore</strong> kaum über das Stadium <strong>des</strong> Hangversumpfungs- oder Hangquellmoor<br />

her<strong>aus</strong>gekommen und haben das Regenmoor- Stadium nicht oder erst sehr spät<br />

erreicht.


2 Sabrina Scharf<br />

Versumpfungsmoore entstehen meist in Senken infolge eines Wasseranstiegs.<br />

Ursachen können in einer Änderung <strong>des</strong> Klimas, Landnutzungsänderungen,<br />

Waldrodungen und Verringerung <strong>des</strong> Abflusses (z.B. durch Biberdämme) liegen.<br />

Hang- Quellmoore entstehen an Quell<strong>aus</strong>tritten von gespannten Grundwasser, ihre<br />

Ausdehnung ist eher geringmächtig.<br />

Bei kontinuierlichem Wachstum können <strong>aus</strong> Hangversumpfungs- oder<br />

Hangquellmoor Regenmoore (ombrogene <strong>Moore</strong>) entstehen. Sie werden nur noch<br />

von Regenwasser ernährt und sind nährstoffarm. Auf grund der Nährstoffarmut<br />

sind hier meist anspruchslose Pflanzen zu finden.<br />

Hinsichtlich <strong>des</strong> ökologischen Moortypen herrschen die oligotrophe- sauren<br />

(Armmoore) bis mesotroph- saure <strong>Moore</strong> (Saure Zwischenmoore) vor. Bei den<br />

oligotroph- sauren <strong>Moore</strong>n handelt es sich weitgehend um von Niederschlägen<br />

ernährten <strong>Moore</strong>n (Hochmooren). Sie sind gekennzeichnet durch ihre<br />

nährstoffarme Umgebung sowie durch einen geringen Stofftransport. Ihre<br />

torfbildende Vegetation bilden vor allem Zwergsträucher, Wollgras und<br />

Torfmoose. Die mesotroph- sauren <strong>Moore</strong> werden durch saures Mineralwasser<br />

gespeist. Sie besitzen eine etwas bessere Stickstoffversorgung als die oligotrophsauren<br />

<strong>Moore</strong>. Torfbildende Vegetation sind vor allem die torfmoosreichen<br />

Seggenrieder.<br />

Entwicklungsgeschichte <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong><br />

Die ältesten Moorbildungen <strong>des</strong> Erzgebirges entstanden frühestens seit ca. 9000<br />

Jahren (SLOBODDA 1995).<br />

Dies entspricht der Wende zwischen Präboreal/ Boreal. Die ersten<br />

Moorbildungen entstanden an Quell- und Hang<strong>aus</strong>tritten durch<br />

mineralstoffhaltiges, saures Wasser.<br />

In Abb. 1 ist die Entwicklung eines Hochmoores im Erzgebirge dargestellt.<br />

Bild 1 in Abb. 1 zeigt die Entwicklung eines soligenen Gehängemoores mit<br />

Hangwassereinfluss. Dabei kommt es zu einem Wasserstau durch verzögerte<br />

Versickerung und Abfluss (an schwer verwitterbaren Gesteinsriegeln,<br />

späteiszeitliche Schuttdecken, gefrorener Untergrund). In dieser Zeit wurden<br />

Riedtorfe mit Resten von Seggen, und Wollgräsern abgelagert.<br />

In Bild 2 Abb. 1 ist eine Vergrößerung <strong>des</strong> Gehängemoores zu erkennen (ab<br />

7500 vor heute). Dieses Wachstum wurde bedingt durch die allmähliche<br />

Erwärmung (Boreal) und Zunahme der Niederschläge im der mittleren Wärmezeit.<br />

Es kam zur Ausbreitung eines Eichenmischwal<strong>des</strong> und der Ansiedlung von<br />

Torfmoosen auf den Riedtorfen. Diese <strong>Moore</strong>ntwicklung wurde begünstigt durch<br />

die zunehmende Isolierung der Moorvegetation vom mineralischen Untergrund,<br />

Versauerung und Nährstoffverarmung (beginnende Ausbildung eines<br />

ombrosoligenen Gehängemoores). Die Torfmoose bildeten geschlossene Decken<br />

und es kam zur Vergesellschaftung mit Moosbeere, R<strong>aus</strong>chbeere und Wollgras,<br />

was der typischen Vegetation von sauren, nährstoffarmen <strong>Moore</strong>n entspricht.


