I/99 - Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule e.V. ...
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<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen<br />
I/<strong>99</strong><br />
K 8196 F<br />
Schwerpunktthema:<br />
Was sollen Kinder in der Schule lernen?<br />
Eine Arbeit aus dem Plakatwettbewerb<br />
Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“ .. Seite 4<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben? ....................................... Seite 11<br />
Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr .............. Seite 32<br />
Weiterbildungsprogramm für das III. Quartal 1<strong>99</strong>9............ Seite 51
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
<strong>Gesamtschule</strong><br />
I/<strong>99</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen<br />
Herausgeber:<br />
und<br />
Redaktion:<br />
Beiträge bitte<br />
einsenden an:<br />
Bilder aus dem<br />
Plakatwettbewerb<br />
der GGG<br />
- II -<br />
Impressum<br />
Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen e.V.<br />
Landesverband der<br />
<strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />
FORUM ELTERN UND SCHULE,<br />
AUSTAUSCH UND BEGEGNUNG<br />
Weiterbildungseinrichtungen der GGG NW,<br />
(Anschrift wie Verleger)<br />
Jürgen Theis<br />
<strong>Gemeinnützige</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />
Huckarder Str. 12<br />
44147 Dortmund<br />
Telefon: (0231) 14 80 11 - Fax: (0231) 14 79 42<br />
Internet: http://www.GGG-NRW.de/<br />
E-Mail: GGG@Hagen.de<br />
Sylvia Schüler/Elisabeth Feindt/Anne Rosahl (Jg. 7), Hildesheim<br />
[Titelseite], Jan Bruder (Jg. 11), Neumünster [Seite<br />
4], Lisa Frisch (Jg. 7), Hildesheim [Seite 10]<br />
Zeichnung: Sydney Harris (American Scientist) [Seite 43]<br />
Erscheinungsweise: Das Info erscheint viermal im Jahr.<br />
Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten,<br />
ansonsten beträgt er DM 2,- pro Ausgabe.<br />
Verleger: Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen e.V.<br />
Landesverband der<br />
<strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />
Huckarder Str. 12<br />
44147 Dortmund<br />
Telefon: (0231) 14 80 11 - Fax: (0231) 14 79 42<br />
Druck:<br />
Montania-Druck GmbH, Dortmund<br />
Satz:<br />
Eigensatz<br />
Auflage: 2.500<br />
Ausgabedatum: 01.03.<strong>99</strong>
im Internet!<br />
Seit Mitte Juni 1<strong>99</strong>6 sind aktuelle und nützliche Informationen<br />
aus den <strong>Gesamtschule</strong>n und für <strong>Gesamtschule</strong>n unter<br />
der folgenden Adresse im Internet erreichbar:<br />
http://www.GGG-NRW.de/<br />
Beachtenswert ist insbesondere der<br />
GGG-Download-Service.<br />
(Übersicht auf Seite 44 in diesem Heft!)<br />
- III -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
GGG-Landesverband NW (Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in NRW e.V.),<br />
Huckarder Str. 12, 44147 Dortmund<br />
PVSt - Deutsche Post AG - Entgelt bezahlt K 8196 F<br />
- IV -
Inhalt<br />
Aus der Arbeit der GGG -----------------------------------------------------------------2<br />
In eigener Sache ... ----------------------------------------------------------------------2<br />
Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“ ------------------------4<br />
GGG-Landesvorstand:<br />
Schreiben an Ministerpräsident Clement----------------------------------------5<br />
Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI -----------------------------------------------9<br />
Ein Informationsblatt mit einer ausführlicheren Gegenüberstellung der<br />
alten und der neuen Regelung für die Abschlüsse am Ende der<br />
Sekundarstufe I der <strong>Gesamtschule</strong> ist Anfang Februar an die<br />
<strong>Gesamtschule</strong>n des Landes verschickt worden. Es kann auch bei der<br />
GGG-Geschäftsstelle angefordert werden. ---------------------------------- 10<br />
Gespräch zwischen GGG und Schulministerin---------------------------------- 10<br />
Aktuelle Bildungspolitik----------------------------------------------------------------- 11<br />
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben? ----------------------------------------------- 11<br />
Annemarie von der Groeben:<br />
Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr ------------------------------ 32<br />
Anhörung im Landtag:<br />
Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer<br />
sich wandelnden Arbeitswelt bestehen können ------------------------------ 36<br />
Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n ------------------------------------------------- 40<br />
Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />
Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?-------------------------- 40<br />
Jürgen Theis:<br />
Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren ----------------------- 42<br />
GGG-Download-Service --------------------------------------------------------------- 44<br />
GGG-Druckschriften-------------------------------------------------------------------- 47<br />
Forum-Materialien------------------------------------------------------------------------ 49<br />
Weiterbildung bei der GGG ----------------------------------------------------------- 51<br />
Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />
(III. Quartal 1<strong>99</strong>9) --------------------------------------------------------------- 51<br />
Anmeldeformular -------------------------------------------------------------------- 53<br />
Anforderung von Einzelprogrammen ------------------------------------------ 53<br />
Beitrittserklärung ------------------------------------------------------------------------- 55<br />
- 1 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit der GGG<br />
AUS DER ARBEIT DER GGG<br />
In eigener Sache ...<br />
Die GGG ist umgezogen – im Internet<br />
Viele Leute hatten sich gerade daran gewöhnt, dass unter<br />
„www.Hagen.de/GGG“<br />
viele interessante Informationen und Kontakte zu finden waren:<br />
• Aktuelle bildungspolitische Meldungen<br />
• Stellungnahmen zu neuen Lehrplänen<br />
• Informationen über die aktuelle Qualitätsdiskussion<br />
• Das Neueste zu TIMSS, BiJu, PISA und Verwandtes<br />
• Adressen der <strong>Gesamtschule</strong>n in NRW<br />
• Angebote zur Weiterbildung (mit Anmeldeformular)<br />
• Angebote über Druckschriften (mit Bestellmöglichkeiten)<br />
• … …<br />
Dies Angebot soll auch in Zukunft bleiben und ausgebaut werden.<br />
Wer die GGG in den letzten Wochen im Internet besucht hat hat, wird es wohl<br />
schon gemerkt haben:<br />
Die GGG-Seiten haben jetzt die neue Adresse<br />
- 2 -<br />
http://www.GGG-NRW.de/<br />
Warum soll oder muss die GGG denn jetzt eine neue Internet-Adresse haben?<br />
Es gibt hierfür in der Tat mehrere triftige Gründe:<br />
1. Das Internet-Angebot auf unserem Server ist eine Dienstleistung für die<br />
<strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen – dies sollte daher auch in dem<br />
Namen der Domäne deutlich werden. (Die GGG zieht sozusagen vom<br />
Mehrfamilienhaus ins Eigenheim um)<br />
2. „Dienstleistung für die <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen“: Dies bedeutet,<br />
unser Angebot gilt einerseits nicht nur für Hagen - wie man vielleicht<br />
fälschlich aus der bisherigen Adresse schließen konnte - es kann aber<br />
auch nicht Rücksicht auf Regelungen und Sprachgebrauch in anderen<br />
Bundesländern nehmen – wie die Absenderinnen und Absender mancher<br />
Anfragen vielleicht erwarten.<br />
3. Zwischen der Stadt Hagen und dem „Provider“ unserer Internet-Seiten,<br />
dem gemeinnützigen Verein „InterNett Hagen e.V.“ wurde inzwischen<br />
Einvernehmen darüber erzielt, dass der Verein seine erfolgreiche Arbeit<br />
für Kultur und Bildung mit Unterstützung der Stadt weiterführen kann. Die
In eigener Sache ...<br />
Angebote unter der Adresse „www.Hagen.de“ sollen sich dabei aber<br />
vorrangig auf Veranstaltungen und Einrichtungen in Hagen beziehen.<br />
4. Die technische und organisatorische Betreuung unserer Seiten ist von diesem<br />
„Umzug“ nicht betroffen; die Technik wird weiterhin von „InterNett<br />
Hagen e.V.“ bereitgestellt, die redaktionelle bleibt wie bisher bei mir.<br />
Der eigentliche Umzug fand in der Nacht vom 26. zum 27. Dezember 1<strong>99</strong>8 statt.<br />
Wie bei jedem Umzug gilt auch bei diesem:<br />
• Vieles kann „entsorgt“ werden, weil es überholt oder veraltet ist: z.B. Weiterbildungsangebote,<br />
die inzwischen gelaufen sind und nur Platz wegnehmen.<br />
• Einiges ging verloren: so wird auf Zugangszähler jetzt verzichtet, nachdem<br />
sie uns hinreichend Aufschlüsse über die Interessenlage unserer Partner gegeben<br />
haben.<br />
• Manches wurde verbogen oder sonstwie beschädigt: es kann durchaus sein,<br />
dass irgendwelche „Links“ nicht mehr funktionieren oder Grafiken nicht geladen<br />
werden. In solchen Fällen bitte ich dringend um Nachricht, damit der<br />
Schaden so schnell wie möglich geheilt werden kann.<br />
Ich hoffe, dass alle „Besucher“ unserer GGG-Seiten, alle Freundinnen und<br />
Freunde der <strong>Gesamtschule</strong> sich schnell auf die Änderungen einstellen. Selbstverständlich<br />
ist für eine Übergangszeit dafür gesorgt, dass jeder, der die alte Adresse<br />
anwählt, automatisch weitergeleitet wird.<br />
Und für Probleme, Hinweise oder Kritik: GGG@Hagen.de ist immer noch die<br />
richtige Adresse.<br />
Mit den besten Wünschen und Grüßen<br />
euer<br />
P.S. CU online?<br />
- 3 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit der GGG<br />
Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“<br />
Am 16. Januar 1<strong>99</strong>9 hat die Jury für den GGG-Plakatwettbewerb über die Sieger<br />
in den drei Altersgruppen (Jg. 5-7, Jg. 8-10, Jg. 11-13) entschieden. Es war<br />
nicht einfach, weil insgesamt fast hundert Arbeiten eingesandt wurden, darunter<br />
auch aus <strong>Gesamtschule</strong>n in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-<br />
Holstein.<br />
Die Preise wurden an folgende Schülerinnen und Schüler vergeben:<br />
Jg. Platz Name Schule Kl.<br />
5-7 1. Lisa Frisch Robert-Bosch-<strong>Gesamtschule</strong> Hildesheim 7<br />
2. Klasse 5b <strong>Gesamtschule</strong> Dahlwitz-Hoppegarten<br />
3. Nele Buchmann Toni-Jensen-Schule Kiel 6a<br />
8-10 1. Nadine Neelsen, <strong>Gesamtschule</strong> Faldera Neumünster 8<br />
Jana Peters<br />
2. Rafael Cichy <strong>Gesamtschule</strong> Waltrop 10<br />
3. Janina Bock <strong>Gesamtschule</strong> Brüggen 9c<br />
11-13 1. Jan Bruder <strong>Gesamtschule</strong> Faldera Neumünster 11<br />
Einige der eingesandten Arbeiten sind auch im Internet anzusehen, z.B. die Bilder<br />
unten und auf der Titelseite. (Hierbei konnten nicht vorrangig prämiierte Bilder<br />
berücksichtigt werden; vielmehr sind aus technischen Gründen zunächst nur<br />
eine mit Computer hergestellte Grafik und zwei kleinformatige Zeichnungen<br />
wiedergegeben.)<br />
- 4 -
GGG-Landesvorstand:<br />
Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />
GGG-Landesvorstand:<br />
Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,<br />
10. Dezember 1<strong>99</strong>8<br />
die GGG dankt Ihnen herzlich für Ihr Schreiben vom 19. November 1<strong>99</strong>8, in<br />
dem Sie ausführlich auf die Anliegen von Landesvorstand und Bundesvorstand<br />
der GGG eingegangen sind.<br />
Wir sind froh über die unmissverständliche Klarstellung bezüglich des Ihnen<br />
durch die „WELT” vom 12. September 1<strong>99</strong>8 zugeschriebenen Zitates. Wie wir<br />
Ihnen bereits schrieben, warten die <strong>Gesamtschule</strong>n auf eine klare Stellungnahme.<br />
Sehr dankbar sind wir auch für den Hinweis auf das erfreuliche Ergebnis der Untersuchung<br />
des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen: sie macht deutlich,<br />
dass manche Aussagen von Politikern und Befürchtungen von Eltern auf Vorurteilen<br />
beruhen. Wir werden daher Ihre Antwort verbreiten und den Schulen zur<br />
Kenntnis bringen.<br />
Angeregt durch Passagen Ihres Briefes möchten wir hier gerne einige Anmerkungen<br />
machen.<br />
Das Ziel „Chancengleichheit” darf nicht verloren gehen.<br />
Die Entstehung der <strong>Gesamtschule</strong> Ende der sechziger Jahre sowie ihre Gestaltung<br />
und Konzeption in den drei Jahrzehnten bis heute sind untrennbar verbunden mit<br />
der politischen Aufgabe, dem Ziel „Gleichheit der Bildungschancen” näher zu<br />
kommen. Es hat allerdings den Anschein, dass diese Aufgabe aus dem Zentrum<br />
der Bildungspolitik an deren Rand verschoben worden ist.<br />
Dass unser derzeitiges Schulwesen diesem Ziel nicht wesentlich näher ist als vor<br />
dreißig Jahren, wird beispielsweise eindrücklich im letzten Jahrbuch der Schulentwicklung<br />
1 dargelegt: der Schulabschluß der Jugendlichen hängt immer noch<br />
eng von der sozialen Stellung der Eltern ab 2 . Dies wird auch belegt durch die Ergebnisse<br />
der Untersuchung der Lernausgangslage von Schülerinnen und Schülern<br />
der fünften Klassen an Hamburger Schulen 3 : „Die Leistungen in sprachlichen<br />
Fertigkeiten, rechnerischen Fähigkeiten, im graphischen und strukturellen<br />
Orientierungsvermögen sind durchgängig von der sozioökonomischen Situation,<br />
1 H.-G. ROLFF u.a. (Hrsg.), Jahrbuch der Schulentwicklung, Bd. 10, 1<strong>99</strong>8;<br />
insbesondere dort: ROLF HANSEN / HERMANN PFEIFFER, Bildungschancen und soziale Ungleichheit<br />
(S. 51 ff.)<br />
2 a.a.O., Tabelle auf Seite 68<br />
3 durchgeführt von RAINER H. LEHMANN und RAINER PEEK, Humboldt-Universität Berlin<br />
- 5 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit der GGG<br />
in der die Kinder aufwachsen, abhängig.” 4 In dieser Woche wurde vom Deutschen<br />
Studentenwerk und dem Bonner Bildungsministerium die 15. Sozialerhebung<br />
„Das soziale Bild der Studentenschaft in der Bundesrepublik Deutschland“<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt. Wolf-Michael Catenhusen wies bei dieser Gelegenheit<br />
eindrücklich darauf hin, dass die Studie erneut die unverändert starke<br />
Abhängigkeit des Zugangs zur gymnasialen Oberstufe und zum Hochschulstudium<br />
von der sozialen Stellung der Familie belege; die Berliner Morgenpost berichtet<br />
am 9. Dezember 1<strong>99</strong>8: „Ein so hohe schichtenspezifische Selektion im<br />
allgemeinbildenden Schulwesen «kann weder zufriedenstellen noch hingenommen<br />
werden», meinte der SPD-Politiker.“<br />
Die Veröffentlichung von Vergleichsuntersuchungen über schulische Leistungen<br />
- gemeint sind dabei immer nur die Leistungen, die mit den Mitteln der Wissenschaft<br />
und unter vertretbarem finanziellen Aufwand meßbar sind! - suggeriert in<br />
der letzten Zeit zunehmend häufiger eine Bewertung von Schulformen und Schulen.<br />
Nach der Devise „Konkurrenz belebt das Geschäft” werden Schulen zur<br />
Durchsetzung und Bewährung auf dem Bildungsmarkt aufgefordert.<br />
Doch durch die Fixierung des Interesses auf vergleichende Leistungstests und<br />
Fachleistung, nicht zuletzt beschlossen durch die KMK Ende 1<strong>99</strong>7 in Konstanz,<br />
werden Impulse gesetzt, die allen Erkenntnissen der Schulqualitätsforschung zuwider<br />
laufen. Die Gesamtaussage der Schulqualitätsforschung lautet, dass Schulqualität<br />
nur zu erreichen ist, wenn die verschiedenen Ziele der schulischen Arbeit<br />
in ein Gleichgewicht gebracht werden und wenn nicht ein Ziel, auch nicht die<br />
Fachleistung, allen anderen übergeordnet wird.<br />
Genau dies geschieht aber, wenn durch Publikation von Ergebnissen (bzw. Teilergebnissen)<br />
wissenschaftlicher Untersuchungen eine Rangfolge zwischen Schulformen<br />
oder gar einzelnen Schulen präsentiert wird. Eltern geraten ständig unter<br />
Rechtfertigungsdruck, dass ihre Kinder diese Schule besuchen. Ein solches<br />
„ranking” kann auf Dauer nur dazu führen, dass gute Schulen besser und schlechte<br />
Schulen schlechter werden.<br />
Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass die <strong>Gesamtschule</strong> über ein<br />
Jahrzehnt mit dem Ziel erprobt wurde, bei Bewährung durch sie das herkömmliche<br />
Schulsystem in der Sekundarstufe I abzulösen - eine Situation, in der <strong>Gesamtschule</strong><br />
mit traditionellen Schulen in Konkurrenz steht, war nicht Gegenstand<br />
des Schulversuchs. Gesamtschulpraktiker haben fast unisono, aber leider erfolglos,<br />
vor Problemen gewarnt, die sich mit der Einführung der <strong>Gesamtschule</strong> als einer<br />
zusätzlichen Regel-Schulform ergeben, die das vollständig vorgehaltene dreigliedrige<br />
Schulsystem nur ergänzen, aber nicht ersetzen kann. Es darf heute nicht<br />
