marken - Absatzwirtschaft
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TiTelsTory Digitale Markenführung<br />
Wer führt<br />
Autorin: Vera Hermes<br />
Die Digitalisierung macht dem Sender-Empfänger-Modell den<br />
Garaus. Jeder Internetnutzer ist ein potenzielles Massenmedium.<br />
Markenführung nach Old-School-Manier – einer spricht die<br />
Botschaft, viele folgen – funktioniert nicht mehr. Stattdessen<br />
wird Zuhören zur wichtigsten Aufgabe des Markenmanagers.<br />
34 absatzwirtschaft – Marken 2011
die Marke?<br />
© gettyimages<br />
absatzwirtschaft – Marken 2011 35
TiTelsTory Digitale Markenführung<br />
Riesenerfolg mit dem Spot „The Force“: Mit einem Mix aus TV<br />
und Youtube erreicht VW ein Millionenpublikum.<br />
Männer wie Bill Costello sind ein Glücksfall für Marken.<br />
Bill Costello hat den Film „a BMW motorcycle story“ auf<br />
Youtube gestellt, eine 3,41 Minuten lange Hommage an<br />
seinen Vater und dessen 58er BMW R50. Der hinreißende<br />
Film zeigt, wie Costello und seine Freunde das alte Motorrad<br />
restaurieren. brandchannel.com kommentierte: „It is the<br />
greatest brand-building commercial of all time and BMW<br />
should buy rights to it immediately and show it all over the<br />
world forever.“<br />
In Bill Costello haben die Markenstrategen von BMW einen<br />
Verbündeten. Er hat, wenn man so will, mit seinem Film<br />
ihren Job gemacht. Nur besser. Denn nichts und niemand<br />
ist glaubwürdiger als ein Kunde, der sich freiwillig zum<br />
Markenbotschafter macht.<br />
Das Ende der traditionellen Markenführung ist besiegelt,<br />
glaubt Dr. Klemens Skibicki, Professor für Marketing und<br />
Marktforschung an der Cologne Business School: „Marketer<br />
müssen sich von dem Gedanken verabschieden, dass sie<br />
eine Marke steuern oder führen oder inszenieren können.“<br />
In einer Kommunikationswelt, in der dank Youtube und<br />
Twitter, Blogs und Facebook jeder Internetnutzer ein Massenmedium<br />
ist, könnten Marketer die Marke nicht mehr<br />
kontrollieren. „Marke ist, was die Kunden über die Marke<br />
sagen, und nicht das, was Marketer beschließen, dass die<br />
Marke ist“, konstatiert Skibicki. Höchste Produktqualität<br />
ist dabei kein Differenzierungsmerkmal mehr, sondern<br />
Grundvoraussetzung. Wer Mittelmäßiges bietet, besteht<br />
Hommage für ein Motorrad: Bill Costellos emotionaler Youtube-Spot<br />
trifft ins Herz der BMW-Fans.<br />
in der vernetzen Konsumentenwelt nicht lange. Auch wer<br />
in der Markenkommunikation lügt, übertreibt oder beschönigt,<br />
wird fix entlarvt. „Internet-User haben immer<br />
und überall Zugriff auf die Meinung von Menschen, denen<br />
sie mehr vertrauen als der Werbung und klassischen<br />
Kommunikationskanälen“, sagt Skibicki. „Die wichtigste<br />
Frage lautet deshalb: Was dringt zum User durch? Wenn<br />
Marken relevant sind, werden sie zum User finden, denn<br />
seine Freunde werden ihm von der Marke erzählen.“<br />
Auf dieses Prinzip setzt künftig das Unternehmen Otto:<br />
Es will in diesem Jahr den Facebook-Button „Gefällt mir“<br />
in seine Website integrieren. Die Hamburger tun gut daran,<br />
denn nichts wird den Erfolg einer Marke künftig so<br />
stark beeinf lussen wie der sogenannte Open Graph von<br />
Facebook, sagen Web-Marketer. Das „offene Protokoll“<br />
des größten sozialen Networks eröffnet Marketern zwei<br />
Chancen. Erstens: Es ermöglicht Empfehlungsmarketing in<br />
höchster Geschwindigkeit und innerhalb höchst relevanter<br />
