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I/99 - Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule e.V. ...

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<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

I/<strong>99</strong><br />

K 8196 F<br />

Schwerpunktthema:<br />

Was sollen Kinder in der Schule lernen?<br />

Eine Arbeit aus dem Plakatwettbewerb<br />

Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“ .. Seite 4<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben? ....................................... Seite 11<br />

Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr .............. Seite 32<br />

Weiterbildungsprogramm für das III. Quartal 1<strong>99</strong>9............ Seite 51


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

<strong>Gesamtschule</strong><br />

I/<strong>99</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

Herausgeber:<br />

und<br />

Redaktion:<br />

Beiträge bitte<br />

einsenden an:<br />

Bilder aus dem<br />

Plakatwettbewerb<br />

der GGG<br />

- II -<br />

Impressum<br />

Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen e.V.<br />

Landesverband der<br />

<strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />

FORUM ELTERN UND SCHULE,<br />

AUSTAUSCH UND BEGEGNUNG<br />

Weiterbildungseinrichtungen der GGG NW,<br />

(Anschrift wie Verleger)<br />

Jürgen Theis<br />

<strong>Gemeinnützige</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />

Huckarder Str. 12<br />

44147 Dortmund<br />

Telefon: (0231) 14 80 11 - Fax: (0231) 14 79 42<br />

Internet: http://www.GGG-NRW.de/<br />

E-Mail: GGG@Hagen.de<br />

Sylvia Schüler/Elisabeth Feindt/Anne Rosahl (Jg. 7), Hildesheim<br />

[Titelseite], Jan Bruder (Jg. 11), Neumünster [Seite<br />

4], Lisa Frisch (Jg. 7), Hildesheim [Seite 10]<br />

Zeichnung: Sydney Harris (American Scientist) [Seite 43]<br />

Erscheinungsweise: Das Info erscheint viermal im Jahr.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten,<br />

ansonsten beträgt er DM 2,- pro Ausgabe.<br />

Verleger: Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen e.V.<br />

Landesverband der<br />

<strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />

Huckarder Str. 12<br />

44147 Dortmund<br />

Telefon: (0231) 14 80 11 - Fax: (0231) 14 79 42<br />

Druck:<br />

Montania-Druck GmbH, Dortmund<br />

Satz:<br />

Eigensatz<br />

Auflage: 2.500<br />

Ausgabedatum: 01.03.<strong>99</strong>


im Internet!<br />

Seit Mitte Juni 1<strong>99</strong>6 sind aktuelle und nützliche Informationen<br />

aus den <strong>Gesamtschule</strong>n und für <strong>Gesamtschule</strong>n unter<br />

der folgenden Adresse im Internet erreichbar:<br />

http://www.GGG-NRW.de/<br />

Beachtenswert ist insbesondere der<br />

GGG-Download-Service.<br />

(Übersicht auf Seite 44 in diesem Heft!)<br />

- III -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

GGG-Landesverband NW (Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in NRW e.V.),<br />

Huckarder Str. 12, 44147 Dortmund<br />

PVSt - Deutsche Post AG - Entgelt bezahlt K 8196 F<br />

- IV -


Inhalt<br />

Aus der Arbeit der GGG -----------------------------------------------------------------2<br />

In eigener Sache ... ----------------------------------------------------------------------2<br />

Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“ ------------------------4<br />

GGG-Landesvorstand:<br />

Schreiben an Ministerpräsident Clement----------------------------------------5<br />

Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI -----------------------------------------------9<br />

Ein Informationsblatt mit einer ausführlicheren Gegenüberstellung der<br />

alten und der neuen Regelung für die Abschlüsse am Ende der<br />

Sekundarstufe I der <strong>Gesamtschule</strong> ist Anfang Februar an die<br />

<strong>Gesamtschule</strong>n des Landes verschickt worden. Es kann auch bei der<br />

GGG-Geschäftsstelle angefordert werden. ---------------------------------- 10<br />

Gespräch zwischen GGG und Schulministerin---------------------------------- 10<br />

Aktuelle Bildungspolitik----------------------------------------------------------------- 11<br />

Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben? ----------------------------------------------- 11<br />

Annemarie von der Groeben:<br />

Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr ------------------------------ 32<br />

Anhörung im Landtag:<br />

Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer<br />

sich wandelnden Arbeitswelt bestehen können ------------------------------ 36<br />

Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n ------------------------------------------------- 40<br />

Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />

Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?-------------------------- 40<br />

Jürgen Theis:<br />

Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren ----------------------- 42<br />

GGG-Download-Service --------------------------------------------------------------- 44<br />

GGG-Druckschriften-------------------------------------------------------------------- 47<br />

Forum-Materialien------------------------------------------------------------------------ 49<br />

Weiterbildung bei der GGG ----------------------------------------------------------- 51<br />

Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />

(III. Quartal 1<strong>99</strong>9) --------------------------------------------------------------- 51<br />

Anmeldeformular -------------------------------------------------------------------- 53<br />

Anforderung von Einzelprogrammen ------------------------------------------ 53<br />

Beitrittserklärung ------------------------------------------------------------------------- 55<br />

- 1 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit der GGG<br />

AUS DER ARBEIT DER GGG<br />

In eigener Sache ...<br />

Die GGG ist umgezogen – im Internet<br />

Viele Leute hatten sich gerade daran gewöhnt, dass unter<br />

„www.Hagen.de/GGG“<br />

viele interessante Informationen und Kontakte zu finden waren:<br />

• Aktuelle bildungspolitische Meldungen<br />

• Stellungnahmen zu neuen Lehrplänen<br />

• Informationen über die aktuelle Qualitätsdiskussion<br />

• Das Neueste zu TIMSS, BiJu, PISA und Verwandtes<br />

• Adressen der <strong>Gesamtschule</strong>n in NRW<br />

• Angebote zur Weiterbildung (mit Anmeldeformular)<br />

• Angebote über Druckschriften (mit Bestellmöglichkeiten)<br />

• … …<br />

Dies Angebot soll auch in Zukunft bleiben und ausgebaut werden.<br />

Wer die GGG in den letzten Wochen im Internet besucht hat hat, wird es wohl<br />

schon gemerkt haben:<br />

Die GGG-Seiten haben jetzt die neue Adresse<br />

- 2 -<br />

http://www.GGG-NRW.de/<br />

Warum soll oder muss die GGG denn jetzt eine neue Internet-Adresse haben?<br />

Es gibt hierfür in der Tat mehrere triftige Gründe:<br />

1. Das Internet-Angebot auf unserem Server ist eine Dienstleistung für die<br />

<strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen – dies sollte daher auch in dem<br />

Namen der Domäne deutlich werden. (Die GGG zieht sozusagen vom<br />

Mehrfamilienhaus ins Eigenheim um)<br />

2. „Dienstleistung für die <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen“: Dies bedeutet,<br />

unser Angebot gilt einerseits nicht nur für Hagen - wie man vielleicht<br />

fälschlich aus der bisherigen Adresse schließen konnte - es kann aber<br />

auch nicht Rücksicht auf Regelungen und Sprachgebrauch in anderen<br />

Bundesländern nehmen – wie die Absenderinnen und Absender mancher<br />

Anfragen vielleicht erwarten.<br />

3. Zwischen der Stadt Hagen und dem „Provider“ unserer Internet-Seiten,<br />

dem gemeinnützigen Verein „InterNett Hagen e.V.“ wurde inzwischen<br />

Einvernehmen darüber erzielt, dass der Verein seine erfolgreiche Arbeit<br />

für Kultur und Bildung mit Unterstützung der Stadt weiterführen kann. Die


In eigener Sache ...<br />

Angebote unter der Adresse „www.Hagen.de“ sollen sich dabei aber<br />

vorrangig auf Veranstaltungen und Einrichtungen in Hagen beziehen.<br />

4. Die technische und organisatorische Betreuung unserer Seiten ist von diesem<br />

„Umzug“ nicht betroffen; die Technik wird weiterhin von „InterNett<br />

Hagen e.V.“ bereitgestellt, die redaktionelle bleibt wie bisher bei mir.<br />

Der eigentliche Umzug fand in der Nacht vom 26. zum 27. Dezember 1<strong>99</strong>8 statt.<br />

Wie bei jedem Umzug gilt auch bei diesem:<br />

• Vieles kann „entsorgt“ werden, weil es überholt oder veraltet ist: z.B. Weiterbildungsangebote,<br />

die inzwischen gelaufen sind und nur Platz wegnehmen.<br />

• Einiges ging verloren: so wird auf Zugangszähler jetzt verzichtet, nachdem<br />

sie uns hinreichend Aufschlüsse über die Interessenlage unserer Partner gegeben<br />

haben.<br />

• Manches wurde verbogen oder sonstwie beschädigt: es kann durchaus sein,<br />

dass irgendwelche „Links“ nicht mehr funktionieren oder Grafiken nicht geladen<br />

werden. In solchen Fällen bitte ich dringend um Nachricht, damit der<br />

Schaden so schnell wie möglich geheilt werden kann.<br />

Ich hoffe, dass alle „Besucher“ unserer GGG-Seiten, alle Freundinnen und<br />

Freunde der <strong>Gesamtschule</strong> sich schnell auf die Änderungen einstellen. Selbstverständlich<br />

ist für eine Übergangszeit dafür gesorgt, dass jeder, der die alte Adresse<br />

anwählt, automatisch weitergeleitet wird.<br />

Und für Probleme, Hinweise oder Kritik: GGG@Hagen.de ist immer noch die<br />

richtige Adresse.<br />

Mit den besten Wünschen und Grüßen<br />

euer<br />

P.S. CU online?<br />

- 3 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit der GGG<br />

Plakatwettbewerb „<strong>Gesamtschule</strong> - Eine Schule für alle“<br />

Am 16. Januar 1<strong>99</strong>9 hat die Jury für den GGG-Plakatwettbewerb über die Sieger<br />

in den drei Altersgruppen (Jg. 5-7, Jg. 8-10, Jg. 11-13) entschieden. Es war<br />

nicht einfach, weil insgesamt fast hundert Arbeiten eingesandt wurden, darunter<br />

auch aus <strong>Gesamtschule</strong>n in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-<br />

Holstein.<br />

Die Preise wurden an folgende Schülerinnen und Schüler vergeben:<br />

Jg. Platz Name Schule Kl.<br />

5-7 1. Lisa Frisch Robert-Bosch-<strong>Gesamtschule</strong> Hildesheim 7<br />

2. Klasse 5b <strong>Gesamtschule</strong> Dahlwitz-Hoppegarten<br />

3. Nele Buchmann Toni-Jensen-Schule Kiel 6a<br />

8-10 1. Nadine Neelsen, <strong>Gesamtschule</strong> Faldera Neumünster 8<br />

Jana Peters<br />

2. Rafael Cichy <strong>Gesamtschule</strong> Waltrop 10<br />

3. Janina Bock <strong>Gesamtschule</strong> Brüggen 9c<br />

11-13 1. Jan Bruder <strong>Gesamtschule</strong> Faldera Neumünster 11<br />

Einige der eingesandten Arbeiten sind auch im Internet anzusehen, z.B. die Bilder<br />

unten und auf der Titelseite. (Hierbei konnten nicht vorrangig prämiierte Bilder<br />

berücksichtigt werden; vielmehr sind aus technischen Gründen zunächst nur<br />

eine mit Computer hergestellte Grafik und zwei kleinformatige Zeichnungen<br />

wiedergegeben.)<br />

- 4 -


GGG-Landesvorstand:<br />

Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />

GGG-Landesvorstand:<br />

Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,<br />

10. Dezember 1<strong>99</strong>8<br />

die GGG dankt Ihnen herzlich für Ihr Schreiben vom 19. November 1<strong>99</strong>8, in<br />

dem Sie ausführlich auf die Anliegen von Landesvorstand und Bundesvorstand<br />

der GGG eingegangen sind.<br />

Wir sind froh über die unmissverständliche Klarstellung bezüglich des Ihnen<br />

durch die „WELT” vom 12. September 1<strong>99</strong>8 zugeschriebenen Zitates. Wie wir<br />

Ihnen bereits schrieben, warten die <strong>Gesamtschule</strong>n auf eine klare Stellungnahme.<br />

Sehr dankbar sind wir auch für den Hinweis auf das erfreuliche Ergebnis der Untersuchung<br />

des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen: sie macht deutlich,<br />

dass manche Aussagen von Politikern und Befürchtungen von Eltern auf Vorurteilen<br />

beruhen. Wir werden daher Ihre Antwort verbreiten und den Schulen zur<br />

Kenntnis bringen.<br />

Angeregt durch Passagen Ihres Briefes möchten wir hier gerne einige Anmerkungen<br />

machen.<br />

Das Ziel „Chancengleichheit” darf nicht verloren gehen.<br />

Die Entstehung der <strong>Gesamtschule</strong> Ende der sechziger Jahre sowie ihre Gestaltung<br />

und Konzeption in den drei Jahrzehnten bis heute sind untrennbar verbunden mit<br />

der politischen Aufgabe, dem Ziel „Gleichheit der Bildungschancen” näher zu<br />

kommen. Es hat allerdings den Anschein, dass diese Aufgabe aus dem Zentrum<br />

der Bildungspolitik an deren Rand verschoben worden ist.<br />

Dass unser derzeitiges Schulwesen diesem Ziel nicht wesentlich näher ist als vor<br />

dreißig Jahren, wird beispielsweise eindrücklich im letzten Jahrbuch der Schulentwicklung<br />

1 dargelegt: der Schulabschluß der Jugendlichen hängt immer noch<br />

eng von der sozialen Stellung der Eltern ab 2 . Dies wird auch belegt durch die Ergebnisse<br />

der Untersuchung der Lernausgangslage von Schülerinnen und Schülern<br />

der fünften Klassen an Hamburger Schulen 3 : „Die Leistungen in sprachlichen<br />

Fertigkeiten, rechnerischen Fähigkeiten, im graphischen und strukturellen<br />

Orientierungsvermögen sind durchgängig von der sozioökonomischen Situation,<br />

1 H.-G. ROLFF u.a. (Hrsg.), Jahrbuch der Schulentwicklung, Bd. 10, 1<strong>99</strong>8;<br />

insbesondere dort: ROLF HANSEN / HERMANN PFEIFFER, Bildungschancen und soziale Ungleichheit<br />

(S. 51 ff.)<br />

2 a.a.O., Tabelle auf Seite 68<br />

3 durchgeführt von RAINER H. LEHMANN und RAINER PEEK, Humboldt-Universität Berlin<br />

- 5 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit der GGG<br />

in der die Kinder aufwachsen, abhängig.” 4 In dieser Woche wurde vom Deutschen<br />

Studentenwerk und dem Bonner Bildungsministerium die 15. Sozialerhebung<br />

„Das soziale Bild der Studentenschaft in der Bundesrepublik Deutschland“<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt. Wolf-Michael Catenhusen wies bei dieser Gelegenheit<br />

eindrücklich darauf hin, dass die Studie erneut die unverändert starke<br />

Abhängigkeit des Zugangs zur gymnasialen Oberstufe und zum Hochschulstudium<br />

von der sozialen Stellung der Familie belege; die Berliner Morgenpost berichtet<br />

am 9. Dezember 1<strong>99</strong>8: „Ein so hohe schichtenspezifische Selektion im<br />

allgemeinbildenden Schulwesen «kann weder zufriedenstellen noch hingenommen<br />

werden», meinte der SPD-Politiker.“<br />

Die Veröffentlichung von Vergleichsuntersuchungen über schulische Leistungen<br />

- gemeint sind dabei immer nur die Leistungen, die mit den Mitteln der Wissenschaft<br />

und unter vertretbarem finanziellen Aufwand meßbar sind! - suggeriert in<br />

der letzten Zeit zunehmend häufiger eine Bewertung von Schulformen und Schulen.<br />

Nach der Devise „Konkurrenz belebt das Geschäft” werden Schulen zur<br />

Durchsetzung und Bewährung auf dem Bildungsmarkt aufgefordert.<br />

Doch durch die Fixierung des Interesses auf vergleichende Leistungstests und<br />

Fachleistung, nicht zuletzt beschlossen durch die KMK Ende 1<strong>99</strong>7 in Konstanz,<br />

werden Impulse gesetzt, die allen Erkenntnissen der Schulqualitätsforschung zuwider<br />

laufen. Die Gesamtaussage der Schulqualitätsforschung lautet, dass Schulqualität<br />

nur zu erreichen ist, wenn die verschiedenen Ziele der schulischen Arbeit<br />

in ein Gleichgewicht gebracht werden und wenn nicht ein Ziel, auch nicht die<br />

Fachleistung, allen anderen übergeordnet wird.<br />

Genau dies geschieht aber, wenn durch Publikation von Ergebnissen (bzw. Teilergebnissen)<br />

wissenschaftlicher Untersuchungen eine Rangfolge zwischen Schulformen<br />

oder gar einzelnen Schulen präsentiert wird. Eltern geraten ständig unter<br />

Rechtfertigungsdruck, dass ihre Kinder diese Schule besuchen. Ein solches<br />

„ranking” kann auf Dauer nur dazu führen, dass gute Schulen besser und schlechte<br />

Schulen schlechter werden.<br />

Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass die <strong>Gesamtschule</strong> über ein<br />

Jahrzehnt mit dem Ziel erprobt wurde, bei Bewährung durch sie das herkömmliche<br />

Schulsystem in der Sekundarstufe I abzulösen - eine Situation, in der <strong>Gesamtschule</strong><br />

mit traditionellen Schulen in Konkurrenz steht, war nicht Gegenstand<br />

des Schulversuchs. Gesamtschulpraktiker haben fast unisono, aber leider erfolglos,<br />

vor Problemen gewarnt, die sich mit der Einführung der <strong>Gesamtschule</strong> als einer<br />

zusätzlichen Regel-Schulform ergeben, die das vollständig vorgehaltene dreigliedrige<br />

Schulsystem nur ergänzen, aber nicht ersetzen kann. Es darf heute nicht<br />

außer Acht bleiben, dass nach einer solchen Entscheidung an manchen Orten in<br />

4 zitiert nach Hansen / Pfeiffer, a.a.O., S. 80<br />

- 6 -


GGG-Landesvorstand:<br />

Schreiben an Ministerpräsident Clement<br />

den <strong>Gesamtschule</strong>n Schülerinnen und Schüler, die einen besonderen Bedarf an<br />

Förderung, Zuwendung und Betreuung haben, deutlich überrepräsentiert sind.<br />

Diese Schulen verdienen nun alle Unterstützung und Würdigung ihrer überaus<br />

engagierten und pädagogisch erfolgreichen Arbeit – besonders auch durch die<br />

Landesregierung. Allerdings muss auch deutlich gesagt werden, dass der zunehmende<br />

Prozess der Ausgrenzung benachteiligter Kinder im traditionellen Schulwesen<br />

mit der bloßen Umwandlung von Hauptschulen in <strong>Gesamtschule</strong>n nicht zu<br />

bremsen ist. Die „Auszehrung” solcher Schulen ist programmiert. Eltern schätzen<br />

dies in der Regel richtig ein und wählen für ihr Kind eine „höherwertige” Schule.<br />