außer Acht bleiben, dass nach einer solchen Entscheidung an manchen Orten in<br />
4 zitiert nach Hansen / Pfeiffer, a.a.O., S. 80<br />
- 6 -
GGG-Landesvorstand:<br />
Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />
den <strong>Gesamtschule</strong>n Schülerinnen und Schüler, die einen besonderen Bedarf an<br />
Förderung, Zuwendung und Betreuung haben, deutlich überrepräsentiert sind.<br />
Diese Schulen verdienen nun alle Unterstützung und Würdigung ihrer überaus<br />
engagierten und pädagogisch erfolgreichen Arbeit – besonders auch durch die<br />
Landesregierung. Allerdings muss auch deutlich gesagt werden, dass der zunehmende<br />
Prozess der Ausgrenzung benachteiligter Kinder im traditionellen Schulwesen<br />
mit der bloßen Umwandlung von Hauptschulen in <strong>Gesamtschule</strong>n nicht zu<br />
bremsen ist. Die „Auszehrung” solcher Schulen ist programmiert. Eltern schätzen<br />
dies in der Regel richtig ein und wählen für ihr Kind eine „höherwertige” Schule.<br />
Problematisch für die <strong>Gesamtschule</strong> war in diesem Zusammenhang sicher auch<br />
das Abrücken der SPD von früheren klaren Aussagen zur <strong>Gesamtschule</strong><br />
- zumindest als der von der SPD erstrebten Schulform - und von dem Begriff der<br />
Chancengleichheit, der mit dem Ursprung der Gesamtschulidee so eng verbunden<br />
ist. Seit Abschluss der Schulversuche wurden die Aussagen zur <strong>Gesamtschule</strong> in<br />
den Parteiprogrammen der SPD in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene<br />
immer unbestimmter, was zwangsläufig als Abrücken interpretiert werden musste.<br />
Es scheint, dass ein gutes Maß an sozialdemokratischer Zielsetzung verloren<br />
zu gehen droht.<br />
In dem 1970 vom Deutschen Bildungsrat veröffentlichten „Strukturplan für das<br />
Bildungswesen” hieß es: „Gleichheit der Chancen wird in vielen Fällen nur durch<br />
Gewährung besonderer Chancen erreichbar sein.” 5 Wir sind der Meinung, dies<br />
sollte auch heute noch gelten – für benachteiligte Schülerinnen und Schüler genauso<br />
wie für Schulen und Schulformen, die sich dem schwierigen Geschäft einer<br />
„kompensatorischen” Bildung widmen.<br />
Die „Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit” ist eine<br />
Aufgabe, die für unsere <strong>Gesellschaft</strong> lebenswichtig ist.<br />
Sie appellieren an uns, in unserem „Engagement für eine konstruktive Weiterentwicklung<br />
der <strong>Gesamtschule</strong>n bei uns in Nordrhein-Westfalen nicht nachzulassen”.<br />
Die GGG versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1969 als Verband, in<br />
dem Eltern, Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler sowie Lehrerinnen und Lehrer organisiert sind, deren gesamtes<br />
Engagement auf die quantitative und qualitative Weiterentwicklung der<br />
<strong>Gesamtschule</strong> gerichtet ist. Wir werden darin nicht nachlassen.<br />
In unserem Verständnis von Schule und Lernen geht es allerdings nicht um die<br />
Feststellung, wer zu welchem Zeitpunkt welche Leistungstests besteht<br />
- unabhängig von seinen Lern- und Lebensvoraussetzungen. Die <strong>Gesamtschule</strong><br />
sucht durch die gemeinsame Schule des individuellen Förderns und Forderns für<br />
5 Deutsche Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission: Strukturplan für das Bildungswesen,<br />
1970, S. 30<br />
- 7 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit der GGG<br />
alle Kinder gemeinsam - ohne frühzeitige Ausleseprozesse - auch denjenigen<br />
Kindern Chancen sowie ein positives Selbstbild zu ermöglichen, die anders früh<br />
„durchs Gitter fallen”. Für ein solches, alle Kinder betreffendes, demokratisches<br />
Selbstverständnis der Schule wird sich die GGG weiterhin stark machen. Dass<br />
sie damit keineswegs leistungsfeindliche Ziele verfolgt, belegen all die Länder,<br />
die mit einem integrierten Schulsystem in den TIMSS-Tabellen deutlich über<br />
Deutschland liegen.<br />
Sie schreiben, die Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen seien „eine ernst zu<br />
nehmende Herausforderung für die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht”.<br />
Dies gelte „für alle Schulformen”. Dem stimmen wir nachdrücklich zu.<br />
Die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit kann nach<br />
unserer Auffassung nur in den Schulen selbst initiiert werden. Dies setzt voraus,<br />
dass die Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer genutzt und anerkannt wird.<br />
Womit die Schulen allerdings zur Zeit konfrontiert sind, sind in erster Linie intensivierte<br />
Kontrollen. Diese begründen in der Realität der Schulen kein Vertrauen<br />
in die Zielsetzung „Weiterentwicklung von Schule und Unterricht”. Dass hierdurch<br />
Schulen „besser” werden, ist ebenso wenig zu erwarten, wie dass Schülerinnen<br />
und Schüler allein durch schlechte Noten zu höheren Leistungen angespornt<br />
werden.<br />
Immerhin finden sich gelegentlich auch in der eher konservativen Presse Äußerungen,<br />
die sich anerkennend auf die Seite der Schulen stellen. Wir verweisen auf<br />
die Frankfurter Allgemeine vom 12.11.98. Sie kommentiert unter der Überschrift<br />
„Aktionismus” die Presseerklärung des MSWWF vom Vortage zur Nachkontrolle<br />
der Abiturarbeiten:<br />
„…Zehn Prozent der Arbeiten waren zu gut bewertet. Frau Behler nimmt<br />
das zum Anlaß, Konsequenzen anzukündigen. Neunzig Prozent der Arbeiten<br />
scheinen aber angemessen beurteilt worden zu sein. Das ist die eigentliche<br />
Überraschung. Wo besteht da ‘Handlungsbedarf’? Es sollen<br />
jetzt die Zweitkorrektoren nicht mehr demselben Kollegium angehören. In<br />
Zweifelsfällen soll ein Drittkorrektor herangezogen werden - alle ausgewählt<br />
nach dem ‘Zufallsprinzip’, damit möglichst viel ‘Objektivität’ garantiert<br />
sei. Das alles sieht eher nach Beschäftigungstherapie für Schulleiter<br />
und Lehrer aus. Schlimmer noch ist, daß die Ministerin mit dieser<br />
Aktion dokumentiert, wie wenig Vertrauen sie in die Lehrer hat. Wenn die<br />
Studie etwas belegt, dann ist es die Ernsthaftigkeit, mit der die meisten<br />
Lehrer ihr schwieriges Geschäft betreiben, schulische Leistungen fair und<br />
nach gemeinsamen Standards zu benoten.”<br />
Wir können für die meisten <strong>Gesamtschule</strong>n sagen, dass sie längst selbständig und<br />
aktiv mit der geforderten Entwicklungsarbeit begonnen haben. Eine regierungsamtliche<br />
Würdigung dieser Arbeit im Detail ist uns bisher nicht bekannt gewor-<br />
- 8 -
Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI<br />
den. Die in <strong>Gesamtschule</strong> unter hohem zeitlichem Aufwand der Lehrer und Lehrerinnen<br />
geleisteten Weiterentwicklungen finden zunehmend - in nunmehr entwickelten<br />
Formen - Eingang in immer mehr Schulen des herkömmlichen Schulwesens.<br />
Als aktuelle Beispiele seien Freiarbeit, Wochenplan, Berufswahlvorbereitung,<br />
Profiloberstufe genannt.<br />
Sie setzen sich dafür ein, „die objektiven Befunde empirischer Untersuchungen<br />
unvoreingenommen und ausschließlich an der Sache orientiert zu diskutieren”.<br />
Sie halten es allerdings für „schwierig - wenn nicht gar unmöglich - zu verhindern,<br />
dass Teilergebnisse einschlägiger Untersuchungen je nach Interessenlage<br />
und politischer Orientierung aus dem Zusammenhang gerissen, verkürzt wiedergegeben<br />
oder falsch interpretiert werden”. Es ist nicht zu übersehen, dass diese<br />
von Ihnen beschriebene Schwierigkeit zu einem beträchtlichen Teil durch die<br />
besondere Art einer „häppchenweisen” Veröffentlichung durch die Autoren der<br />
Vergleichsuntersuchungen mit verursacht sind. Noch befremdlicher – und offensichtlich<br />
nicht nur „an der Sache orientiert” – scheint uns der Umgang dieser<br />
Autoren mit ihrem eigenen Datenmaterial zu sein, das scheinbar je nach<br />
Adressatengruppe unterschiedliche Interpretationen zulässt. Beispielsweise wird<br />
in einer Veranstaltung der GEW in Essen von Prof. Baumert deutlich<br />
herausgestellt, dass die Daten zu einem Vergleich zwischen Schulformen<br />
untauglich sind. Wenig später begründet einer seiner Mitarbeiter mit eben diesen<br />
Ergebnissen in einer Veranstaltung in Düsseldorf, zu der ein sogenannter<br />
„Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong>” eingeladen hat, die Behauptung, es gäbe<br />
gravierende Warum sollen Schulformunterschiede.<br />
wir diesen Autoren von TIMSS Germany und BiJu mehr glauben<br />
als den vielen ausgewiesenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die<br />
Kritik an Methoden, Erhebungsgrundlagen, Auswahl der Variablen usw. üben?<br />
Wir können uns daher nicht zu einer Akzeptanz von Ergebnissen empirischer Untersuchungen<br />
verstehen, die auch aus der Wissenschaft selbst heraus vielfach in<br />
ihrer Validität in Zweifel gezogen werden. Wir halten die Ergebnisse der Untersuchungen<br />
von Prof. Baumert und seinen Mitarbeitern nicht für seriöser als die<br />
Einwände einer zunehmenden Zahl von Kritikerinnen und Kritiker. …<br />
Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI<br />
Mit dem Schuljahrswechsel tritt die neue Ausbildungsordnung für die Sekundarstufe<br />
I (schrittweise) in Kraft.<br />
- 9 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit der GGG<br />
Wie bereits angekündigt werden die Informationsschriften der GGG (insbesondere<br />
GGG aktuell Nr. 3 und GGG<br />
aktuell Nr. 4) überarbeitet. Die Restauflage<br />
wird z.Zt. mit einem Einlegeblatt<br />
für die betroffenen Seiten ausgeliefert.<br />
Ein Informationsblatt mit einer ausführlicheren<br />
Gegenüberstellung der<br />
alten und der neuen Regelung für die<br />
Abschlüsse am Ende der Sekundarstufe<br />
I der <strong>Gesamtschule</strong> ist Anfang Februar<br />
an die <strong>Gesamtschule</strong>n des Landes<br />
verschickt worden. Es kann auch bei<br />
der GGG-Geschäftsstelle angefordert<br />
werden.<br />
Gespräch zwischen GGG<br />
und Schulministerin<br />
Am 25. Januar 1<strong>99</strong>9 fand in Düsseldorf<br />
ein mehrstündiges Gespräch zwischen<br />
Mitgliedern des GGG-Landesvorstands und Ministerin G. Behler statt.<br />
Von Seiten der GGG wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Bildungspolitik<br />
der Landesregierung die Zielsetzung „Chancengleichheit“ nicht aus<br />
den Augen verlieren dürfe, sondern vielmehr in stärkerem Maße zur Maxime der<br />
konkreten Entscheidungen und Regelungen machen müsse, wenn die Ungleichheit<br />
der Bildungschancen nicht noch weiter anwachsen solle.<br />
G. Behler stimmte im Grundsatz der Zielsetzung zu, wies aber darauf hin, dass<br />
dies ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, mit dem die Schule überfordert<br />
sei. Man könne leider auch nicht viel dagegen unternehmen, dass in der Öffentlichkeit<br />
„Chancengleichheit“ kein Thema sei; z.Zt. würden Fragen nach der Qualität<br />
der Schulen in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund stehen.<br />
- 10 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
AKTUELLE BILDUNGSPOLITIK<br />
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Eine Analyse der empirischen Basis von TIMSS<br />
„Wie ein Gespenst“ geistert TIMSS durch die Lande<br />
„Allmählich geistert die internationale Untersuchung ... wie ein Gespenst durch<br />
die Lande. Es verkündet: Deutschlands Schüler sind ... bestenfalls Mittelmaß.“ 6 .<br />
Die Ergebnisse von TIMSS wirken wie ein unabänderliches Urteil, das höhere<br />
Mächte über uns gefällt haben. „Statt auf andere Sachverständige zu warten, die<br />
vielleicht weniger Schlimmes sagen, sollte sofort einer der Hauptgedanken aufgegriffen<br />
werden. Er betrifft die Unterrichtsmethode ... Denn die TIMS-Studie<br />
hat deutlich gemacht, dass die Schüler noch viel zu unselbstständig denken und<br />
lernen.“ 7<br />
Dass sofort gehandelt werden muss, darin besteht breiter Konsens: Die Kultusminister<br />
wollen „so schnell wie möglich an allen Schulen regelmäßig die Leistungen<br />
testen lassen.“ 8<br />
Nun wurde in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass,<br />
wenn ein Netz überregionaler Leistungstests über die Schulen gelegt wird,<br />
selbstständiges Denken und Kreativität im Unterricht eher vernachlässigt werden:<br />
- „überregionale Leistungsmessungen fördern die Entwicklung zentraler Curriculumvorgaben<br />
...<br />
- Schulleistungstests insbesondere bergen die Gefahr, den Unterricht auf die<br />
Vermittlung von Fakten zu reduzieren“ 9<br />
Demnach wäre es also möglicherweise widersinnig, gleichzeitig<br />
• mehr Selbstständigkeit und Kreativität im Lehren und Lernen zu fordern<br />
und andererseits<br />
• überregionale Tests einführen zu wollen.<br />
Wie kommt es, dass aus der TIMS-Studie bildungsplanerische Maßnahmen abgeleitet<br />
werden, die sich nicht sinnvoll ergänzen, sondern gegenseitig stören?<br />
Was bislang meiner Meinung nach fehlt, ist eine sorgfältige Analyse der TIMS-<br />
6 Schiller, Joachim 1<strong>99</strong>8: „Deutsche Schulpolitik im Dilemma“, in: Der Tagesspiegel vom<br />
3.7.98, Seite 27<br />
7 Schiller 1<strong>99</strong>8<br />
8 Der Tagesspiegel vom 10.6.98, Seite 31<br />
9 Thomas, Helga 1989: Mögliche pädagogische Gefahren und Nebenwirkungen von Lernerfolgsmessungen.<br />
In: Ingenkamp, K. und Schreiber, W. H. (Hg.) 1989: Was wissen unsere<br />
Schüler, Überregionale Lernerfolgsmessung aus internationaler Sicht, Weinheim, Seite 242<br />
- 11 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Studie. Da die Studie auf empirisch ermittelten Daten aufbaut, muss die Beschäftigung<br />
mit TIMSS bei der empirischen Basis beginnen. - Ich stelle deshalb in den<br />
Abschnitten 3.1 bis 3.8 einige Testaufgaben vor, die in exemplarischer Weise<br />
zeigen, was bei TIMSS gemessen worden ist.<br />
Gibt es anspruchsvolle Multiple-Choice-Aufgaben?<br />
Es ist „ein Irrglaube, man könne im Multiple-Choice-Format keine anspruchsvollen<br />
Aufgaben entwickeln, mit denen selbstständiges Denken ... oder Problemverständnis<br />
erfasst werden.“ 10 Dieser Einschätzung stimme ich zu. Ein Test, der<br />
Multiple-Choice-Aufgaben enthält, kann ein sehr leistungsfähiges Diagnose-<br />
Instrument sein, sofern die Aufgaben mit entsprechender Sorgfalt entwickelt<br />
wurden.<br />
Ein bewährtes Verfahren zur Entwicklung leistungsfähiger Tests besteht z. B.<br />
darin, dass man einer kleinen, repräsentativen Schülergruppe die geplanten Aufgaben<br />
zunächst in offener Form präsentiert. Die verschiedenen freien Antworten<br />
der Testgruppe können dann zu Alternativen für die fertigen Multiple-Choice-<br />
Aufgaben umformuliert werden. 11 Die falschen Alternativen in einer Multiple-<br />
Choice-Aufgabe spiegeln so ganz bestimmte Fehlvorstellungen von Schülern wider.<br />
Vielfältige Informationen über die Qualität von Multiple-Choice-Aufgaben erhält<br />
man bei Interviews mit potentiellen Adressaten. Ich habe deshalb im September<br />
1<strong>99</strong>7 eine Reihe freigegebener Items aus der TIMS-Studie Schülern aus 2 Gymnasien<br />
vorgelegt. Es waren 3 Mädchen und ein Junge aus 8. Klassen und 3 Jungen<br />
aus einer 9. Klasse. Meine kleine Testgruppe entsprach also vom Alter her in<br />
etwa der Schülerpopulation, die bei TIMSS getestet worden war. Bei TIMSS<br />
wurden die Tests vor den Sommerferien, bei mir kurz nach den Sommerferien<br />
eingesetzt. Von den Leistungen her war meine Interview-Gruppe allerdings nicht<br />
repräsentativ, denn ich hatte mir Mädchen und Jungen aussuchen lassen, die als<br />
„sehr gut“ in Mathematik eingestuft wurden.<br />
Die Mädchen und Jungen meiner Testgruppe haben jeweils einzeln ein Test-<br />
Paket mit 27 Aufgaben, die aus allen Feldern der TIMS-Studie ausgewählt waren,<br />
bearbeitet. Bei jeder Aufgabe wurde zunächst der Text still durchgelesen.<br />
Erst, wenn eine Antwort aufgeschrieben oder angekreuzt war, haben wir uns über<br />
die Aufgabe unterhalten.<br />
10 Baumert, Jürgen, Köller, Olaf 1<strong>99</strong>8: Nationale und internationale Schulleistungsstudien.<br />
In: Pädagogik, 50. Jg. 1<strong>99</strong>8, Heft 6, Seite 12 bis 18<br />
11 Preibusch, W., Hagemeister, V., Schuricht, K., Seyhan, H. 1984: Wer sind „die türkischen<br />
Schüler“? In: DDS, 76. Jg., 1984, Heft 3, Seite 224 - 238<br />
- 12 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Naturwissenschaftliche Items, die bei TIMSS am Ende der 7. und 8. Klasse<br />
eingesetzt wurden<br />
Item M12 bei TIMSS 12<br />
Einige Schüler benutzen ein Amperemeter A, um die Stromstärke im<br />
Stromkreis bei verschiedenen Spannungen zu messen.<br />
Spannung<br />
Stromstärke<br />
Die Tabelle gibt einige Ergebnisse wieder. Vervollständige die Tabelle.<br />