Zielgruppen. Zweitens: Es bietet eine immense Fülle an<br />
Customer-Insights, weil es Zugriff auf eine nie gekannte<br />
Masse vernetzter privater Daten erlaubt – was, nebenbei<br />
bemerkt, die Datenschützer um den Schlaf bringt.<br />
Markiert ein Facebook-Mitglied – das im Durchschnitt 130<br />
Freunde zählt – ein Produkt, einen Service oder einen Inhalt<br />
mit einem Klick auf den Gefällt-mir-Button, erscheint<br />
diese Empfehlung sofort auf seinem Facebook-Profil und<br />
geht an alle, die den dazugehörigen News-Feed empfangen.<br />
»Marketer müssen sich von dem<br />
Gedanken verabschieden, dass sie<br />
eine Marke steuern oder führen<br />
oder inszenieren können.«<br />
Marketingprofessor Dr. Klemens Skibicki diagnostiziert das Ende der Markenführung, wie wir sie kennen.<br />
36 absatzwirtschaft – Marken 2011
TiTelsTory Digitale Markenführung<br />
Grundsätzlich ändert sich Markenführung durch Digitalisierung<br />
nicht, sagt Alexander Rauch, Strategy Director von Interbrand.<br />
Damit machen die Mitglieder ihre Vorlieben öffentlich:<br />
Ob Filme, Musik oder Bücher, Fotos oder Freunde, Gruppenzugehörigkeiten,<br />
Pinnwandeinträge oder Videos: „Der<br />
Open Graph verfügt über Daten von rund 600 Millionen<br />
Nutzern. Die Datenqualität ist sehr hoch, weil die Nutzer<br />
in der Regel korrekte Angaben machen“, sagt Dr. Andreas<br />
Bersch, Geschäftsführer der Social-Media-Agentur Berliner<br />
Brandung, die als einzige deutsche Agentur als „Facebook<br />
Preferred Developer Consultants“ zertifiziert ist.<br />
Wer nach digitaler Markenführung fragt, bekommt derzeit<br />
sämtlich Antworten, die von Social Networks, Fans und Followern<br />
handeln. „Kommunikation ist die Killer-Applikation<br />
des Internets – und die findet jetzt in Social Networks statt“,<br />
sagt Holger Maaß, Chef der Internetmarktforschung Fittkau<br />
& Maaß Consulting in Hamburg.<br />
Diverse Erhebungen belegen, dass sich die Internetnutzung<br />
in soziale Netzwerke verschiebt. Und dass die Internetnutzung<br />
mobil wird. 2015, prognostizieren Anbieter, wird<br />
jedes Handy ein Smartphone sein. Damit tragen die User<br />
ihr Netzwerk immer am Körper.<br />
Die E-Mail indes bezeichnen wohlwollende Nachwuchsmarketer<br />
als Old-School- oder Ozzy-Osbourne-Medium, die<br />
radikaleren erklären den elektronischen Brief gleich für tot.<br />
Suchmaschinenmarketing? Wird sich stark wandeln, weil<br />
Facebook Google als Suchmaschine ablösen wird, sagen Digital<br />
Natives. Banner? Werden immer penetranter, deshalb<br />
aber nicht effektiver, so die Antwort. Unternehmenseigene<br />
Websites? Gut und schön, aber nur dann relevant, wenn sie<br />
hochgradig interaktiv sind, heißt es.<br />
Die Ingredienzien der Markenführung im Web heißen Interaktivität,<br />
Authentizität, Transparenz, Glaubwürdigkeit,<br />
Beziehungsauf bau. Digitale Markenführung, so die herrschende<br />
Meinung, muss sich darauf fokussieren, die User<br />
zu Fans, Empfehlern und Markenbotschaftern zu machen.<br />
„Die Grundlagen der Markenführung ändern sich durch<br />
die Digitalisierung nicht: Für Marken geht es weiterhin<br />
darum, relevante Angebote zu machen und glaubwürdig<br />
und differenzierend zu sein. Für diejenigen, die geglaubt<br />
38 absatzwirtschaft – Marken 2011<br />
»Für diejenigen, die geglaubt<br />
hatten, Marke ist gleich Werbung,<br />
bricht mit den neuen digitalen<br />
Kommunikationskanälen eine<br />
Welt zusammen.«<br />