<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> 3<br />

Die Her<strong>aus</strong>bildung eines ombrogenen Gehänge- Hochmoores ist in Bild 3 der<br />

Abb. 1 dargestellt. Bei dem nun betrachteten Zeitraum handelt es sich um die<br />

ältere Nachwärmezeit, ab 3000 Jahren vor heute. Sie ist gekennzeichnet durch<br />

kühles, feuchtes Klima. In Abb. 1 Bild 3 ist die zunehmende Erhöhung und<br />

Differenzierung der Mooroberfläche (Schlenken, Kolke, Rüllen, Randgehänge) zu<br />

erkennen. Die Moos- und Wollgrastorfe erreichen mehrere Meter Mächtigkeit<br />

(Älterer Hochmoortorf).An den Randgehängen kommt es zur Ansiedelung von<br />

Gehölzen und zur Verheidung.<br />

Das Wachstum der <strong>Moore</strong> verlief nicht kontinuierlich, es wurde von<br />

Trockenphasen mit geringeren Niederschlägen unterbrochen. Das Torfwachstum<br />

wurde gestoppt, die Torfmoosdecken wurden von Zwergsträuchern überzogen und<br />

Moorkieferngehölze konnten sich ansiedeln. Die obersten Torfe wurden zersetzt<br />

und es bildeten sich sogenannte Stubbenhorizonte. Sie trennen oft die Älteren von<br />

den Jüngeren Hochmoortorfen (Weißtorf).<br />

Ab 1500 Jahren vor heute kam es zu einem starken ombrogenen<br />

Moorwachstum unter kühl- feuchten Klimabedingungen (Abb. 1, Bild 4). Diese<br />

ombrogenen Moorbildungen könnten sich von Hohlformen und Hängen über<br />

Plate<strong>aus</strong>, Sättel und Kämme <strong>aus</strong>breiten. Das Wachstum reichte bis etwa in das 18.<br />

Jahrhundert (soweit noch keine Entwässerung und Abbaumaßnahmen).<br />

In Bild 5 (Abb. 1) ist der <strong>Zustand</strong> eines <strong>Moore</strong>s nach anthropogener<br />

Einflussnahme durch Entwässerung und Torfabbau dargestellt. In Folge der<br />

Entwässerung kam es zu Einstellung <strong>des</strong> Moorwachstums mit Torfsackung und –<br />

zersetzung.<br />

Moorkieferngehölze und Moorwald siedelte sich an. Auf Torfabbauflächen mit<br />

Resttorflagern und Wasserzufuhr ist eine Renaturierung möglich. Auf Flächen<br />

ohne Resttorflager entwickeln sich Birkenbruchwälder und andere<br />

Moorlaubgehölze in Verbindung mit Pfeifengrasfluren.


4 Sabrina Scharf<br />

Abb. 1: Entwicklung eines Hochmoores im Erzgebirge (Quelle: Ökologie und<br />

Schutz der Hochmoore im Erzgebirge )<br />

Moornutzung im Erzgebirge<br />

Jeder Art der Nutzung geht eine Entwässerung vor<strong>aus</strong>. Im Vergleich zur<br />

böhmischen Seite sind die Hochmoore <strong>des</strong> sächsischen Erzgebirges durch<br />

Entwässerung und Nutzung stark verändert und geschädigt worden.<br />

Die anthropogene Beeinflussung ist mit der Bergbau- und Siedlungsgeschichte<br />

<strong>des</strong> Erzgebirges eng verbunden. Erste Veränderungen <strong>des</strong> Wasserh<strong>aus</strong>haltes