Spannung (Volt)<br />
Stromstärke (Milliampere)<br />
1,5 10<br />
3,0 20<br />
6,0<br />
Meine Testkandidaten aus der 8. und 9. Klasse haben hier - meist nach nur kurzem<br />
Nachdenken - die Zahl 40 eingetragen. Schaut man im Internet nach, dann<br />
sieht man unter „Item key“, dass tatsächlich die Zahl 40 hier die richtige Lösung<br />
sein soll. 13<br />
Keiner meiner Interviewpartner hatte im Physikunterricht bereits die Größe<br />
„Spannung“ kennen gelernt. Keiner hatte ein Experiment - wie im Bild dargestellt<br />
- bislang gesehen oder gar selbst durchgeführt. Deshalb konnten meine<br />
Testkandidaten hier ganz unbeschwert die Zahl 40 eintragen. - Dass diese Zahlenangabe<br />
falsch ist, konnten meine Test-Schüler nicht wissen.<br />
12 TIMSS, Population 2, Science Content, Grouping G, © IEA, The Hague, 1<strong>99</strong>4<br />
13 Einen Teil der Items, die bei TIMSS eingesetzt worden sind, findet man im Internet (in englischer<br />
Sprache) unter: http://wwwcsteep.bc.edu/TIMSS1/Items.html<br />
- 13 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Wer Experimente mit Glühlampen macht, so wie in Aufgabe M12 dargestellt, der<br />
wird feststellen, dass es keinen Glühlampen-Typ gibt, bei dem die Stromstärke<br />
linear mit der Spannung im Bereich von 1,5 bis 6 Volt zunimmt. - Für eine 40-<br />
Watt-Glühlampe haben wir in einer Schaltung, die Aufgabe M12 entspricht, folgende<br />
Ströme gemessen:<br />
40 W/230V-Glühlampe,<br />
Schaltung entsprechend M12<br />
U (Volt)<br />
vorgegeben<br />
I (Milliampere)<br />
gemessen<br />
1,5 10<br />
3,0 16<br />
6,0 22<br />
Die Tabelle mit Messwerten zeigt: Bei der 4-fachen Spannung steigt der Strom<br />
nicht auf das Vierfache, sondern es wird nur etwas mehr als das Doppelte für die<br />
Strom gemessen. Warum ist das so? Der Metallfaden in der Lampe wird umso<br />
wärmer, je mehr Strom fließt. Dadurch nimmt der Widerstand des Metallfadens<br />
stark zu. Dies gilt auch für andere Lampentypen.<br />
Mit einem Experiment, wie in Aufgabe M12 dargestellt, kann man zeigen, dass<br />
bei Glühlampen kein linearer Zusammenhang zwischen Strom und Spannung besteht.<br />
Die wichtige Erkenntnis, dass in der Natur Linearität nur sehr eingeschränkt<br />
gültig ist, ließe sich also gerade anhand einer solchen Anordnung mit<br />
Glühlampe vermitteln. - Ein Schüler, der dies im Physikunterricht erfahren hat,<br />
hat mit Aufgabe M12 erhebliche Probleme.<br />
Die fachliche Fehlerhaftigkeit dieser Aufgabe zeigt, dass die Items der TIMS-<br />
Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt entwickelt worden sind. Bei der Entwicklung<br />
und Erprobung eines solchen Items hätte man irgendwann das Experiment<br />
vorführen müssen, das zu diesem Item gehört, um dann die Mädchen und<br />
Jungen, die zugeschaut haben, einzeln zu interviewen. Man hätte also in einer<br />
frühen Erprobungsphase der Tests bemerken müssen, dass diese Aufgabe so nicht<br />
gestellt werden darf.<br />
Weshalb wurde hier in den Schaltkreis kein technischer Widerstand (z. B. von<br />
150 Ω), sondern eine Glühlampe eingezeichnet? - Ich vermute, man hat die Glühlampen<br />
gewählt, weil sie eher Bezug zur Lebenswelt von Kindern hat. Mädchen<br />
und Jungen der 8. Klasse sind Glühlampen sicherlich vertrauter als technische<br />
Widerstände. Bei ihrem Bemühen um Nähe zur Lebenswelt haben die TIMSS-<br />
Testkonstrukteure jedoch den Fehler gemacht, der Realität einen simplen, linearisierenden<br />
Ansatz überzustülpen.<br />
- 14 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Auch wenn Item M12 korrigiert würde (in dem in der Zeichnung die Glühlampe<br />
durch einen technischen Widerstand von 150 Ω ersetzt wird) entsteht damit kein<br />
sinnvolles Item für einen Physiktest, denn durch die in der Tabelle vorgegeben<br />
Werte wird ja schon suggeriert, dass es hier nur um eine lineare Fortsetzung geht.<br />
Bei Aufgabe M12 wird die Fertigkeit getestet, eine Tabelle linear fortzusetzen.<br />
Das Bild mit dem Stromkreis und die ersten beiden Sätze könnte man einfach<br />
weglassen. Deshalb konnten meine Interviews-Partner diese Aufgabe lösen, obwohl<br />
„elektrische Spannung“ im Unterricht noch nicht behandelt worden war.<br />
Item D2 bei TIMSS 12<br />
Jeder der abgebildeten Magnete ist in den Stoff unter ihm eingetaucht<br />
worden. Welcher Stoff könnte Kaffee sein?<br />
A. Nur A<br />
B. Nur B<br />
C. Nur C<br />
D. Nur A<br />
und B<br />
Stoff A Stoff B Stoff C<br />
Sicherlich kann man sich leicht darauf verständigen, dass „Stoff C“ Kaffee sein<br />
könnte. - Aber was für Stoffe liegen bei A und bei B? Um reines Eisenpulver<br />
handelt es nicht, denn ein solches Häufchen Eisenpulver würde vollständig an einem<br />
Magneten hängen bleiben, wie jeder weiß, der schon einmal mit Eisenpulver<br />
und Magneten experimentiert hat.<br />
Zwei der Neunt-Klässler, die ich interviewt hatte, haben mir erzählt, dass sie im<br />
Chemieunterricht mit einem Magneten Schwefelpulver und Eisenpulver getrennt<br />
hätten. Beide meinten dann, dass im Bild von Item D2 bei A und B eigentlich<br />
auch Kaffee liegen könnte. Kaffee, der mit Eisenpulver vermischt war. Das Eisenpulver<br />
ist durch den Magneten aus dem Kaffee herausgezogen worden.<br />
Durch das Item D2 wird wiederum bestätigt, dass zur Entwicklung der TIMSS-<br />
Tests keine physikalischen Experimente durchgeführt worden sind. Man hätte<br />
beim Experimentieren nicht nur bemerkt, dass ein Häufchen Eisenspäne (wie im<br />
Bild bei D2 dargestellt) an den heute üblichen Dauermagneten vollständig hängenbleibt.<br />
Man hätte außerdem z. B. bemerkt, dass die Magnete in dem Stoff, in<br />
den sie „eingetaucht worden“ sind, Abdrücke hinterlassen hätten.<br />
Bei einer Einführung in wissenschaftliche Arbeitsmethoden muss man meiner<br />
Meinung nach zunächst vor allem lernen, Phänomene genau zu beobachten.<br />
- 15 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Durch dieses sorgfältige Beobachten werden nicht nur wichtige Erkenntnisse gewonnen,<br />
sondern es wird auch Achtung vor der Natur vermittelt. Ferner können<br />
Bilder, die Magnete in Eisenspäne zeichnen, sehr schön aussehen. - Doch davon<br />
ist in dem TIMSS-Item D2 nichts präsent.<br />
Bei dieser Aufgabe ist es wieder wie bei der Stromkreis-Aufgabe: Konkrete experimentelle<br />
Erfahrungen stören. Wer Experimente mit Magneten und Eisenspäne<br />
kennt, weiß, dass die kleinen Bilder mit den Magneten die Realität nicht befriedigend<br />
wiedergeben.<br />
Einer der Neunt-Klässler, die ich zu den TIMSS-Items interviewt habe, meinte<br />
schließlich - nach dem er einige Zeit über diese Aufgaben nachgedacht hatte:<br />
„Naja, wenn man so fragt, dann kann eigentlich ¯Nur C® richtig sein.“ - Wiederum<br />
wird bei dieser Aufgabe vor allem Textverständnis getestet. Elaborierte<br />
Physikkenntnisse hindern auch bei Item D2 daran, die Lösung schnell zu finden.<br />
Dass fehlende Multiple-Choice-Routine auch für leistungsstarke Schüler bei<br />
TIMSS ein Handikap gewesen sein dürfte, zeigt die Beschäftigung mit Item D2:<br />
Mit dieser Aufgabe haben sich alle von mir interviewten Mädchen und Jungen<br />
unverhältnismäßig lange aufgehalten. Sie haben nach einem tieferen Sinn gesucht,<br />
weil sie es nicht gewohnt sind, in einer Physikarbeit mit fehlerhaft Texten<br />
oder Zeichnungen konfrontiert zu werden.<br />
Eines der von mir interviewten Mädchen sagte, nachdem sie die Bilder bei Item<br />
D2 ein Weilchen betrachtet hatte: „Leider weiß ich nicht, ob Kaffee Eisen enthält.“<br />
Experimente zum Trennen von Schwefel- und Eisenpulver waren bei ihr<br />
zu Beginn der 8. Klasse noch nicht vorgeführt worden, aber sie wusste, dass ein<br />
solches Häufchen Eisenspäne vollständig an einem Magneten hängen bleiben<br />
würde. Deshalb kam sie auf die Idee, dass Stoff A und Stoff B in Aufgabe D2<br />
vielleicht stark eisenhaltiger Kaffee sein könnte, weil ja immerhin etwas Pulver<br />
von dem Magneten mitgenommen worden war. - Sie hat dann lieber keine der Alternativen<br />
angekreuzt.<br />
Auch in meiner kleinen, nicht-repräsentativen Stichprobe haben die Mädchen, so<br />
wie bei TIMSS weltweit registriert, schlechter abgeschnitten als die Jungen. In<br />
meiner Interview-Gruppe lag dies weder an Mängeln im Physikwissen noch an<br />
Defiziten im logischen Denken und auch nicht an geringerem Textverständnis.<br />
Die Mädchen in meiner Interview-Gruppe sind jedoch häufiger als die Jungen an<br />
Ungenauigkeiten in der Aufgabenstellung hängen geblieben und die Mädchen<br />
waren weniger bereit, Halbwissen einzubringen, um Aufgaben zu lösen.<br />
Warum sind die vielen fachlichen und sprachlichen Ungenauigkeiten beim Gegenlesen<br />
der deutschen Testaufgaben nicht bemerkt worden? Meine eigenen Erfahrungen<br />
bei der Begutachtung der TIMSS-Tests liefern hier eine plausible Erklärung:<br />
Ich bekam ein dickes Paket mit Testaufgaben zugeschickt und wurde<br />
gebeten, in einem Begleitbogen bei jeder Aufgaben-Nummer anzukreuzen, in<br />
- 16 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
welchem Schuljahr entsprechende Inhalte in Berlin durchgenommen werden. Für<br />
diese Form der Begutachtung reichte meist ein flüchtiger Blick auf die einzelnen<br />
Aufgaben. So haben die meisten meiner Ko-Gutachter sicherlich viele Aufgaben<br />
nur überflogen und deshalb auch die vielen Fehler gar nicht bemerkt.<br />
Mit Sicherheit sind auch zu der deutschen Variante der TIMSS-Tests nicht die<br />
notwendigen Vorstudien durchgeführt worden, indem man zu einzelnen Items<br />
Experimente vorgeführt hat, um anschließend Kommentare und Fragen der Mädchen<br />
und Jungen, die zugeschaut haben, sammeln zu können.<br />
Item R2 bei TIMSS 12<br />
Wenn weißes Licht auf Peters Hemd fällt, sieht es blau aus. Warum sieht<br />
das Hemd blau aus?<br />
A. Es nimmt das ganze weiße Licht in sich auf und verwandelt das<br />
meiste davon in blaues Licht.<br />
B. Es strahlt den blauen Teil des Lichts zurück und nimmt den größten<br />
Teil des Restes in sich auf. 14<br />
C. Es nimmt nur den blauen Teil des Lichts in sich auf.<br />
D. Es gibt sein eigenes blaues Licht von sich.<br />
Auch bei dieser Aufgabe wird vor allem Textverständnis und ein wenig Logik<br />
benötigt. Wer sich den Text in Ruhe durchliest, wird sich sagen, dass eigentlich<br />
nur die Alternativen A oder B richtig sein können. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit,<br />
die richtige Lösung anzukreuzen, immerhin schon auf 50% angestiegen.<br />
Ob nun A oder B richtig ist, können deutsche Acht-Klässler nicht entscheiden.<br />
Dass Variante A mit dem Energiesatz nicht vereinbar ist, weil die Quanten des<br />
blauen Lichts zu den energiereichsten des sichtbaren Spektrums gehören, wird<br />
bei uns in der 8. Klasse in der Regel nicht mitgeteilt. 15<br />
Nach Lösungsschlüssel soll Variante B richtig sein. Allerdings ist das, was bei B<br />
in Item R2 steht, für die Farben in unserer Umwelt nicht relevant. - Warum sieht<br />
Peters Hemd oder warum sehen Farben, die im Kunstunterricht zum Malen benutzt<br />
werden, blau aus? Wir nehmen blaue Farbtöne wahr, wenn orange Anteile<br />
14 In der Englischen Variante dieses Items steht bei B. „It reflects the blue part of the light and<br />
absorbs most of the rest.“ In der deutschen Fassung des Items wurde „absorb“ mit „in sich<br />
aufnehmen“ umschrieben. Dass der Übersetzer diese etwas umständliche Formulierung gewählt<br />
hat, kann man ihm nicht vorwerfen. Unbefriedigend ist jedoch, dass beim Gegenlesen<br />
der deutschen Fassung die unpassende Formulierung „in sich aufnehmen“ nicht durch „absorbieren“<br />
ersetzt worden ist.<br />
15 Weil von Rot nach Blau im sichtbaren Spektrum die Frequenz f zunimmt, sind (wegen E =<br />
h . f) die „Quanten“ des blauen Lichts energiereicher als die des grünen, gelben oder roten<br />
Lichts. Die von Max Planck gefundene Beziehung E = h . f wird in der Sek. II eventuell behandelt.<br />
Um mit dieser Gleichung arbeiten und argumentieren zu können, muss man z. B. Experimente<br />
kennen, mit denen die Frequenz f von Spektralfarben gemessen wird.<br />
- 17 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
aus dem sichtbaren Spektrum stärker absorbiert werden als die anderen Regenbogenfarben.<br />
Die Regeln über „Komplementärfarben“ sind ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis<br />
unserer Farbwahrnehmung: Addiert man alle Regenbogenfarben, außer<br />
Orange, so macht unser Gehirn aus diesem Farbgemisch den Eindruck „Blau“.<br />
Umgekehrt sehen wir einen orangen Farbton, wenn alle Regenbogenfarben bis<br />
auf Blau addiert werden. Blau und Orange nennen wir deshalb Komplementärfarben.<br />
Das Blau in unserem Tuschkasten ist nicht nur für blaue und grüne, sondern oft<br />
auch für rote, unter Umständen sogar für gelbe Spektralfarben durchlässig. Deshalb<br />
entsteht beim Mischen von blauer und gelber Tuschfarbe der Eindruck<br />
Grün, weil sowohl das Tusch-Blau wie auch das Tusch-Gelb grüne Spektralfarben<br />
nicht absorbieren. Wäre das Blau aus unserem Tuschkasten nur für blaue und<br />
Tusch-Gelb andererseits nur für gelbe Spektralfarben durchlässig, dann würde<br />
Schwarz entstehen, wenn man Blau und Gelb übereinander malt. - Wäre Lösung<br />
„B.“ aus Item R2 für die Farben in unserer Umwelt relevant, dann würden wir<br />
beim Mischen von Pigmenten unterschiedlicher Farben immer nur Schwarz oder<br />
dunkle Braun-Töne erhalten 16 .<br />
Ich möchte meine Ausführungen zum Mischen von Farben hier nicht weiter vertiefen,<br />
weil alles graue Theorie bleibt, wenn keine Experimente gezeigt werden.<br />
Zur „additiven“ und „subtraktiven“ Farbmischung gibt es viele eindrucksvolle<br />
und einige überraschende Experimente. Eine ganze Reihe solcher Experimenten<br />
muss man in Ruhe betrachtet und besprochen haben, ehe sich das Verständnis dafür<br />
entwickelt, warum Peters Hemd blau oder gelb oder grün aussieht und warum<br />
beim Mischen von blauer und gelber Tuschfarbe der Eindruck „Grün“ entsteht.<br />
Sehr aufschlussreich ist bei Item R2 die Kommentierung im Internet: Zum<br />
Schwierigkeitsgrad steht bei R2 „Understanding Simple Information“. Die Testkonstrukteure<br />
haben also tatsächlich angenommen, dass es hier lediglich um das<br />
„Verstehen simpler Informationen“ geht.<br />
Bei der Bewertung der Items der TIMS-Studie geht es also nicht nur darum, ob<br />
z. B. Farbenlehre in der 8. Klasse behandelt wurde oder nicht. Ganz entscheidend<br />
ist auch die Frage, wie die Farbenlehre behandelt wurde: Macht man Experimente,<br />
die sorgfältig beobachtet werden und über deren Interpretation in Ruhe nachgedacht<br />
wird, oder präsentiert man ein paar Faustregeln über Farben als „simple<br />
16 Es gibt Filter, die entsprechend Lösung „B.“ von Item R2 alle Farben bis auf Blau absorbieren.<br />
Solche „monochromatischen“ Filter kosten einige Hundert DM, weil es sehr aufwändig<br />
ist, Pigmente so zusammenzustellen, dass alle Regenbogenfarben bis auf eine absorbiert werden.<br />
- 18 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Information“, wobei nach Übereinstimmung mit Experimenten gar nicht erst gefragt<br />
wird.<br />
Auch bei Item R2 ist erneut das Bemühen der Science-Testkonstrukteure um Nähe<br />
zur Lebenswelt von Kindern erkennbar: Schließlich geht es hier um die Farbe<br />
von Peters Hemd. Dabei stülpt man jedoch wiederum der bunten, farbenfrohen<br />
Natur ein simples, monokausales Schema über.<br />
Item L7 bei TIMSS<br />
Die Besatzungen zweier Schiffe auf dem Meer können sich durch lautes<br />
Rufen verständigen. Weshalb ist dies den Besatzungen zweier Raumschiffe<br />
bei gleichem Abstand im Weltraum nicht möglich?<br />
A. Der Schall wird im Weltraum stärker reflektiert.<br />
B. Der Druck im Inneren der Raumschiffe ist zu groß.<br />
C. Die Raumschiffe bewegen sich schneller als der Schall.<br />
D. Es gibt keine Luft im Weltraum, in der sich der Schall fortbewegen<br />
kann.<br />
Ein Junge aus meiner Interview-Gruppe meinte, die richtige Antwort sei „Die<br />
Raumschiffe bewegen sich schneller als der Schall.“ Die drei anderen Jungen haben<br />
„Es gibt keine Luft im Weltraum, in der sich der Schall fortbewegen kann“,<br />
angekreuzt. Die Begründung klang jedes Mal sinngemäß gleich: „Im Weltraum<br />
gibt es keine Luft, das weiß ich“. Keiner meiner Interview-Partner aus 8. und 9.<br />
Klassen wusste dagegen, ob Schall zu seiner Ausbreitung Materie benötigt. - A-<br />
kustik wird nach Berliner Rahmenplan nur als Wahlthema in Klasse 10 angeboten.<br />
Ziemlich sicher waren sich die drei Jungen, die „D.“ angekreuzt hatten, dass sich<br />