Problematisch für die <strong>Gesamtschule</strong> war in diesem Zusammenhang sicher auch<br />

das Abrücken der SPD von früheren klaren Aussagen zur <strong>Gesamtschule</strong><br />

- zumindest als der von der SPD erstrebten Schulform - und von dem Begriff der<br />

Chancengleichheit, der mit dem Ursprung der Gesamtschulidee so eng verbunden<br />

ist. Seit Abschluss der Schulversuche wurden die Aussagen zur <strong>Gesamtschule</strong> in<br />

den Parteiprogrammen der SPD in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene<br />

immer unbestimmter, was zwangsläufig als Abrücken interpretiert werden musste.<br />

Es scheint, dass ein gutes Maß an sozialdemokratischer Zielsetzung verloren<br />

zu gehen droht.<br />

In dem 1970 vom Deutschen Bildungsrat veröffentlichten „Strukturplan für das<br />

Bildungswesen” hieß es: „Gleichheit der Chancen wird in vielen Fällen nur durch<br />

Gewährung besonderer Chancen erreichbar sein.” 5 Wir sind der Meinung, dies<br />

sollte auch heute noch gelten – für benachteiligte Schülerinnen und Schüler genauso<br />

wie für Schulen und Schulformen, die sich dem schwierigen Geschäft einer<br />

„kompensatorischen” Bildung widmen.<br />

Die „Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit” ist eine<br />

Aufgabe, die für unsere <strong>Gesellschaft</strong> lebenswichtig ist.<br />

Sie appellieren an uns, in unserem „Engagement für eine konstruktive Weiterentwicklung<br />

der <strong>Gesamtschule</strong>n bei uns in Nordrhein-Westfalen nicht nachzulassen”.<br />

Die GGG versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1969 als Verband, in<br />

dem Eltern, Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler sowie Lehrerinnen und Lehrer organisiert sind, deren gesamtes<br />

Engagement auf die quantitative und qualitative Weiterentwicklung der<br />

<strong>Gesamtschule</strong> gerichtet ist. Wir werden darin nicht nachlassen.<br />

In unserem Verständnis von Schule und Lernen geht es allerdings nicht um die<br />

Feststellung, wer zu welchem Zeitpunkt welche Leistungstests besteht<br />

- unabhängig von seinen Lern- und Lebensvoraussetzungen. Die <strong>Gesamtschule</strong><br />

sucht durch die gemeinsame Schule des individuellen Förderns und Forderns für<br />

5 Deutsche Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission: Strukturplan für das Bildungswesen,<br />

1970, S. 30<br />

- 7 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit der GGG<br />

alle Kinder gemeinsam - ohne frühzeitige Ausleseprozesse - auch denjenigen<br />

Kindern Chancen sowie ein positives Selbstbild zu ermöglichen, die anders früh<br />

„durchs Gitter fallen”. Für ein solches, alle Kinder betreffendes, demokratisches<br />

Selbstverständnis der Schule wird sich die GGG weiterhin stark machen. Dass<br />

sie damit keineswegs leistungsfeindliche Ziele verfolgt, belegen all die Länder,<br />

die mit einem integrierten Schulsystem in den TIMSS-Tabellen deutlich über<br />

Deutschland liegen.<br />

Sie schreiben, die Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen seien „eine ernst zu<br />

nehmende Herausforderung für die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht”.<br />

Dies gelte „für alle Schulformen”. Dem stimmen wir nachdrücklich zu.<br />

Die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit kann nach<br />

unserer Auffassung nur in den Schulen selbst initiiert werden. Dies setzt voraus,<br />

dass die Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer genutzt und anerkannt wird.<br />

Womit die Schulen allerdings zur Zeit konfrontiert sind, sind in erster Linie intensivierte<br />

Kontrollen. Diese begründen in der Realität der Schulen kein Vertrauen<br />

in die Zielsetzung „Weiterentwicklung von Schule und Unterricht”. Dass hierdurch<br />

Schulen „besser” werden, ist ebenso wenig zu erwarten, wie dass Schülerinnen<br />

und Schüler allein durch schlechte Noten zu höheren Leistungen angespornt<br />

werden.<br />

Immerhin finden sich gelegentlich auch in der eher konservativen Presse Äußerungen,<br />

die sich anerkennend auf die Seite der Schulen stellen. Wir verweisen auf<br />

die Frankfurter Allgemeine vom 12.11.98. Sie kommentiert unter der Überschrift<br />

„Aktionismus” die Presseerklärung des MSWWF vom Vortage zur Nachkontrolle<br />

der Abiturarbeiten:<br />

„…Zehn Prozent der Arbeiten waren zu gut bewertet. Frau Behler nimmt<br />

das zum Anlaß, Konsequenzen anzukündigen. Neunzig Prozent der Arbeiten<br />

scheinen aber angemessen beurteilt worden zu sein. Das ist die eigentliche<br />

Überraschung. Wo besteht da ‘Handlungsbedarf’? Es sollen<br />

jetzt die Zweitkorrektoren nicht mehr demselben Kollegium angehören. In<br />

Zweifelsfällen soll ein Drittkorrektor herangezogen werden - alle ausgewählt<br />

nach dem ‘Zufallsprinzip’, damit möglichst viel ‘Objektivität’ garantiert<br />

sei. Das alles sieht eher nach Beschäftigungstherapie für Schulleiter<br />

und Lehrer aus. Schlimmer noch ist, daß die Ministerin mit dieser<br />

Aktion dokumentiert, wie wenig Vertrauen sie in die Lehrer hat. Wenn die<br />

Studie etwas belegt, dann ist es die Ernsthaftigkeit, mit der die meisten<br />

Lehrer ihr schwieriges Geschäft betreiben, schulische Leistungen fair und<br />

nach gemeinsamen Standards zu benoten.”<br />

Wir können für die meisten <strong>Gesamtschule</strong>n sagen, dass sie längst selbständig und<br />

aktiv mit der geforderten Entwicklungsarbeit begonnen haben. Eine regierungsamtliche<br />

Würdigung dieser Arbeit im Detail ist uns bisher nicht bekannt gewor-<br />

- 8 -


Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI<br />

den. Die in <strong>Gesamtschule</strong> unter hohem zeitlichem Aufwand der Lehrer und Lehrerinnen<br />

geleisteten Weiterentwicklungen finden zunehmend - in nunmehr entwickelten<br />

Formen - Eingang in immer mehr Schulen des herkömmlichen Schulwesens.<br />

Als aktuelle Beispiele seien Freiarbeit, Wochenplan, Berufswahlvorbereitung,<br />

Profiloberstufe genannt.<br />

Sie setzen sich dafür ein, „die objektiven Befunde empirischer Untersuchungen<br />

unvoreingenommen und ausschließlich an der Sache orientiert zu diskutieren”.<br />

Sie halten es allerdings für „schwierig - wenn nicht gar unmöglich - zu verhindern,<br />

dass Teilergebnisse einschlägiger Untersuchungen je nach Interessenlage<br />

und politischer Orientierung aus dem Zusammenhang gerissen, verkürzt wiedergegeben<br />

oder falsch interpretiert werden”. Es ist nicht zu übersehen, dass diese<br />

von Ihnen beschriebene Schwierigkeit zu einem beträchtlichen Teil durch die<br />

besondere Art einer „häppchenweisen” Veröffentlichung durch die Autoren der<br />

Vergleichsuntersuchungen mit verursacht sind. Noch befremdlicher – und offensichtlich<br />

nicht nur „an der Sache orientiert” – scheint uns der Umgang dieser<br />

Autoren mit ihrem eigenen Datenmaterial zu sein, das scheinbar je nach<br />

Adressatengruppe unterschiedliche Interpretationen zulässt. Beispielsweise wird<br />

in einer Veranstaltung der GEW in Essen von Prof. Baumert deutlich<br />

herausgestellt, dass die Daten zu einem Vergleich zwischen Schulformen<br />

untauglich sind. Wenig später begründet einer seiner Mitarbeiter mit eben diesen<br />

Ergebnissen in einer Veranstaltung in Düsseldorf, zu der ein sogenannter<br />

„Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong>” eingeladen hat, die Behauptung, es gäbe<br />

gravierende Warum sollen Schulformunterschiede.<br />

wir diesen Autoren von TIMSS Germany und BiJu mehr glauben<br />

als den vielen ausgewiesenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die<br />

Kritik an Methoden, Erhebungsgrundlagen, Auswahl der Variablen usw. üben?<br />

Wir können uns daher nicht zu einer Akzeptanz von Ergebnissen empirischer Untersuchungen<br />

verstehen, die auch aus der Wissenschaft selbst heraus vielfach in<br />

ihrer Validität in Zweifel gezogen werden. Wir halten die Ergebnisse der Untersuchungen<br />

von Prof. Baumert und seinen Mitarbeitern nicht für seriöser als die<br />

Einwände einer zunehmenden Zahl von Kritikerinnen und Kritiker. …<br />

Ab Sommer 1<strong>99</strong>9 gilt die neue AO-SI<br />

Mit dem Schuljahrswechsel tritt die neue Ausbildungsordnung für die Sekundarstufe<br />

I (schrittweise) in Kraft.<br />

- 9 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit der GGG<br />

Wie bereits angekündigt werden die Informationsschriften der GGG (insbesondere<br />

GGG aktuell Nr. 3 und GGG<br />

aktuell Nr. 4) überarbeitet. Die Restauflage<br />

wird z.Zt. mit einem Einlegeblatt<br />

für die betroffenen Seiten ausgeliefert.<br />

Ein Informationsblatt mit einer ausführlicheren<br />

Gegenüberstellung der<br />

alten und der neuen Regelung für die<br />

Abschlüsse am Ende der Sekundarstufe<br />

I der <strong>Gesamtschule</strong> ist Anfang Februar<br />

an die <strong>Gesamtschule</strong>n des Landes<br />

verschickt worden. Es kann auch bei<br />

der GGG-Geschäftsstelle angefordert<br />

werden.<br />

Gespräch zwischen GGG<br />

und Schulministerin<br />

Am 25. Januar 1<strong>99</strong>9 fand in Düsseldorf<br />

ein mehrstündiges Gespräch zwischen<br />

Mitgliedern des GGG-Landesvorstands und Ministerin G. Behler statt.<br />

Von Seiten der GGG wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Bildungspolitik<br />

der Landesregierung die Zielsetzung „Chancengleichheit“ nicht aus<br />

den Augen verlieren dürfe, sondern vielmehr in stärkerem Maße zur Maxime der<br />

konkreten Entscheidungen und Regelungen machen müsse, wenn die Ungleichheit<br />

der Bildungschancen nicht noch weiter anwachsen solle.<br />

G. Behler stimmte im Grundsatz der Zielsetzung zu, wies aber darauf hin, dass<br />

dies ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, mit dem die Schule überfordert<br />

sei. Man könne leider auch nicht viel dagegen unternehmen, dass in der Öffentlichkeit<br />

„Chancengleichheit“ kein Thema sei; z.Zt. würden Fragen nach der Qualität<br />

der Schulen in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund stehen.<br />

- 10 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

AKTUELLE BILDUNGSPOLITIK<br />

Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Eine Analyse der empirischen Basis von TIMSS<br />

„Wie ein Gespenst“ geistert TIMSS durch die Lande<br />

„Allmählich geistert die internationale Untersuchung ... wie ein Gespenst durch<br />

die Lande. Es verkündet: Deutschlands Schüler sind ... bestenfalls Mittelmaß.“ 6 .<br />

Die Ergebnisse von TIMSS wirken wie ein unabänderliches Urteil, das höhere<br />

Mächte über uns gefällt haben. „Statt auf andere Sachverständige zu warten, die<br />

vielleicht weniger Schlimmes sagen, sollte sofort einer der Hauptgedanken aufgegriffen<br />

werden. Er betrifft die Unterrichtsmethode ... Denn die TIMS-Studie<br />

hat deutlich gemacht, dass die Schüler noch viel zu unselbstständig denken und<br />

lernen.“ 7<br />

Dass sofort gehandelt werden muss, darin besteht breiter Konsens: Die Kultusminister<br />

wollen „so schnell wie möglich an allen Schulen regelmäßig die Leistungen<br />

testen lassen.“ 8<br />

Nun wurde in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass,<br />

wenn ein Netz überregionaler Leistungstests über die Schulen gelegt wird,<br />

selbstständiges Denken und Kreativität im Unterricht eher vernachlässigt werden:<br />

- „überregionale Leistungsmessungen fördern die Entwicklung zentraler Curriculumvorgaben<br />

...<br />

- Schulleistungstests insbesondere bergen die Gefahr, den Unterricht auf die<br />

Vermittlung von Fakten zu reduzieren“ 9<br />

Demnach wäre es also möglicherweise widersinnig, gleichzeitig<br />

• mehr Selbstständigkeit und Kreativität im Lehren und Lernen zu fordern<br />

und andererseits<br />

• überregionale Tests einführen zu wollen.<br />

Wie kommt es, dass aus der TIMS-Studie bildungsplanerische Maßnahmen abgeleitet<br />

werden, die sich nicht sinnvoll ergänzen, sondern gegenseitig stören?<br />

Was bislang meiner Meinung nach fehlt, ist eine sorgfältige Analyse der TIMS-<br />

6 Schiller, Joachim 1<strong>99</strong>8: „Deutsche Schulpolitik im Dilemma“, in: Der Tagesspiegel vom<br />

3.7.98, Seite 27<br />

7 Schiller 1<strong>99</strong>8<br />

8 Der Tagesspiegel vom 10.6.98, Seite 31<br />

9 Thomas, Helga 1989: Mögliche pädagogische Gefahren und Nebenwirkungen von Lernerfolgsmessungen.<br />

In: Ingenkamp, K. und Schreiber, W. H. (Hg.) 1989: Was wissen unsere<br />

Schüler, Überregionale Lernerfolgsmessung aus internationaler Sicht, Weinheim, Seite 242<br />

- 11 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Studie. Da die Studie auf empirisch ermittelten Daten aufbaut, muss die Beschäftigung<br />

mit TIMSS bei der empirischen Basis beginnen. - Ich stelle deshalb in den<br />

Abschnitten 3.1 bis 3.8 einige Testaufgaben vor, die in exemplarischer Weise<br />

zeigen, was bei TIMSS gemessen worden ist.<br />

Gibt es anspruchsvolle Multiple-Choice-Aufgaben?<br />

Es ist „ein Irrglaube, man könne im Multiple-Choice-Format keine anspruchsvollen<br />

Aufgaben entwickeln, mit denen selbstständiges Denken ... oder Problemverständnis<br />

erfasst werden.“ 10 Dieser Einschätzung stimme ich zu. Ein Test, der<br />

Multiple-Choice-Aufgaben enthält, kann ein sehr leistungsfähiges Diagnose-<br />

Instrument sein, sofern die Aufgaben mit entsprechender Sorgfalt entwickelt<br />

wurden.<br />

Ein bewährtes Verfahren zur Entwicklung leistungsfähiger Tests besteht z. B.<br />

darin, dass man einer kleinen, repräsentativen Schülergruppe die geplanten Aufgaben<br />

zunächst in offener Form präsentiert. Die verschiedenen freien Antworten<br />

der Testgruppe können dann zu Alternativen für die fertigen Multiple-Choice-<br />

Aufgaben umformuliert werden. 11 Die falschen Alternativen in einer Multiple-<br />

Choice-Aufgabe spiegeln so ganz bestimmte Fehlvorstellungen von Schülern wider.<br />

Vielfältige Informationen über die Qualität von Multiple-Choice-Aufgaben erhält<br />

man bei Interviews mit potentiellen Adressaten. Ich habe deshalb im September<br />

1<strong>99</strong>7 eine Reihe freigegebener Items aus der TIMS-Studie Schülern aus 2 Gymnasien<br />

vorgelegt. Es waren 3 Mädchen und ein Junge aus 8. Klassen und 3 Jungen<br />

aus einer 9. Klasse. Meine kleine Testgruppe entsprach also vom Alter her in<br />

etwa der Schülerpopulation, die bei TIMSS getestet worden war. Bei TIMSS<br />

wurden die Tests vor den Sommerferien, bei mir kurz nach den Sommerferien<br />

eingesetzt. Von den Leistungen her war meine Interview-Gruppe allerdings nicht<br />

repräsentativ, denn ich hatte mir Mädchen und Jungen aussuchen lassen, die als<br />

„sehr gut“ in Mathematik eingestuft wurden.<br />

Die Mädchen und Jungen meiner Testgruppe haben jeweils einzeln ein Test-<br />

Paket mit 27 Aufgaben, die aus allen Feldern der TIMS-Studie ausgewählt waren,<br />

bearbeitet. Bei jeder Aufgabe wurde zunächst der Text still durchgelesen.<br />

Erst, wenn eine Antwort aufgeschrieben oder angekreuzt war, haben wir uns über<br />

die Aufgabe unterhalten.<br />

10 Baumert, Jürgen, Köller, Olaf 1<strong>99</strong>8: Nationale und internationale Schulleistungsstudien.<br />

In: Pädagogik, 50. Jg. 1<strong>99</strong>8, Heft 6, Seite 12 bis 18<br />

11 Preibusch, W., Hagemeister, V., Schuricht, K., Seyhan, H. 1984: Wer sind „die türkischen<br />

Schüler“? In: DDS, 76. Jg., 1984, Heft 3, Seite 224 - 238<br />

- 12 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Naturwissenschaftliche Items, die bei TIMSS am Ende der 7. und 8. Klasse<br />

eingesetzt wurden<br />

Item M12 bei TIMSS 12<br />

Einige Schüler benutzen ein Amperemeter A, um die Stromstärke im<br />

Stromkreis bei verschiedenen Spannungen zu messen.<br />

Spannung<br />

Stromstärke<br />

Die Tabelle gibt einige Ergebnisse wieder. Vervollständige die Tabelle.<br />

Spannung (Volt)<br />

Stromstärke (Milliampere)<br />

1,5 10<br />

3,0 20<br />

6,0<br />

Meine Testkandidaten aus der 8. und 9. Klasse haben hier - meist nach nur kurzem<br />

Nachdenken - die Zahl 40 eingetragen. Schaut man im Internet nach, dann<br />

sieht man unter „Item key“, dass tatsächlich die Zahl 40 hier die richtige Lösung<br />

sein soll. 13<br />

Keiner meiner Interviewpartner hatte im Physikunterricht bereits die Größe<br />

„Spannung“ kennen gelernt. Keiner hatte ein Experiment - wie im Bild dargestellt<br />