<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> 5<br />

erfolgten im 12.-14. Jh. im Zuge <strong>des</strong> Bergbaues (Zinngewinnung). Ab dem 16. Jh.<br />

wurden einige <strong>Moore</strong> neben Entwässerung und Bergbautätigkeit auch zum<br />

Torfabbau genutzt. Beispiele dafür sind das Kleine Kranichsee-Moor (Torfabbau)<br />

und das Georgenfelder Hochmoor (bergmännische Zwecke).<br />

Mit Neugründungen und Ortserweiterungen wurden nahegelegene Hochmoore<br />

für die Brenntorfgewinnung abgebaut (17.-18. Jh.). Die Randbereiche wurden z.T.<br />

landwirtschaftlich genutzt (extensive Grünlandnutzung). Höhepunkt erreichte der<br />

Torfabbau im Erzgebirge im Verlauf <strong>des</strong> 19. Jh. Auch noch im 20 Jh. vor allem in<br />

den Kriegszeiten wurde Torf abgebaut.<br />

Der Torfabbau begann mit der Entfernung der Gehölze von der<br />

Mooroberfläche, kontrolliertes Abbrennen der Vegetation, Entwässerung durch<br />

Hauptgräben (alle 50m, 1,5m tief und breit) und Nebengräben (alle 10m, 0,5m tief<br />

und breit). Erst im dritten Jahr begann der eigentliche Torfabbau.<br />

Fast alle der heute als NSG geschützten <strong>Moore</strong> wurden teilweise oder<br />

vollkommen abgebaut.<br />

Kleinere Hochmoore und Hochmoorrandbereiche wurden für eine extensive<br />

Grünlandbewirtschaftung genutzt. Nach der Entwässerung siedelten sich<br />

anspruchslose Wiesengräser- und Kräuter an. Diese Flächen bedurften einer<br />

regelmäßigen Düngung. Erfolgte diese Düngung nicht konnten sich Borstgras,<br />

Pfeifengras, Drahtschmiele und Heidekraut ansiedeln. Es entwickelten sich für das<br />

obere Erzgebirge typische „Torfwiesen“, wie die Borstgras- Scheidenwollgras-<br />

Torfwiese.<br />

Eine weiter Verwendung fanden die <strong>Moore</strong> in der Forstnutzung. Dafür eigneten<br />

sich besonders Fläche welche bereits mit Krummholzgebüschen und/oder<br />

Moorfichtenwald bewachsen waren. Auch bei dieser Nutzungsform war eine<br />

Entwässerung notwendig. So wurden die „Mothäuser Heide“ mit bis zu 4m tiefen<br />

Gräben entwässert. Weitere Beispiele für die Aufforstungen in<br />

Erzgebirgshochmooren sind das Hormersdorfer Hochmoor (Ficht, Waldkiefer),<br />

das Jagersgrüner Hochmoor (Waldkiefer), das Hochmoor Weites Glashütte (Ficht)<br />

und das Kleine Kranichsee- Moor (Fichtenaufforstung im Randbereich)<br />

(SLOBODDA 1995).<br />

<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> der <strong>Moore</strong> im Erzgebirge<br />

Allgemein:<br />

Die <strong>Moore</strong> im Erzgebirge sind durch Entwässerung, Nutzung, Eintrag von<br />

Immissionen und Nährstoffzufuhr mehr oder weniger stark beeinträchtigt.<br />

Es wurde vom Naturpark Erzgebirge/Vogtland eine Inventarisierung mit<br />

Übersichtserhebung , Detailerfassung und einer vollständigen Erfassung aller<br />

<strong>Moore</strong> durchgeführt. Dabei wurden auf Grund von Geologischen Spezialkarten