Raumschiffe nicht schneller als der Schall bewegen können. Offenbar wurde von<br />
ihnen „Schallgeschwindigkeit“ mit „Lichtgeschwindigkeit“ gleichgesetzt. Dass<br />
nichts schneller als Licht sein kann, hatten sie schon irgendwo gehört. - Hier zeigt<br />
sich wiederum, wie wichtig es gewesen wäre, vor dem Einsatz der TIMSS-Tests<br />
Vorstudien mit Interviews durchzuführen. Denn dass drei meiner Interview-<br />
Partner bei der Raumschiff-Aufgabe die „richtige“ Lösung „D.“ angekreuzt hatten,<br />
war durch Kenntnisse über Schallausbreitung überhaupt nicht beeinflusst.<br />
Die drei interviewten Mädchen haben jeweils lange über die Raumschiffaufgabe<br />
nachgedacht. Zwei von ihnen haben dann schließlich ebenfalls Lösung „D.“ angekreuzt.<br />
Die Dritte konnte sich zu keiner Alternative durchringen, weil sie in<br />
Sorge war, sie könne etwas Falsches ankreuzen: „Also, ich hab ja keine Ahnung,<br />
wie schnell die fliegen.“<br />
- 19 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Auch wenn Akustik und Schallausbreitung in Klasse 7 oder 8 behandelt worden<br />
sind, wäre die „Raumschiffaufgabe“ der TIMS-Studie kein sinnvolles Item für<br />
einen Physiktest:<br />
1. Bei dieser Aufgabe sind auch die Antworten, die bei B und C stehen, richtig.<br />
So ist z. B. eine Verständigung durch Rufen bei Überschall nie möglich.<br />
2. In 500 bis 1000 Kilometer Höhe, wo heute Raumschiffe mit Astronauten<br />
um die Erde kreisen, sind immerhin noch einige Millionen Moleküle und<br />
Atome pro Kubikmeter vorhanden. - Falls also im Unterricht die wichtige<br />
Erkenntnis vermittelt worden ist, dass „Vakuum“ eine Fiktion ist, so könnten<br />
Testteilnehmer aus dieser Klasse zu der (zutreffenden) Einsicht gelangen,<br />
dass Antwort „D. es gibt keine Luft im Weltraum . .“ bei der Raumschiffaufgabe<br />
nicht korrekt formuliert ist.<br />
Sehr bemerkenswert ist, was in den „Deskriptiven Befunden“ über die Raumschiffaufgabe<br />
gesagt wird:<br />
Zu dem „erfahrungsnahen Alltagswissen ... gehört die Vorstellung von einer<br />
an Stoffe gebundenen Schallausbreitung, wie sie die ¯Raumschiffaufgabe®<br />
erfasst.“ 17<br />
Hierzu muss man erwidern, dass „die Vorstellung von einer an Stoffe gebundenen<br />
Schallausbreitung“ keineswegs „erfahrungsnahes Alltagswissen“ ist. Es gibt<br />
keine Situationen im Alltag, bei denen man die Erfahrung machen könnten, dass<br />
Schall im luftleeren Raum nicht übertragen wird. Falls eine Schulklasse tatsächlich<br />
in einem Raumschiff mitfliegen könnte, würden die beteiligten Mädchen und<br />
Jungen dort sicherlich vielfältige Eindrücke mitnehmen. Aber die Erfahrung, dass<br />
sich Schall im Weltall nicht ausbreitet, könnten sie auch dort nicht machen.<br />
Wenn sie einem draußen vorbeifliegenden Mitschüler etwas zurufen wollten,<br />
müssten sie ja die Luken am Raumschiff oder am Raumanzug öffnen, was sofort<br />
zum Tode führen würde.<br />
Dass Schall im luftleeren Raum nicht übertragen wird, kann man aus Alltagserfahrungen<br />
nicht ableiten. Im Gegenteil: Viele Schüler kennen Science-Fiction-<br />
Filme mit heftigen Kämpfen und lauten Explosionen im intergalaktischen Raum.<br />
Solche Kämpfe müssten eigentlich völlig lautlos im Film dargestellt werden<br />
(womit dieser Film natürlich nur geringe Resonanz beim Publikum finden würde).<br />
Im Physikunterricht wird, sofern die entsprechenden Geräte zur Verfügung stehen,<br />
demonstriert, dass man eine Klingel, die unter einer Glasglocke liegt, irgendwann<br />
nicht mehr hören kann, wenn Luft unter der Glasglocke herausge-<br />
17 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 83<br />
- 20 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
pumpt wird. Dieses Experiment löst immer lebhafte Reaktionen aus, gerade weil<br />
hier kein erfahrungsnahes Alltagswissen vermittelt wird. Die Ergebnisse dieses<br />
Labor-Experiments sind von erheblicher Bedeutung auf dem Weg zu der Einsicht,<br />
dass Schallausbreitung an Materie gebunden ist.<br />
Mit der Raumschiffaufgabe wird der „Lebensbezug“, um den die Science-Test-<br />
Konstrukteure laufend bemüht sind, ad absurdum geführt. Lebensbezug ist hier<br />
nur ganz vordergründig vorhanden, weil jeder heute Raumschiffe kennt. Die Physik,<br />
um die es in der Raumschiffaufgabe geht, ist jedoch weit entfernt von „erfahrungsnahem<br />
Alltagswissen“.<br />
Indem die Raumschiffaufgabe mit „erfahrungsnahem Alltagswissen“ verknüpft<br />
wird, wird hier unfreiwillig dokumentiert, dass bei der TIMS-Studie die fächerübergreifende<br />
Zusammenarbeit zwischen Sozialwissenschaften und Physik-<br />
Fachdidaktik in vielfältiger Weise versagt hat.<br />
Item N4 bei TIMSS 12<br />
Auch das Item N4 wurde unter die Rubrik „Verstehen simpler Informationen“<br />
eingeordnet:<br />
Vor Jahren haben Landwirte herausgefunden, dass Maispflanzen besser<br />
gedeihen, wenn man daneben verwesenden Fisch vergräbt. Was hat der<br />
verwesende Fisch wahrscheinlich an die Pflanzen abgegeben, um ihr<br />
Wachstum zu steigern?<br />
A. Energie<br />
B. Mineralien<br />
C. Eiweiß<br />
D. Sauerstoff<br />
E. Wasser<br />
Für Item N4 wird Faktenwissen benötigt. Denn Schüler der 8. Klasse kennen weder<br />
die Biochemie der Verfalls- und Stoffwechselprozesse, um die es bei Item N4<br />
geht, noch wissen sie, was hier mit „Eiweiß“ oder „Mineralien“ gemeint ist. Dass<br />
man solche Themen routinemäßig als „simple Information“ abhakt, ist zum<br />
Glück bislang bei uns nicht üblich.<br />
Hinzu kommt bei dieser Aufgabe noch, dass für deutsche Kinder das Gedeihen<br />
von Maispflanzen nicht so alltäglich ist wie für Kinder, die in den USA leben.<br />
Diese Aufgabe hätte also einer grundlegenden Transformation bedurft. Mit einer<br />
schlechten wortwörtlichen Übersetzung war es auch bei diesem Item nicht getan.<br />
Mit Item N4 wird Vokabelwissen abgefragt, wobei in der deutschen Fassung an<br />
der entscheidenden Stelle eine falsche Vokabel steht, denn anstelle von „Mineralien“<br />
hätte man bei B. „Mineralstoffe“ oder „Mineralsalze“ schreiben müssen.<br />
Mit meiner Kritik an der Vokabel „Mineralien“ möchte ich keineswegs für einen<br />
wortklauberischen Unterricht plädieren. Wenn jede Schüleräußerung korrigiert<br />
- 21 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
wird, weil immer irgend ein Wort falsch gewählt wurde, dann gehen die Schüler<br />
schließlich dazu über, sich die Formulierungen des Lehrers wortwörtlich einzuprägen,<br />
wodurch selbständiges, sinnvolles Lernen behindert wird. 18 - Aber auch<br />
wenn man ein Gegner von Wortklaubereien im Fachunterricht ist, so wird man<br />
doch einräumen müssen, dass in einem überregionalen Test die verwendeten<br />
Fachtermini stimmen sollten. Es kann ja nicht der Sinn eines Tests sein, dass<br />
Schüler dann schlechter abschneiden, wenn ihr Lehrer im Unterricht korrekte<br />
Fachtermini benutzt hat. Außerdem wird in Chemiebüchern zwischen „Mineralien“<br />
und „Mineralstoffen“ unterschieden 19 . Falls dies im Unterricht thematisiert<br />
wurde, könnten die Mädchen und Jungen aus einer solchen Klasse bei Item N4<br />
die „richtige“ Lösung „Mineralien“ nicht ankreuzen.<br />
Item I10 bei TIMSS<br />
Was ist der BESTE Grund dafür, dass eine gesunde Ernährung auch Obst<br />
und Gemüse enthalten soll?<br />
A. Sie haben einen hohen Wassergehalt.<br />
B. Sie sind die besten Eiweißspender.<br />
C. Sie haben viele Mineralien und Vitamine.<br />
D. Sie sind die besten Kohlehydratspender.<br />
Erstaunlicher Weise wurde dieses Item ebenfalls unter „Verstehen simpler Information“<br />
eingestuft. Die richtige Lösung ist nach „Item key“ „C. Mineralien<br />
und Vitamine“<br />
Für die Achtklässler, die die Testaufgaben bearbeitet haben, war wohl kaum von<br />
Bedeutung, dass auch bei diesem Item anstelle von „Mineralien“ die Vokabel<br />
„Mineralstoffe“ hätte stehen müssen. Viel wichtiger ist wiederum, dass diese<br />
Aufgabe nicht mit einem Unterricht vereinbar ist, dessen Ziel es ist, selbstständiges<br />
Denken zu fördern. Wenn die Inhalte aus Item I10 als „simple Information“<br />
abgehandelt werden, dann müssen Merksätze mit Vokabeln, die nicht bekannt<br />
sind, auswendig gelernt werden. Außerdem sollte man Fragen der Ernährungslehre<br />
nicht als simple Botschaft abhandeln, nach dem Motto: Vor allem Vitamine,<br />
Spurenelemente oder Proteine sind wichtig. Damit wird dann z. B. die Fehlvor-<br />
18 Die Nachteile des wortwörtlichen Lernens werden ausführlich diskutiert in:<br />
Ausubel, David P. u.a. 1980: „Psychologie des Unterrichts“, Weinheim, Basel, 1980<br />
19 „Sofern es sich um feste Stoffe aus der unbelebten Natur handelt, bezeichnet man die Reinstoffe<br />
als Mineralien... Bekannte Mineralien sind z. B. Bergkristall, Saphir, Kalkspat ...“ (zitiert<br />
nach „Kemper-Fladt, Chemie“, Klett Schulbuchverlag, Stuttgart l976, Seite 6). Mineralstoffe<br />
oder Mineralsalze nennt man dagegen z. B. Calcium- und Magnesium-Verbindungen,<br />
die Pflanzen oder Tieren (etwa aus wässriger Lösung) aufnehmen und verarbeiten können.<br />
- 22 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
stellung erzeugt, man müsse nur in großer Menge synthetische Vitamine konsumieren,<br />
dann würde man nie wieder krank werden. 20<br />
Item P7 TIMSS<br />
Wenn Wissenschaftler irgendeine Größe mehrere Male sorgfältig messen,<br />
erwarten sie, dass<br />
A. alle Messwerte genau übereinstimmen.<br />
B. nur zwei der Messwerte genau übereinstimmen.<br />
C. alle Messwerte bis auf einen genau übereinstimmen.<br />
D. die meisten Messwerte nahe beieinander liegen, jedoch nicht<br />
genau übereinstimmen.<br />
Diese Aufgabe ist für alle Mädchen und Jungen leicht zu lösen, die „Messfehler“<br />
nur aus Erzählungen des Lehrers kennen. Sie werden sicherlich ohne langes Zögern<br />
Lösung „D.“ ankreuzen. - Auch Multiple-Choice-Routine führt hier zur richtigen<br />
Lösung: „D.“ muss wohl richtig sein, denn mit der Aussage bei „D.“ haben<br />
sich die Aufgabensteller die meiste Mühe gegeben. - Dass man die richtige Lösung<br />
an ihrer Länge oder an der anspruchsvolleren grammatischen Struktur erkennen<br />
kann, ist ein Fehler, den Item-Konstrukteure häufig machen. - Dieser Fehler<br />
wurde z. B. auch bei der „Raumschiffaufgabe“ gemacht (Item L7 in Abschnitt<br />
3.4).<br />
Die Aussage, dass beim sorgfältigen Messen die Messwerte „nahe beieinander<br />
liegen, jedoch nicht genau übereinstimmen“ trifft sowohl in der Forschung, wie<br />
auch bei Experimenten, die in der Schule möglich sind, oft nicht zu. Werden<br />
z. B. „Nullraten“ mit einem Geiger-Müller-Zählrohr mehrere Male sorgfältig<br />
gemessen, dann werden immer wieder Messwerte „genau übereinstimmen“.<br />
Wenn Wissenschaftler, die in der aktuellen Forschung tätig sind, eine „Größe<br />
mehrere Male sorgfältig messen“ kann es sehr wohl vorkommen, dass „alle<br />
Messwerte genau übereinstimmen“ (z. B. wenn es darum geht, zu bestimmen, ob<br />
die Schadstoffbelastung in einer Probe oberhalb eines Grenzwertes liegt).<br />
Nach Meinung der TIMSS-Testkonstrukteure geht es auch bei Item P7 wiederum<br />
nur um das „Verstehen simpler Information“.<br />
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Thema Messungenauigkeiten in<br />
der Schule immer wieder aufgegriffen werden muss. Beim eigenen Experimentieren<br />
müssen Mädchen und Jungen erfahren, dass Messungenauigkeiten unvermeidbar<br />
sind, auch wenn sehr sorgfältig experimentiert wird.<br />
20 Aus den USA wird immer wieder von Menschen berichtet, die erkranken, weil sie synthetische<br />
Vitamine über Jahre hinweg in unsinnig hohen Dosen zu sich genommen haben. Die I-<br />
tems N2 und I10 aus der TIMS-Studie lassen die Vermutung zu, dass eine veraltete Ernährungslehre<br />
in den Schulen der USA solche Fehlorientierungen bestärkt.<br />
- 23 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Wenn deutsche Schüler am Ende der 8. Klasse beim TIMSS-Test nicht gewusst<br />
haben, was sie bei Item P7 ankreuzen sollen, dann deshalb, weil es bislang bei<br />
uns nicht üblich ist, Kenntnisse über Messungenauigkeiten als „simple Information“<br />
in der 7. oder 8. Klasse abzuhandeln, in dem erzählt wird, was Wissenschaftler<br />
erwarten, wenn sie „sorgfältig messen“. Werden Erkenntnisse über Messungenauigkeiten<br />
schrittweise anhand eigener Experimente gewonnen, dann kann<br />
man nicht damit rechnen, dass am Ende der 8. Klasse fertige Faustregeln über<br />
Messungenauigkeiten parat sind.<br />
Item N3 bei TIMSS 12<br />
Eine Tasse Wasser und eine gleich große Tasse Benzin werden an einem<br />
heißen, sonnigen Tag auf einen Tisch ans Fenster gestellt. Ein paar Stunden<br />
später ist festzustellen, dass es in beiden Tassen weniger Flüssigkeit<br />
hat, aber vom Benzin noch weniger übrig ist als vom Wasser. Was zeigt<br />
dieses Experiment?<br />
A. Alle Flüssigkeiten verdunsten.<br />
B. Benzin wird heißer als Wasser.<br />
C. Einige Flüssigkeiten verdunsten schneller als andere.<br />
D. Flüssigkeiten verdunsten nur bei Sonnenschein.<br />
E. Wasser wird heißer als Benzin.<br />
Wer über hinreichendes Textverständnis verfügt, wird sich bei dieser Aufgabe<br />
sagen können, dass die Aussagen, die bei A., B., E. und bei D. stehen, im Zusammenhang<br />
mit dem Vorspann wohl als irrelevant eingestuft werden können.<br />
Unter der Zusatz-Annahme, dass bei jedem Item eine Antwort richtig sein soll,<br />
folgt schließlich, dass er hier wohl<br />
„C. Einige Flüssigkeiten verdunsten schneller als andere“<br />
angekreuzt werden muss. Textverständnis und ein bisschen Logik führen wieder<br />
einmal zu der Lösung, die die Testkonstrukteure für die richtige halten. Tatsächlich<br />
stellt aus Sicht der Physik auch die Formulierung bei „C.“ eine unzulässige<br />
Verallgemeinerung dar. Bei „C.“ hätte z. B. stehen müssen:<br />
„C. Benzin verdunstet unter Einwirkung von Sonnenlicht schneller als<br />
Wasser.“<br />
Außerdem könnte die Variante bei „B.“ auch eine richtige Lösung sein, denn es<br />
ist ja möglich, dass Benzin stärker als Wasser die IR-Strahlung der Sonne absorbiert.<br />
Oder absorbiert Wasser womöglich die IR-Strahlung der Sonne stärker als<br />
Benzin? Das hieße, Wasser würde unter Wirkung von Sonnenlicht heißer als<br />
Benzin werden (womit dann auch „E.“ richtig wäre). - Hier wird deutlich: Bei<br />
dieser Aufgabe hätte man die Sonne nicht ins Spiel bringen dürfen. Diese Aufgabe<br />
ist mit Nebenbedingungen und mit schlecht formuliertem Text überladen.<br />
- 24 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Vermutlich ist auch zu Item N3 nie ein Experiment durchgeführt worden. Von<br />
einem solchen Experiment müsste man auch abraten, denn wenn man eine „Tasse<br />
Benzin ... an einem heißen, sonnigen Tag auf einen Tisch ans Fenster“ stellt,<br />
könnte sich ein explosives Luft-Gas-Gemisch bilden. Und falls eine Explosion<br />
nicht stattfindet, hätte man es immerhin mit ziemlich giftigen Gasen zu tun, wenn<br />
Benzin in der Sonne verdunstet. 21<br />
Folgerungen aus den Tests der TIMS-Studie<br />
Charakteristische Merkmale der Science-Items bei TIMSS<br />
Das Science-Testpaket der TIMS-Studie lässt sich in folgender Weise charakterisieren:<br />
• Experimente werden falsch dargestellt.<br />
• Komplexe Sachverhalte werden simplifiziert und linearisiert.<br />
• Das Science-Testpaket von TIMSS enthält sehr viel Text, der außerdem oft<br />
unpräzise formuliert und schlecht übersetzt wurde.<br />
• Multiple-Choice-Items sind fehlerhaft, weil mehrere Alternativen richtig sind<br />
(wie bei der Raumschiffaufgabe, siehe Abschnitt 3.4)<br />
• Bei einigen Items ist die richtige Lösung ist für einen muliple-choice-testerfahrenen<br />
Schüler leicht zu finden, weil die richtige Variante sprachlich anspruchsvoller<br />
gestaltet ist als die falschen Alternativen.<br />
• Hinderlich beim Lösen vieler TIMSS-Aufgaben sind Erfahrungen aus eigenen<br />
Experimenten und Reflexionen über die begrenzte Gültigkeit von Gesetzen.<br />
Die fachlichen und sprachlichen Fehler, die viele TIMSS-Items enthalten, zeigen,<br />
dass die Testbatterien der TIMS-Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt konstruiert<br />
und erprobt worden sind. Ebenso hat es an Sorgfalt bei der Herstellung<br />
der deutschen Testvariante gemangelt, wie allein schon die vielen Vokabelfehler<br />
zeigen (siehe vorne z. B. 3.5 und 3.6, siehe auch die ausführlicher Darstellung in<br />
[ 22 ]).<br />
Betrachtungen zur Validität der TIMSS-Tests<br />
So wie die fächerübergreifende Kooperation zwischen Fachlehrern und Sozialwissenschaftlern<br />
bei der Bewertung der deutschen Test-Fassung versagt hat, so<br />
21 Wer ein Experiment zu dem TIMSS-Item N3 durchzuführen will, muss außerdem berücksichtigen,<br />