- bislang gesehen oder gar selbst durchgeführt. Deshalb konnten meine<br />

Testkandidaten hier ganz unbeschwert die Zahl 40 eintragen. - Dass diese Zahlenangabe<br />

falsch ist, konnten meine Test-Schüler nicht wissen.<br />

12 TIMSS, Population 2, Science Content, Grouping G, © IEA, The Hague, 1<strong>99</strong>4<br />

13 Einen Teil der Items, die bei TIMSS eingesetzt worden sind, findet man im Internet (in englischer<br />

Sprache) unter: http://wwwcsteep.bc.edu/TIMSS1/Items.html<br />

- 13 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Wer Experimente mit Glühlampen macht, so wie in Aufgabe M12 dargestellt, der<br />

wird feststellen, dass es keinen Glühlampen-Typ gibt, bei dem die Stromstärke<br />

linear mit der Spannung im Bereich von 1,5 bis 6 Volt zunimmt. - Für eine 40-<br />

Watt-Glühlampe haben wir in einer Schaltung, die Aufgabe M12 entspricht, folgende<br />

Ströme gemessen:<br />

40 W/230V-Glühlampe,<br />

Schaltung entsprechend M12<br />

U (Volt)<br />

vorgegeben<br />

I (Milliampere)<br />

gemessen<br />

1,5 10<br />

3,0 16<br />

6,0 22<br />

Die Tabelle mit Messwerten zeigt: Bei der 4-fachen Spannung steigt der Strom<br />

nicht auf das Vierfache, sondern es wird nur etwas mehr als das Doppelte für die<br />

Strom gemessen. Warum ist das so? Der Metallfaden in der Lampe wird umso<br />

wärmer, je mehr Strom fließt. Dadurch nimmt der Widerstand des Metallfadens<br />

stark zu. Dies gilt auch für andere Lampentypen.<br />

Mit einem Experiment, wie in Aufgabe M12 dargestellt, kann man zeigen, dass<br />

bei Glühlampen kein linearer Zusammenhang zwischen Strom und Spannung besteht.<br />

Die wichtige Erkenntnis, dass in der Natur Linearität nur sehr eingeschränkt<br />

gültig ist, ließe sich also gerade anhand einer solchen Anordnung mit<br />

Glühlampe vermitteln. - Ein Schüler, der dies im Physikunterricht erfahren hat,<br />

hat mit Aufgabe M12 erhebliche Probleme.<br />

Die fachliche Fehlerhaftigkeit dieser Aufgabe zeigt, dass die Items der TIMS-<br />

Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt entwickelt worden sind. Bei der Entwicklung<br />

und Erprobung eines solchen Items hätte man irgendwann das Experiment<br />

vorführen müssen, das zu diesem Item gehört, um dann die Mädchen und<br />

Jungen, die zugeschaut haben, einzeln zu interviewen. Man hätte also in einer<br />

frühen Erprobungsphase der Tests bemerken müssen, dass diese Aufgabe so nicht<br />

gestellt werden darf.<br />

Weshalb wurde hier in den Schaltkreis kein technischer Widerstand (z. B. von<br />

150 Ω), sondern eine Glühlampe eingezeichnet? - Ich vermute, man hat die Glühlampen<br />

gewählt, weil sie eher Bezug zur Lebenswelt von Kindern hat. Mädchen<br />

und Jungen der 8. Klasse sind Glühlampen sicherlich vertrauter als technische<br />

Widerstände. Bei ihrem Bemühen um Nähe zur Lebenswelt haben die TIMSS-<br />

Testkonstrukteure jedoch den Fehler gemacht, der Realität einen simplen, linearisierenden<br />

Ansatz überzustülpen.<br />

- 14 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Auch wenn Item M12 korrigiert würde (in dem in der Zeichnung die Glühlampe<br />

durch einen technischen Widerstand von 150 Ω ersetzt wird) entsteht damit kein<br />

sinnvolles Item für einen Physiktest, denn durch die in der Tabelle vorgegeben<br />

Werte wird ja schon suggeriert, dass es hier nur um eine lineare Fortsetzung geht.<br />

Bei Aufgabe M12 wird die Fertigkeit getestet, eine Tabelle linear fortzusetzen.<br />

Das Bild mit dem Stromkreis und die ersten beiden Sätze könnte man einfach<br />

weglassen. Deshalb konnten meine Interviews-Partner diese Aufgabe lösen, obwohl<br />

„elektrische Spannung“ im Unterricht noch nicht behandelt worden war.<br />

Item D2 bei TIMSS 12<br />

Jeder der abgebildeten Magnete ist in den Stoff unter ihm eingetaucht<br />

worden. Welcher Stoff könnte Kaffee sein?<br />

A. Nur A<br />

B. Nur B<br />

C. Nur C<br />

D. Nur A<br />

und B<br />

Stoff A Stoff B Stoff C<br />

Sicherlich kann man sich leicht darauf verständigen, dass „Stoff C“ Kaffee sein<br />

könnte. - Aber was für Stoffe liegen bei A und bei B? Um reines Eisenpulver<br />

handelt es nicht, denn ein solches Häufchen Eisenpulver würde vollständig an einem<br />

Magneten hängen bleiben, wie jeder weiß, der schon einmal mit Eisenpulver<br />

und Magneten experimentiert hat.<br />

Zwei der Neunt-Klässler, die ich interviewt hatte, haben mir erzählt, dass sie im<br />

Chemieunterricht mit einem Magneten Schwefelpulver und Eisenpulver getrennt<br />

hätten. Beide meinten dann, dass im Bild von Item D2 bei A und B eigentlich<br />

auch Kaffee liegen könnte. Kaffee, der mit Eisenpulver vermischt war. Das Eisenpulver<br />

ist durch den Magneten aus dem Kaffee herausgezogen worden.<br />

Durch das Item D2 wird wiederum bestätigt, dass zur Entwicklung der TIMSS-<br />

Tests keine physikalischen Experimente durchgeführt worden sind. Man hätte<br />

beim Experimentieren nicht nur bemerkt, dass ein Häufchen Eisenspäne (wie im<br />

Bild bei D2 dargestellt) an den heute üblichen Dauermagneten vollständig hängenbleibt.<br />

Man hätte außerdem z. B. bemerkt, dass die Magnete in dem Stoff, in<br />

den sie „eingetaucht worden“ sind, Abdrücke hinterlassen hätten.<br />

Bei einer Einführung in wissenschaftliche Arbeitsmethoden muss man meiner<br />

Meinung nach zunächst vor allem lernen, Phänomene genau zu beobachten.<br />

- 15 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Durch dieses sorgfältige Beobachten werden nicht nur wichtige Erkenntnisse gewonnen,<br />

sondern es wird auch Achtung vor der Natur vermittelt. Ferner können<br />

Bilder, die Magnete in Eisenspäne zeichnen, sehr schön aussehen. - Doch davon<br />

ist in dem TIMSS-Item D2 nichts präsent.<br />

Bei dieser Aufgabe ist es wieder wie bei der Stromkreis-Aufgabe: Konkrete experimentelle<br />

Erfahrungen stören. Wer Experimente mit Magneten und Eisenspäne<br />

kennt, weiß, dass die kleinen Bilder mit den Magneten die Realität nicht befriedigend<br />

wiedergeben.<br />

Einer der Neunt-Klässler, die ich zu den TIMSS-Items interviewt habe, meinte<br />

schließlich - nach dem er einige Zeit über diese Aufgaben nachgedacht hatte:<br />

„Naja, wenn man so fragt, dann kann eigentlich ¯Nur C® richtig sein.“ - Wiederum<br />

wird bei dieser Aufgabe vor allem Textverständnis getestet. Elaborierte<br />

Physikkenntnisse hindern auch bei Item D2 daran, die Lösung schnell zu finden.<br />

Dass fehlende Multiple-Choice-Routine auch für leistungsstarke Schüler bei<br />

TIMSS ein Handikap gewesen sein dürfte, zeigt die Beschäftigung mit Item D2:<br />

Mit dieser Aufgabe haben sich alle von mir interviewten Mädchen und Jungen<br />

unverhältnismäßig lange aufgehalten. Sie haben nach einem tieferen Sinn gesucht,<br />

weil sie es nicht gewohnt sind, in einer Physikarbeit mit fehlerhaft Texten<br />

oder Zeichnungen konfrontiert zu werden.<br />

Eines der von mir interviewten Mädchen sagte, nachdem sie die Bilder bei Item<br />

D2 ein Weilchen betrachtet hatte: „Leider weiß ich nicht, ob Kaffee Eisen enthält.“<br />

Experimente zum Trennen von Schwefel- und Eisenpulver waren bei ihr<br />

zu Beginn der 8. Klasse noch nicht vorgeführt worden, aber sie wusste, dass ein<br />

solches Häufchen Eisenspäne vollständig an einem Magneten hängen bleiben<br />

würde. Deshalb kam sie auf die Idee, dass Stoff A und Stoff B in Aufgabe D2<br />

vielleicht stark eisenhaltiger Kaffee sein könnte, weil ja immerhin etwas Pulver<br />

von dem Magneten mitgenommen worden war. - Sie hat dann lieber keine der Alternativen<br />

angekreuzt.<br />

Auch in meiner kleinen, nicht-repräsentativen Stichprobe haben die Mädchen, so<br />

wie bei TIMSS weltweit registriert, schlechter abgeschnitten als die Jungen. In<br />

meiner Interview-Gruppe lag dies weder an Mängeln im Physikwissen noch an<br />

Defiziten im logischen Denken und auch nicht an geringerem Textverständnis.<br />

Die Mädchen in meiner Interview-Gruppe sind jedoch häufiger als die Jungen an<br />

Ungenauigkeiten in der Aufgabenstellung hängen geblieben und die Mädchen<br />

waren weniger bereit, Halbwissen einzubringen, um Aufgaben zu lösen.<br />

Warum sind die vielen fachlichen und sprachlichen Ungenauigkeiten beim Gegenlesen<br />

der deutschen Testaufgaben nicht bemerkt worden? Meine eigenen Erfahrungen<br />

bei der Begutachtung der TIMSS-Tests liefern hier eine plausible Erklärung:<br />

Ich bekam ein dickes Paket mit Testaufgaben zugeschickt und wurde<br />

gebeten, in einem Begleitbogen bei jeder Aufgaben-Nummer anzukreuzen, in<br />

- 16 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

welchem Schuljahr entsprechende Inhalte in Berlin durchgenommen werden. Für<br />

diese Form der Begutachtung reichte meist ein flüchtiger Blick auf die einzelnen<br />

Aufgaben. So haben die meisten meiner Ko-Gutachter sicherlich viele Aufgaben<br />

nur überflogen und deshalb auch die vielen Fehler gar nicht bemerkt.<br />

Mit Sicherheit sind auch zu der deutschen Variante der TIMSS-Tests nicht die<br />

notwendigen Vorstudien durchgeführt worden, indem man zu einzelnen Items<br />

Experimente vorgeführt hat, um anschließend Kommentare und Fragen der Mädchen<br />

und Jungen, die zugeschaut haben, sammeln zu können.<br />

Item R2 bei TIMSS 12<br />

Wenn weißes Licht auf Peters Hemd fällt, sieht es blau aus. Warum sieht<br />

das Hemd blau aus?<br />

A. Es nimmt das ganze weiße Licht in sich auf und verwandelt das<br />

meiste davon in blaues Licht.<br />

B. Es strahlt den blauen Teil des Lichts zurück und nimmt den größten<br />

Teil des Restes in sich auf. 14<br />

C. Es nimmt nur den blauen Teil des Lichts in sich auf.<br />

D. Es gibt sein eigenes blaues Licht von sich.<br />

Auch bei dieser Aufgabe wird vor allem Textverständnis und ein wenig Logik<br />

benötigt. Wer sich den Text in Ruhe durchliest, wird sich sagen, dass eigentlich<br />

nur die Alternativen A oder B richtig sein können. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit,<br />

die richtige Lösung anzukreuzen, immerhin schon auf 50% angestiegen.<br />

Ob nun A oder B richtig ist, können deutsche Acht-Klässler nicht entscheiden.<br />

Dass Variante A mit dem Energiesatz nicht vereinbar ist, weil die Quanten des<br />

blauen Lichts zu den energiereichsten des sichtbaren Spektrums gehören, wird<br />

bei uns in der 8. Klasse in der Regel nicht mitgeteilt. 15<br />

Nach Lösungsschlüssel soll Variante B richtig sein. Allerdings ist das, was bei B<br />

in Item R2 steht, für die Farben in unserer Umwelt nicht relevant. - Warum sieht<br />

Peters Hemd oder warum sehen Farben, die im Kunstunterricht zum Malen benutzt<br />

werden, blau aus? Wir nehmen blaue Farbtöne wahr, wenn orange Anteile<br />

14 In der Englischen Variante dieses Items steht bei B. „It reflects the blue part of the light and<br />

absorbs most of the rest.“ In der deutschen Fassung des Items wurde „absorb“ mit „in sich<br />

aufnehmen“ umschrieben. Dass der Übersetzer diese etwas umständliche Formulierung gewählt<br />

hat, kann man ihm nicht vorwerfen. Unbefriedigend ist jedoch, dass beim Gegenlesen<br />

der deutschen Fassung die unpassende Formulierung „in sich aufnehmen“ nicht durch „absorbieren“<br />

ersetzt worden ist.<br />

15 Weil von Rot nach Blau im sichtbaren Spektrum die Frequenz f zunimmt, sind (wegen E =<br />

h . f) die „Quanten“ des blauen Lichts energiereicher als die des grünen, gelben oder roten<br />

Lichts. Die von Max Planck gefundene Beziehung E = h . f wird in der Sek. II eventuell behandelt.<br />

Um mit dieser Gleichung arbeiten und argumentieren zu können, muss man z. B. Experimente<br />

kennen, mit denen die Frequenz f von Spektralfarben gemessen wird.<br />

- 17 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

aus dem sichtbaren Spektrum stärker absorbiert werden als die anderen Regenbogenfarben.<br />

Die Regeln über „Komplementärfarben“ sind ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis<br />

unserer Farbwahrnehmung: Addiert man alle Regenbogenfarben, außer<br />

Orange, so macht unser Gehirn aus diesem Farbgemisch den Eindruck „Blau“.<br />

Umgekehrt sehen wir einen orangen Farbton, wenn alle Regenbogenfarben bis<br />

auf Blau addiert werden. Blau und Orange nennen wir deshalb Komplementärfarben.<br />

Das Blau in unserem Tuschkasten ist nicht nur für blaue und grüne, sondern oft<br />

auch für rote, unter Umständen sogar für gelbe Spektralfarben durchlässig. Deshalb<br />

entsteht beim Mischen von blauer und gelber Tuschfarbe der Eindruck<br />

Grün, weil sowohl das Tusch-Blau wie auch das Tusch-Gelb grüne Spektralfarben<br />

nicht absorbieren. Wäre das Blau aus unserem Tuschkasten nur für blaue und<br />

Tusch-Gelb andererseits nur für gelbe Spektralfarben durchlässig, dann würde<br />

Schwarz entstehen, wenn man Blau und Gelb übereinander malt. - Wäre Lösung<br />

„B.“ aus Item R2 für die Farben in unserer Umwelt relevant, dann würden wir<br />

beim Mischen von Pigmenten unterschiedlicher Farben immer nur Schwarz oder<br />

dunkle Braun-Töne erhalten 16 .<br />

Ich möchte meine Ausführungen zum Mischen von Farben hier nicht weiter vertiefen,<br />

weil alles graue Theorie bleibt, wenn keine Experimente gezeigt werden.<br />

Zur „additiven“ und „subtraktiven“ Farbmischung gibt es viele eindrucksvolle<br />

und einige überraschende Experimente. Eine ganze Reihe solcher Experimenten<br />

muss man in Ruhe betrachtet und besprochen haben, ehe sich das Verständnis dafür<br />

entwickelt, warum Peters Hemd blau oder gelb oder grün aussieht und warum<br />

beim Mischen von blauer und gelber Tuschfarbe der Eindruck „Grün“ entsteht.<br />

Sehr aufschlussreich ist bei Item R2 die Kommentierung im Internet: Zum<br />

Schwierigkeitsgrad steht bei R2 „Understanding Simple Information“. Die Testkonstrukteure<br />

haben also tatsächlich angenommen, dass es hier lediglich um das<br />

„Verstehen simpler Informationen“ geht.<br />

Bei der Bewertung der Items der TIMS-Studie geht es also nicht nur darum, ob<br />

z. B. Farbenlehre in der 8. Klasse behandelt wurde oder nicht. Ganz entscheidend<br />

ist auch die Frage, wie die Farbenlehre behandelt wurde: Macht man Experimente,<br />

die sorgfältig beobachtet werden und über deren Interpretation in Ruhe nachgedacht<br />

wird, oder präsentiert man ein paar Faustregeln über Farben als „simple<br />

16 Es gibt Filter, die entsprechend Lösung „B.“ von Item R2 alle Farben bis auf Blau absorbieren.<br />

Solche „monochromatischen“ Filter kosten einige Hundert DM, weil es sehr aufwändig<br />

ist, Pigmente so zusammenzustellen, dass alle Regenbogenfarben bis auf eine absorbiert werden.<br />

- 18 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Information“, wobei nach Übereinstimmung mit Experimenten gar nicht erst gefragt<br />

wird.<br />

Auch bei Item R2 ist erneut das Bemühen der Science-Testkonstrukteure um Nähe<br />

zur Lebenswelt von Kindern erkennbar: Schließlich geht es hier um die Farbe<br />

von Peters Hemd. Dabei stülpt man jedoch wiederum der bunten, farbenfrohen<br />

Natur ein simples, monokausales Schema über.<br />

Item L7 bei TIMSS<br />

Die Besatzungen zweier Schiffe auf dem Meer können sich durch lautes<br />

Rufen verständigen. Weshalb ist dies den Besatzungen zweier Raumschiffe<br />

bei gleichem Abstand im Weltraum nicht möglich?<br />

A. Der Schall wird im Weltraum stärker reflektiert.<br />

B. Der Druck im Inneren der Raumschiffe ist zu groß.<br />

C. Die Raumschiffe bewegen sich schneller als der Schall.<br />

D. Es gibt keine Luft im Weltraum, in der sich der Schall fortbewegen<br />

kann.<br />

Ein Junge aus meiner Interview-Gruppe meinte, die richtige Antwort sei „Die<br />

Raumschiffe bewegen sich schneller als der Schall.“ Die drei anderen Jungen haben<br />

„Es gibt keine Luft im Weltraum, in der sich der Schall fortbewegen kann“,<br />

angekreuzt. Die Begründung klang jedes Mal sinngemäß gleich: „Im Weltraum<br />

gibt es keine Luft, das weiß ich“. Keiner meiner Interview-Partner aus 8. und 9.<br />

Klassen wusste dagegen, ob Schall zu seiner Ausbreitung Materie benötigt. - A-<br />

kustik wird nach Berliner Rahmenplan nur als Wahlthema in Klasse 10 angeboten.<br />

Ziemlich sicher waren sich die drei Jungen, die „D.“ angekreuzt hatten, dass sich<br />