6 Sabrina Scharf<br />

164 Moorstandorte mit einer ehemaligen Gesamtfläche von ca. 60 km² ermittelt<br />

und 47 von ihnen für Revitalisierungsmaßnahmen vorgeschlagen (Zinke 2002).<br />

Wiederum 22 dieser Moorstandorte waren und sind Gegenstand von<br />

Renaturierungsmaßnahmen.<br />

In Folge der verschiedenen Moornutzungen entstanden in der Nachbarschaft<br />

der verbleibenden Hochmoorkerne Standorte mit neuartigen Gruppierungen oligobis<br />

mesotropher Moorvegetation (EDOM & WENDEL 1995). Diese<br />

Entwicklungen zeigen die bislang erfolgten Sukzessionen.<br />

Nach heutiger Erkenntnissen werden renaturierte Gebirgsregenmoore nicht<br />

mehr diejenige Vegetation hervorbringen, welche vor der Abtorfung vorhanden<br />

war.<br />

Die <strong>Moore</strong> sind Rückzugsgebiete und Lebensraum mehrerer in Deutschland<br />

gefährdeter Brutvogel-, Insekten- und Reptilienenarten So z.B. das Birkhuhn<br />

(Tetrao tetrix), der Hochmoorgelbling (Colias palaeno) und der Kreuzotter<br />

(Vipera berus), (Zinke, 2002).<br />

Beschreibung <strong>des</strong> <strong>Zustand</strong> anhand <strong>des</strong> Beispiels Mothäuser Heide:<br />

Die Mothäuser Heide ist das älteste Moor- Schutzgebiet im Erzgebirge. Es wurde<br />

bereits 1911 gegründet, 1960 erhielten Teile <strong>des</strong> Schutzgebietes den Totalreservat-<br />

Status. Das Moor befindet sich im mittleren Erzgebirge, 2 km von Kühnheide<br />

entfernt. Es hat eine Größe von 124 ha und erstreckt sich in einer Höhe von 744<br />

bis 773m ü. NN. Die Jahresdurchschnittstemperatur betragt 5,4°C, der mittlere<br />

korrigierte Jahresniederschlag 977mm. Teile <strong>des</strong> <strong>Moore</strong>s weisen<br />

Torfmächtigkeiten von über 7m auf.<br />

Auch die Mothäuser Heide wurde zu Nutzzwecken entwässert. Dazu wurde ein<br />

dichtes Grabensystem (71km lang, bis 4,5m tief) angelegt, Torf gestochen, Fichten<br />

und Spiken angepflanzt. Wobei letztere das Bild in der Mothäuser Heide bis heute<br />

prägen.<br />

Die Räumung der Gräben wurde 1875 wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben.<br />

Sie sind heute weitgehend zugewachsen.<br />

Eine heutige Beeinträchtigung ist in den zunehmenden Immissionen zu sehen.<br />

SO 2 - Immissionen führten zu sichtlichen Veränderungen in der Vegetation<br />

(EDOM & WENDEL 1995). Auch sind zunehmende Stickstoffeinträge zu<br />

verzeichnen.<br />

Mit abgesehen von kleineren forstlichen Eingriffen im Randbereich und den<br />

Immissionen läuft seit etwa 120 Jahren in der Mothäuser Heide eine ungestörte<br />

Regeneration <strong>des</strong> <strong>Moore</strong>s ab (EDOM & WENDEL 1995).<br />

Bei verschiedenen Arbeiten wurde das Moor vermessen, die Entwicklung <strong>des</strong><br />

<strong>Moore</strong>s beschrieben, die Vegetation bestimmt und mit früheren


<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> 7<br />

Vegetationskartierungen verglichen, um Änderung der Vegetation zu untersuchen.<br />

Weiter wurden noch die Gräben und der Wasserh<strong>aus</strong>halt untersucht.<br />

Die Mothäuser Heide verfügt mit ihrer Vielfalt an Wasser- und<br />

Nährstoffh<strong>aus</strong>halt über eine Vielzahl von Standorten, was zu einer großen Zahl<br />

von Vegetationseinheiten führt. Diese werden dominiert von Moorwäldern und<br />

Moorgehölzen.<br />

Baumfreie bzw. lichtere Bereiche mit oligotrophen oder mesotrophen<br />

Moorgesellschaften sind selten und nur kleinflächig zu finden. Die<br />

Vegetationseinheiten sind von Moorkern zu mineralischen Standorten deutlich<br />

zoniert.<br />

So ist bei einer Torfmächtigkeit von > 7,5m und geringem Gefälle die<br />

Sphagnum fallax- Eriphorum vaginatum- Gesellschaft anzufinden. Dieser Bereich<br />

ist ein kleinflächiger, offener Moorkern.<br />

Die Molinia caerulea- Carex canescens- Gesellschaft ist an flachrüllenartige<br />