dass man Benzin nicht in einer „Tasse“ irgendwo stehen lassen darf. In einen Behälter,<br />
der auch zum Trinken benutzt wird, darf man nach allgemein anerkannten Sicherheitsregeln<br />
keine giftigen Flüssigkeiten füllen.<br />
22 Hagemeister, Volker 1<strong>99</strong>9: Analyse der Tests, die bei TIMSS eingesetzt worden ist, Berliner<br />
Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung und Schulentwicklung, Berlin 1<strong>99</strong>9 (in Druck)<br />
- 25 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
unzureichend war die Beteiligung fachdidaktischer Kompetenz bei der Interpretation<br />
der Ergebnisse von TIMSS. Dem entsprechend enthalten die „Deskriptiven<br />
Befunde“ 23 gravierende Fehlinterpretationen, wie z. B. die Aussage, durch die<br />
Raumschiffaufgabe würde „erfahrungsnahes Alltagswissen ... erfasst.“ (siehe<br />
vorne 3.4). Nicht zutreffend sind auch folgende Aussagen:<br />
„... für den naturwissenschaftlichen Unterricht belegt die TIMSS-<br />
Curriculum-Studie die Existenz eines internationalen Kerncurriculums für<br />
die Mittelstufe.“ 24<br />
„95% der Mathematikaufgaben und 88% der naturwissenschaftlichen Aufgabenstellungen<br />
repräsentieren Lehrplanstoff, der bis zum Ende der 8.<br />
Jahrgangsstufe in den Schulen der Bundesrepublik durchgenommen worden<br />
sein sollte.“ 25<br />
Bezogen auf den Berliner Physikunterricht sind über 50% der Aufgaben nicht<br />
rahmenplankonform 26 . Aber selbst wenn z. B. im Rahmenplan für die 8. Klasse<br />
die Stichworte „Farbaddition“ und „Farbabsorption“ genannt würden, wäre das<br />
Item R2 der TIMS-Studie nicht valide, weil in diesem TIMSS-Item ein komplexes<br />
Phänomen linearisiert und auf nicht verstandenes Faktenwissen reduziert<br />
wird (siehe vorne 3.3).<br />
Da die Testbatterien von TIMSS einerseits sehr viel Text enthalten und da andererseits<br />
Experimente falsch dargestellt werden, dürften die Tests von TIMSS insbesondere<br />
den Mädchen und Jungen Schwierigkeiten bereitet haben, die gut in<br />
Physik und Mathematik aber schlecht in Deutsch und Sprachen sind. Solche<br />
Schüler sind in Haupt- und <strong>Gesamtschule</strong>n überrepräsentiert. Dies ist nach meiner<br />
Einschätzung der entscheidende Grund dafür, warum Testteilnehmer aus<br />
Haupt- und <strong>Gesamtschule</strong>n bei TIMSS sehr viel schlechter als die getesteten<br />
Gymnasialschüler abgeschnitten haben.<br />
In einer Kurzinformation des MPI für Bildungsforschung zum Thema TIMSS<br />
steht:<br />
„Wenn mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung überhaupt ... substantiierbar<br />
27 ist, deckt der TIMSS-Test diese in bislang nicht erreichter Qualität ab“ Die<br />
Tests von TIMSS sind „bereits übermäßig breit angelegt. Durch das Hinzufügen<br />
weiterer Aufgaben wird praktisch kein Informationsgewinn erzielt.“<br />
23 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7<br />
24 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 62<br />
25 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 29<br />
26 Hagemeister 1<strong>99</strong>9<br />
27 substantiierbar: durch Tatsachen belegbar, begründbar (nach Duden, Fremdwörterlexikon)<br />
- 26 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Diese Aussagen scheinen auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zu dem zu<br />
stehen, was hier in den Abschnitten 3.1 bis 3.8 über einzelne Items der TIMS-<br />
Studie gesagt worden ist. Tatsächlich passt jedoch insbesondere der letzte Satz<br />
des Zitats sehr gut zu meiner Kritik an den TIMSS-Tests: Die meisten Science-<br />
Items bei TIMSS messen offenbar gleiche oder eng verwandte Fertigkeiten. Dies<br />
sind vor allem Lesegeschwindigkeit und Textverständnis. Deshalb führt das Hinzufügen<br />
oder Wegnehmen einzelner Items nicht zu veränderten Ergebnissen.<br />
Die Aussage, dass mit den TIMSS-Tests mathematisch-naturwissenschaftliche<br />
Bildung „in bislang nicht erreichter Qualität“ gemessen wird, ist offenbar das Resultat<br />
rein test-interner Überprüfungen. Das Science-Testpaket hat sicherlich eine<br />
hohe Konsistenz (in Bezug auf Leseverständnis). - Dass jedoch die innere Konsistenz<br />
eines Testpakets nicht mit Validität gleichgesetzt werden darf, dafür ist<br />
die TIMS-Studie ein exzellentes Beispiel.<br />
TIMSS bestätigt: „Tests test tests“ 28<br />
Zusammenfassend muss man meines Erachtens sagen, dass es nicht sinnvoll ist,<br />
aus den Ergebnissen der TIMS-Studie Aussagen über den naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht in Deutschland abzuleiten. Vergleiche etwa zwischen Schularten<br />
oder Aussagen über Lernfortschritte von einem Schuljahr zum anderen, lassen<br />
die Ergebnisse von TIMSS nicht zu, weil nur wenige Items dem bei uns üblichen<br />
Unterricht entsprechen.<br />
Wenn hier die Ergebnisse der TIMS-Studie überwiegend als irrelevant oder auch<br />
irreführend eingestuft werden, so soll damit nicht etwa gesagt werden, dass bei<br />
uns im Physik- oder Mathematikunterricht alles zum Besten steht. Z. B. werden<br />
im Physikunterricht der Sek. I Übungen und Wiederholungen stark vernachlässigt.<br />
Damit fehlen im Physikunterricht wichtige Voraussetzungen für sinnvolles<br />
Lernen, denn neue Unterrichtsinhalte werden nur dann mit früher Gelerntem<br />
sinnvoll vernetzt, wenn beim Üben und Wiederholen die Bedingungen variiert<br />
werden und wenn gleichzeitig gefordert wird, Beobachtungen und Gedanken in<br />
eigenen Worten zu beschreiben. 29 Für einen solchen Physikunterricht braucht<br />
man viel Zeit und kleine Klasse. Gerade dies aber wird, ausgelöst durch TIMSS,<br />
neuerdings in Frage gestellt. So wird in Presse- und Zeitschriftenartikeln immer<br />
wieder hervorgehoben, dass in Japan angeblich bei gleicher Unterrichtszeit in<br />
Klassen mit 40 Schülern viel mehr erreicht wird als bei uns. Hierbei wird jedoch<br />
28 Zitiert nach „Reinhard Kahl’s Kolumne“. In: Pädagogik, 50. Jg., 1<strong>99</strong>8, Heft 10, S. 64<br />
29 Zum Thema „Variieren der Bedingungen beim Üben“ siehe z. B.:<br />
- Bleichroth, Wolfgang 1<strong>99</strong>8: „Mehr Üben!“ In: NiU Physik, 9. Jg., 1<strong>99</strong>8, Heft 48, Seite 4 bis 8<br />
- Steiner, Gerhard 1<strong>99</strong>5: „Übung macht den Meister - unter welchen Bedingungen?“<br />
In: Computer + Unterricht, 1<strong>99</strong>5, Heft 9, Seite 7 und 8<br />
- Hagemeister, Volker 1<strong>99</strong>1: „Argumente für die Fortsetzung der Koedukation.“<br />
In: DDS, 83. Jg., 1<strong>99</strong>1, Heft 4, Seite 474-492<br />
- Ausubel u.a. 1980<br />
- 27 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
übersehen, dass Japanische Schüler in privaten Nachhilfeschulen gezielt im Ausfüllen<br />
von Testbögen trainiert werden. Deshalb waren die Japanischen Schüler<br />
bei TIMSS vor allem im Lösen der Multiple-Choice-Items so erfolgreich. 30<br />
Die Wirkung überregionaler Tests<br />
Obwohl es nicht sinnvoll ist, aus TIMSS Aussagen über den naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht in Deutschland abzuleiten, so liefert doch das Science-Testpaket<br />
sehr wertvolle Erkenntnisse für die aktuelle bildungspolitische Diskussion:<br />
Das Science-Testpaket zeigt, wo man hinkommt, wenn die Leistungen von Schülern<br />
und Schulen über Jahrzehnte hinweg mit überregionalen Tests kontrolliert<br />
werden:<br />
• Weil die Test-Industrie laufend neue Tests produzieren muss, die möglichst<br />
niemand kennen darf, fehlt es an Zeit und an Kommunikation für eine sorgfältige<br />
Testentwicklung.<br />
• Wer Testaufgaben kritisiert, kommt immer zu spät, denn die Aufgaben müssen<br />
vor ihrem Einsatz schließlich geheim gehalten werden.<br />
• Die Ziele der Schule werden auf Faktenwissen und auf vordergründige, multiple-choice-gerechte<br />
Logeleien reduziert.<br />
• Experimente und Lebensbezug sind nur noch Staffage. Dieses Beiwerk wird<br />
linearisiert und simplifiziert, damit es in schlicht konstruierte Multiple-<br />
Choice-Aufgaben passt. Auf diese Weise kann man problemlos auch solche<br />
Experimente, die man nie selber durchgeführt hat, in Multiple-Choice-Form<br />
bringen.<br />
• Kinder wohlhabender Eltern besuchen neben der Schule private Einrichtungen,<br />
wo trainiert wird, Testbögen rasch und richtig auszufüllen. - In Japan<br />
versucht man seit Jahren vergeblich, durch schulreformerische Maßnahmen<br />
die Macht und den Einfluss der privaten Paukschulen und der Verlage, die<br />
Testbögen herstellen, zurückzudrängen.31<br />
• Wenn wir in Deutschland dazu übergehen, Testbatterien regelmäßig überregional<br />
einzusetzen, dann werden wir damit einen neuen Industriezweig ins<br />
Leben rufen, wo viel Geld verdient werden kann (mit Testentwicklung, Verkauf<br />
von Testbögen und privaten Testtrainings-Schulen). Diese Geister, die<br />
die KMK jetzt gerufen hat, werden wir auch dann nicht mehr loswerden,<br />
30 Hoffmann, Andrea 1<strong>99</strong>6: „Japanische Mittelschüler - schwach bei inhaltlichen Aufgabenstellungen“<br />
ASD No 109 vom 1.12.1<strong>99</strong>6, im Internet unter:<br />
http://www.japonet.de/asd/109/inh109.htm<br />
31 Ito, Toshiko 1<strong>99</strong>7: Zwischen Fassade und wirklicher Absicht, Zeitschrift für Pädagogik, 43.<br />
Jg., 1<strong>99</strong>7, Heft 3,. Seite 449-466<br />
- 28 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
wenn wir längst bemerkt haben, dass unser Bildungssystem nicht besser aber<br />
ungerechter geworden ist.<br />
Niemand kann im Alleingang fachlich korrekte und valide Tests herstellen. Für<br />
die Entwicklung guter Multiple-Choice-Tests braucht man Teams aus Fachlehrern<br />
und Sozialwissenschaftlern. Die Mitglieder solcher Teams müssen Erfahrungen<br />
in der Konstruktion, der Anwendung und der Auswertung von Tests erwerben.<br />
Dazu gehört z. B. auch, dass alle Teammitglieder an Interviews zur Itemerprobung<br />
beteiligt sind, damit im Team kompetent über Validitätsprobleme<br />
diskutiert werden kann. Dies zeigt, dass der Anspruch, valide Multiple-Choice-<br />
Tests für eine überregionale Leistungskontrolle zu entwickeln, nicht kompatibel<br />
ist mit der Fließbandproduktion von Tests, wie sie in den USA üblich ist.<br />
Der Leistungsvergleich zwischen Staaten<br />
Eine Studie hat Ende der 60-er Jahre ergeben, „dass in den amerikanischen Schulen<br />
Tests etwa 30 bis 50mal häufiger eingesetzt werden“ als an „bundesdeutschen<br />
Schulen... Heute ist die Häufigkeit des Testens in deutschen Schulen eher<br />
noch geringer.32 Nun ist bekannt, dass „Test-Coaching“ erheblichen Einfluss auf<br />
Testergebnisse hat. Wer Übung im Ausfüllen von Multiple-Choice-Tests hat,<br />
wird auch in einem inhaltlich neuen Multiple-Choice-Test in der Regel besser abschneiden<br />
als ein multiple-choice-unerfahrener Mensch. Da aber die deutschen<br />
Schüler vergleichsweise selten mit Multiple-Choice-Tests konfrontiert werden,<br />
hätte man eine kleine, repräsentative Stichprobe zunächst intensiv im Ausfüllen<br />
von Testbögen trainieren müssen. Die Resultate, die diese vortrainierte Gruppe in<br />
den TIMSS-Tests erzielt hätte, hätte dann eine Abschätzung dafür geliefert, in<br />
welchem Ausmaß die Resultate von TIMSS durch Test-Coaching in Deutschland<br />
verändert worden wären.<br />
Aus meinen Interviews kann man die Hypothese ableiten, dass die fehlende Test-<br />
Erfahrung erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse bei TIMSS in Deutschland<br />
gehabt hat. Alle meine Interviewpartner haben lange über einzelne Aufgaben<br />
nachgedacht, weil sie immer wieder mit ungewohnten Formulierungen und Problemstellungen<br />
konfrontiert wurden. Wenn man nun bedenkt, dass 70 Aufgaben in<br />
90 Minuten bearbeitet werden mussten, dann wird deutlich, wie wichtig Test-<br />
Routine bei TIMSS gewesen ist. 33<br />
32 Ingenkamp, K. und Schreiber, W. H. (Hg.) 1989: Was wissen unsere Schüler, Überregionale<br />
Lernerfolgsmessung aus internationaler Sicht, Weinheim, 1989, Seite 9<br />
33 Besonders lange haben sich meine Interviewpartner z. B. bei dem unter „Understanding simple<br />
Information“ eingestuften Item mit den 3 Magneten (D2) und bei der Raumschiffaufgabe<br />
(L7) aufgehalten. Weil die von mir interviewten Mädchen und Jungen es nicht gewohnt sind,<br />
dass Texte und Zeichnungen in Physikarbeiten fehlerhaft sind, haben sie bei den Items D2<br />
und L7 lange nach einem tieferen Sinn gesucht.<br />
- 29 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Bei den Tests, die bei TIMSS in 7. und 8. Klassen eingesetzt worden sind, ist unübersehbar,<br />
dass sie die Schulrealität in Nordamerika widerspiegeln. 34 Für eine<br />
internationale Studie hätten die verwendeten Testbatterien aus internationaler<br />
Kooperation hervorgehen müssen. Dazu hätte man auch Test-Aufgaben entwickeln<br />
und bei TIMSS einsetzen müssen, die eng an die in Deutschland üblichen<br />
Rahmenpläne angelehnt sind.<br />
Außerdem hätte, bevor bildungspolitische Beschlüsse wegen TIMSS gefasst werden,<br />
eine breite öffentliche Diskussion über die Validität der bei TIMSS verwendeten<br />
Tests geführt werden müssen. Diese unverzichtbare Diskussion ist bis heute<br />
gar nicht möglich, da ein erheblicher Teil der Testaufgaben bislang noch nicht<br />
veröffentlicht worden ist. So reden alle über irgendwelche Ergebnisse, obwohl<br />
die Messverfahren, mit denen diese Ergebnisse gewonnen wurden, weitgehend<br />
unbekannt sind. Dass dies so akzeptiert wird, zeigt, wie schwer es werden wird,<br />
die Arbeit der geplanten supranationalen Testinstitute der notwendigen fachlichen<br />
und pädagogischen Kontrolle zu unterziehen.<br />
Insbesondere darf man nicht damit rechnen, dass es gelingen wird, den Missbrauch<br />
der Testergebnisse zu verhindern. Da wird dann ein Lehrer an den Pranger<br />
gestellt, wenn die Testergebnisse seiner Klasse unter dem bundesweiten Mittelwert<br />
liegen,<br />
• weil die Kinder in seiner Klasse aus ungünstigen sozialen Verhältnissen<br />
kommen<br />
und<br />
• weil er sich bemüht hat, die Mädchen und Jungen in seiner Klasse zu selbstständigem<br />
Arbeiten und Denken zu ermuntern, anstatt rechtzeitig mit dem<br />
Test-Coaching zu beginnen.<br />
Zusammenfassung<br />
Viele Science-Items bei TIMSS enthalten fachliche Fehler, insbesondere wenn<br />
es um die Darstellung von Experimenten geht. Dies zeigt, dass die Testbatterien<br />
der TIMS-Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt konstruiert und erprobt<br />
worden sind. Bei der Übertragung der Items ins Deutsche sind dann noch Übersetzungsfehler<br />
hinzugekommen.<br />
So wie die fachlichen und sprachlichen Mängel, die viele TIMSS-Items enthalten,<br />
nicht bemerkt worden sind, so ist auch übersehen worden, dass die Testbatte-<br />
34 Die Mittelwerte, die ein Land in den Tests der TIMS-Studie erreicht hat, sind deshalb auch ein<br />
Maß dafür, wie klein oder wie groß die Differenzen zum Schulsystem der USA sind. Außerdem<br />
wurden die Ergebnisse bei TIMSS sicherlich durch die Lesegeschwindigkeit und das<br />
Textverständnis der Testteilnehmer beeinflusst. Die deutschen Schüler haben also das Handikap,<br />
z. B. im Ausfüllen von Tests ungeübt zu sein, durch hohe Lesegeschwindigkeit und gutes<br />
Textverständnis teilweise kompensieren können.<br />
- 30 -
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
rien, die bei TIMSS-II und -III eingesetzt worden sind, schlecht zu dem in<br />
Deutschland üblichen Unterricht passen. Deshalb ist es unzulässig, aus den Ergebnissen<br />
von TIMSS Aussagen darüber abzuleiten, wie groß (bzw. klein) Lernfortschritte<br />
von einem Schuljahr zum anderen sind oder welche Schulart oder<br />
welcher Staat am erfolgreichsten ist.<br />
Bevor bildungspolitische Beschlüsse wegen TIMSS gefasst werden, hätte eine<br />
breite öffentliche Diskussion über die Validität der bei TIMSS verwendeten<br />
Tests geführt werden müssen. Diese unverzichtbare Diskussion ist bis heute gar<br />
nicht möglich, da ein erheblicher Teil der Testaufgaben bislang noch nicht veröffentlicht<br />
worden ist. So reden alle über irgendwelche Ergebnisse, obwohl die<br />
Messverfahren, mit denen diese Ergebnisse gewonnen wurden, weitgehend unbekannt<br />
sind.<br />
Der vorstehende Text ist ein Vorabdruck eines Aufsatzes in Heft 2/<strong>99</strong> der<br />
Zeitschrift „Die Deutsche Schule“, das weitere Artikel zum gleichen<br />
Thema enthält.<br />
Dr. Volker Hagemeister arbeitet im Berliner Institut für Lehrerfort- und<br />
-weiterbildung und Schulentwicklung (BIL).<br />
Er ist zuständig für „Fächerübergreifende Projekte und außerschulische<br />
Lernorte, Schwerpunkt: Physik“.<br />