Raumschiffe nicht schneller als der Schall bewegen können. Offenbar wurde von<br />

ihnen „Schallgeschwindigkeit“ mit „Lichtgeschwindigkeit“ gleichgesetzt. Dass<br />

nichts schneller als Licht sein kann, hatten sie schon irgendwo gehört. - Hier zeigt<br />

sich wiederum, wie wichtig es gewesen wäre, vor dem Einsatz der TIMSS-Tests<br />

Vorstudien mit Interviews durchzuführen. Denn dass drei meiner Interview-<br />

Partner bei der Raumschiff-Aufgabe die „richtige“ Lösung „D.“ angekreuzt hatten,<br />

war durch Kenntnisse über Schallausbreitung überhaupt nicht beeinflusst.<br />

Die drei interviewten Mädchen haben jeweils lange über die Raumschiffaufgabe<br />

nachgedacht. Zwei von ihnen haben dann schließlich ebenfalls Lösung „D.“ angekreuzt.<br />

Die Dritte konnte sich zu keiner Alternative durchringen, weil sie in<br />

Sorge war, sie könne etwas Falsches ankreuzen: „Also, ich hab ja keine Ahnung,<br />

wie schnell die fliegen.“<br />

- 19 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Auch wenn Akustik und Schallausbreitung in Klasse 7 oder 8 behandelt worden<br />

sind, wäre die „Raumschiffaufgabe“ der TIMS-Studie kein sinnvolles Item für<br />

einen Physiktest:<br />

1. Bei dieser Aufgabe sind auch die Antworten, die bei B und C stehen, richtig.<br />

So ist z. B. eine Verständigung durch Rufen bei Überschall nie möglich.<br />

2. In 500 bis 1000 Kilometer Höhe, wo heute Raumschiffe mit Astronauten<br />

um die Erde kreisen, sind immerhin noch einige Millionen Moleküle und<br />

Atome pro Kubikmeter vorhanden. - Falls also im Unterricht die wichtige<br />

Erkenntnis vermittelt worden ist, dass „Vakuum“ eine Fiktion ist, so könnten<br />

Testteilnehmer aus dieser Klasse zu der (zutreffenden) Einsicht gelangen,<br />

dass Antwort „D. es gibt keine Luft im Weltraum . .“ bei der Raumschiffaufgabe<br />

nicht korrekt formuliert ist.<br />

Sehr bemerkenswert ist, was in den „Deskriptiven Befunden“ über die Raumschiffaufgabe<br />

gesagt wird:<br />

Zu dem „erfahrungsnahen Alltagswissen ... gehört die Vorstellung von einer<br />

an Stoffe gebundenen Schallausbreitung, wie sie die ¯Raumschiffaufgabe®<br />

erfasst.“ 17<br />

Hierzu muss man erwidern, dass „die Vorstellung von einer an Stoffe gebundenen<br />

Schallausbreitung“ keineswegs „erfahrungsnahes Alltagswissen“ ist. Es gibt<br />

keine Situationen im Alltag, bei denen man die Erfahrung machen könnten, dass<br />

Schall im luftleeren Raum nicht übertragen wird. Falls eine Schulklasse tatsächlich<br />

in einem Raumschiff mitfliegen könnte, würden die beteiligten Mädchen und<br />

Jungen dort sicherlich vielfältige Eindrücke mitnehmen. Aber die Erfahrung, dass<br />

sich Schall im Weltall nicht ausbreitet, könnten sie auch dort nicht machen.<br />

Wenn sie einem draußen vorbeifliegenden Mitschüler etwas zurufen wollten,<br />

müssten sie ja die Luken am Raumschiff oder am Raumanzug öffnen, was sofort<br />

zum Tode führen würde.<br />

Dass Schall im luftleeren Raum nicht übertragen wird, kann man aus Alltagserfahrungen<br />

nicht ableiten. Im Gegenteil: Viele Schüler kennen Science-Fiction-<br />

Filme mit heftigen Kämpfen und lauten Explosionen im intergalaktischen Raum.<br />

Solche Kämpfe müssten eigentlich völlig lautlos im Film dargestellt werden<br />

(womit dieser Film natürlich nur geringe Resonanz beim Publikum finden würde).<br />

Im Physikunterricht wird, sofern die entsprechenden Geräte zur Verfügung stehen,<br />

demonstriert, dass man eine Klingel, die unter einer Glasglocke liegt, irgendwann<br />

nicht mehr hören kann, wenn Luft unter der Glasglocke herausge-<br />

17 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 83<br />

- 20 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

pumpt wird. Dieses Experiment löst immer lebhafte Reaktionen aus, gerade weil<br />

hier kein erfahrungsnahes Alltagswissen vermittelt wird. Die Ergebnisse dieses<br />

Labor-Experiments sind von erheblicher Bedeutung auf dem Weg zu der Einsicht,<br />

dass Schallausbreitung an Materie gebunden ist.<br />

Mit der Raumschiffaufgabe wird der „Lebensbezug“, um den die Science-Test-<br />

Konstrukteure laufend bemüht sind, ad absurdum geführt. Lebensbezug ist hier<br />

nur ganz vordergründig vorhanden, weil jeder heute Raumschiffe kennt. Die Physik,<br />

um die es in der Raumschiffaufgabe geht, ist jedoch weit entfernt von „erfahrungsnahem<br />

Alltagswissen“.<br />

Indem die Raumschiffaufgabe mit „erfahrungsnahem Alltagswissen“ verknüpft<br />

wird, wird hier unfreiwillig dokumentiert, dass bei der TIMS-Studie die fächerübergreifende<br />

Zusammenarbeit zwischen Sozialwissenschaften und Physik-<br />

Fachdidaktik in vielfältiger Weise versagt hat.<br />

Item N4 bei TIMSS 12<br />

Auch das Item N4 wurde unter die Rubrik „Verstehen simpler Informationen“<br />

eingeordnet:<br />

Vor Jahren haben Landwirte herausgefunden, dass Maispflanzen besser<br />

gedeihen, wenn man daneben verwesenden Fisch vergräbt. Was hat der<br />

verwesende Fisch wahrscheinlich an die Pflanzen abgegeben, um ihr<br />

Wachstum zu steigern?<br />

A. Energie<br />

B. Mineralien<br />

C. Eiweiß<br />

D. Sauerstoff<br />

E. Wasser<br />

Für Item N4 wird Faktenwissen benötigt. Denn Schüler der 8. Klasse kennen weder<br />

die Biochemie der Verfalls- und Stoffwechselprozesse, um die es bei Item N4<br />

geht, noch wissen sie, was hier mit „Eiweiß“ oder „Mineralien“ gemeint ist. Dass<br />

man solche Themen routinemäßig als „simple Information“ abhakt, ist zum<br />

Glück bislang bei uns nicht üblich.<br />

Hinzu kommt bei dieser Aufgabe noch, dass für deutsche Kinder das Gedeihen<br />

von Maispflanzen nicht so alltäglich ist wie für Kinder, die in den USA leben.<br />

Diese Aufgabe hätte also einer grundlegenden Transformation bedurft. Mit einer<br />

schlechten wortwörtlichen Übersetzung war es auch bei diesem Item nicht getan.<br />

Mit Item N4 wird Vokabelwissen abgefragt, wobei in der deutschen Fassung an<br />

der entscheidenden Stelle eine falsche Vokabel steht, denn anstelle von „Mineralien“<br />

hätte man bei B. „Mineralstoffe“ oder „Mineralsalze“ schreiben müssen.<br />

Mit meiner Kritik an der Vokabel „Mineralien“ möchte ich keineswegs für einen<br />

wortklauberischen Unterricht plädieren. Wenn jede Schüleräußerung korrigiert<br />

- 21 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

wird, weil immer irgend ein Wort falsch gewählt wurde, dann gehen die Schüler<br />

schließlich dazu über, sich die Formulierungen des Lehrers wortwörtlich einzuprägen,<br />

wodurch selbständiges, sinnvolles Lernen behindert wird. 18 - Aber auch<br />

wenn man ein Gegner von Wortklaubereien im Fachunterricht ist, so wird man<br />

doch einräumen müssen, dass in einem überregionalen Test die verwendeten<br />

Fachtermini stimmen sollten. Es kann ja nicht der Sinn eines Tests sein, dass<br />

Schüler dann schlechter abschneiden, wenn ihr Lehrer im Unterricht korrekte<br />

Fachtermini benutzt hat. Außerdem wird in Chemiebüchern zwischen „Mineralien“<br />

und „Mineralstoffen“ unterschieden 19 . Falls dies im Unterricht thematisiert<br />

wurde, könnten die Mädchen und Jungen aus einer solchen Klasse bei Item N4<br />

die „richtige“ Lösung „Mineralien“ nicht ankreuzen.<br />

Item I10 bei TIMSS<br />

Was ist der BESTE Grund dafür, dass eine gesunde Ernährung auch Obst<br />

und Gemüse enthalten soll?<br />

A. Sie haben einen hohen Wassergehalt.<br />

B. Sie sind die besten Eiweißspender.<br />

C. Sie haben viele Mineralien und Vitamine.<br />

D. Sie sind die besten Kohlehydratspender.<br />

Erstaunlicher Weise wurde dieses Item ebenfalls unter „Verstehen simpler Information“<br />

eingestuft. Die richtige Lösung ist nach „Item key“ „C. Mineralien<br />

und Vitamine“<br />

Für die Achtklässler, die die Testaufgaben bearbeitet haben, war wohl kaum von<br />

Bedeutung, dass auch bei diesem Item anstelle von „Mineralien“ die Vokabel<br />

„Mineralstoffe“ hätte stehen müssen. Viel wichtiger ist wiederum, dass diese<br />

Aufgabe nicht mit einem Unterricht vereinbar ist, dessen Ziel es ist, selbstständiges<br />

Denken zu fördern. Wenn die Inhalte aus Item I10 als „simple Information“<br />

abgehandelt werden, dann müssen Merksätze mit Vokabeln, die nicht bekannt<br />

sind, auswendig gelernt werden. Außerdem sollte man Fragen der Ernährungslehre<br />

nicht als simple Botschaft abhandeln, nach dem Motto: Vor allem Vitamine,<br />

Spurenelemente oder Proteine sind wichtig. Damit wird dann z. B. die Fehlvor-<br />

18 Die Nachteile des wortwörtlichen Lernens werden ausführlich diskutiert in:<br />

Ausubel, David P. u.a. 1980: „Psychologie des Unterrichts“, Weinheim, Basel, 1980<br />

19 „Sofern es sich um feste Stoffe aus der unbelebten Natur handelt, bezeichnet man die Reinstoffe<br />

als Mineralien... Bekannte Mineralien sind z. B. Bergkristall, Saphir, Kalkspat ...“ (zitiert<br />

nach „Kemper-Fladt, Chemie“, Klett Schulbuchverlag, Stuttgart l976, Seite 6). Mineralstoffe<br />

oder Mineralsalze nennt man dagegen z. B. Calcium- und Magnesium-Verbindungen,<br />

die Pflanzen oder Tieren (etwa aus wässriger Lösung) aufnehmen und verarbeiten können.<br />

- 22 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

stellung erzeugt, man müsse nur in großer Menge synthetische Vitamine konsumieren,<br />

dann würde man nie wieder krank werden. 20<br />

Item P7 TIMSS<br />

Wenn Wissenschaftler irgendeine Größe mehrere Male sorgfältig messen,<br />

erwarten sie, dass<br />

A. alle Messwerte genau übereinstimmen.<br />

B. nur zwei der Messwerte genau übereinstimmen.<br />

C. alle Messwerte bis auf einen genau übereinstimmen.<br />

D. die meisten Messwerte nahe beieinander liegen, jedoch nicht<br />

genau übereinstimmen.<br />

Diese Aufgabe ist für alle Mädchen und Jungen leicht zu lösen, die „Messfehler“<br />

nur aus Erzählungen des Lehrers kennen. Sie werden sicherlich ohne langes Zögern<br />

Lösung „D.“ ankreuzen. - Auch Multiple-Choice-Routine führt hier zur richtigen<br />

Lösung: „D.“ muss wohl richtig sein, denn mit der Aussage bei „D.“ haben<br />

sich die Aufgabensteller die meiste Mühe gegeben. - Dass man die richtige Lösung<br />

an ihrer Länge oder an der anspruchsvolleren grammatischen Struktur erkennen<br />

kann, ist ein Fehler, den Item-Konstrukteure häufig machen. - Dieser Fehler<br />

wurde z. B. auch bei der „Raumschiffaufgabe“ gemacht (Item L7 in Abschnitt<br />

3.4).<br />

Die Aussage, dass beim sorgfältigen Messen die Messwerte „nahe beieinander<br />

liegen, jedoch nicht genau übereinstimmen“ trifft sowohl in der Forschung, wie<br />

auch bei Experimenten, die in der Schule möglich sind, oft nicht zu. Werden<br />

z. B. „Nullraten“ mit einem Geiger-Müller-Zählrohr mehrere Male sorgfältig<br />

gemessen, dann werden immer wieder Messwerte „genau übereinstimmen“.<br />

Wenn Wissenschaftler, die in der aktuellen Forschung tätig sind, eine „Größe<br />

mehrere Male sorgfältig messen“ kann es sehr wohl vorkommen, dass „alle<br />

Messwerte genau übereinstimmen“ (z. B. wenn es darum geht, zu bestimmen, ob<br />

die Schadstoffbelastung in einer Probe oberhalb eines Grenzwertes liegt).<br />

Nach Meinung der TIMSS-Testkonstrukteure geht es auch bei Item P7 wiederum<br />

nur um das „Verstehen simpler Information“.<br />

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Thema Messungenauigkeiten in<br />

der Schule immer wieder aufgegriffen werden muss. Beim eigenen Experimentieren<br />

müssen Mädchen und Jungen erfahren, dass Messungenauigkeiten unvermeidbar<br />

sind, auch wenn sehr sorgfältig experimentiert wird.<br />

20 Aus den USA wird immer wieder von Menschen berichtet, die erkranken, weil sie synthetische<br />

Vitamine über Jahre hinweg in unsinnig hohen Dosen zu sich genommen haben. Die I-<br />

tems N2 und I10 aus der TIMS-Studie lassen die Vermutung zu, dass eine veraltete Ernährungslehre<br />

in den Schulen der USA solche Fehlorientierungen bestärkt.<br />

- 23 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Wenn deutsche Schüler am Ende der 8. Klasse beim TIMSS-Test nicht gewusst<br />

haben, was sie bei Item P7 ankreuzen sollen, dann deshalb, weil es bislang bei<br />

uns nicht üblich ist, Kenntnisse über Messungenauigkeiten als „simple Information“<br />

in der 7. oder 8. Klasse abzuhandeln, in dem erzählt wird, was Wissenschaftler<br />

erwarten, wenn sie „sorgfältig messen“. Werden Erkenntnisse über Messungenauigkeiten<br />

schrittweise anhand eigener Experimente gewonnen, dann kann<br />

man nicht damit rechnen, dass am Ende der 8. Klasse fertige Faustregeln über<br />

Messungenauigkeiten parat sind.<br />

Item N3 bei TIMSS 12<br />

Eine Tasse Wasser und eine gleich große Tasse Benzin werden an einem<br />

heißen, sonnigen Tag auf einen Tisch ans Fenster gestellt. Ein paar Stunden<br />

später ist festzustellen, dass es in beiden Tassen weniger Flüssigkeit<br />

hat, aber vom Benzin noch weniger übrig ist als vom Wasser. Was zeigt<br />

dieses Experiment?<br />

A. Alle Flüssigkeiten verdunsten.<br />

B. Benzin wird heißer als Wasser.<br />

C. Einige Flüssigkeiten verdunsten schneller als andere.<br />

D. Flüssigkeiten verdunsten nur bei Sonnenschein.<br />

E. Wasser wird heißer als Benzin.<br />

Wer über hinreichendes Textverständnis verfügt, wird sich bei dieser Aufgabe<br />

sagen können, dass die Aussagen, die bei A., B., E. und bei D. stehen, im Zusammenhang<br />

mit dem Vorspann wohl als irrelevant eingestuft werden können.<br />

Unter der Zusatz-Annahme, dass bei jedem Item eine Antwort richtig sein soll,<br />

folgt schließlich, dass er hier wohl<br />

„C. Einige Flüssigkeiten verdunsten schneller als andere“<br />

angekreuzt werden muss. Textverständnis und ein bisschen Logik führen wieder<br />

einmal zu der Lösung, die die Testkonstrukteure für die richtige halten. Tatsächlich<br />

stellt aus Sicht der Physik auch die Formulierung bei „C.“ eine unzulässige<br />

Verallgemeinerung dar. Bei „C.“ hätte z. B. stehen müssen:<br />

„C. Benzin verdunstet unter Einwirkung von Sonnenlicht schneller als<br />

Wasser.“<br />

Außerdem könnte die Variante bei „B.“ auch eine richtige Lösung sein, denn es<br />

ist ja möglich, dass Benzin stärker als Wasser die IR-Strahlung der Sonne absorbiert.<br />

Oder absorbiert Wasser womöglich die IR-Strahlung der Sonne stärker als<br />

Benzin? Das hieße, Wasser würde unter Wirkung von Sonnenlicht heißer als<br />

Benzin werden (womit dann auch „E.“ richtig wäre). - Hier wird deutlich: Bei<br />

dieser Aufgabe hätte man die Sonne nicht ins Spiel bringen dürfen. Diese Aufgabe<br />

ist mit Nebenbedingungen und mit schlecht formuliertem Text überladen.<br />

- 24 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Vermutlich ist auch zu Item N3 nie ein Experiment durchgeführt worden. Von<br />

einem solchen Experiment müsste man auch abraten, denn wenn man eine „Tasse<br />

Benzin ... an einem heißen, sonnigen Tag auf einen Tisch ans Fenster“ stellt,<br />

könnte sich ein explosives Luft-Gas-Gemisch bilden. Und falls eine Explosion<br />

nicht stattfindet, hätte man es immerhin mit ziemlich giftigen Gasen zu tun, wenn<br />

Benzin in der Sonne verdunstet. 21<br />

Folgerungen aus den Tests der TIMS-Studie<br />

Charakteristische Merkmale der Science-Items bei TIMSS<br />

Das Science-Testpaket der TIMS-Studie lässt sich in folgender Weise charakterisieren:<br />

• Experimente werden falsch dargestellt.<br />

• Komplexe Sachverhalte werden simplifiziert und linearisiert.<br />

• Das Science-Testpaket von TIMSS enthält sehr viel Text, der außerdem oft<br />

unpräzise formuliert und schlecht übersetzt wurde.<br />

• Multiple-Choice-Items sind fehlerhaft, weil mehrere Alternativen richtig sind<br />

(wie bei der Raumschiffaufgabe, siehe Abschnitt 3.4)<br />

• Bei einigen Items ist die richtige Lösung ist für einen muliple-choice-testerfahrenen<br />