Strukturen (wie z.B. mesotroph verlandete Gräben) gebunden. Sie sind häufig im<br />

Randbereich von Moorgehölzen zu finden (Torfmächtigkeit: 3,5m, Gefälle<br />

ca.1,8%). Für diese Strukturen sind Arten nasser, relativ nährstoffreicher<br />

Standorte charakteristisch. Es kann auf grund der Nässe zu einem Absterben der<br />

Strauch- und Baumschicht führen.<br />

Eine weitere Vegetationsform ist der (Fichten-) Spicken- Moorwald. Er nimmt<br />

ca. 30 ha der Mothäuser Heide ein. Er kommt in verschiedenen Ausprägungen<br />

vor, abhängig von Torfmächtigkeit, Gefälle und Trockenheit. Auf Standorten mit<br />

einer Torfmächtigkeit von 5,5m und einem mittleren Gefälle von 1,5 % kann sich<br />

ein moosbeerenreiche Ausprägungsform <strong>des</strong> Spicken- Moorwal<strong>des</strong> entwickeln,<br />

auf Flächen mit größerer Trockenheit, einer Torfmächtigkeit von 2,3% und einem<br />

Gefälle von ca. 2,3% ist der heidelbeerreiche Spicken- Moorwald zu finden.<br />

In der Nähe <strong>des</strong> Moorran<strong>des</strong>, welcher durch starke Trockenheit und ein starkes<br />

Gefälle charakterisiert ist konnte sich der Torfmoos- Fichtenforst ansiedeln.<br />

Er kann als Übergang (hinsichtlich seiner Artenstruktur) vom moorinneren<br />

Spicken- Moorwald zum Wollreitgras- Fichtenforst angesehen werden.<br />

Im Grenzbereich <strong>des</strong> Moorkörpers ist der Drahtschmielen- Fichtenforst zu<br />

finden. Auch diese Gesellschaft besitzt verschiedene Ausprägungen, welche als<br />

Sekundärgesellschaften gewertet werden können (EDOM & WENDEL 1995).<br />

Kennzeichnend für stark entwässerte Standorte ist die Heidekraut-<br />

Ausbildungsform. Sie ging <strong>aus</strong> einem ehemaligen Torfmoos- Fichtenforst oder<br />

Spicken- Moorwald hervor.<br />

Der Wollreitgras- Fichtenforst ist vor allem an mineralischen Standorten zu<br />

finden. Der Gr<strong>aus</strong>eggen- Wollreitgras- Fichtenforst ist eine der möglichen<br />

Ausprägungen. Sie ist an quellige oder laggartige Moorstandorte gebunden. Diese<br />

Standorte zeichnen sich durch große Nässe <strong>aus</strong>, was ein Absterben der Fichten<br />

verursachen kann. Hier zeichnet sich die Entwicklung zu baumärmeren bis<br />

baumfreier Moorgesellschaften ab.<br />

Die einzelnen Vegetationsgesellschaften spiegeln die Standortbedingungen und<br />

die geschichtliche Entwicklung der Mothäuser Heide wieder.