- 31 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Annemarie von der Groeben:<br />
Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />
Von den Lehrern hängt die Qualität der Schule ab,<br />
nicht von den Vergleichstests 35<br />
Die 3. Internationale Vergleichsstudie zum mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Basiswissen - kurz TIMSS - hat unter den Kultusministern zu<br />
einer Kehrtwendung in der Politik geführt: Es wird nur noch über Tests<br />
und Qualitätssicherung geredet. In Nordrhein-Westfalen treibt die Debatte<br />
seltsame Blüten: Erst ließ die Kultusministerin Gabriele Behler (SPD)<br />
rund 3000 Abiturarbeiten nachzensieren; jetzt verfügte sie an den Schulleitern<br />
vorbei, daß der Zweitkorrektor für die Abiturarbeiten 1<strong>99</strong>9 aus einer<br />
anderen Schule zu kommen habe. Das institutionalisierte Mißtrauen<br />
gegenüber Schule und Lehrern erfolgt im Namen der Qualität. Dem Politikwechsel<br />
widerspricht im folgenden Beitrag Annemarie von der Groeben<br />
von der Laborschule Bielefeld. Es handelt sich um eine starke gekürzte<br />
Fassung ihres Vortrags, den sie bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde<br />
der Universität Bielefeld gehalten hat.<br />
BIELEFELD. Woran bemißt sich die Qualität einer Schule? Die gängige und einfachste<br />
Antwort auf diese Frage lautet: an den Fachleistungen. Um diese Qualität<br />
bundesweit zu sichern, werden demnächst auf Beschluß der Kultusministerkonferenz<br />
in allen Schularten aller Länder Vergleichstests durchgeführt. Nachdem die<br />
TIMSS-Studie für Deutschland einen höchst mittelmäßigen Rang im internationalen<br />
Vergleich ergeben hat, sollen mit diesem Instrument Unterschiede ermittelt<br />
und Defizite aufgedeckt werden.<br />
So weit, so einfach. Diese Logik hat jedoch zwei entscheidende Haken. Qualität<br />
entsteht (oder entsteht nicht) in der einzelnen Schule. Und die ist nicht Gegenstand<br />
des Vergleichstests. Sie verschwindet im Mittelwert und mit ihr vieles, worauf<br />
es ankommt. Daß der Staat wissen will, was seine Schulen leisten, versteht<br />
sich von selbst. Die Frage ist nur, wie er dies ermittelt. Das Mittel der Vergleichstests,<br />
so behaupte ich, ist ein Bumerang, der gerade das zu erschlagen<br />
droht, was er sichern soll: die Qualität des Lernens.<br />
Mehr muß nicht mehr sein und schnell nicht besser.<br />
Die Schulen einiger Länder, so TIMSS, seien anderen um mehr als ein Jahr voraus.<br />
Daraus wird dann in der Öffentlichkeit, nicht selten publizistisch aufge-<br />
35 Aus: Frankfurter Rundschau am 04.02.1<strong>99</strong>9<br />
Der vollständige Text der Rede ist unter der Rubrik „TIMSS, BiJu, PISA u.ä.“<br />
auf den Internet-Seiten der GGG Nordrhein-Westfalen zu finden (www.GGG-NRW.de).<br />
- 32 -
Annemarie von der Groeben:<br />
Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />
bauscht, die einen seien um so viel besser als die anderen. Dieses Ranglistendenken<br />
hat mindestens drei ebenso ungeprüfte wie problematische Voraussetzungen:<br />
(1) Lernen sei ein linearer Prozeß der Akkumulation von Wissen, (2) Schule habe<br />
folglich möglichst vielen Kindern in möglichst kurzer Zeit möglichst viel davon<br />
zu vermitteln, und (3) die Qualität von Schule bemesse sich allein oder vorrangig<br />
an der Erfüllung dieser Aufgabe. Schule als Rennstrecke - diese Vorstellung ist<br />
nicht nur eine Beleidigung ihres Namens, der bekanntlich „Muße“ bedeutet, sondern<br />
auch eine Perversion ihrer wichtigsten Aufgaben. Verstehen braucht Zeit,<br />
eben Muße, Umwege, Freiräume für trial and error, Mut zur Gründlichkeit. Lernen<br />
verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr, ganz zu schweigen von Bildung und<br />
Erziehung.<br />
Lernwege sind keine Lehrplanwege.<br />
Lehrpläne sind Konstrukte, antizipierte Lernverläufe. Kinder sind und lernen a-<br />
ber häufig ganz anders, als Lehrplaner erwarten. Sie verweilen unterschiedlich<br />
lange auf den einzelnen Stufen des Verstehens. Sie können sich auch quer zu solchen<br />
Normen entwickeln. Verstehen läßt sich eben nicht erzwingen. Einen Praktiker<br />
nimmt es darum nicht wunder, was die TIMSS-Forscher so erstaunte: daß<br />
sie selbst in Gymnasialklassen eines Jahrgangs, wo sie es nicht erwarteten, alle<br />
Stufen des naturwissenschaftlichen Verstehens vorfanden. Wie eine Schule dieser<br />
Unterschiedlichkeit gerecht wird, wäre ein Kriterium für ihre Qualität.<br />
Lernen wird nicht besser durch Normerfüllungsdruck<br />
Im Gegenteil: Die Lern- und Intelligenzforschung stellt solches Normendenken<br />
gerade in Frage. Lernen verläuft viel unterschiedlicher, Leistung umfaßt viel<br />
mehr, als daß normierte Meßlatten ihnen gerecht werden könnten. Ein Kriterium<br />
für die Qualität einer Schule wäre, wie sie unterschiedliche Lernformen und -<br />
hilfen einsetzt, wie sie multiple Intelligenzen bedient, wie sie auch und gerade die<br />
Lernschwachen durch erreichbare Erfolge zu ermutigen versucht. Schulen haben<br />
in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehnten viel gelernt: durch Öffnung des Unterrichts,<br />
individualisierende Hilfen und Übungen, praktisches Lernen. Das alles<br />
droht den Bach runterzugehen, wenn „Wettrennen“ und Normerfüllung angesagt<br />
sind.<br />
Hier sollen nicht schlechte Leistungen schöngeredet werden, im Gegenteil. Es<br />
gibt keinen höheren Anspruch als den, daß jeder Mensch das ihm Mögliche leisten<br />
soll. Für Schulen heißt das: dem einzelnen Kind gerecht zu werden, es als Individuum<br />
zu sehen und zu seinen Höchstleistungen zu befähigen. Solche Gerechtigkeit<br />
gewährleisten Normen nicht gerade, sie gefährden sie.<br />
Das Meßbare ist nicht alles und oft gerade nicht das Wichtige.<br />
Zum Beispiel in Deutsch: Die Literatur-Didaktik geht davon aus, daß die Beziehung<br />
zwischen Leser und Text eine je individuelle, persönliche ist, daß es viele<br />
Formen der Aneignung von Literatur gibt, vor allem aber, daß Aneignung ein ak-<br />
- 33 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
tiver Vorgang ist, bei dem Empathie und Imagination eine entscheidende Rolle<br />
spielen. Das verträgt sich schlecht mit quantitativen Vergleichsuntersuchungen.<br />
Wenn diese zur Regel werden, wird der Unterricht sich beinahe zwangsläufig zurückentwickeln<br />
zu dem, was eigentlich weniger wichtig, dafür aber klar operationalisierbar<br />
ist: Gelehrt wird, was sich abprüfen läßt. Wo es darauf ankommt, eine<br />
Sache unter Zeit- und Vergleichsdruck „auseinanderzunehmen“, ist die Fahrradpumpe<br />
besser geeignet als der „Faust“.<br />
Vergleichstests werfen häufig mehr Fragen auf als sie beantworten.<br />
Deutsche Schülerinnen und Schüler haben bei TIMSS in Biologie erheblich besser<br />
abgeschnitten als in Mathematik. Die Forscher erklären dies mit der interessanten<br />
Hypothese, der Biologieunterricht biete „eine besonders persönlichkeitsschützende<br />
Lernwelt“.<br />
Was heißt das? Ist so etwas wie lebendiger Unterricht gemeint? Oder Anschaulichkeit?<br />
Oder Verständlichkeit? Wie auch immer - zu fragen wäre, warum, was<br />
den Biologieunterricht gut macht, nicht auch für Mathematik gelten kann. Zu fragen<br />
wäre auch hier nach der Qualität der Lernprozesse und den Bedingungen ihres<br />
Gelingens, nicht nach dem Quantum der Produkte. Auf das Wie kommt es an,<br />
auf das Lernklima, die Schulkultur. Qualitätssicherung braucht den Blick auf das<br />
Besondere, den die Vergleichszahlenkolonnen mehr zuschütten als fördern.<br />
Japan ist nicht das gelobte Land.<br />
Wenn japanischer Mathematikunterricht, wie TIMSS uns lehrt, so viel besser,<br />
weil problemorientierter ist als deutscher, haben wir allen Grund, von Japan zu<br />
lernen. Aber müßten wir, um diese Erfolge zu den unseren zu machen, nicht auch<br />
deren Randbedingungen akzeptieren? Private Zusatzschulen, extremer Leistungsdruck,<br />
verbunden mit der weltweit höchsten Schülerselbstmordrate - der Erfolg<br />
hat seinen Preis. Aus vielen Beispielen wissen wir, daß die ödesten Paukschulen<br />
oft die besten Ergebnisse erzielen, gemessen am Quantum des Fachwissens,<br />
und wir wissen auch, was sie Kindern damit antun können. Soll Schulkultur<br />
in Zukunft nach Test-Ranglisten bemessen werden?<br />
„Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.“<br />
Vergleichstests sollen ein faires Mittel der Qualitätssicherung sein, weil sie alle<br />
vor gleiche Anforderungen stellen. Aber genau das ist nicht fair. George Orwells<br />
bitter-bissiger Satz über die Demokratie beschreibt die Verteilung der Chancen<br />
zutreffend. Die Unterschiede zwischen Schulen, auch innerhalb einer Schulart,<br />
sind riesig. Natürlich haben sie mit dem sozialen Umfeld zu tun. Wie sehr, das<br />
zeigt eine Hamburger Vergleichsuntersuchung aller 5. Klassen. Sie hat ergeben,<br />
daß die Leistungen der besten Schülerinnen und Schüler aus Hamburg-<br />
Wilhelmsburg in etwa denen der schwächsten aus dem Nobel-Vorort Blankenese<br />
- 34 -
Annemarie von der Groeben:<br />
Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />
entsprechen. Zugespitzt: Die Kinder aus Wilhelmsburg haben schon verloren,<br />
bevor sie zum ersten Mal ihre Schultüte in die Hand nehmen.<br />
Gerade die Schulen für solche Kinder könnten in der Qualitätsbewertung neue<br />
Maßstäbe setzen und tun das oft in vorbildlicher Weise. Wie Lehrerinnen und<br />
Lehrer in Wilhelmsburg und anderswo versuchen, gerade diese Schulen gerade in<br />
diesem Stadtteil zu einem Ort des guten Zusammenlebens und zu einem Haus des<br />
guten Lernens zu machen, wäre ein Kriterium dafür. Nicht aber Vergleichsstudien,<br />
die die Randbedingungen methodisch ausblenden und alle Probanden als<br />
prinzipiell gleiche, kontextlose Wissensträger sehen, die sie nun einmal nicht<br />
sind.<br />
Erfolg und Kontrolle gehen selten Hand in Hand.<br />
Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an. Von ihrer Arbeit hängen Erfolg<br />
und Schulqualität ab. Sie, deren wissenschaftliche Ausbildung der Staat sich viel<br />
kosten läßt, sie, die eigentlichen Subjekte der Qualitätsentwicklung zu deren Objekten<br />
zu machen, kommt einer pauschalen Entmündigung gleich. Erfolg verspricht<br />
das übrigens nicht. Die europäischen Länder mit besonders rigiden Kontrollen<br />
schneiden bei TIMSS vielfach schlechter ab als Deutschland. Das ficht die<br />
Kultusministerien jedoch nicht an. Gleichzeitig propagieren sie Mut zur Schulentwicklung,<br />
Selbstbestimmung, Verantwortung, die lernende Schule, sie erwarten<br />
Kollegien mit Neugier und Pioniergeist. Nur: Beides paßt nicht zusammen.<br />
Autonomie und Normerfüllung schließen sich aus.<br />
Ich plädiere für eine Qualitätskontrolle, die die einzelne Schule in ihrem Kontext<br />
sieht, sie an ihrem eigenen Programm mißt und fachlich hohe Anforderungen<br />
stellt. Tests sind ein wichtiges diagnostisches Instrument. Aber sie dürfen nicht<br />
zur empirischen Dampfwalze werden, die das Beste, was Schulen an Kindern<br />
leisten können, zu überrollen droht.<br />
Schulen sind keine Fabriken, die Stoff in Köpfen produzieren. Sie haben es mit je<br />
einzelnen Kindern zu tun, sollen sie zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erziehen<br />
und dazu befähigen, das ihnen Bestmögliche zu leisten. Jeder, der das tut,<br />
muß die Möglichkeit haben, seine Leistung als gut und wertvoll zu erleben, auch<br />
und gerade, wenn er vielleicht ein schwacher Hauptschüler ist und in Hamburg-<br />
Wilhelmsburg wohnt.<br />
Dr. Annemarie von der Groeben ist Didaktische Leiterin an der Laborschule Bielefeld<br />
- 35 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
Anhörung im Landtag:<br />
Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in<br />
einer sich wandelnden Arbeitswelt bestehen können<br />
Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschuß für Schule und Weiterbildung<br />
34. Sitzung am 05.05.1<strong>99</strong>8 (öffentlich), Ausschußprotokoll 12/867 36<br />
Vorsitzender Heinrich Meyers: Jetzt folgen die drei letzten Wortbeiträge. Ich<br />
darf zuerst Herrn Gerd Schäfers, Leiter der <strong>Gesamtschule</strong> Velbert, bitten, ans<br />
Rednerpult zu kommen.<br />
Gerd Schäfers (Leiter der <strong>Gesamtschule</strong> Velbert): Herr Vorsitzender! Meine<br />
Damen und Herren! Es ist natürlich eine schwierige Situation, sich am Ende einer<br />
so anstrengenden und intensiven Debatte noch einmal zu äußern. Ich möchte<br />
nicht Punkte aus dem, was ich schriftlich eingereicht habe, vertiefen; das können<br />
Sie nachlesen.<br />
Die Veranstaltung hier war ja zweigeteilt. Wir haben am Anfang viele Vertreter<br />
aus der Wirtschaft und nachher Verbandsvertreter aus dem pädagogischen Bereich<br />
gehört. Ich rede nun nicht als Verbandsvertreter der einen oder der anderen<br />
Seite. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was würden die Schüler wahrnehmen?<br />
Und was haben die Schülerinnen und Schüler im Moment, im letzten Jahr,<br />
wahrgenommen? Was erwartet die <strong>Gesellschaft</strong> von ihnen? Was erwartet die <strong>Gesellschaft</strong><br />
von uns Lehrerinnen und Lehrern an Schulen?<br />
Ich darf zu letzterem, Herr Tacke, Ihren Kollegen Kempken, den Leiter der Siemens-Niederlassung<br />
in Frankfurt, zitieren, der darauf hinweist,<br />
„... daß wir Menschen brauchen, die bereits in der Schule gelernt haben, in<br />
vernetzten Strukturen problemorientiert zu denken: teamfähige, kreative,<br />
neugierige Leute mit logischem, analytischem Denkvermögen. Das setzt<br />
projektorientierten Unterricht voraus, der Schülern die Möglichkeit gibt,<br />
komplexe Zusammenhänge in Planspielen ... zu erfahren.”<br />
Ich glaube, heute ist sehr deutlich geworden - alle haben dies gesagt -, daß die<br />
<strong>Gesellschaft</strong> von den Schülerinnen und Schülern heute viel mehr verlangt, als es<br />
zu unserer Zeit der Fall war. Wer von uns hat sich solchen Verfahren unterziehen<br />
müssen, um eine Berufsausbildung zu finden, wie es heute notwendig ist? Wer<br />
von uns Erwachsenen erfüllt denn auch nur einen Teil der in der Schrift der IHK<br />
- und das ist ja vom Landesausschuß für Berufsbildung weitgehend übernommen<br />
worden - genannten Grund- und Schlüsselqualifikationen, und zwar in dieser<br />
Summe? Das alles soll Schule bereitstellen, das alles sollen Schülerinnen und<br />
Schüler bringen und leisten, und gleichzeitig verfolgen die Schülerinnen und<br />
36 Auf unseren Internet-Seiten (www.GGG-NRW.de) ist unter der Rubrik GGG aktuell neben<br />
diesem Redebeitrag auch die ausführliche Stellungnahme von Gerd Schäfers zu finden.<br />
- 36 -
Anhörung im Landtag:<br />
Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer sich<br />
Schüler in der öffentlichen Debatte, daß man sie für nicht qualifiziert hält, für<br />
faul hält, für unflexibel hält. Der DIHT zum Beispiel - den Presseausschnitt habe<br />
ich mir angesehen - wirft den Jugendlichen wirklich pauschal groben Egoismus<br />
vor, weil Jugendliche zum Teil Lehrstellen nicht abgesagt hätten.<br />
Ich habe dazu vor einer Woche eine sehr interessante Erfahrung gemacht. Unsere<br />
Schule betreibt seit langem eine intensive Zusammenarbeit mit Ausbildern aus<br />
Betrieben. Dort haben die Jugendlichen - wir haben nicht über sie geredet, sondern<br />
mit den Schülerinnen und Schülern und auch den Eltern; es war eine Runde<br />
von 50 Vertretern aus Betrieben, Schülern, Eltern und Lehrern - berichtet, wenn<br />
sie 30 Bewerbungen schrieben, sei es für sie normal, daß sie 25 überhaupt nicht<br />
beantwortet bekämen. Bitte verlangen wir nicht von Jugendlichen etwas, was wir<br />
selber nicht vorführen!<br />
(Beifall)<br />
Ich habe in meiner Stellungnahme Gräfin Dönhoff zitiert, die auf verschiedene,<br />
gesellschaftlich üblich gewordene unlautere Methoden bei Großbanken und Ärzten<br />
hinweist und dann sagt: Man kann von Jugendlichen nicht allzuviel erwarten,<br />
wenn dies die Elite der <strong>Gesellschaft</strong> vorführt. Im übrigen hat auch Herr Hundt als<br />
Präsident der Arbeitgeberverbände in, wie ich finde, unzulässiger pauschaler<br />
Weise den Satz geprägt, daß die Jugendlichen heute zunehmend für die Ausbildung<br />
zu wenig qualifiziert oder nicht ausbildungsfähig seien. Dies trifft möglicherweise<br />
für einen wachsenden Teil von Jugendlichen zu. Wer könnte das besser<br />
beurteilen als wir Lehrerinnen und Lehrer, die wir das ja in der Schule erfahren<br />
und uns dort damit auseinandersetzen müssen und weit davon entfernt sind zu<br />
sagen: Wenn die Grundschule uns das nicht richtig abliefert, wie sollen wir in der<br />