Schüler leicht zu finden, weil die richtige Variante sprachlich anspruchsvoller<br />

gestaltet ist als die falschen Alternativen.<br />

• Hinderlich beim Lösen vieler TIMSS-Aufgaben sind Erfahrungen aus eigenen<br />

Experimenten und Reflexionen über die begrenzte Gültigkeit von Gesetzen.<br />

Die fachlichen und sprachlichen Fehler, die viele TIMSS-Items enthalten, zeigen,<br />

dass die Testbatterien der TIMS-Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt konstruiert<br />

und erprobt worden sind. Ebenso hat es an Sorgfalt bei der Herstellung<br />

der deutschen Testvariante gemangelt, wie allein schon die vielen Vokabelfehler<br />

zeigen (siehe vorne z. B. 3.5 und 3.6, siehe auch die ausführlicher Darstellung in<br />

[ 22 ]).<br />

Betrachtungen zur Validität der TIMSS-Tests<br />

So wie die fächerübergreifende Kooperation zwischen Fachlehrern und Sozialwissenschaftlern<br />

bei der Bewertung der deutschen Test-Fassung versagt hat, so<br />

21 Wer ein Experiment zu dem TIMSS-Item N3 durchzuführen will, muss außerdem berücksichtigen,<br />

dass man Benzin nicht in einer „Tasse“ irgendwo stehen lassen darf. In einen Behälter,<br />

der auch zum Trinken benutzt wird, darf man nach allgemein anerkannten Sicherheitsregeln<br />

keine giftigen Flüssigkeiten füllen.<br />

22 Hagemeister, Volker 1<strong>99</strong>9: Analyse der Tests, die bei TIMSS eingesetzt worden ist, Berliner<br />

Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung und Schulentwicklung, Berlin 1<strong>99</strong>9 (in Druck)<br />

- 25 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

unzureichend war die Beteiligung fachdidaktischer Kompetenz bei der Interpretation<br />

der Ergebnisse von TIMSS. Dem entsprechend enthalten die „Deskriptiven<br />

Befunde“ 23 gravierende Fehlinterpretationen, wie z. B. die Aussage, durch die<br />

Raumschiffaufgabe würde „erfahrungsnahes Alltagswissen ... erfasst.“ (siehe<br />

vorne 3.4). Nicht zutreffend sind auch folgende Aussagen:<br />

„... für den naturwissenschaftlichen Unterricht belegt die TIMSS-<br />

Curriculum-Studie die Existenz eines internationalen Kerncurriculums für<br />

die Mittelstufe.“ 24<br />

„95% der Mathematikaufgaben und 88% der naturwissenschaftlichen Aufgabenstellungen<br />

repräsentieren Lehrplanstoff, der bis zum Ende der 8.<br />

Jahrgangsstufe in den Schulen der Bundesrepublik durchgenommen worden<br />

sein sollte.“ 25<br />

Bezogen auf den Berliner Physikunterricht sind über 50% der Aufgaben nicht<br />

rahmenplankonform 26 . Aber selbst wenn z. B. im Rahmenplan für die 8. Klasse<br />

die Stichworte „Farbaddition“ und „Farbabsorption“ genannt würden, wäre das<br />

Item R2 der TIMS-Studie nicht valide, weil in diesem TIMSS-Item ein komplexes<br />

Phänomen linearisiert und auf nicht verstandenes Faktenwissen reduziert<br />

wird (siehe vorne 3.3).<br />

Da die Testbatterien von TIMSS einerseits sehr viel Text enthalten und da andererseits<br />

Experimente falsch dargestellt werden, dürften die Tests von TIMSS insbesondere<br />

den Mädchen und Jungen Schwierigkeiten bereitet haben, die gut in<br />

Physik und Mathematik aber schlecht in Deutsch und Sprachen sind. Solche<br />

Schüler sind in Haupt- und <strong>Gesamtschule</strong>n überrepräsentiert. Dies ist nach meiner<br />

Einschätzung der entscheidende Grund dafür, warum Testteilnehmer aus<br />

Haupt- und <strong>Gesamtschule</strong>n bei TIMSS sehr viel schlechter als die getesteten<br />

Gymnasialschüler abgeschnitten haben.<br />

In einer Kurzinformation des MPI für Bildungsforschung zum Thema TIMSS<br />

steht:<br />

„Wenn mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung überhaupt ... substantiierbar<br />

27 ist, deckt der TIMSS-Test diese in bislang nicht erreichter Qualität ab“ Die<br />

Tests von TIMSS sind „bereits übermäßig breit angelegt. Durch das Hinzufügen<br />

weiterer Aufgaben wird praktisch kein Informationsgewinn erzielt.“<br />

23 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7<br />

24 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 62<br />

25 Baumert, Lehmann u.a. 1<strong>99</strong>7, Seite 29<br />

26 Hagemeister 1<strong>99</strong>9<br />

27 substantiierbar: durch Tatsachen belegbar, begründbar (nach Duden, Fremdwörterlexikon)<br />

- 26 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Diese Aussagen scheinen auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zu dem zu<br />

stehen, was hier in den Abschnitten 3.1 bis 3.8 über einzelne Items der TIMS-<br />

Studie gesagt worden ist. Tatsächlich passt jedoch insbesondere der letzte Satz<br />

des Zitats sehr gut zu meiner Kritik an den TIMSS-Tests: Die meisten Science-<br />

Items bei TIMSS messen offenbar gleiche oder eng verwandte Fertigkeiten. Dies<br />

sind vor allem Lesegeschwindigkeit und Textverständnis. Deshalb führt das Hinzufügen<br />

oder Wegnehmen einzelner Items nicht zu veränderten Ergebnissen.<br />

Die Aussage, dass mit den TIMSS-Tests mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Bildung „in bislang nicht erreichter Qualität“ gemessen wird, ist offenbar das Resultat<br />

rein test-interner Überprüfungen. Das Science-Testpaket hat sicherlich eine<br />

hohe Konsistenz (in Bezug auf Leseverständnis). - Dass jedoch die innere Konsistenz<br />

eines Testpakets nicht mit Validität gleichgesetzt werden darf, dafür ist<br />

die TIMS-Studie ein exzellentes Beispiel.<br />

TIMSS bestätigt: „Tests test tests“ 28<br />

Zusammenfassend muss man meines Erachtens sagen, dass es nicht sinnvoll ist,<br />

aus den Ergebnissen der TIMS-Studie Aussagen über den naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht in Deutschland abzuleiten. Vergleiche etwa zwischen Schularten<br />

oder Aussagen über Lernfortschritte von einem Schuljahr zum anderen, lassen<br />

die Ergebnisse von TIMSS nicht zu, weil nur wenige Items dem bei uns üblichen<br />

Unterricht entsprechen.<br />

Wenn hier die Ergebnisse der TIMS-Studie überwiegend als irrelevant oder auch<br />

irreführend eingestuft werden, so soll damit nicht etwa gesagt werden, dass bei<br />

uns im Physik- oder Mathematikunterricht alles zum Besten steht. Z. B. werden<br />

im Physikunterricht der Sek. I Übungen und Wiederholungen stark vernachlässigt.<br />

Damit fehlen im Physikunterricht wichtige Voraussetzungen für sinnvolles<br />

Lernen, denn neue Unterrichtsinhalte werden nur dann mit früher Gelerntem<br />

sinnvoll vernetzt, wenn beim Üben und Wiederholen die Bedingungen variiert<br />

werden und wenn gleichzeitig gefordert wird, Beobachtungen und Gedanken in<br />

eigenen Worten zu beschreiben. 29 Für einen solchen Physikunterricht braucht<br />

man viel Zeit und kleine Klasse. Gerade dies aber wird, ausgelöst durch TIMSS,<br />

neuerdings in Frage gestellt. So wird in Presse- und Zeitschriftenartikeln immer<br />

wieder hervorgehoben, dass in Japan angeblich bei gleicher Unterrichtszeit in<br />

Klassen mit 40 Schülern viel mehr erreicht wird als bei uns. Hierbei wird jedoch<br />

28 Zitiert nach „Reinhard Kahl’s Kolumne“. In: Pädagogik, 50. Jg., 1<strong>99</strong>8, Heft 10, S. 64<br />

29 Zum Thema „Variieren der Bedingungen beim Üben“ siehe z. B.:<br />

- Bleichroth, Wolfgang 1<strong>99</strong>8: „Mehr Üben!“ In: NiU Physik, 9. Jg., 1<strong>99</strong>8, Heft 48, Seite 4 bis 8<br />

- Steiner, Gerhard 1<strong>99</strong>5: „Übung macht den Meister - unter welchen Bedingungen?“<br />

In: Computer + Unterricht, 1<strong>99</strong>5, Heft 9, Seite 7 und 8<br />

- Hagemeister, Volker 1<strong>99</strong>1: „Argumente für die Fortsetzung der Koedukation.“<br />

In: DDS, 83. Jg., 1<strong>99</strong>1, Heft 4, Seite 474-492<br />

- Ausubel u.a. 1980<br />

- 27 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

übersehen, dass Japanische Schüler in privaten Nachhilfeschulen gezielt im Ausfüllen<br />

von Testbögen trainiert werden. Deshalb waren die Japanischen Schüler<br />

bei TIMSS vor allem im Lösen der Multiple-Choice-Items so erfolgreich. 30<br />

Die Wirkung überregionaler Tests<br />

Obwohl es nicht sinnvoll ist, aus TIMSS Aussagen über den naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht in Deutschland abzuleiten, so liefert doch das Science-Testpaket<br />

sehr wertvolle Erkenntnisse für die aktuelle bildungspolitische Diskussion:<br />

Das Science-Testpaket zeigt, wo man hinkommt, wenn die Leistungen von Schülern<br />

und Schulen über Jahrzehnte hinweg mit überregionalen Tests kontrolliert<br />

werden:<br />

• Weil die Test-Industrie laufend neue Tests produzieren muss, die möglichst<br />

niemand kennen darf, fehlt es an Zeit und an Kommunikation für eine sorgfältige<br />

Testentwicklung.<br />

• Wer Testaufgaben kritisiert, kommt immer zu spät, denn die Aufgaben müssen<br />

vor ihrem Einsatz schließlich geheim gehalten werden.<br />

• Die Ziele der Schule werden auf Faktenwissen und auf vordergründige, multiple-choice-gerechte<br />

Logeleien reduziert.<br />

• Experimente und Lebensbezug sind nur noch Staffage. Dieses Beiwerk wird<br />

linearisiert und simplifiziert, damit es in schlicht konstruierte Multiple-<br />

Choice-Aufgaben passt. Auf diese Weise kann man problemlos auch solche<br />

Experimente, die man nie selber durchgeführt hat, in Multiple-Choice-Form<br />

bringen.<br />

• Kinder wohlhabender Eltern besuchen neben der Schule private Einrichtungen,<br />

wo trainiert wird, Testbögen rasch und richtig auszufüllen. - In Japan<br />

versucht man seit Jahren vergeblich, durch schulreformerische Maßnahmen<br />

die Macht und den Einfluss der privaten Paukschulen und der Verlage, die<br />

Testbögen herstellen, zurückzudrängen.31<br />

• Wenn wir in Deutschland dazu übergehen, Testbatterien regelmäßig überregional<br />

einzusetzen, dann werden wir damit einen neuen Industriezweig ins<br />

Leben rufen, wo viel Geld verdient werden kann (mit Testentwicklung, Verkauf<br />

von Testbögen und privaten Testtrainings-Schulen). Diese Geister, die<br />

die KMK jetzt gerufen hat, werden wir auch dann nicht mehr loswerden,<br />

30 Hoffmann, Andrea 1<strong>99</strong>6: „Japanische Mittelschüler - schwach bei inhaltlichen Aufgabenstellungen“<br />

ASD No 109 vom 1.12.1<strong>99</strong>6, im Internet unter:<br />

http://www.japonet.de/asd/109/inh109.htm<br />

31 Ito, Toshiko 1<strong>99</strong>7: Zwischen Fassade und wirklicher Absicht, Zeitschrift für Pädagogik, 43.<br />

Jg., 1<strong>99</strong>7, Heft 3,. Seite 449-466<br />

- 28 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

wenn wir längst bemerkt haben, dass unser Bildungssystem nicht besser aber<br />

ungerechter geworden ist.<br />

Niemand kann im Alleingang fachlich korrekte und valide Tests herstellen. Für<br />

die Entwicklung guter Multiple-Choice-Tests braucht man Teams aus Fachlehrern<br />

und Sozialwissenschaftlern. Die Mitglieder solcher Teams müssen Erfahrungen<br />

in der Konstruktion, der Anwendung und der Auswertung von Tests erwerben.<br />

Dazu gehört z. B. auch, dass alle Teammitglieder an Interviews zur Itemerprobung<br />

beteiligt sind, damit im Team kompetent über Validitätsprobleme<br />

diskutiert werden kann. Dies zeigt, dass der Anspruch, valide Multiple-Choice-<br />

Tests für eine überregionale Leistungskontrolle zu entwickeln, nicht kompatibel<br />

ist mit der Fließbandproduktion von Tests, wie sie in den USA üblich ist.<br />

Der Leistungsvergleich zwischen Staaten<br />

Eine Studie hat Ende der 60-er Jahre ergeben, „dass in den amerikanischen Schulen<br />

Tests etwa 30 bis 50mal häufiger eingesetzt werden“ als an „bundesdeutschen<br />

Schulen... Heute ist die Häufigkeit des Testens in deutschen Schulen eher<br />

noch geringer.32 Nun ist bekannt, dass „Test-Coaching“ erheblichen Einfluss auf<br />

Testergebnisse hat. Wer Übung im Ausfüllen von Multiple-Choice-Tests hat,<br />

wird auch in einem inhaltlich neuen Multiple-Choice-Test in der Regel besser abschneiden<br />

als ein multiple-choice-unerfahrener Mensch. Da aber die deutschen<br />

Schüler vergleichsweise selten mit Multiple-Choice-Tests konfrontiert werden,<br />

hätte man eine kleine, repräsentative Stichprobe zunächst intensiv im Ausfüllen<br />

von Testbögen trainieren müssen. Die Resultate, die diese vortrainierte Gruppe in<br />

den TIMSS-Tests erzielt hätte, hätte dann eine Abschätzung dafür geliefert, in<br />

welchem Ausmaß die Resultate von TIMSS durch Test-Coaching in Deutschland<br />

verändert worden wären.<br />

Aus meinen Interviews kann man die Hypothese ableiten, dass die fehlende Test-<br />

Erfahrung erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse bei TIMSS in Deutschland<br />

gehabt hat. Alle meine Interviewpartner haben lange über einzelne Aufgaben<br />

nachgedacht, weil sie immer wieder mit ungewohnten Formulierungen und Problemstellungen<br />

konfrontiert wurden. Wenn man nun bedenkt, dass 70 Aufgaben in<br />

90 Minuten bearbeitet werden mussten, dann wird deutlich, wie wichtig Test-<br />

Routine bei TIMSS gewesen ist. 33<br />

32 Ingenkamp, K. und Schreiber, W. H. (Hg.) 1989: Was wissen unsere Schüler, Überregionale<br />

Lernerfolgsmessung aus internationaler Sicht, Weinheim, 1989, Seite 9<br />

33 Besonders lange haben sich meine Interviewpartner z. B. bei dem unter „Understanding simple<br />

Information“ eingestuften Item mit den 3 Magneten (D2) und bei der Raumschiffaufgabe<br />

(L7) aufgehalten. Weil die von mir interviewten Mädchen und Jungen es nicht gewohnt sind,<br />

dass Texte und Zeichnungen in Physikarbeiten fehlerhaft sind, haben sie bei den Items D2<br />

und L7 lange nach einem tieferen Sinn gesucht.<br />

- 29 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Bei den Tests, die bei TIMSS in 7. und 8. Klassen eingesetzt worden sind, ist unübersehbar,<br />

dass sie die Schulrealität in Nordamerika widerspiegeln. 34 Für eine<br />

internationale Studie hätten die verwendeten Testbatterien aus internationaler<br />

Kooperation hervorgehen müssen. Dazu hätte man auch Test-Aufgaben entwickeln<br />

und bei TIMSS einsetzen müssen, die eng an die in Deutschland üblichen<br />

Rahmenpläne angelehnt sind.<br />

Außerdem hätte, bevor bildungspolitische Beschlüsse wegen TIMSS gefasst werden,<br />

eine breite öffentliche Diskussion über die Validität der bei TIMSS verwendeten<br />

Tests geführt werden müssen. Diese unverzichtbare Diskussion ist bis heute<br />

gar nicht möglich, da ein erheblicher Teil der Testaufgaben bislang noch nicht<br />

veröffentlicht worden ist. So reden alle über irgendwelche Ergebnisse, obwohl<br />

die Messverfahren, mit denen diese Ergebnisse gewonnen wurden, weitgehend<br />

unbekannt sind. Dass dies so akzeptiert wird, zeigt, wie schwer es werden wird,<br />

die Arbeit der geplanten supranationalen Testinstitute der notwendigen fachlichen<br />

und pädagogischen Kontrolle zu unterziehen.<br />

Insbesondere darf man nicht damit rechnen, dass es gelingen wird, den Missbrauch<br />

der Testergebnisse zu verhindern. Da wird dann ein Lehrer an den Pranger<br />

gestellt, wenn die Testergebnisse seiner Klasse unter dem bundesweiten Mittelwert<br />

liegen,<br />

• weil die Kinder in seiner Klasse aus ungünstigen sozialen Verhältnissen<br />

kommen<br />

und<br />

• weil er sich bemüht hat, die Mädchen und Jungen in seiner Klasse zu selbstständigem<br />

Arbeiten und Denken zu ermuntern, anstatt rechtzeitig mit dem<br />

Test-Coaching zu beginnen.<br />

Zusammenfassung<br />

Viele Science-Items bei TIMSS enthalten fachliche Fehler, insbesondere wenn<br />

es um die Darstellung von Experimenten geht. Dies zeigt, dass die Testbatterien<br />

der TIMS-Studie nicht mit der notwendigen Sorgfalt konstruiert und erprobt<br />

worden sind. Bei der Übertragung der Items ins Deutsche sind dann noch Übersetzungsfehler<br />

hinzugekommen.<br />

So wie die fachlichen und sprachlichen Mängel, die viele TIMSS-Items enthalten,<br />

nicht bemerkt worden sind, so ist auch übersehen worden, dass die Testbatte-<br />

34 Die Mittelwerte, die ein Land in den Tests der TIMS-Studie erreicht hat, sind deshalb auch ein<br />

Maß dafür, wie klein oder wie groß die Differenzen zum Schulsystem der USA sind. Außerdem<br />

wurden die Ergebnisse bei TIMSS sicherlich durch die Lesegeschwindigkeit und das<br />

Textverständnis der Testteilnehmer beeinflusst. Die deutschen Schüler haben also das Handikap,<br />

z. B. im Ausfüllen von Tests ungeübt zu sein, durch hohe Lesegeschwindigkeit und gutes<br />