8 Sabrina Scharf<br />

Bei dem Vergleich mit früheren Untersuchungen (vor allem die 1959 gemachten<br />

Vegetationsaufnahmen von GLÄSNER) ergaben sich folgende zusammengefasste<br />

Ergebnisse:<br />

• Viele Baumarten zeigen Tendenzen der Ausbreitung, vor allem in der<br />

Verjüngungsschicht, jedoch nimmt der Kronenschluß der Baumschicht im<br />

allgemeinen ab.<br />

• Gravierende Veränderungen sind in der Moosschicht zu verzeichnen, so wurde<br />

in der letzten Kartierung zum ersten Mal Sphagnum cuspidatum gefunden. Das<br />

Ausbreiten dieser und einiger anderer Arten (Epiophorum vaginatum, Oxycocus<br />

palustris) belegt eine starke Vernässung im Moorinneren. Damit kommt eine<br />

regenerationsbedingte Auflichtung der Baumschicht in Betracht (EDOM &<br />

WENDEL 1995 ).<br />

• Eine starke Belastung mit SO 2 wird durch das weitgehende Fehlen von einigen<br />

Flechtenarten (Cetraria islandica, Cladonis rangiferina) belegt. Diese waren<br />

früher typisch für Regenmoore.<br />

• Die Baumschicht zeigt ebenfalls eine Schädigung durch die SO 2 – Belastung.<br />

Fichten zeigen deutliche Symptome <strong>des</strong> Waldsterbens (mehr als Moor- Kiefer und<br />

Spicke)<br />

• Es wurden sowohl Arten gefunden, die als Degenerationszeiger und Arten die<br />

als Regenerationszeiger dienen gefunden (wie z. B. Avenella flexuosa, Carex<br />

canescens).<br />

• Das Moorinnere wird regenerationsbedingt nasser (Feuchtezahlen), der<br />

Randbereich trockener.<br />

• Die Sukzession verläuft um so schneller, je weiter der aktuelle <strong>Zustand</strong> der<br />

Vegetation von den durch Klima und Relief vorgegebener entfernt ist.<br />

• Die Mothäuser Heide wird unter heutigen Klima- und Reliefbedingungen nie<br />

gehölzfrei sein.<br />

• Das jetzige Grabennetz bildet die Grundlage für die Ausbildung einer<br />

moortypischen Gewässerstruktur (Verlandungsprozesse).<br />

• Alle <strong>Moore</strong> besitzen eine spezifische Struktur. Naturschutzfachliche<br />

Bewertungen sollten Standortbedingungen und Nutzungsgeschichte<br />

berücksichtigen.<br />

Moorschutz, warum ist er so wichtig?<br />

Die Aufgaben <strong>des</strong> Moorschutzes liegen darin, <strong>Moore</strong> als Lebensraum für eine<br />

hoch spezialisierte Pflanzen- und Tierwelt zu schützen (Lebensraumfunktion) und<br />

die natürliche Fähigkeit der <strong>Moore</strong> zur Rückhaltung von Wasser sowie zur<br />

Bindung von Nährstoffen und organischer Substanz zu erhalten<br />

(Stoffh<strong>aus</strong>haltliche Funktion) (WAGNER & WAGNER 2003).<br />

Die Schutzziele <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> haben im allgemein folgende Ebenen: den<br />

Artenschutz, den Biotopschutz und den Schutz natürlicher Prozesse. Da je<strong>des</strong>


<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> 9<br />

Ökosystem natürlichen Veränderungen unterliegt (Sukzessionen, abiotische<br />

Prozesse) erwächst die Forderung natürliche Prozesse ungehindert laufen zu<br />

lassen (wie in der Mothäuser Heide).<br />

Neben dem Schutz von Lebensräumen kann der Schutz der natürlichen<br />

Wasserrückhaltung beim vorbeugenden Hochwasserschutz eine Rolle spielen.<br />

So ist auf grund der gleichmäßigeren und insgesamt geringeren Abflusses<br />

naturnaher <strong>Moore</strong> im Vergleich zu entwässerten <strong>Moore</strong>n das Risiko extremer<br />

Hochwasserscheitel vermindert (WAGNER & WAGNER 2003). So können<br />

Renaturierungsmaßnahmen abflussverzögernd wirken, indem die Fließstrecke<br />

verlängert wird, Gräben angestaut werden (Verflachung <strong>des</strong> Hydraulischen<br />

Gradienten) oder sich wasserspeichernde und den Oberflächenabfluss dämpfende<br />