Sekundarstufe l darauf aufbauen? - Diese Schuldzuweisungen führen uns, glaube<br />
ich, nicht weiter.<br />
Mich hat das nicht ruhen lassen. Ich habe seit vier Jahren die Betriebe, die unsere<br />
Schüler übernehmen oder bei denen sie ein Praktikum haben, befragt - nach den<br />
Vorbildern von Mannesmann oder auch der Sparkasse, die Praktikantenfragebögen<br />
haben -, und zwar vor allem zum Bereich der sogenannten Sekundärtugenden.<br />
Da sind ja zum Teil sehr massive Vorwürfe gegen unsere Schülerinnen und<br />
Schüler zu hören. Und siehe da - seit vier Jahren ist das Ergebnis konstant. Gerade<br />
in den Bereichen Pünktlichkeit, Lernwille, Fleiß werden die Jugendlichen von<br />
den Ausbildern in den Betrieben zwischen 80 und 90 % mit „gut“ und „sehr gut“<br />
beurteilt. Wenn ich als Leiter einer Schule mit l 200 Schülerinnen und Schülern<br />
das veröffentlichte Bild der Jugendlichen wahrnehme, erkenne ich meine Schülerinnen<br />
und Schüler nicht wieder.<br />
(Beifall)<br />
Vor allem nicht in der Summe! Ich möchte mich an das anschließen, was der<br />
Kollege Steffens vorhin aus der berufsschulpädagogischen Sicht gesagt hat. Er<br />
hat auf Sachsen-Anhalt hingewiesen. Was erwarten wir von Jugendlichen an Mo-<br />
- 37 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aktuelle Bildungspolitik<br />
tivation, an Perspektive, wenn wir sie mit einem solchen Zerrbild in der Presse<br />
konfrontieren? Ich möchte uns alle dringend bitten, mit solchen pauschalierenden<br />
Urteilen gerade über Jugendliche sehr vorsichtig umzugehen. Sie werden es uns<br />
heimzahlen.<br />
(Beifall)<br />
Da Herr Tacke noch hier ist, möchte ich gerne eine Bemerkung von ihm in bezug<br />
auf die Organisation der Schule aufgreifen. Sie haben davon gesprochen, daß<br />
Schulleiter und Schulleiterinnen Management- und Leitungsqualitäten bekommen<br />
sollten, die sich auch auf die Auswahl der Kolleginnen und Kollegen ausweiten<br />
sollten. Ich unterstütze das sehr. Wir haben heute viel von Zeit gesprochen, die<br />
die Schule braucht. Wenn Sie dieses Problem in Angriff nehmen wollen, Herr<br />
Tacke, dann müssen Sie wissen: Wir haben das Beamtenrecht. Wir müssen,<br />
fürchte ich, Zeitschienen von Jahrhunderten zugrunde legen, bis wir dies erreicht<br />
haben.<br />
Noch eine kleine Lanze möchte ich für Jugendliche brechen, die aber sehr zweischneidig<br />
ist. Es ist schon erwähnt worden, daß Jugendliche heute anderes können<br />
und mehr können, als wir können konnten. Ich weiß nicht, seit wann es so ist,<br />
daß Schülerinnen und Schüler in einem Ausmaß jobben, das jeden Vorwurf, daß<br />
sie faul seinen, schon automatisch widerlegt. Ich habe in diesem Jahrgang bei unseren<br />
Abiturientinnen und Abiturienten systematisch erfragt, wie viele Wochenstunden<br />
sie von Klasse 9 bis Klasse 13 gearbeitet haben. - Ich habe übrigens Unterlagen<br />
dazu, wie auch zu der eben erwähnten Umfrage der Betriebe, bei mir,<br />
wenn Sie interessiert sind. - Es war für mich erschreckend festzustellen, daß bei<br />
unserer sechszügigen Schule die Arbeitszeit der Schülerinnen und Schüler in den<br />
Klassen 9 bis 13 47 Arbeitsplätze in der Stadt Velbert ersetzt. Was ich überhaupt<br />
nicht gedacht hätte - aber ich habe in meinem 13er-Kurs nachgefragt -, ist, daß<br />
viele sich in regelmäßigen Arbeitsverhältnissen auf 620-DM-Basis befinden.<br />
Auf der Veranstaltung, die ich eingangs erwähnte, war auch ein Vertreter einer<br />
namhaften Handelskette, die gelegentlich neben Gemüse auch Computer verkauft.<br />
Er beklagte sich dort auch darüber, daß sie keine Auszubildenden fänden.<br />
Ein Sozialarbeiter der katholischen Kirche hat diesen Gedanken aufgegriffen und<br />
gesagt: Wenn ich die Nebentätigkeit von Schülerinnen und Schülern einmal genauer<br />
untersuche, finde ich in Ihrer Kette, am Ladentisch oder an der Kasse, eine<br />
Schülerin, die die gesamten Arbeiten, die Sie verlangen, hervorragend erledigt:<br />
Sie tippt die Preise ein, sie ist freundlich zu den Kunden, sie kauft, sie kann überschlägig<br />
bemessen, ob der Betrag in Ordnung ist, ob es sich um Kilogramm oder<br />
Gramm handelt. - Alles dies hatte er vorher eingefordert. - Nur, wenn diese Schülerin<br />
zu Ihnen kommt und einen Aufnahmetest schreibt, dann wird sie möglicherweise<br />
oder ziemlich sicher durchfallen.<br />
- 38 -
Anhörung im Landtag:<br />
Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer sich<br />
Ich finde, daß uns solche Dinge zu denken geben sollten. Wir haben deshalb beschlossen,<br />
uns mit den Ausbildern zusammen in konkreter Arbeit den Anforderungen,<br />
die in den Tests gestellt werden, zuzuwenden, indem wir uns das gemeinsam<br />
mit der Fachkonferenz Mathematik und Deutsch - mit beiderseitiger Kritik -<br />
vornehmen und fragen: Was machen wir in der Schule falsch? Zu welchem Zeitpunkt<br />
unterrichten wir etwas, was ihr zu einen ganz anderen Zeitpunkt abfragt?<br />
Was ist bei euren Tests noch angemessen? Was könnte dort verbessert werden?<br />
Ich möchte mit der provokanten Frage schließen: Was würden Sie als Vertreter<br />
der Industrie denn tun, wenn wir alle Schülerinnen und Schüler so qualifizieren<br />
würden, wie wir uns das alle wünschen? Ein Vertreter eines großen Betriebes aus<br />
Wuppertal hat uns geschildert, daß er für acht Stellen im kaufmännischen Bereich<br />
200 Bewerberinnen und Bewerber hatte. Er hat uns dann die Versagertests<br />
in Kopie an der Wand vorgeführt. Die Bitte, das zu quantifizieren, bzw. die Frage,<br />
ob es nun nur wenige Einzelfälle waren oder nicht, konnte oder wollte er<br />
nicht beantworten. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man in<br />
diesen Zeiten manchmal ganz froh ist, über ein Instrument zu verfügen, von dem<br />
man sozusagen neutral sagen kann: Wenn es 60 % meiner 200 Bewerberinnen<br />
und Bewerber sind, die nicht gut rechnen und nicht gut schreiben können, dann<br />
habe ich schon eine kleinere Gruppe, aus der ich auswählen kann. - So, bitte, dürfen<br />
wir nicht mit Jugendlichen umgehen.<br />
(Beifall)<br />
- 39 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
AUS DER ARBEIT IN DEN GESAMTSCHULEN<br />
Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />
Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?<br />
Befragt man OberstufenschülerInnen nach ihren Zukunftsvorstellungen im Anschluss<br />
an das Abitur, dann hört man von Schuljahr zu Schuljahr immer häufiger<br />
den Wunsch nach einer Berufseinmündung in eine Lehre. Nicht wenige verbinden<br />
damit auch die Vorstellung: „Erst einmal weg von der Schule und etwas<br />
Handfestes arbeiten - studieren kann Ich später noch“. Sicherlich begründet sich<br />
diese Entwicklung auch mit anhaltenden Negativentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt<br />
für Akademiker: Längst kann nicht jeder Studienabsolvent den erwünschten<br />
und dem langen Studium entsprechenden Berufsanschluss ohne Probleme<br />
erhalten. Studienleistungen sind nicht mehr bruchlos einbringbar in gehobene<br />
berufliche Positionen mit entsprechendem Einkommen.<br />
Wie festzustellen ist, bleibt das Abitur dennoch für viele SchülerInnen ein hoch<br />
erstrebenswertes Ziel, es entwickelt sich zum „Generalschlüssel für den Eintritt in<br />
Hochschulen als auch in attraktive Ausbildungen des dualen Systems.<br />
Wenn wir einerseits feststellen, dass immer mehr SchülerInnen die gymnasiale<br />
Oberstufe besuchen möchten und andererseits die Beobachtung gemacht wird,<br />
dass ein immer größerer Anteil dieser SchülerInnen eine betriebliche Ausbildung<br />
anstrebt, dann erscheint es pädagogisch zwingend geboten, im Schulprogramm<br />
dem Übergang in eine berufliche Ausbildung verstärkt Rechnung zu tragen.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch ein Motivationsproblem nicht zu übersehen:<br />
Richten sich Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsinhalte überwiegend am Leitbild<br />
des künftigen Studierenden an Universitäten und Hochschulen aus, dann ist<br />
nicht auszuschließen, dass die Lernbedürfnisse der eher berufsorientierten SchülerInnen<br />
weniger eingebunden werden mit entsprechenden Verlusten an Lernfreude<br />
und Lernmotivation.<br />
Zwar hat sich die <strong>Gesamtschule</strong> Vohwinkel immer schon darum bemüht, dem<br />
Doppelanspruch des Bildungsganges in der Oberstufe - Gewährleistung der allgemeinen<br />
Studierfähigkeit und des Übergangs in eine berufliche Ausbildung - zu<br />
entsprechen, jedoch soll dem berufsorientierenden Bereich auf dem Hintergrund<br />
der o.g. Entwicklung noch mehr Nachdruck verliehen werden. Dabei kann sich<br />
die Schule in ihren Bemühungen auch auf Empfehlungen des Ministeriums zur<br />
„Studien- und Berufswahlvorbereitung in der gymnasialen Oberstufe“ stützen.<br />
Im Zusammenhang mit der aktuellen Schulprogrammdiskussion bzw. Schulprogrammentwicklung<br />
in der <strong>Gesamtschule</strong> Vohwinkel wird zur Zeit versucht, geeignete<br />
Lösungsansätze zu entwickeln: In Fortentwicklung der bisher gut angenommenen<br />
Maßnahmen zur Berufsorientierung in der Sekundarstufe I sollen<br />
Maßnahmen in der gymnasialen Oberstufe angeboten werden wie: Berufliche<br />
- 40 -
Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />
Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?<br />
Selbsterkundung in Betrieben, Bewerbertraining mit außerschulischen Institutionen<br />
wie der AOK, der DAK und der Universität Wuppertal, Berufserkundungsprojekte<br />
in Zusammenarbeit mit Firmen und Betrieben, erweiterte Inanspruchnahme<br />
der Beratungsleistungen des Arbeitsamtes und des Berufsinformationszentrums.<br />
Ebenso gewichtig wie außerunterrichtliche Maßnahmen zur Verbesserung der<br />
Berufsorientierung soll auch die Auswahl und das Angebot solcher Unterrichtsthemen<br />
in den Blick genommen werden, die den SchülerInnen eine intensive Bearbeitung<br />
und Auseinandersetzung mit Fragen zur Berufswahlvorbereitung bzw.<br />
zur Berufsorientierung ermöglichen. Auch eröffnet die neu vorgelegte Ausbildungs-<br />
und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe die Möglichkeit einer<br />
berufsweltlich-orientierten Themenstellung im Rahmen von Facharbeiten. Zur<br />
nachhaltigen Unterstützung dieser Vorhaben und Maßnahmen wird an der <strong>Gesamtschule</strong><br />
Vohwinkel ein Mitglied des Kollegiums benannt, das dieses Aufgabenfeld<br />
betreut und dabei eng mit BerufsberatungslehrerInnen, den Fachkonferenzen<br />
und den entsprechenden außerschulischen Einrichtungen zusammenarbeitet.<br />
Ob die Bemühungen der Schule zur weiteren Verbesserung des Übergangs in<br />
eine berufliche Ausbildung nach Abschluss des Abiturs bei den Schülerinnen<br />
„ankommen“, soll in einer anschließenden Befragung im kommenden Schuljahr<br />
geprüft werden mit dem Ziel, gelungene Maßnahmen auszubauen und zu erweitern<br />
bzw. Alternativen zu entwickeln.<br />
- 41 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
Jürgen Theis:<br />
Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren<br />
Die <strong>Gesamtschule</strong> Dortmund-Scharnhorst war eine der ersten Schulen in Dortmund<br />
(und in Nordrhein-Westfalen), die mit einem Computer für den Unterricht<br />
ausgestattet wurde: eine Zuwendung aus „Überschussmitteln“ der Stadtsparkasse<br />
machte es Mitte der siebziger Jahre möglich, ein „WANG 2200 Portable Computer<br />
System“ mit einem Preis in der Größenordnung eines Mittelklassewagens zu<br />
beschaffen, keineswegs eine Art Laptop – wie der irreführende Name heute suggerieren<br />
mag – sondern eine ziemlich<br />
schwere, gerade von einer Person noch<br />
tragbare Maschine. Der Rechner hatte<br />
noch keine Ein-Chip-CPU im heutigen<br />
Sinne, sondern ein auf viele große Karten<br />
verteiltes Rechenwerk. Sein Arbeitsspeicher<br />
umfasste 4 KB - in Worten:<br />
vier Kilobyte 37 . Als „Massenspeicher“<br />
diente ein Kassetten-Laufwerk, als Medien<br />
wurden anfangs in der Regel normale<br />
Tonbandkassetten verwendet. Immerhin<br />
erlaubte die Maschine eine Programmierung<br />
in einem WANGspezifischen<br />
BASIC-Dialekt, der beispielsweise<br />
Matrix-Operationen recht<br />
komfortabel ermöglichte. Allerdings waren<br />
die Anwendungsmöglichkeiten noch<br />
recht unbefriedigend: es fehlte vor allem<br />
ein Drucker und die Speichermöglichkeiten<br />
erwiesen sich schnell als viel zu lahm und für „ernsthafte“ Anwendungen<br />
in der Kapazität völlig unzureichend. Inzwischen hatte WANG den abgebildeten<br />
Nachfolgetyp herausgebracht, mit 16 KB Arbeitsspeicher und – vor allem – mit<br />
einem Doppel-Laufwerk für 360 KB-Disketten.<br />
Das günstige Zusammentreffen zweier Umstände machte es möglich, diese Wünsche<br />
schrittweise zu erfüllen:<br />
• In der Nachbarschaft der Schule gab es einen kleinen Betrieb, der Alarmanlagen<br />
installierte und wartete. Der Unternehmer benutzte auch einen Rechner<br />
aus der Serie WANG 2200. Andererseits schickte er seine drei Kinder<br />
zur <strong>Gesamtschule</strong> Scharnhorst und erfuhr so von den ernsthaften Arbeiten<br />
in einer Computer-Arbeitsgemeinschaft im 9./10. Schuljahr.<br />
37 Heute werden Rechner mit bis 16 000-fach so großem Speicher bei ALDI angeboten!<br />
- 42 -
Jürgen Theis:<br />
Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren<br />
• In dieser Arbeitsgemeinschaft gab es einen besonders fähigen Schüler, der<br />
bald die Möglichkeiten des WANG-Computers souverän beherrschte.<br />
So kam es zu einem für die damalige Zeit ungewöhnlichen „Geschäft“: Der genannte<br />
Schüler entwickelte Programme für den benachbarten Betrieb (z.B. zur<br />
Überwachung der Wartungstermine bei dessen Kunden) und aus dem Unternehmen<br />
floss eine Spende in die Schule, die den Ausbau des Computers auf 16 KB<br />
und die Beschaffung eines Aufsatzes mit dem Disketten-Doppel-Laufwerk ermöglichte.<br />
Es blieb nicht dabei; aus anderen Quellen flossen weitere Spendenmittel, mit denen<br />
z.B. ein Nadel-Drucker (auf der Abbildung im Hintergrund) und ein fast<br />
zentnerschweres Dreifach-Laufwerk für 10-Zoll-Disketten angeschafft werden<br />
konnte. Auch in diesen Fällen wurden jeweils auf die besonderen Bedürfnisse der<br />
Spender zugeschnittene Programme in der Arbeitsgemeinschaft produziert. So<br />
konnte u.a. auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen der <strong>Gemeinnützige</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V. hier erste EDV-Leistungen „in Auftrag geben“.<br />
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der genannte Schüler nicht nur seine Abiturprüfung,<br />
sondern auch die Diplomprüfung in Informatik mit „Sehr gut“ bestanden<br />
hat.<br />
- 43 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
GGG-Download-Service<br />
GGG-DOWNLOAD-SERVICE<br />
Der Landesverband der <strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V. bietet<br />
aktuelle Textdateien - vorwiegend aus dieser Zeitschrift - im Internet zum Download<br />
an (in der Regel im Format Word 95 als ZIP-Datei gepackt).<br />
Die Adresse der GGG-Eingangsseite ist<br />
http://www.GGG-NRW.de/<br />
(sie steht auch auf der dritten Umschlagseite dieses Heftes).<br />
Weitere Artikel finden sich ebenfalls auf den GGG-Internet-Seiten unter den<br />
Rubriken GGG aktuell und „<strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen“; sie<br />
haben das Format HTML und lassen sich direkt auf dem Bildschirm betrachten.<br />
Zur Zeit sind von unseren „GGG-Download-Service“ unter vielen anderen die<br />
folgenden Dateien zu laden:<br />
Verzeichnis der <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen<br />
Schulen, Bezirksregierungen, LSW Soest MS WinWord 6.0/95<br />
Nur Schulen MS Access 97<br />
Nur Schulen<br />
dBASE IV<br />
Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
In eigener Sache:<br />
Warum eine neue Internet-Adresse?<br />
GGG-Landesvorstand an Ministerpräsident:<br />
<strong>Gesamtschule</strong> – kein Standortnachteil!<br />
Volker Hagemeister:<br />
Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />
Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen IV/98<br />
Vor 30 Jahren …<br />
Dezember 1968 begann der „Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in NRW e.V.“<br />
(seit 1971 GGG-Landesverband NRW) seine Arbeit<br />
Anne Ratzki:<br />
Scheitern erwünscht?<br />
Manfred Poppe:<br />
Teamarbeit als konstitutives Merkmal von Schulmanagement<br />
- 44 -
Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen III/98<br />
Brigitte Schumann, MdL:<br />
Wer mehr Qualität von Schule und bessere Leistungen<br />
von SchülerInnen will, muß im Unterricht anfangen!<br />
Werner Kerski:<br />