DiE 25 bEliEbtEstEn DEutschEn MArkEn<br />
bEi FAcEbook<br />
Platz Marke / UnternehMen Fans Per<br />
25. 02. 2011<br />
1 Kinder Riegel 259 010<br />
2 Starbucks Deutschland 253 871<br />
3 Nike Football deutsch 237 927<br />
4 Vapiano 185 144<br />
5 OTTO 169 502<br />
6 McDonald’s Deutschland 160 049<br />
7 Nutella Deutschland 139 510<br />
8 EA SPORTS FIFA<br />
Offizielle deutsche Seite<br />
119 899<br />
9 Subway Deutschland 111 067<br />
10 Audi Deutschland 105 098<br />
11 Esprit DE 102 292<br />
12 Capri-Sonne 92 717<br />
13 dm-drogerie markt Deutschland 88 389<br />
14 Therme Erding 83 509<br />
15 Ferrero Küsschen 70 316<br />
16 Labello Deutschland 66 634<br />
17 Assassin’s Creed<br />
Offizielle deutsche Seite<br />
66 633<br />
18 Vodafone Deutschland 65 260<br />
19 Xbox DE 61 222<br />
20 5 Gum Germany 55 660<br />
21 AXE Effekt 52 237<br />
22 Yves Rocher Deutschland 51 390<br />
23 Parfümerie Douglas 49 124<br />
24 Erleben, was verbindet (Telekom) 46 971<br />
25 BlackBerry Deutschland and Österreich 46 741<br />
Erläuterung: Unter „deutschen“ Seiten sind Fanpages in deutscher<br />
Sprache erfasst. Eine deutsche Marke (Nutella) mit einer internationalen<br />
Seite ist darum nicht erfasst.
hatten, Marke ist gleich Werbung, bricht mit den neuen<br />
digitalen Kommunikationskanälen eine Welt zusammen.<br />
Für alle anderen ergeben sich weitere Kontaktpunkte zur<br />
Zielgruppe“, relativiert Alexander Rauch, Strategy Director<br />
bei der Markenberatung Interbrand in Köln.<br />
Es gilt, den Kunden zuzuhören, aus dem Gehörten zu lernen<br />
und dann die Ressourcen zu schaffen, sich aktiv am<br />
Dialog zu beteiligen. „Denn sonst werden andere Marken<br />
die Chance nutzen, in den tieferen Dialog einzusteigen, und<br />
sich Wettbewerbsvorteile verschaffen“, so Rauch. Für ihn<br />
besteht kein Zweifel daran, dass das digitale Markenleben<br />
Werte schafft, wenn die Themen und Botschaften <strong>marken</strong>konsistent<br />
und die Maßnahmen aus der ganzheitlichen<br />
Markenstrategie abgeleitet sind. Beispiele wie Old Spice oder<br />
die schon zu Kultstatus gelangten „Will it blend“-Mixer-<br />
Spots von Blendtec auf Youtube zeigen, dass ein dauerhaftes<br />
Social-Media-Engagement umsatzsteigernd wirken kann.<br />
Wobei, das sei hinzugefügt, Old Spice parallel zu seiner<br />
Web-Kampagne mit einer aggressiven Promotion warb, was<br />
den Verkaufserfolg enorm bef lügelte.<br />
Markenexperten halten genau solch eine fruchtbare Mischung<br />
aus Web und Point of Sale für zukunftsweisend.<br />
Verlieren die traditionellen Medien künftig an Bedeutung<br />
– und davon kann man ausgehen –, wird es für Marken<br />
schwieriger, Botschaften im Mass-Marketing-Stil abzusetzen.<br />
„Deshalb das Internet zum neuen Star zu erklären, ist<br />
zu kurz gesprungen“, warnt Christoph Prox, CEO von Icon<br />
Added Value in Nürnberg. Insbesondere Low-Involvement-<br />
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Marken stehen vor dem Dilemma, dass sie über die alten<br />
Medien ihre Zielgruppen nicht mehr erreichen und in den<br />
neuen Medien von ihren Zielgruppen nicht aufgesucht<br />
werden, und da kommt laut Prox das PoS-Marketing ins<br />
Spiel: „Off line bleibt wichtig, der Point of Sale wird zum<br />
zentralen Touchpoint, im Servicebereich genauso wie bei<br />
Konsumgütern.“ Er prognostiziert, dass das <strong>marken</strong>bildungs-<br />
und abverkaufsfördernde Shopper-Marketing in der<br />
Markenführung deutlich an Stellenwert gewinnt.<br />