Textverständnis teilweise kompensieren können.<br />

- 30 -


Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

rien, die bei TIMSS-II und -III eingesetzt worden sind, schlecht zu dem in<br />

Deutschland üblichen Unterricht passen. Deshalb ist es unzulässig, aus den Ergebnissen<br />

von TIMSS Aussagen darüber abzuleiten, wie groß (bzw. klein) Lernfortschritte<br />

von einem Schuljahr zum anderen sind oder welche Schulart oder<br />

welcher Staat am erfolgreichsten ist.<br />

Bevor bildungspolitische Beschlüsse wegen TIMSS gefasst werden, hätte eine<br />

breite öffentliche Diskussion über die Validität der bei TIMSS verwendeten<br />

Tests geführt werden müssen. Diese unverzichtbare Diskussion ist bis heute gar<br />

nicht möglich, da ein erheblicher Teil der Testaufgaben bislang noch nicht veröffentlicht<br />

worden ist. So reden alle über irgendwelche Ergebnisse, obwohl die<br />

Messverfahren, mit denen diese Ergebnisse gewonnen wurden, weitgehend unbekannt<br />

sind.<br />

Der vorstehende Text ist ein Vorabdruck eines Aufsatzes in Heft 2/<strong>99</strong> der<br />

Zeitschrift „Die Deutsche Schule“, das weitere Artikel zum gleichen<br />

Thema enthält.<br />

Dr. Volker Hagemeister arbeitet im Berliner Institut für Lehrerfort- und<br />

-weiterbildung und Schulentwicklung (BIL).<br />

Er ist zuständig für „Fächerübergreifende Projekte und außerschulische<br />

Lernorte, Schwerpunkt: Physik“.<br />

- 31 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Annemarie von der Groeben:<br />

Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />

Von den Lehrern hängt die Qualität der Schule ab,<br />

nicht von den Vergleichstests 35<br />

Die 3. Internationale Vergleichsstudie zum mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Basiswissen - kurz TIMSS - hat unter den Kultusministern zu<br />

einer Kehrtwendung in der Politik geführt: Es wird nur noch über Tests<br />

und Qualitätssicherung geredet. In Nordrhein-Westfalen treibt die Debatte<br />

seltsame Blüten: Erst ließ die Kultusministerin Gabriele Behler (SPD)<br />

rund 3000 Abiturarbeiten nachzensieren; jetzt verfügte sie an den Schulleitern<br />

vorbei, daß der Zweitkorrektor für die Abiturarbeiten 1<strong>99</strong>9 aus einer<br />

anderen Schule zu kommen habe. Das institutionalisierte Mißtrauen<br />

gegenüber Schule und Lehrern erfolgt im Namen der Qualität. Dem Politikwechsel<br />

widerspricht im folgenden Beitrag Annemarie von der Groeben<br />

von der Laborschule Bielefeld. Es handelt sich um eine starke gekürzte<br />

Fassung ihres Vortrags, den sie bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde<br />

der Universität Bielefeld gehalten hat.<br />

BIELEFELD. Woran bemißt sich die Qualität einer Schule? Die gängige und einfachste<br />

Antwort auf diese Frage lautet: an den Fachleistungen. Um diese Qualität<br />

bundesweit zu sichern, werden demnächst auf Beschluß der Kultusministerkonferenz<br />

in allen Schularten aller Länder Vergleichstests durchgeführt. Nachdem die<br />

TIMSS-Studie für Deutschland einen höchst mittelmäßigen Rang im internationalen<br />

Vergleich ergeben hat, sollen mit diesem Instrument Unterschiede ermittelt<br />

und Defizite aufgedeckt werden.<br />

So weit, so einfach. Diese Logik hat jedoch zwei entscheidende Haken. Qualität<br />

entsteht (oder entsteht nicht) in der einzelnen Schule. Und die ist nicht Gegenstand<br />

des Vergleichstests. Sie verschwindet im Mittelwert und mit ihr vieles, worauf<br />

es ankommt. Daß der Staat wissen will, was seine Schulen leisten, versteht<br />

sich von selbst. Die Frage ist nur, wie er dies ermittelt. Das Mittel der Vergleichstests,<br />

so behaupte ich, ist ein Bumerang, der gerade das zu erschlagen<br />

droht, was er sichern soll: die Qualität des Lernens.<br />

Mehr muß nicht mehr sein und schnell nicht besser.<br />

Die Schulen einiger Länder, so TIMSS, seien anderen um mehr als ein Jahr voraus.<br />

Daraus wird dann in der Öffentlichkeit, nicht selten publizistisch aufge-<br />

35 Aus: Frankfurter Rundschau am 04.02.1<strong>99</strong>9<br />

Der vollständige Text der Rede ist unter der Rubrik „TIMSS, BiJu, PISA u.ä.“<br />

auf den Internet-Seiten der GGG Nordrhein-Westfalen zu finden (www.GGG-NRW.de).<br />

- 32 -


Annemarie von der Groeben:<br />

Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />

bauscht, die einen seien um so viel besser als die anderen. Dieses Ranglistendenken<br />

hat mindestens drei ebenso ungeprüfte wie problematische Voraussetzungen:<br />

(1) Lernen sei ein linearer Prozeß der Akkumulation von Wissen, (2) Schule habe<br />

folglich möglichst vielen Kindern in möglichst kurzer Zeit möglichst viel davon<br />

zu vermitteln, und (3) die Qualität von Schule bemesse sich allein oder vorrangig<br />

an der Erfüllung dieser Aufgabe. Schule als Rennstrecke - diese Vorstellung ist<br />

nicht nur eine Beleidigung ihres Namens, der bekanntlich „Muße“ bedeutet, sondern<br />

auch eine Perversion ihrer wichtigsten Aufgaben. Verstehen braucht Zeit,<br />

eben Muße, Umwege, Freiräume für trial and error, Mut zur Gründlichkeit. Lernen<br />

verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr, ganz zu schweigen von Bildung und<br />

Erziehung.<br />

Lernwege sind keine Lehrplanwege.<br />

Lehrpläne sind Konstrukte, antizipierte Lernverläufe. Kinder sind und lernen a-<br />

ber häufig ganz anders, als Lehrplaner erwarten. Sie verweilen unterschiedlich<br />

lange auf den einzelnen Stufen des Verstehens. Sie können sich auch quer zu solchen<br />

Normen entwickeln. Verstehen läßt sich eben nicht erzwingen. Einen Praktiker<br />

nimmt es darum nicht wunder, was die TIMSS-Forscher so erstaunte: daß<br />

sie selbst in Gymnasialklassen eines Jahrgangs, wo sie es nicht erwarteten, alle<br />

Stufen des naturwissenschaftlichen Verstehens vorfanden. Wie eine Schule dieser<br />

Unterschiedlichkeit gerecht wird, wäre ein Kriterium für ihre Qualität.<br />

Lernen wird nicht besser durch Normerfüllungsdruck<br />

Im Gegenteil: Die Lern- und Intelligenzforschung stellt solches Normendenken<br />

gerade in Frage. Lernen verläuft viel unterschiedlicher, Leistung umfaßt viel<br />

mehr, als daß normierte Meßlatten ihnen gerecht werden könnten. Ein Kriterium<br />

für die Qualität einer Schule wäre, wie sie unterschiedliche Lernformen und -<br />

hilfen einsetzt, wie sie multiple Intelligenzen bedient, wie sie auch und gerade die<br />

Lernschwachen durch erreichbare Erfolge zu ermutigen versucht. Schulen haben<br />

in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehnten viel gelernt: durch Öffnung des Unterrichts,<br />

individualisierende Hilfen und Übungen, praktisches Lernen. Das alles<br />

droht den Bach runterzugehen, wenn „Wettrennen“ und Normerfüllung angesagt<br />

sind.<br />

Hier sollen nicht schlechte Leistungen schöngeredet werden, im Gegenteil. Es<br />

gibt keinen höheren Anspruch als den, daß jeder Mensch das ihm Mögliche leisten<br />

soll. Für Schulen heißt das: dem einzelnen Kind gerecht zu werden, es als Individuum<br />

zu sehen und zu seinen Höchstleistungen zu befähigen. Solche Gerechtigkeit<br />

gewährleisten Normen nicht gerade, sie gefährden sie.<br />

Das Meßbare ist nicht alles und oft gerade nicht das Wichtige.<br />

Zum Beispiel in Deutsch: Die Literatur-Didaktik geht davon aus, daß die Beziehung<br />

zwischen Leser und Text eine je individuelle, persönliche ist, daß es viele<br />

Formen der Aneignung von Literatur gibt, vor allem aber, daß Aneignung ein ak-<br />

- 33 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

tiver Vorgang ist, bei dem Empathie und Imagination eine entscheidende Rolle<br />

spielen. Das verträgt sich schlecht mit quantitativen Vergleichsuntersuchungen.<br />

Wenn diese zur Regel werden, wird der Unterricht sich beinahe zwangsläufig zurückentwickeln<br />

zu dem, was eigentlich weniger wichtig, dafür aber klar operationalisierbar<br />

ist: Gelehrt wird, was sich abprüfen läßt. Wo es darauf ankommt, eine<br />

Sache unter Zeit- und Vergleichsdruck „auseinanderzunehmen“, ist die Fahrradpumpe<br />

besser geeignet als der „Faust“.<br />

Vergleichstests werfen häufig mehr Fragen auf als sie beantworten.<br />

Deutsche Schülerinnen und Schüler haben bei TIMSS in Biologie erheblich besser<br />

abgeschnitten als in Mathematik. Die Forscher erklären dies mit der interessanten<br />

Hypothese, der Biologieunterricht biete „eine besonders persönlichkeitsschützende<br />

Lernwelt“.<br />

Was heißt das? Ist so etwas wie lebendiger Unterricht gemeint? Oder Anschaulichkeit?<br />

Oder Verständlichkeit? Wie auch immer - zu fragen wäre, warum, was<br />

den Biologieunterricht gut macht, nicht auch für Mathematik gelten kann. Zu fragen<br />

wäre auch hier nach der Qualität der Lernprozesse und den Bedingungen ihres<br />

Gelingens, nicht nach dem Quantum der Produkte. Auf das Wie kommt es an,<br />

auf das Lernklima, die Schulkultur. Qualitätssicherung braucht den Blick auf das<br />

Besondere, den die Vergleichszahlenkolonnen mehr zuschütten als fördern.<br />

Japan ist nicht das gelobte Land.<br />

Wenn japanischer Mathematikunterricht, wie TIMSS uns lehrt, so viel besser,<br />

weil problemorientierter ist als deutscher, haben wir allen Grund, von Japan zu<br />

lernen. Aber müßten wir, um diese Erfolge zu den unseren zu machen, nicht auch<br />

deren Randbedingungen akzeptieren? Private Zusatzschulen, extremer Leistungsdruck,<br />

verbunden mit der weltweit höchsten Schülerselbstmordrate - der Erfolg<br />

hat seinen Preis. Aus vielen Beispielen wissen wir, daß die ödesten Paukschulen<br />

oft die besten Ergebnisse erzielen, gemessen am Quantum des Fachwissens,<br />

und wir wissen auch, was sie Kindern damit antun können. Soll Schulkultur<br />

in Zukunft nach Test-Ranglisten bemessen werden?<br />

„Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.“<br />

Vergleichstests sollen ein faires Mittel der Qualitätssicherung sein, weil sie alle<br />

vor gleiche Anforderungen stellen. Aber genau das ist nicht fair. George Orwells<br />

bitter-bissiger Satz über die Demokratie beschreibt die Verteilung der Chancen<br />

zutreffend. Die Unterschiede zwischen Schulen, auch innerhalb einer Schulart,<br />

sind riesig. Natürlich haben sie mit dem sozialen Umfeld zu tun. Wie sehr, das<br />

zeigt eine Hamburger Vergleichsuntersuchung aller 5. Klassen. Sie hat ergeben,<br />

daß die Leistungen der besten Schülerinnen und Schüler aus Hamburg-<br />

Wilhelmsburg in etwa denen der schwächsten aus dem Nobel-Vorort Blankenese<br />

- 34 -


Annemarie von der Groeben:<br />

Lernen verträgt sich schlecht mit der Stoppuhr<br />

entsprechen. Zugespitzt: Die Kinder aus Wilhelmsburg haben schon verloren,<br />

bevor sie zum ersten Mal ihre Schultüte in die Hand nehmen.<br />

Gerade die Schulen für solche Kinder könnten in der Qualitätsbewertung neue<br />

Maßstäbe setzen und tun das oft in vorbildlicher Weise. Wie Lehrerinnen und<br />

Lehrer in Wilhelmsburg und anderswo versuchen, gerade diese Schulen gerade in<br />

diesem Stadtteil zu einem Ort des guten Zusammenlebens und zu einem Haus des<br />

guten Lernens zu machen, wäre ein Kriterium dafür. Nicht aber Vergleichsstudien,<br />

die die Randbedingungen methodisch ausblenden und alle Probanden als<br />

prinzipiell gleiche, kontextlose Wissensträger sehen, die sie nun einmal nicht<br />

sind.<br />

Erfolg und Kontrolle gehen selten Hand in Hand.<br />

Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an. Von ihrer Arbeit hängen Erfolg<br />

und Schulqualität ab. Sie, deren wissenschaftliche Ausbildung der Staat sich viel<br />

kosten läßt, sie, die eigentlichen Subjekte der Qualitätsentwicklung zu deren Objekten<br />

zu machen, kommt einer pauschalen Entmündigung gleich. Erfolg verspricht<br />

das übrigens nicht. Die europäischen Länder mit besonders rigiden Kontrollen<br />

schneiden bei TIMSS vielfach schlechter ab als Deutschland. Das ficht die<br />

Kultusministerien jedoch nicht an. Gleichzeitig propagieren sie Mut zur Schulentwicklung,<br />

Selbstbestimmung, Verantwortung, die lernende Schule, sie erwarten<br />

Kollegien mit Neugier und Pioniergeist. Nur: Beides paßt nicht zusammen.<br />

Autonomie und Normerfüllung schließen sich aus.<br />

Ich plädiere für eine Qualitätskontrolle, die die einzelne Schule in ihrem Kontext<br />

sieht, sie an ihrem eigenen Programm mißt und fachlich hohe Anforderungen<br />

stellt. Tests sind ein wichtiges diagnostisches Instrument. Aber sie dürfen nicht<br />

zur empirischen Dampfwalze werden, die das Beste, was Schulen an Kindern<br />

leisten können, zu überrollen droht.<br />

Schulen sind keine Fabriken, die Stoff in Köpfen produzieren. Sie haben es mit je<br />

einzelnen Kindern zu tun, sollen sie zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erziehen<br />

und dazu befähigen, das ihnen Bestmögliche zu leisten. Jeder, der das tut,<br />

muß die Möglichkeit haben, seine Leistung als gut und wertvoll zu erleben, auch<br />

und gerade, wenn er vielleicht ein schwacher Hauptschüler ist und in Hamburg-<br />

Wilhelmsburg wohnt.<br />

Dr. Annemarie von der Groeben ist Didaktische Leiterin an der Laborschule Bielefeld<br />

- 35 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Anhörung im Landtag:<br />

Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in<br />

einer sich wandelnden Arbeitswelt bestehen können<br />

Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschuß für Schule und Weiterbildung<br />

34. Sitzung am 05.05.1<strong>99</strong>8 (öffentlich), Ausschußprotokoll 12/867 36<br />

Vorsitzender Heinrich Meyers: Jetzt folgen die drei letzten Wortbeiträge. Ich<br />

darf zuerst Herrn Gerd Schäfers, Leiter der <strong>Gesamtschule</strong> Velbert, bitten, ans<br />

Rednerpult zu kommen.<br />

Gerd Schäfers (Leiter der <strong>Gesamtschule</strong> Velbert): Herr Vorsitzender! Meine<br />

Damen und Herren! Es ist natürlich eine schwierige Situation, sich am Ende einer<br />

so anstrengenden und intensiven Debatte noch einmal zu äußern. Ich möchte<br />

nicht Punkte aus dem, was ich schriftlich eingereicht habe, vertiefen; das können<br />

Sie nachlesen.<br />

Die Veranstaltung hier war ja zweigeteilt. Wir haben am Anfang viele Vertreter<br />

aus der Wirtschaft und nachher Verbandsvertreter aus dem pädagogischen Bereich<br />

gehört. Ich rede nun nicht als Verbandsvertreter der einen oder der anderen<br />

Seite. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was würden die Schüler wahrnehmen?<br />

Und was haben die Schülerinnen und Schüler im Moment, im letzten Jahr,<br />

wahrgenommen? Was erwartet die <strong>Gesellschaft</strong> von ihnen? Was erwartet die <strong>Gesellschaft</strong><br />

von uns Lehrerinnen und Lehrern an Schulen?<br />

Ich darf zu letzterem, Herr Tacke, Ihren Kollegen Kempken, den Leiter der Siemens-Niederlassung<br />

in Frankfurt, zitieren, der darauf hinweist,<br />

„... daß wir Menschen brauchen, die bereits in der Schule gelernt haben, in<br />

vernetzten Strukturen problemorientiert zu denken: teamfähige, kreative,<br />

neugierige Leute mit logischem, analytischem Denkvermögen. Das setzt<br />

projektorientierten Unterricht voraus, der Schülern die Möglichkeit gibt,<br />

komplexe Zusammenhänge in Planspielen ... zu erfahren.”<br />

Ich glaube, heute ist sehr deutlich geworden - alle haben dies gesagt -, daß die<br />

<strong>Gesellschaft</strong> von den Schülerinnen und Schülern heute viel mehr verlangt, als es<br />

zu unserer Zeit der Fall war. Wer von uns hat sich solchen Verfahren unterziehen<br />

müssen, um eine Berufsausbildung zu finden, wie es heute notwendig ist? Wer<br />

von uns Erwachsenen erfüllt denn auch nur einen Teil der in der Schrift der IHK<br />

- und das ist ja vom Landesausschuß für Berufsbildung weitgehend übernommen<br />

worden - genannten Grund- und Schlüsselqualifikationen, und zwar in dieser<br />

Summe? Das alles soll Schule bereitstellen, das alles sollen Schülerinnen und<br />

Schüler bringen und leisten, und gleichzeitig verfolgen die Schülerinnen und<br />

36 Auf unseren Internet-Seiten (www.GGG-NRW.de) ist unter der Rubrik GGG aktuell neben<br />

diesem Redebeitrag auch die ausführliche Stellungnahme von Gerd Schäfers zu finden.<br />

- 36 -


Anhörung im Landtag:<br />

Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer sich<br />

Schüler in der öffentlichen Debatte, daß man sie für nicht qualifiziert hält, für<br />

faul hält, für unflexibel hält. Der DIHT zum Beispiel - den Presseausschnitt habe<br />

ich mir angesehen - wirft den Jugendlichen wirklich pauschal groben Egoismus<br />

vor, weil Jugendliche zum Teil Lehrstellen nicht abgesagt hätten.<br />

Ich habe dazu vor einer Woche eine sehr interessante Erfahrung gemacht. Unsere<br />