Man kann eine Kuh noch so oft wiegen, sie wird dadurch nicht fetter!<br />
Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen II/98<br />
Beteiligung gem. § 16 SchMG - Stellungnahmen der GGG:<br />
Richtlinien und Lehrpläne für die <strong>Gesamtschule</strong><br />
Ingrid Wenzler:<br />
Schulprogramme für <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer<br />
im gemeinsamen Projekt<br />
Roel van Drimmelen:<br />
Kollegiale Kultur<br />
Edith Rüdell:<br />
Tischgruppentraining - warum und wozu?<br />
Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen I/98<br />
Johannes Rau:<br />
Rede zur Bildungspolitik im Landtag am 13. Dezember 1<strong>99</strong>7<br />
Brigitte Schumacher:<br />
Rede im Landtag am 13. Dezember 1<strong>99</strong>7<br />
Aus dem GGG-FESCH-Info IV/97<br />
Gernod Röken:<br />
Annäherungen an Möglichkeiten<br />
zu einem gesamtschulgemäßen Unterricht<br />
Aus dem GGG-FESCH-Info III/97<br />
WP II-Kurs an der <strong>Gesamtschule</strong> Mülheim-Saarn:<br />
Das Image der <strong>Gesamtschule</strong> Saarn<br />
Gernod Röken:<br />
Aspekte für ein Gelingen von Teamarbeit in der Schule<br />
- 45 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
GGG-Download-Service<br />
Aus dem GGG-FESCH-Info II/97<br />
Sigrid Beer, Vorsitzende des Landeselternrates der <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-<br />
Westfalen:<br />
„25 Jahre LER“ - Ansprache zur Jubiläumsfeier<br />
Edith Rüdell:<br />
Unterschiede zwischen den alten und neuen Richtlinien der <strong>Gesamtschule</strong><br />
Aus dem GGG-FESCH-Info I/97<br />
Susann Rabener, 8. Jg., <strong>Gesamtschule</strong> Kaiserplatz, Krefeld:<br />
Das Bild auf der Titelseite des Heftes „Haus des Lernens“<br />
(in Farbe mit hoher Auflösung)<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung am 17.02.97<br />
Ingeborg Friege:<br />
Ziele suchen - Wege finden<br />
Schritte auf dem Weg zu einer Profiloberstufe<br />
Sonstiges<br />
Susanne Thurn:<br />
Lernen, Leistung, Zeugnisse - Eine Schule (fast) ohne Noten<br />
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin:<br />
„TIMSS Germany“<br />
Mathematisch naturwissenschaftlicher Unterricht<br />
im internationalen Vergleich<br />
(Originaltext als gepackte Postscript-Datei)<br />
Die derzeit gültige Satzung der GGG Nordrhein-Westfalen<br />
Hilfsprogramme<br />
Ein Importfilter für alle, die mit WORD 6 oder WORD 95 Texte bearbeiten<br />
wollen, die mit WORD 97 geschrieben sind:<br />
WORD-Converter (Freeware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />
Die Schlicht-Version zum Auspacken der komprimierten Dateien:<br />
PKZip/PKUnzip (Freeware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />
Die Packstation für Windows 95:<br />
WinZip 6.3 (Shareware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />
- 46 -
GGG-DRUCKSCHRIFTEN<br />
Die folgenden Veröffentlichungen sind gegen Rechnung (Preise plus<br />
Versandkosten) bei der GGG-Geschäftsstelle (Huckarder Str. 12,<br />
44147 Dortmund) zu beziehen. DM<br />
GGG konkret Nr. 3 Was ist <strong>Gesamtschule</strong>?<br />
0,50<br />
Ein Ratgeber beim Übergang in das 5. Schuljahr<br />
(14. Auflage in Vorbereitung)<br />
GGG konkret Nr. 4 Eltern in der <strong>Gesamtschule</strong> - Unterricht in der <strong>Gesamtschule</strong><br />
2,00<br />
- Mitwirkung in der <strong>Gesamtschule</strong><br />
(6. Auflage Dezember 1<strong>99</strong>7)<br />
GGG aktuell Nr. 5 Solidarität - Integration - Öffnung<br />
0,50<br />
Materialien zur inneren Reform der <strong>Gesamtschule</strong><br />
(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>0)<br />
GGG aktuell Nr. 6 Schulreform - Schulstruktur - Schulrecht<br />
2,00<br />
Materialien zur Strukturreform des Schulwesens<br />
(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>0)<br />
GGG aktuell Nr. 7 Die Diskussion um die Schulstruktur<br />
2,00<br />
Materialien zur aktuellen bildungspolitischen Diskussion<br />
(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>2)<br />
GGG aktuell Nr. 8 Berichte aus der pädagogischen Praxis<br />
2,00<br />
Autonomie - Integration - Schulkultur<br />
(1. Auflage März 1<strong>99</strong>5)<br />
GGG aktuell Nr. 9 Schule der Vielfalt<br />
4,00<br />
25 Jahre <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />
(1. Auflage Dezember 1<strong>99</strong>5)<br />
GGG aktuell Nr. 10 Zukunft der Bildung - Zukunft der Schule – 4,00<br />
Zukunft der <strong>Gesamtschule</strong><br />
(1. Auflage Februar 1<strong>99</strong>7)<br />
Anne Ratzki u.a.<br />
Jürgen Theis,<br />
Sabine Pohl<br />
Verzeichnis der <strong>Gesamtschule</strong>n in NRW 1<strong>99</strong>8/<strong>99</strong> 20,00<br />
Team-Kleingruppen-Modell Köln-Holweide<br />
Theorie und Praxis<br />
Studien zur Bildungsreform, Band 28<br />
Die Anfänge der <strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen<br />
Studien zur Bildungsreform, Band 29<br />
für GGG-<br />
Mitglieder:<br />
20,00<br />
für GGG-<br />
Mitglieder:<br />
30,00<br />
Ernst Rösner <strong>Gesamtschule</strong> – was ist das eigentlich? 3,00<br />
Baumwolltaschen 2,00<br />
Aufkleber (7,5 x 5 cm) 0,50<br />
- 47 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
GGG-Druckschriften<br />
Folgende Hefte (und viele andere) sind bei der Bundesgeschäftsstelle<br />
der GGG (Postfach 1303, 26583 Aurich) zu beziehen:<br />
DM<br />
2/79 Das Team-Kleingruppen-Modell (Nachdruck) 6,00<br />
1/80 Schulsozialarbeit an <strong>Gesamtschule</strong>n 0,00<br />
1/83 Eltern in Schule und Unterricht 4,00<br />
1/84 <strong>Gesamtschule</strong> hier und dort<br />
4,00<br />
Eltern vergleichen integrierte <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
1/85 Schulinterne Lehrerfortbildung an <strong>Gesamtschule</strong>n 4,00<br />
1/86 Bundeskongreß 1985 in Wetzlar 2,00<br />
1/87 Bildungspolitisches Aktionsprogramm der GGG 1,00<br />
2/87 Pädagogisches Profil der <strong>Gesamtschule</strong> 4,00<br />
1/88 <strong>Gesamtschule</strong> und Grundschule kooperieren 4,00<br />
2/88 Bundeskongreß 1987 in Moers 4,00<br />
4/88 Ausländische Schülerinnen und Schüler -<br />
4,00<br />
Deutsche <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
1/89 Lehrerfortbildung für die <strong>Gesamtschule</strong> 6,00<br />
2/89 Integration von behinderten und nicht behinderten<br />
6,00<br />
Kindern in der <strong>Gesamtschule</strong><br />
Bundeskongreß 1989 in Marburg 4,00<br />
Bundeskongreß 1<strong>99</strong>0 in Kiel 4,00<br />
Bundeskongreß 1<strong>99</strong>1 in Hannover<br />
<strong>Gesamtschule</strong> - Erinnerungen an die Zukunft 10,00<br />
Gruppentraining (Köln-Holweide und Sulzbach) 6,00<br />
Antirassistische Erziehung 20,00<br />
Traxler-Plakat 20,00<br />
Traxler-Plakat, handsigniert (Nr. 1 bis 100) 200,00<br />
Binnendifferenzierung (2. Auflage 1<strong>99</strong>6) 6,00<br />
- 48 -
FORUM-MATERIALIEN<br />
Veröffentlichungen dieser Reihen sind gegen Rechnung (Preise plus Versandkosten)<br />
bei der GGG-Geschäftsstelle (Huckarder Str. 12, 44147 Dortmund) zu<br />
beziehen.<br />
Frauen und Kunst<br />
DM<br />
Eine Reise durch die Zeit<br />
10,00<br />
Zur europäischen Geschichte der Malerei<br />
Farbrausch - Farbenlehre und Kontraste 10,00<br />
Zeichenkohle, Aquarell, Gouachen, Ölmalerei, Holzschnitte<br />
10,00<br />
Eine Einführung in die Techniken<br />
Der weibliche Blick<br />
15,00<br />
Suzann Valadon und die Geschichte der Aktmalerei<br />
Der menschliche Körper - Aktmalerei<br />
15,00<br />
Einführung in die Techniken und ein historischer Abriß<br />
Frauen und Management<br />
DM<br />
Als Frau erfolgreich führen oder Die Macht der kleinen Schritte 20,00<br />
Gesagt - getan: Ein Trainingsprogramm in freier Rede 10,00<br />
Effektive Konferenzen<br />
15,00<br />
Vorbereiten, durchführen, auswerten<br />
Zeitmanagement und Arbeitsorganisation im Team 15,00<br />
Frauen lernen Gruppen leiten (2. Auflage 1<strong>99</strong>7) 15,00<br />
Frauen und Schule<br />
DM<br />
Matriarchatsforschung 10,00<br />
Hexen und Hexenverfolgung gestern und heute 20,00<br />
Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstraining 10,00<br />
Die Königin von Saba oder Frauen schreiben ihre Geschichte(n) 10,00<br />
Literaturwerkstatt:<br />
10,00<br />
Therapeutisches und journalistisches Schreiben<br />
Frauen und Beruf<br />
DM<br />
Weiberwirtschaft - Frauen sichern ihre Existenz 10,00<br />
- 49 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Forum-Materialien<br />
Naturwissenschaften<br />
Naturwissenschaftlicher Unterricht und <strong>Gesellschaft</strong> DM<br />
Naturwissenschaft von Anfang an 10,00<br />
Wasser - Natur pur!? (Teil 1) 15,00<br />
Wasser - Natur pur!? (Teil 2) 15,00<br />
Naturerscheinung „Wetter und Klima“ 15,00<br />
Das Ozonloch 10,00<br />
Winter - find ich cool 10,00<br />
Hausmüll 10,00<br />
Naturwerkstatt I: Wolle, Pflanzenfarben, Färben 15,00<br />
Umweltlabor 10,00<br />
Fliegen und Flugmodelle 15,00<br />
Fortbewegung in Natur und Technik 20,00<br />
Müll am Beispiel Verpackung 10,00<br />
Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion 20,00<br />
Woraus die Dinge gemacht sind 15,00<br />
Konservierung von Lebensmitteln mit und ohne Chemie 15,00<br />
Mollig warm 15,00<br />
Ein Wattenmeerprojekt 15,00<br />
Weltmacht Drogen 15,00<br />
Stadtökologie 15,00<br />
Lebensraum Meer 15,00<br />
Biozide: Chemische Waffen und Pflanzenschutzmittel 15,00<br />
Vom Bernstein zur Volta-Säule 15,00<br />
Neu: Mobilität: „Wenn Menschen was bewegen“ 20,00<br />
Neu: Menschen in Raum und Zeit 15,00<br />
Neu: Energiesparen in der Schule 15,00<br />
Sonstiges<br />
Musikalische Chancen für alle - Schulversuch Musik<br />
an der <strong>Gesamtschule</strong> Essen-Mitte (mit Musikcassette)<br />
DM<br />
20,00<br />
- 50 -
Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />
(III. Quartal 1<strong>99</strong>9)<br />
WEITERBILDUNG BEI DER GGG<br />
Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />
(III. Quartal 1<strong>99</strong>9)<br />
Sonderurlaub<br />
für Lehrerinnen<br />
Datum<br />
Wochenendseminar<br />
für Frauen<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
für Lehrerinnen<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Wochenendseminar/<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub/<br />
Bildungsurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub/<br />
Bildungsurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Atmung - Stimme - Artikulation<br />
09.08.<strong>99</strong> und 16.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr - 18.00 Uhr)<br />
Gruppen erfolgreich leiten<br />
13.08.<strong>99</strong> (18.00 Uhr) - 24.08.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />
Berufs- und Lebensplanung gehören zusammen:<br />
Lebensentwürfe in Text und Bild<br />
19.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 20.08.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
Stressabbau im Unterricht mit Hilfe von Qigong,<br />
Kursteil I<br />
25.08.<strong>99</strong> (17.30 Uhr) – 27.08.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
„Beziehungs-weise lernen“: TZI in der Schule<br />
28.08.<strong>99</strong> (11.30 Uhr) – 01.09..<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
Als Frau erfolgreich führen<br />
30.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr – 18.00 Uhr)<br />
Klassenmanagement<br />
03.09.<strong>99</strong> (16.00 Uhr ) – 04.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />
Planungs- und Umsetzungshilfen für den neuen<br />
Lehrplan Mathematik an der <strong>Gesamtschule</strong><br />
06.09.<strong>99</strong> (17.30 Uhr ) – 08.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
Skulptur und Plastik – Von der Figur zu abstrakten<br />
Formen plastischer Gestaltungsweisen<br />
09.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr ) – 10.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />
Zeitmanagement für Frauen<br />
13.09.<strong>99</strong> (10.00 – 18.00Uhr)<br />
In Zusammenarbeit mit der Stiftung CREADID:<br />
Qualitätsentwicklung realistisch gestalten<br />
13.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr) – 15.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
„Hinter den Kulissen“:<br />
Schminken fürs Theaterspielen<br />
14.09.<strong>99</strong> (10.00 – 18.00Uhr)<br />
- 51 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
für Lehrerinnen<br />
Datum<br />
Sonderurlaub/<br />
Bildungsurlaub<br />
für Frauen<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
für Lehrerinnen<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Wochenendseminar<br />
für Eltern<br />
Datum<br />
Sonderurlaub<br />
Datum<br />
Weiterbildung bei der GGG<br />
Tischgruppentraining in der Orientierungsstufe<br />
17.09.<strong>99</strong> (11.30 Uhr) – 18.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
Wie kann der Computer mir helfen?<br />
Grundlagen der EDV<br />
Ein Einführungsseminar für Lehrerinnen<br />
20.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 21.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />
Konferenzen leiten<br />
20.09.<strong>99</strong> und 27.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr - 18.00 Uhr)<br />
Annäherung an die Moderne:<br />
Vom Porträt zum Menschengesicht<br />
Ein Praxisseminar<br />
23.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 24.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />
Berufs- und Lebensplanung gehören zusammen:<br />
Sprachliche Durchsetzung für Mädchen und Frauen<br />
23.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 24.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />
Skulptur und Plastik<br />
Ein Praxisseminar<br />
24.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr ) - 25.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />
Streitkultur und andere vorbeugende Möglichkeiten<br />
in einer humanen Schule<br />
24.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr) - 26.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)1<br />
Qualifizierungsbausteine für die Abteilungsleitung<br />
an <strong>Gesamtschule</strong>n<br />
Baustein IV: Teamentwicklung in der Schule<br />
27.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr) - 29.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)1<br />
Weiterbildungsangebot und Anmeldemöglichkeit auch im Internet!<br />
http://www.GGG-NRW.de/<br />
- 52 -
Anmeldeformular<br />
Anmeldeformular<br />
Seminar:<br />
(Kurztitel, Datum)<br />
Name:<br />
Bildungsurlaub nach Arbeitnehmer-Weiterbildungs-Gesetz<br />
Anschrift:<br />
Telefon:<br />
Ich bin an ähnlichen Veranstaltungen interessiert<br />
Datum/Unterschrift:<br />
Anforderung von Einzelprogrammen<br />
Senden Sie mit bitte Einzelprogrammen zu folgenden Seminaren<br />
(Kurztitel, Veranstaltungsdatum):<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
Anschrift:<br />
Datum/Unterschrift:<br />
- 53 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Weiterbildung bei der GGG<br />
Bitte ausgefüllt an die Geschäftsstelle senden!<br />
(Anschrift paßt für Fensterumschlag DIN lang)<br />
⇐ Hier knicken!<br />
FORUM ELTERN UND SCHULE<br />
Austausch & Begegnung<br />
Huckarder Str. 12<br />
44147 Dortmund<br />
- 54 -
BEITRITTSERKLÄRUNG<br />
Ich erkläre meinen Beitritt/Wir erklären unseren Beitritt<br />
zur <strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />
Ich/Wir zahle(n) als einen Jahresbeitrag von<br />
Einzelmitglied (normaler Beitrag)<br />
Einzelmitglied (reduzierter Beitrag)<br />
Einzelmitglied (für Auszubildende, Schülerinnen und Schüler,<br />
Studentinnen und Studenten)<br />
Einzelmitglied (für Arbeitslose)<br />
korporatives Mitglied<br />
120.00 DM<br />
40.00 DM<br />
12.00 DM<br />
12.00 DM<br />
200.00 DM<br />
Vor- und Zuname:<br />
Anschrift:<br />
Telefon:<br />
Beruf:<br />
Ort, Datum:<br />
Geburtsdatum:<br />
<strong>Gesamtschule</strong>:<br />
(falls dort tätig)<br />
Unterschrift:<br />
Einzugsermächtigung<br />
Hiermit ermächtige ich Sie widerruflich, die von mir zu entrichtenden Beiträge<br />
von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto die erforderliche<br />
Deckung nicht aufweist, besteht seitens der kontoführenden Bank keine<br />
Verpflichtung zur Einlösung. Aufgrund eines Austritts zuviel gezahlte Beiträge<br />
sind mir auf Anforderung zurückzuzahlen.<br />
Name des Kontoinhabers:<br />
Wohnort:<br />
Kontonummer:<br />
Bankleitzahl:<br />
Bank:<br />
Ort, Datum:<br />
Unterschrift:<br />
- 55 -
<strong>Gesamtschule</strong><br />
in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />
Beitrittserklärung<br />
Bitte ausgefüllt an die Geschäftsstelle senden!<br />
(Anschrift paßt für Fensterumschlag DIN lang)<br />
⇐ Hier knicken!<br />
Landesverband NRW<br />
Huckarder Str. 12<br />
44147 Dortmund<br />
- 56 -