Vegetation entwickelt.<br />

Der Hochwasserschutz nimmt auch in Sachsen einen besonderen Stellenwert ein,<br />

vor allem seit dem Hochwasser im Sommer 2002.<br />

Auch in Hinblick auf den Klimaschutz müssen <strong>Moore</strong> betrachtet werden. So<br />

fungieren naturnahe <strong>Moore</strong> als Kohlenstoffsenke, entwässerte <strong>Moore</strong> emittieren<br />

durch oxidative Torfversetzung CO 2 (Kohlenstoffquelle). Nicht entwässerte<br />

<strong>Moore</strong> besitzen C- Bindungsraten von 300kg/ha*a. Dagegen geben entwässerte<br />

<strong>Moore</strong> mehrere Tonnen Kohlenstoff in Form von CO 2 an die Atmosphäre ab<br />

(SUCCOW & JOOSTEN, 2002). Diese große Menge kommt durch die<br />

Jahrt<strong>aus</strong>endelange Akkumulation von Kohlenstoff zustande.<br />

Entwässerten <strong>Moore</strong>n tragen durch Sauerstoffzutritt und Mineralisation der<br />

organischen Substanz zu einer erheblichen Eutrophierung von Grund- und<br />

Oberflächenwasser bei. Wiedervernässungs- und Extensivierungsmaßnahmen<br />

führen langfristig zu einer Reduktion der Phosphat- und Stickstoff<strong>aus</strong>träge<br />

(WAGNER & WAGNER 2003). Einige Talsperrenbetreiber befürchten, dass<br />

durch die Wiedervernässung der <strong>Moore</strong> Huminsäuren <strong>aus</strong>gewaschen werden und<br />

in die Talsperren gelangen könnten (Versauerung).<br />

Renaturierung von <strong>Moore</strong>n<br />

Aufgabe der Renaturierung ist es, durch Nutzungseinflüsse überprägte <strong>Moore</strong> in<br />

einen naturnäheren <strong>Zustand</strong> zu überführen. Dies erfolgt durch schrittweise<br />

Annäherung an einen naturnäheren als den heutigen <strong>Zustand</strong> (WAGNER &<br />

WAGNER 2003).<br />

Die Maßnahmen sollen nur einen ersten Impuls setzen. Der Erfolg der<br />

Renaturierungsmaßnahme ist abhängig von der Ausgangssituation. Ziel der<br />

Renaturierung ist ein Torf bilden<strong>des</strong>, intaktes Moor. Dies kann nur über längere<br />

Zeiträume erreicht werden. So braucht es 1000 Jahre damit 1m Torf<br />

nachgewachsen ist (Regeneration). Auch mit Renaturierungsmaßnahmen<br />

beschleunigt sich dieser Vorgang nicht wesentlich. In <strong>Moore</strong>n, deren<br />

moortypische Arten stark reduziert wurden, wird sich auch nach Vernässung<br />

insgesamt keine naturnahe Situation mit den ursprünglichen charakteristischen<br />

Arten ergeben (WAGNER & WAGNER 2003).


10 Sabrina Scharf<br />

Die Maßnahmenkonzepte können sowohl ökotechnische Maßnahmen zur<br />

Beeinflussung <strong>des</strong> Wasserh<strong>aus</strong>haltes als auch forstliche Eingriffe zur Steuerung<br />

der Gehölzentwicklung beinhalten (ZINKE 2002).<br />

Zu den ökotechnische Maßnahmen zur Beeinflussung <strong>des</strong> Wasserh<strong>aus</strong>haltes<br />

gehören das Anstauen von Gräben und Grabenverfüllungen. Sie zielen auf die<br />

Wiederherstellung der Speisung <strong>aus</strong> dem Einzugsgebiet (insbesondere die<br />

Verhinderung von Wasserableitungen durch oberhalb <strong>des</strong> <strong>Moore</strong>s verlaufende<br />