Schule betreibt seit langem eine intensive Zusammenarbeit mit Ausbildern aus<br />

Betrieben. Dort haben die Jugendlichen - wir haben nicht über sie geredet, sondern<br />

mit den Schülerinnen und Schülern und auch den Eltern; es war eine Runde<br />

von 50 Vertretern aus Betrieben, Schülern, Eltern und Lehrern - berichtet, wenn<br />

sie 30 Bewerbungen schrieben, sei es für sie normal, daß sie 25 überhaupt nicht<br />

beantwortet bekämen. Bitte verlangen wir nicht von Jugendlichen etwas, was wir<br />

selber nicht vorführen!<br />

(Beifall)<br />

Ich habe in meiner Stellungnahme Gräfin Dönhoff zitiert, die auf verschiedene,<br />

gesellschaftlich üblich gewordene unlautere Methoden bei Großbanken und Ärzten<br />

hinweist und dann sagt: Man kann von Jugendlichen nicht allzuviel erwarten,<br />

wenn dies die Elite der <strong>Gesellschaft</strong> vorführt. Im übrigen hat auch Herr Hundt als<br />

Präsident der Arbeitgeberverbände in, wie ich finde, unzulässiger pauschaler<br />

Weise den Satz geprägt, daß die Jugendlichen heute zunehmend für die Ausbildung<br />

zu wenig qualifiziert oder nicht ausbildungsfähig seien. Dies trifft möglicherweise<br />

für einen wachsenden Teil von Jugendlichen zu. Wer könnte das besser<br />

beurteilen als wir Lehrerinnen und Lehrer, die wir das ja in der Schule erfahren<br />

und uns dort damit auseinandersetzen müssen und weit davon entfernt sind zu<br />

sagen: Wenn die Grundschule uns das nicht richtig abliefert, wie sollen wir in der<br />

Sekundarstufe l darauf aufbauen? - Diese Schuldzuweisungen führen uns, glaube<br />

ich, nicht weiter.<br />

Mich hat das nicht ruhen lassen. Ich habe seit vier Jahren die Betriebe, die unsere<br />

Schüler übernehmen oder bei denen sie ein Praktikum haben, befragt - nach den<br />

Vorbildern von Mannesmann oder auch der Sparkasse, die Praktikantenfragebögen<br />

haben -, und zwar vor allem zum Bereich der sogenannten Sekundärtugenden.<br />

Da sind ja zum Teil sehr massive Vorwürfe gegen unsere Schülerinnen und<br />

Schüler zu hören. Und siehe da - seit vier Jahren ist das Ergebnis konstant. Gerade<br />

in den Bereichen Pünktlichkeit, Lernwille, Fleiß werden die Jugendlichen von<br />

den Ausbildern in den Betrieben zwischen 80 und 90 % mit „gut“ und „sehr gut“<br />

beurteilt. Wenn ich als Leiter einer Schule mit l 200 Schülerinnen und Schülern<br />

das veröffentlichte Bild der Jugendlichen wahrnehme, erkenne ich meine Schülerinnen<br />

und Schüler nicht wieder.<br />

(Beifall)<br />

Vor allem nicht in der Summe! Ich möchte mich an das anschließen, was der<br />

Kollege Steffens vorhin aus der berufsschulpädagogischen Sicht gesagt hat. Er<br />

hat auf Sachsen-Anhalt hingewiesen. Was erwarten wir von Jugendlichen an Mo-<br />

- 37 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

tivation, an Perspektive, wenn wir sie mit einem solchen Zerrbild in der Presse<br />

konfrontieren? Ich möchte uns alle dringend bitten, mit solchen pauschalierenden<br />

Urteilen gerade über Jugendliche sehr vorsichtig umzugehen. Sie werden es uns<br />

heimzahlen.<br />

(Beifall)<br />

Da Herr Tacke noch hier ist, möchte ich gerne eine Bemerkung von ihm in bezug<br />

auf die Organisation der Schule aufgreifen. Sie haben davon gesprochen, daß<br />

Schulleiter und Schulleiterinnen Management- und Leitungsqualitäten bekommen<br />

sollten, die sich auch auf die Auswahl der Kolleginnen und Kollegen ausweiten<br />

sollten. Ich unterstütze das sehr. Wir haben heute viel von Zeit gesprochen, die<br />

die Schule braucht. Wenn Sie dieses Problem in Angriff nehmen wollen, Herr<br />

Tacke, dann müssen Sie wissen: Wir haben das Beamtenrecht. Wir müssen,<br />

fürchte ich, Zeitschienen von Jahrhunderten zugrunde legen, bis wir dies erreicht<br />

haben.<br />

Noch eine kleine Lanze möchte ich für Jugendliche brechen, die aber sehr zweischneidig<br />

ist. Es ist schon erwähnt worden, daß Jugendliche heute anderes können<br />

und mehr können, als wir können konnten. Ich weiß nicht, seit wann es so ist,<br />

daß Schülerinnen und Schüler in einem Ausmaß jobben, das jeden Vorwurf, daß<br />

sie faul seinen, schon automatisch widerlegt. Ich habe in diesem Jahrgang bei unseren<br />

Abiturientinnen und Abiturienten systematisch erfragt, wie viele Wochenstunden<br />

sie von Klasse 9 bis Klasse 13 gearbeitet haben. - Ich habe übrigens Unterlagen<br />

dazu, wie auch zu der eben erwähnten Umfrage der Betriebe, bei mir,<br />

wenn Sie interessiert sind. - Es war für mich erschreckend festzustellen, daß bei<br />

unserer sechszügigen Schule die Arbeitszeit der Schülerinnen und Schüler in den<br />

Klassen 9 bis 13 47 Arbeitsplätze in der Stadt Velbert ersetzt. Was ich überhaupt<br />

nicht gedacht hätte - aber ich habe in meinem 13er-Kurs nachgefragt -, ist, daß<br />

viele sich in regelmäßigen Arbeitsverhältnissen auf 620-DM-Basis befinden.<br />

Auf der Veranstaltung, die ich eingangs erwähnte, war auch ein Vertreter einer<br />

namhaften Handelskette, die gelegentlich neben Gemüse auch Computer verkauft.<br />

Er beklagte sich dort auch darüber, daß sie keine Auszubildenden fänden.<br />

Ein Sozialarbeiter der katholischen Kirche hat diesen Gedanken aufgegriffen und<br />

gesagt: Wenn ich die Nebentätigkeit von Schülerinnen und Schülern einmal genauer<br />

untersuche, finde ich in Ihrer Kette, am Ladentisch oder an der Kasse, eine<br />

Schülerin, die die gesamten Arbeiten, die Sie verlangen, hervorragend erledigt:<br />

Sie tippt die Preise ein, sie ist freundlich zu den Kunden, sie kauft, sie kann überschlägig<br />

bemessen, ob der Betrag in Ordnung ist, ob es sich um Kilogramm oder<br />

Gramm handelt. - Alles dies hatte er vorher eingefordert. - Nur, wenn diese Schülerin<br />

zu Ihnen kommt und einen Aufnahmetest schreibt, dann wird sie möglicherweise<br />

oder ziemlich sicher durchfallen.<br />

- 38 -


Anhörung im Landtag:<br />

Was kann und soll Schule leisten, damit junge Menschen in einer sich<br />

Ich finde, daß uns solche Dinge zu denken geben sollten. Wir haben deshalb beschlossen,<br />

uns mit den Ausbildern zusammen in konkreter Arbeit den Anforderungen,<br />

die in den Tests gestellt werden, zuzuwenden, indem wir uns das gemeinsam<br />

mit der Fachkonferenz Mathematik und Deutsch - mit beiderseitiger Kritik -<br />

vornehmen und fragen: Was machen wir in der Schule falsch? Zu welchem Zeitpunkt<br />

unterrichten wir etwas, was ihr zu einen ganz anderen Zeitpunkt abfragt?<br />

Was ist bei euren Tests noch angemessen? Was könnte dort verbessert werden?<br />

Ich möchte mit der provokanten Frage schließen: Was würden Sie als Vertreter<br />

der Industrie denn tun, wenn wir alle Schülerinnen und Schüler so qualifizieren<br />

würden, wie wir uns das alle wünschen? Ein Vertreter eines großen Betriebes aus<br />

Wuppertal hat uns geschildert, daß er für acht Stellen im kaufmännischen Bereich<br />

200 Bewerberinnen und Bewerber hatte. Er hat uns dann die Versagertests<br />

in Kopie an der Wand vorgeführt. Die Bitte, das zu quantifizieren, bzw. die Frage,<br />

ob es nun nur wenige Einzelfälle waren oder nicht, konnte oder wollte er<br />

nicht beantworten. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man in<br />

diesen Zeiten manchmal ganz froh ist, über ein Instrument zu verfügen, von dem<br />

man sozusagen neutral sagen kann: Wenn es 60 % meiner 200 Bewerberinnen<br />

und Bewerber sind, die nicht gut rechnen und nicht gut schreiben können, dann<br />

habe ich schon eine kleinere Gruppe, aus der ich auswählen kann. - So, bitte, dürfen<br />

wir nicht mit Jugendlichen umgehen.<br />

(Beifall)<br />

- 39 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

AUS DER ARBEIT IN DEN GESAMTSCHULEN<br />

Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />

Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?<br />

Befragt man OberstufenschülerInnen nach ihren Zukunftsvorstellungen im Anschluss<br />

an das Abitur, dann hört man von Schuljahr zu Schuljahr immer häufiger<br />

den Wunsch nach einer Berufseinmündung in eine Lehre. Nicht wenige verbinden<br />

damit auch die Vorstellung: „Erst einmal weg von der Schule und etwas<br />

Handfestes arbeiten - studieren kann Ich später noch“. Sicherlich begründet sich<br />

diese Entwicklung auch mit anhaltenden Negativentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt<br />

für Akademiker: Längst kann nicht jeder Studienabsolvent den erwünschten<br />

und dem langen Studium entsprechenden Berufsanschluss ohne Probleme<br />

erhalten. Studienleistungen sind nicht mehr bruchlos einbringbar in gehobene<br />

berufliche Positionen mit entsprechendem Einkommen.<br />

Wie festzustellen ist, bleibt das Abitur dennoch für viele SchülerInnen ein hoch<br />

erstrebenswertes Ziel, es entwickelt sich zum „Generalschlüssel für den Eintritt in<br />

Hochschulen als auch in attraktive Ausbildungen des dualen Systems.<br />

Wenn wir einerseits feststellen, dass immer mehr SchülerInnen die gymnasiale<br />

Oberstufe besuchen möchten und andererseits die Beobachtung gemacht wird,<br />

dass ein immer größerer Anteil dieser SchülerInnen eine betriebliche Ausbildung<br />

anstrebt, dann erscheint es pädagogisch zwingend geboten, im Schulprogramm<br />

dem Übergang in eine berufliche Ausbildung verstärkt Rechnung zu tragen.<br />

In diesem Zusammenhang ist auch ein Motivationsproblem nicht zu übersehen:<br />

Richten sich Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsinhalte überwiegend am Leitbild<br />

des künftigen Studierenden an Universitäten und Hochschulen aus, dann ist<br />

nicht auszuschließen, dass die Lernbedürfnisse der eher berufsorientierten SchülerInnen<br />

weniger eingebunden werden mit entsprechenden Verlusten an Lernfreude<br />

und Lernmotivation.<br />

Zwar hat sich die <strong>Gesamtschule</strong> Vohwinkel immer schon darum bemüht, dem<br />

Doppelanspruch des Bildungsganges in der Oberstufe - Gewährleistung der allgemeinen<br />

Studierfähigkeit und des Übergangs in eine berufliche Ausbildung - zu<br />

entsprechen, jedoch soll dem berufsorientierenden Bereich auf dem Hintergrund<br />

der o.g. Entwicklung noch mehr Nachdruck verliehen werden. Dabei kann sich<br />

die Schule in ihren Bemühungen auch auf Empfehlungen des Ministeriums zur<br />

„Studien- und Berufswahlvorbereitung in der gymnasialen Oberstufe“ stützen.<br />

Im Zusammenhang mit der aktuellen Schulprogrammdiskussion bzw. Schulprogrammentwicklung<br />

in der <strong>Gesamtschule</strong> Vohwinkel wird zur Zeit versucht, geeignete<br />

Lösungsansätze zu entwickeln: In Fortentwicklung der bisher gut angenommenen<br />

Maßnahmen zur Berufsorientierung in der Sekundarstufe I sollen<br />

Maßnahmen in der gymnasialen Oberstufe angeboten werden wie: Berufliche<br />

- 40 -


Wolfgang Kaiser (<strong>Gesamtschule</strong> Wuppertal-Vohwinkel):<br />

Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe?<br />

Selbsterkundung in Betrieben, Bewerbertraining mit außerschulischen Institutionen<br />

wie der AOK, der DAK und der Universität Wuppertal, Berufserkundungsprojekte<br />

in Zusammenarbeit mit Firmen und Betrieben, erweiterte Inanspruchnahme<br />

der Beratungsleistungen des Arbeitsamtes und des Berufsinformationszentrums.<br />

Ebenso gewichtig wie außerunterrichtliche Maßnahmen zur Verbesserung der<br />

Berufsorientierung soll auch die Auswahl und das Angebot solcher Unterrichtsthemen<br />

in den Blick genommen werden, die den SchülerInnen eine intensive Bearbeitung<br />

und Auseinandersetzung mit Fragen zur Berufswahlvorbereitung bzw.<br />

zur Berufsorientierung ermöglichen. Auch eröffnet die neu vorgelegte Ausbildungs-<br />

und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe die Möglichkeit einer<br />

berufsweltlich-orientierten Themenstellung im Rahmen von Facharbeiten. Zur<br />

nachhaltigen Unterstützung dieser Vorhaben und Maßnahmen wird an der <strong>Gesamtschule</strong><br />

Vohwinkel ein Mitglied des Kollegiums benannt, das dieses Aufgabenfeld<br />

betreut und dabei eng mit BerufsberatungslehrerInnen, den Fachkonferenzen<br />

und den entsprechenden außerschulischen Einrichtungen zusammenarbeitet.<br />

Ob die Bemühungen der Schule zur weiteren Verbesserung des Übergangs in<br />

eine berufliche Ausbildung nach Abschluss des Abiturs bei den Schülerinnen<br />

„ankommen“, soll in einer anschließenden Befragung im kommenden Schuljahr<br />

geprüft werden mit dem Ziel, gelungene Maßnahmen auszubauen und zu erweitern<br />

bzw. Alternativen zu entwickeln.<br />

- 41 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Aus der Arbeit in den <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

Jürgen Theis:<br />

Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren<br />

Die <strong>Gesamtschule</strong> Dortmund-Scharnhorst war eine der ersten Schulen in Dortmund<br />

(und in Nordrhein-Westfalen), die mit einem Computer für den Unterricht<br />

ausgestattet wurde: eine Zuwendung aus „Überschussmitteln“ der Stadtsparkasse<br />

machte es Mitte der siebziger Jahre möglich, ein „WANG 2200 Portable Computer<br />

System“ mit einem Preis in der Größenordnung eines Mittelklassewagens zu<br />

beschaffen, keineswegs eine Art Laptop – wie der irreführende Name heute suggerieren<br />

mag – sondern eine ziemlich<br />

schwere, gerade von einer Person noch<br />

tragbare Maschine. Der Rechner hatte<br />

noch keine Ein-Chip-CPU im heutigen<br />

Sinne, sondern ein auf viele große Karten<br />

verteiltes Rechenwerk. Sein Arbeitsspeicher<br />

umfasste 4 KB - in Worten:<br />

vier Kilobyte 37 . Als „Massenspeicher“<br />

diente ein Kassetten-Laufwerk, als Medien<br />

wurden anfangs in der Regel normale<br />

Tonbandkassetten verwendet. Immerhin<br />

erlaubte die Maschine eine Programmierung<br />

in einem WANGspezifischen<br />

BASIC-Dialekt, der beispielsweise<br />

Matrix-Operationen recht<br />

komfortabel ermöglichte. Allerdings waren<br />

die Anwendungsmöglichkeiten noch<br />

recht unbefriedigend: es fehlte vor allem<br />

ein Drucker und die Speichermöglichkeiten<br />

erwiesen sich schnell als viel zu lahm und für „ernsthafte“ Anwendungen<br />

in der Kapazität völlig unzureichend. Inzwischen hatte WANG den abgebildeten<br />

Nachfolgetyp herausgebracht, mit 16 KB Arbeitsspeicher und – vor allem – mit<br />

einem Doppel-Laufwerk für 360 KB-Disketten.<br />

Das günstige Zusammentreffen zweier Umstände machte es möglich, diese Wünsche<br />

schrittweise zu erfüllen:<br />

• In der Nachbarschaft der Schule gab es einen kleinen Betrieb, der Alarmanlagen<br />

installierte und wartete. Der Unternehmer benutzte auch einen Rechner<br />

aus der Serie WANG 2200. Andererseits schickte er seine drei Kinder<br />

zur <strong>Gesamtschule</strong> Scharnhorst und erfuhr so von den ernsthaften Arbeiten<br />

in einer Computer-Arbeitsgemeinschaft im 9./10. Schuljahr.<br />

37 Heute werden Rechner mit bis 16 000-fach so großem Speicher bei ALDI angeboten!<br />

- 42 -


Jürgen Theis:<br />

Beschaffungen aus Drittmitteln - vor über 20 Jahren<br />

• In dieser Arbeitsgemeinschaft gab es einen besonders fähigen Schüler, der<br />

bald die Möglichkeiten des WANG-Computers souverän beherrschte.<br />

So kam es zu einem für die damalige Zeit ungewöhnlichen „Geschäft“: Der genannte<br />

Schüler entwickelte Programme für den benachbarten Betrieb (z.B. zur<br />

Überwachung der Wartungstermine bei dessen Kunden) und aus dem Unternehmen<br />

floss eine Spende in die Schule, die den Ausbau des Computers auf 16 KB<br />

und die Beschaffung eines Aufsatzes mit dem Disketten-Doppel-Laufwerk ermöglichte.<br />

Es blieb nicht dabei; aus anderen Quellen flossen weitere Spendenmittel, mit denen<br />

z.B. ein Nadel-Drucker (auf der Abbildung im Hintergrund) und ein fast<br />

zentnerschweres Dreifach-Laufwerk für 10-Zoll-Disketten angeschafft werden<br />

konnte. Auch in diesen Fällen wurden jeweils auf die besonderen Bedürfnisse der<br />

Spender zugeschnittene Programme in der Arbeitsgemeinschaft produziert. So<br />

konnte u.a. auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen der <strong>Gemeinnützige</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V. hier erste EDV-Leistungen „in Auftrag geben“.<br />