Wie sich ein „altes“ Massenmedium und das Social Web<br />
hervorragend ergänzen, stellte unlängst der Autobauer<br />
VW unter Beweis: Monate vor dessen Markteinführung in<br />
den USA präsentierte VW den schönen Spot „The Force“<br />
für den neuen Passat. Zuerst stellte VW den Spot ins Web.<br />
Drei Tage später lief er in der Werbepause des Super Bowl,<br />
des Fernsehereignisses mit den höchsten Einschaltquoten<br />
(und den teuersten Werbezeiten) in den USA. 110 Millionen<br />
Zuschauer sahen, wie der kleine Junge im Darth-Vader-<br />
Kostüm den neuen Passat zum Leben erwecken will. Einen<br />
Tag nach dem Spiel belegte VW den Haupt-Werbebanner<br />
auf Youtube. Dort wurde der Film allein bis Mitte Februar<br />
30,23 Millionen Mal aufgerufen und ist damit laut VW der<br />
am meisten „geteilte“ Spot in der Kategorie Cars & Vehicles<br />
aller Zeiten. Das Ziel, den Passat einem sehr breiten US-<br />
Publikum bekannt zu machen und die Marke Volkswagen<br />
emotional aufzuladen, ist dank einem exzellenten Spot und<br />
dem Mix aus TV und Social Web geglückt.
TiTelsTory Markenführung<br />
noch irren viele Marken durch die sozialen Netzwerke,<br />
in vielen Marketingabteilungen ist Aktionismus ausgebrochen.<br />
Laut Facebook-Profi Bersch agieren viele Marketer<br />
in Web-1.0-Manier: Sie präsentieren Produkt- statt<br />
Themenwelten. Das funktioniert nicht, denn die sozialen<br />
Netzwerke sind so etwas wie das Wohnzimmer der User, sie<br />
loggen sich dort ein, um sich privat auszutauschen – und<br />
nicht, um Zahnbürsten oder Brühwürfel oder Lebensversicherungen<br />
zu kaufen. „Viele nutzen das neue Medium mit<br />
alten Inhalten, was im schlimmsten Fall bedeutet, dass das<br />
Geld verbrannt ist“, warnt Bersch. Benedikt Jahn, wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Marketing an der<br />
LMU München, promoviert zur „Markenkommunikation in<br />
sozialen Netzwerken“ und analysiert dafür das Geschehen<br />
auf deutschen Fanpages. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich<br />
Interaktion mit Kunden auszahlt. „Über Fanpages kann es<br />
»Das Ende des Monologs«<br />
Die Fragen stellte Vera Hermes<br />
Der Soziologe und Markenforscher<br />
Professor Dr. Kai-Uwe Hellmann<br />
von der Helmut-Schmidt-Universität<br />
in Hamburg über Trägheitseffekte,<br />
Agentur-Murks und intelligente<br />
Etatverteilung.<br />
Welche Rolle spielen digitale Touchpoints<br />
in der Markenführung?<br />
KAI-UWE HEllMANN: Das kommt<br />
auf die Generation an: Wer schon als<br />
Kind mit dem Internet aufgewachsen ist, kennt es nicht anders.<br />
Die ältere Generation nimmt das digitale Zeitalter zwar wahr und<br />
lebt damit, aber ihre Gewohnheiten sind noch von anderen Medien<br />
geprägt.<br />
Für Jüngere hat Markenführung in erster linie mit dem Internet<br />
zu tun. Sie gucken kaum noch Fernsehen und vergleichen andere<br />
Medien primär mit dem Internet. Das Internet ist ihr leitmedium,<br />
ist der Pacemaker und setzt die Standards.<br />
Hält die Markenkommunikation mit dieser Entwicklung Schritt?<br />
HEllMANN: Wir beobachten seit mehr als zehn Jahren einen<br />
heißen Kampf um die Etats und mussten in dieser Zeit enorm<br />
viel Unfug lesen. Es ist viel Murks gemacht worden, weil Agenturen<br />
wie Unternehmen nicht wussten, wie sie mit dem Internet umgehen<br />
sollten. Jetzt tritt eine Konsolidierung ein: Weg von Print-<br />
und TV-Agenturen hin zu Digital-Agenturen. Die Jüngeren<br />