Gräben), den Rückhalt <strong>des</strong> Wassers im Moor, die Erhöhung <strong>des</strong> Wassergehaltes<br />

im Torfkörper und die Förderung der Randsümpfe (SUCCOW & JOOSTEN<br />

2002). Renaturierung im Sinne der Wiederherstellung der ursprünglichen<br />

hydrologischen Bedingungen ist nur im begrenzten Maße möglich (WAGNER &<br />

WAGNER 2003). Dies liegt an den durch die Entwässerung eintretenden<br />

Veränderungen, wie z. B. die physikalischen Eigenschaften der Torfe. Der<br />

Grobporenanteil nimmt ab, Folge sind größere Moorwasserschwankungen,<br />

geringeres Speichervolumen und verändertes Abfluss- und<br />

Verdunstungsverhalten. Die hydrologische Sanierung eines <strong>Moore</strong>s ist als<br />

langfristiger Prozess zu sehen, der zu einem naturnäheren, aber nicht<br />

ursprünglichen <strong>Zustand</strong> führt. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: die<br />

vollständige Grabenfüllung mit wenig durchlässigen Torfen, Torfdämme mit und<br />

ohne Stammholzkonstruktion oder mit einer zusätzlichen Dichtung. Die<br />

vollständige Grabenverfüllung ist die optimale Wiedervernässungstechnik, aber<br />

nur wenn die Materialbeschaffung von außen vertretbar ist.<br />

Forstliche Pflegeeingriffe erfolgen insbesondere auf mit fremdländischen<br />

Baumarten aufgeforsteten vorentwässerten <strong>Moore</strong>n. Sie sind auf die Förderung<br />

und Strukturierung der natürlichen Moorwaldvegetation bei schrittweiser<br />

Zurückdrängung der fremdländischen Arten gerichtet (Zinke 2002). Nach<br />

Wiedereinstellung eines hohen Wasserstan<strong>des</strong> erübrigen sich die<br />

Gehölzentnahmen, da es durch die verminderte Standfestigkeit der Fichten zu<br />

Würfen und damit zur Bildung von Offenflächen führt. Hier können sich dann an<br />

nässe angepasste Arten wie die Moorbirke ansiedeln.<br />

Zusammenfassung<br />

• Die <strong>Moore</strong> im Erzgebirge sind stark anthropogen beeinflusst (Entwässerung,<br />

Nutzung, Immissionen)<br />

• <strong>Moore</strong> benötigen Jahrt<strong>aus</strong>ende um ihre Torfmächtigkeit von einigen Metern zu<br />

erreichen, durch Nutzung wurden sie in wenigen hundert Jahren (manchmal nur<br />

Jahrzehnte) zerstört, für ihre Regeneration werden sie wieder Jahrt<strong>aus</strong>ende<br />

benötigen.<br />

• Auch mit Renaturierung werden die <strong>Moore</strong> ihren ursprünglichen <strong>Zustand</strong> nicht<br />

zurückerlangen.<br />

• <strong>Moore</strong> sind wichtig für Natur-, Hochwasser- und Klimaschutz


<strong>Heutiger</strong> <strong>Zustand</strong> <strong>erzgebirgischer</strong> <strong>Moore</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> 11<br />

Literatur<br />

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<strong>des</strong> Erzgebirges, <strong>aus</strong> Ökologie und Schutz der Hochmoore im Erzgebirge, Seite 31-71<br />

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Entwicklungsgrundsätze für erzgebirgische Hochmoore. <strong>aus</strong> Ökologie und Schutz der<br />

Hochmoore im Erzgebirge, Seite 10-31<br />

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Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 2.Aufl., 622 S.<br />

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Berlin, 2.Aufl., 268 S.<br />

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Bayerisches Lan<strong>des</strong>amt für Umweltschutz<br />

(http://www.bayern.de/lfu/bestell/niedermoorrenaturierung_leitfaden.pdf)<br />

ZINKE P. (2002): Nutzungsgeschichte, <strong>Zustand</strong> und Revitalisierung der <strong>Moore</strong> im<br />

Erzgebirge. TELMA, Band 32, Seite 267-280

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