bringen die Agenturen auf Vordermann, denn sie wissen, was geht<br />
und was nicht. Dieser Agenturumbau ist ein wichtiges Indiz dafür,<br />
dass digitale Markenführung jetzt umgesetzt und von immer mehr<br />
Unternehmen gewollt wird.<br />
Ist es heute einfacher, reine Online-Marken zu führen?<br />
HEllMANN: Mit Google oder iTunes gibt es Unternehmens<strong>marken</strong>,<br />
die allein im Internet existieren. Solche Marken haben<br />
40 absatzwirtschaft – Marken 2011<br />
gelingen, neue Fans zu gewinnen und bestehende Fans zu<br />
aktivieren und zu aktiven Markenbotschaftern auch über<br />
die Fanpage hinaus zu machen“, so der Doktorand.<br />
Wer user zu Fans machen will, muss sie entweder unterhalten<br />
oder mit nützlichen Informationen versorgen. Und er<br />
muss den Dialog eröffnen und Beziehungen auf bauen, die<br />
Marke lebendig halten und authentisch sein. Markenführung<br />
ist mit der Digitalisierung schneller und anspruchsvoller<br />
geworden. Die Markenstrategen müssen ihre Marke<br />
teilen und aufmerksam aufpassen, was mit ihr im Web<br />
passiert. Das ist anstrengend, bereichert aber auch. Siehe<br />
Bill Costello. Einen Weg zurück in eine alte Markenwelt mit<br />
Sender-Empfänger-Modell, da sind sich alle einig, wird es<br />
nicht geben. Die vernetzte Kommunikation ist kein Hype à<br />
la Second Life, sondern die Killer-Applikation des Web. ←<br />
im Vergleich zu Offline-Marken hohe Freiheitsgrade, sind aber<br />
auch einem hohen Druck ausgesetzt. Entweder sie bestehen oder<br />
sie gehen unter. Es gab unter den rein Web-basierten Marken<br />
einige Erfolge, aber viel mehr Misserfolge.<br />
Misserfolge fürchten auch die offline aufgebauten Marken bei<br />
ihren neuen digitalen Aktivitäten, warum?<br />
HEllMANN: Bei Marken greifen – wie bei Menschen – Trägheitseffekte:<br />
Alter beschwert, macht langsam, die lernfähigkeit<br />
nimmt ab. Weil viele Unternehmen sich der Offline-Welt verhaftet<br />
fühlen, hat es so lange gedauert, bis sie im Internet aktiv<br />
wurden. Offline-Marken wissen nicht mit der Unkontrollierbarkeit<br />
im Internet umzugehen, denn sie haben jahrzehntelang das Monologische<br />
gepflegt. In der Offline-Welt können sie sich das<br />
Dialogisch-Interaktive vom Hals halten. Das geht im Web nicht.<br />
Viele Marketer orientieren sich noch an ihren Offline-Erfolgen<br />
und legen aufgrund dieser Erfolge eine gewisse Arroganz an den<br />
Tag. Das wird sich ändern, auch weil sich die Führungsmannschaften<br />
ändern. Gerade im Marketing rücken Jüngere nach.<br />
Was hat denn in der Offline-Markenführung noch Geltung?<br />
HEllMANN: TV und Zeitschriften werden nicht verschwinden,<br />
aber das Internet gewinnt gesellschaftsweit an Bedeutung. Es gibt<br />
Marken, die auf das direkte Kundengespräch angewiesen sind,<br />
zum Beispiel teure Produkte mit starker sinnlicher Qualität. Die<br />
brauchen die Offline-Welt. Die Frage ist auch: Wie viel kann das<br />
Internet simulieren? Sie werden zum Beispiel Reisen nach wie vor<br />
offline antreten müssen, also braucht der Reiseanbieter eine starke<br />
Offline-Präsenz.<br />
Alle Marken müssen im Internet präsent sein, aber erschöpft sich<br />
für alle Marken die Präsenz im Internet? Das halte ich für ausgeschlossen.<br />
Unternehmen müssen darauf achten, beim Kauf den<br />
Kundenerwartungen zu entsprechen. Das ist die Offline-Welt. Es<br />
wäre fatal, den Etat komplett in digitales Marketing umzuschichten.<br />
Es wird darum gehen, den Etat intelligent zu verteilen. ←