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der genannte Schüler nicht nur seine Abiturprüfung,<br />

sondern auch die Diplomprüfung in Informatik mit „Sehr gut“ bestanden<br />

hat.<br />

- 43 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

GGG-Download-Service<br />

GGG-DOWNLOAD-SERVICE<br />

Der Landesverband der <strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V. bietet<br />

aktuelle Textdateien - vorwiegend aus dieser Zeitschrift - im Internet zum Download<br />

an (in der Regel im Format Word 95 als ZIP-Datei gepackt).<br />

Die Adresse der GGG-Eingangsseite ist<br />

http://www.GGG-NRW.de/<br />

(sie steht auch auf der dritten Umschlagseite dieses Heftes).<br />

Weitere Artikel finden sich ebenfalls auf den GGG-Internet-Seiten unter den<br />

Rubriken GGG aktuell und „<strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen“; sie<br />

haben das Format HTML und lassen sich direkt auf dem Bildschirm betrachten.<br />

Zur Zeit sind von unseren „GGG-Download-Service“ unter vielen anderen die<br />

folgenden Dateien zu laden:<br />

Verzeichnis der <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-Westfalen<br />

Schulen, Bezirksregierungen, LSW Soest MS WinWord 6.0/95<br />

Nur Schulen MS Access 97<br />

Nur Schulen<br />

dBASE IV<br />

Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

In eigener Sache:<br />

Warum eine neue Internet-Adresse?<br />

GGG-Landesvorstand an Ministerpräsident:<br />

<strong>Gesamtschule</strong> – kein Standortnachteil!<br />

Volker Hagemeister:<br />

Was wurde bei TIMSS erhoben?<br />

Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen IV/98<br />

Vor 30 Jahren …<br />

Dezember 1968 begann der „Arbeitskreis <strong>Gesamtschule</strong> in NRW e.V.“<br />

(seit 1971 GGG-Landesverband NRW) seine Arbeit<br />

Anne Ratzki:<br />

Scheitern erwünscht?<br />

Manfred Poppe:<br />

Teamarbeit als konstitutives Merkmal von Schulmanagement<br />

- 44 -


Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen III/98<br />

Brigitte Schumann, MdL:<br />

Wer mehr Qualität von Schule und bessere Leistungen<br />

von SchülerInnen will, muß im Unterricht anfangen!<br />

Werner Kerski:<br />

Man kann eine Kuh noch so oft wiegen, sie wird dadurch nicht fetter!<br />

Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen II/98<br />

Beteiligung gem. § 16 SchMG - Stellungnahmen der GGG:<br />

Richtlinien und Lehrpläne für die <strong>Gesamtschule</strong><br />

Ingrid Wenzler:<br />

Schulprogramme für <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer<br />

im gemeinsamen Projekt<br />

Roel van Drimmelen:<br />

Kollegiale Kultur<br />

Edith Rüdell:<br />

Tischgruppentraining - warum und wozu?<br />

Aus: <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen I/98<br />

Johannes Rau:<br />

Rede zur Bildungspolitik im Landtag am 13. Dezember 1<strong>99</strong>7<br />

Brigitte Schumacher:<br />

Rede im Landtag am 13. Dezember 1<strong>99</strong>7<br />

Aus dem GGG-FESCH-Info IV/97<br />

Gernod Röken:<br />

Annäherungen an Möglichkeiten<br />

zu einem gesamtschulgemäßen Unterricht<br />

Aus dem GGG-FESCH-Info III/97<br />

WP II-Kurs an der <strong>Gesamtschule</strong> Mülheim-Saarn:<br />

Das Image der <strong>Gesamtschule</strong> Saarn<br />

Gernod Röken:<br />

Aspekte für ein Gelingen von Teamarbeit in der Schule<br />

- 45 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

GGG-Download-Service<br />

Aus dem GGG-FESCH-Info II/97<br />

Sigrid Beer, Vorsitzende des Landeselternrates der <strong>Gesamtschule</strong>n in Nordrhein-<br />

Westfalen:<br />

„25 Jahre LER“ - Ansprache zur Jubiläumsfeier<br />

Edith Rüdell:<br />

Unterschiede zwischen den alten und neuen Richtlinien der <strong>Gesamtschule</strong><br />

Aus dem GGG-FESCH-Info I/97<br />

Susann Rabener, 8. Jg., <strong>Gesamtschule</strong> Kaiserplatz, Krefeld:<br />

Das Bild auf der Titelseite des Heftes „Haus des Lernens“<br />

(in Farbe mit hoher Auflösung)<br />

Protokoll der Mitgliederversammlung am 17.02.97<br />

Ingeborg Friege:<br />

Ziele suchen - Wege finden<br />

Schritte auf dem Weg zu einer Profiloberstufe<br />

Sonstiges<br />

Susanne Thurn:<br />

Lernen, Leistung, Zeugnisse - Eine Schule (fast) ohne Noten<br />

Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin:<br />

„TIMSS Germany“<br />

Mathematisch naturwissenschaftlicher Unterricht<br />

im internationalen Vergleich<br />

(Originaltext als gepackte Postscript-Datei)<br />

Die derzeit gültige Satzung der GGG Nordrhein-Westfalen<br />

Hilfsprogramme<br />

Ein Importfilter für alle, die mit WORD 6 oder WORD 95 Texte bearbeiten<br />

wollen, die mit WORD 97 geschrieben sind:<br />

WORD-Converter (Freeware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />

Die Schlicht-Version zum Auspacken der komprimierten Dateien:<br />

PKZip/PKUnzip (Freeware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />

Die Packstation für Windows 95:<br />

WinZip 6.3 (Shareware, selbstentpackende EXE-Datei)<br />

- 46 -


GGG-DRUCKSCHRIFTEN<br />

Die folgenden Veröffentlichungen sind gegen Rechnung (Preise plus<br />

Versandkosten) bei der GGG-Geschäftsstelle (Huckarder Str. 12,<br />

44147 Dortmund) zu beziehen. DM<br />

GGG konkret Nr. 3 Was ist <strong>Gesamtschule</strong>?<br />

0,50<br />

Ein Ratgeber beim Übergang in das 5. Schuljahr<br />

(14. Auflage in Vorbereitung)<br />

GGG konkret Nr. 4 Eltern in der <strong>Gesamtschule</strong> - Unterricht in der <strong>Gesamtschule</strong><br />

2,00<br />

- Mitwirkung in der <strong>Gesamtschule</strong><br />

(6. Auflage Dezember 1<strong>99</strong>7)<br />

GGG aktuell Nr. 5 Solidarität - Integration - Öffnung<br />

0,50<br />

Materialien zur inneren Reform der <strong>Gesamtschule</strong><br />

(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>0)<br />

GGG aktuell Nr. 6 Schulreform - Schulstruktur - Schulrecht<br />

2,00<br />

Materialien zur Strukturreform des Schulwesens<br />

(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>0)<br />

GGG aktuell Nr. 7 Die Diskussion um die Schulstruktur<br />

2,00<br />

Materialien zur aktuellen bildungspolitischen Diskussion<br />

(1. Auflage Mai 1<strong>99</strong>2)<br />

GGG aktuell Nr. 8 Berichte aus der pädagogischen Praxis<br />

2,00<br />

Autonomie - Integration - Schulkultur<br />

(1. Auflage März 1<strong>99</strong>5)<br />

GGG aktuell Nr. 9 Schule der Vielfalt<br />

4,00<br />

25 Jahre <strong>Gesamtschule</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />

(1. Auflage Dezember 1<strong>99</strong>5)<br />

GGG aktuell Nr. 10 Zukunft der Bildung - Zukunft der Schule – 4,00<br />

Zukunft der <strong>Gesamtschule</strong><br />

(1. Auflage Februar 1<strong>99</strong>7)<br />

Anne Ratzki u.a.<br />

Jürgen Theis,<br />

Sabine Pohl<br />

Verzeichnis der <strong>Gesamtschule</strong>n in NRW 1<strong>99</strong>8/<strong>99</strong> 20,00<br />

Team-Kleingruppen-Modell Köln-Holweide<br />

Theorie und Praxis<br />

Studien zur Bildungsreform, Band 28<br />

Die Anfänge der <strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

Studien zur Bildungsreform, Band 29<br />

für GGG-<br />

Mitglieder:<br />

20,00<br />

für GGG-<br />

Mitglieder:<br />

30,00<br />

Ernst Rösner <strong>Gesamtschule</strong> – was ist das eigentlich? 3,00<br />

Baumwolltaschen 2,00<br />

Aufkleber (7,5 x 5 cm) 0,50<br />

- 47 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

GGG-Druckschriften<br />

Folgende Hefte (und viele andere) sind bei der Bundesgeschäftsstelle<br />

der GGG (Postfach 1303, 26583 Aurich) zu beziehen:<br />

DM<br />

2/79 Das Team-Kleingruppen-Modell (Nachdruck) 6,00<br />

1/80 Schulsozialarbeit an <strong>Gesamtschule</strong>n 0,00<br />

1/83 Eltern in Schule und Unterricht 4,00<br />

1/84 <strong>Gesamtschule</strong> hier und dort<br />

4,00<br />

Eltern vergleichen integrierte <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

1/85 Schulinterne Lehrerfortbildung an <strong>Gesamtschule</strong>n 4,00<br />

1/86 Bundeskongreß 1985 in Wetzlar 2,00<br />

1/87 Bildungspolitisches Aktionsprogramm der GGG 1,00<br />

2/87 Pädagogisches Profil der <strong>Gesamtschule</strong> 4,00<br />

1/88 <strong>Gesamtschule</strong> und Grundschule kooperieren 4,00<br />

2/88 Bundeskongreß 1987 in Moers 4,00<br />

4/88 Ausländische Schülerinnen und Schüler -<br />

4,00<br />

Deutsche <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

1/89 Lehrerfortbildung für die <strong>Gesamtschule</strong> 6,00<br />

2/89 Integration von behinderten und nicht behinderten<br />

6,00<br />

Kindern in der <strong>Gesamtschule</strong><br />

Bundeskongreß 1989 in Marburg 4,00<br />

Bundeskongreß 1<strong>99</strong>0 in Kiel 4,00<br />

Bundeskongreß 1<strong>99</strong>1 in Hannover<br />

<strong>Gesamtschule</strong> - Erinnerungen an die Zukunft 10,00<br />

Gruppentraining (Köln-Holweide und Sulzbach) 6,00<br />

Antirassistische Erziehung 20,00<br />

Traxler-Plakat 20,00<br />

Traxler-Plakat, handsigniert (Nr. 1 bis 100) 200,00<br />

Binnendifferenzierung (2. Auflage 1<strong>99</strong>6) 6,00<br />

- 48 -


FORUM-MATERIALIEN<br />

Veröffentlichungen dieser Reihen sind gegen Rechnung (Preise plus Versandkosten)<br />

bei der GGG-Geschäftsstelle (Huckarder Str. 12, 44147 Dortmund) zu<br />

beziehen.<br />

Frauen und Kunst<br />

DM<br />

Eine Reise durch die Zeit<br />

10,00<br />

Zur europäischen Geschichte der Malerei<br />

Farbrausch - Farbenlehre und Kontraste 10,00<br />

Zeichenkohle, Aquarell, Gouachen, Ölmalerei, Holzschnitte<br />

10,00<br />

Eine Einführung in die Techniken<br />

Der weibliche Blick<br />

15,00<br />

Suzann Valadon und die Geschichte der Aktmalerei<br />

Der menschliche Körper - Aktmalerei<br />

15,00<br />

Einführung in die Techniken und ein historischer Abriß<br />

Frauen und Management<br />

DM<br />

Als Frau erfolgreich führen oder Die Macht der kleinen Schritte 20,00<br />

Gesagt - getan: Ein Trainingsprogramm in freier Rede 10,00<br />

Effektive Konferenzen<br />

15,00<br />

Vorbereiten, durchführen, auswerten<br />

Zeitmanagement und Arbeitsorganisation im Team 15,00<br />

Frauen lernen Gruppen leiten (2. Auflage 1<strong>99</strong>7) 15,00<br />

Frauen und Schule<br />

DM<br />

Matriarchatsforschung 10,00<br />

Hexen und Hexenverfolgung gestern und heute 20,00<br />

Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstraining 10,00<br />

Die Königin von Saba oder Frauen schreiben ihre Geschichte(n) 10,00<br />

Literaturwerkstatt:<br />

10,00<br />

Therapeutisches und journalistisches Schreiben<br />

Frauen und Beruf<br />

DM<br />

Weiberwirtschaft - Frauen sichern ihre Existenz 10,00<br />

- 49 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Forum-Materialien<br />

Naturwissenschaften<br />

Naturwissenschaftlicher Unterricht und <strong>Gesellschaft</strong> DM<br />

Naturwissenschaft von Anfang an 10,00<br />

Wasser - Natur pur!? (Teil 1) 15,00<br />

Wasser - Natur pur!? (Teil 2) 15,00<br />

Naturerscheinung „Wetter und Klima“ 15,00<br />

Das Ozonloch 10,00<br />

Winter - find ich cool 10,00<br />

Hausmüll 10,00<br />

Naturwerkstatt I: Wolle, Pflanzenfarben, Färben 15,00<br />

Umweltlabor 10,00<br />

Fliegen und Flugmodelle 15,00<br />

Fortbewegung in Natur und Technik 20,00<br />

Müll am Beispiel Verpackung 10,00<br />

Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion 20,00<br />

Woraus die Dinge gemacht sind 15,00<br />

Konservierung von Lebensmitteln mit und ohne Chemie 15,00<br />

Mollig warm 15,00<br />

Ein Wattenmeerprojekt 15,00<br />

Weltmacht Drogen 15,00<br />

Stadtökologie 15,00<br />

Lebensraum Meer 15,00<br />

Biozide: Chemische Waffen und Pflanzenschutzmittel 15,00<br />

Vom Bernstein zur Volta-Säule 15,00<br />

Neu: Mobilität: „Wenn Menschen was bewegen“ 20,00<br />

Neu: Menschen in Raum und Zeit 15,00<br />

Neu: Energiesparen in der Schule 15,00<br />

Sonstiges<br />

Musikalische Chancen für alle - Schulversuch Musik<br />

an der <strong>Gesamtschule</strong> Essen-Mitte (mit Musikcassette)<br />

DM<br />

20,00<br />

- 50 -


Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />

(III. Quartal 1<strong>99</strong>9)<br />

WEITERBILDUNG BEI DER GGG<br />

Forum Eltern und Schule - Austausch & Begegnung<br />

(III. Quartal 1<strong>99</strong>9)<br />

Sonderurlaub<br />

für Lehrerinnen<br />

Datum<br />

Wochenendseminar<br />

für Frauen<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

für Lehrerinnen<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Wochenendseminar/<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub/<br />

Bildungsurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub/<br />

Bildungsurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Atmung - Stimme - Artikulation<br />

09.08.<strong>99</strong> und 16.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr - 18.00 Uhr)<br />

Gruppen erfolgreich leiten<br />

13.08.<strong>99</strong> (18.00 Uhr) - 24.08.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />

Berufs- und Lebensplanung gehören zusammen:<br />

Lebensentwürfe in Text und Bild<br />

19.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 20.08.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

Stressabbau im Unterricht mit Hilfe von Qigong,<br />

Kursteil I<br />

25.08.<strong>99</strong> (17.30 Uhr) – 27.08.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

„Beziehungs-weise lernen“: TZI in der Schule<br />

28.08.<strong>99</strong> (11.30 Uhr) – 01.09..<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

Als Frau erfolgreich führen<br />

30.08.<strong>99</strong> (10.00 Uhr – 18.00 Uhr)<br />

Klassenmanagement<br />

03.09.<strong>99</strong> (16.00 Uhr ) – 04.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />

Planungs- und Umsetzungshilfen für den neuen<br />

Lehrplan Mathematik an der <strong>Gesamtschule</strong><br />

06.09.<strong>99</strong> (17.30 Uhr ) – 08.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

Skulptur und Plastik – Von der Figur zu abstrakten<br />

Formen plastischer Gestaltungsweisen<br />

09.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr ) – 10.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />

Zeitmanagement für Frauen<br />

13.09.<strong>99</strong> (10.00 – 18.00Uhr)<br />

In Zusammenarbeit mit der Stiftung CREADID:<br />

Qualitätsentwicklung realistisch gestalten<br />

13.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr) – 15.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

„Hinter den Kulissen“:<br />

Schminken fürs Theaterspielen<br />

14.09.<strong>99</strong> (10.00 – 18.00Uhr)<br />

- 51 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

für Lehrerinnen<br />

Datum<br />

Sonderurlaub/<br />

Bildungsurlaub<br />

für Frauen<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

für Lehrerinnen<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Wochenendseminar<br />

für Eltern<br />

Datum<br />

Sonderurlaub<br />

Datum<br />

Weiterbildung bei der GGG<br />

Tischgruppentraining in der Orientierungsstufe<br />

17.09.<strong>99</strong> (11.30 Uhr) – 18.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

Wie kann der Computer mir helfen?<br />

Grundlagen der EDV<br />

Ein Einführungsseminar für Lehrerinnen<br />

20.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 21.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr)<br />

Konferenzen leiten<br />

20.09.<strong>99</strong> und 27.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr - 18.00 Uhr)<br />

Annäherung an die Moderne:<br />

Vom Porträt zum Menschengesicht<br />

Ein Praxisseminar<br />

23.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 24.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />

Berufs- und Lebensplanung gehören zusammen:<br />

Sprachliche Durchsetzung für Mädchen und Frauen<br />

23.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr) - 24.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)<br />

Skulptur und Plastik<br />

Ein Praxisseminar<br />

24.09.<strong>99</strong> (10.00 Uhr ) - 25.09.<strong>99</strong> (17.00 Uhr)<br />

Streitkultur und andere vorbeugende Möglichkeiten<br />

in einer humanen Schule<br />

24.09.<strong>99</strong> (18.00 Uhr) - 26.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)1<br />

Qualifizierungsbausteine für die Abteilungsleitung<br />

an <strong>Gesamtschule</strong>n<br />

Baustein IV: Teamentwicklung in der Schule<br />

27.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr) - 29.09.<strong>99</strong> (15.00 Uhr)1<br />

Weiterbildungsangebot und Anmeldemöglichkeit auch im Internet!<br />

http://www.GGG-NRW.de/<br />

- 52 -


Anmeldeformular<br />

Anmeldeformular<br />

Seminar:<br />

(Kurztitel, Datum)<br />

Name:<br />

Bildungsurlaub nach Arbeitnehmer-Weiterbildungs-Gesetz<br />

Anschrift:<br />

Telefon:<br />

Ich bin an ähnlichen Veranstaltungen interessiert<br />

Datum/Unterschrift:<br />

Anforderung von Einzelprogrammen<br />

Senden Sie mit bitte Einzelprogrammen zu folgenden Seminaren<br />

(Kurztitel, Veranstaltungsdatum):<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

Anschrift:<br />

Datum/Unterschrift:<br />

- 53 -


<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Weiterbildung bei der GGG<br />

Bitte ausgefüllt an die Geschäftsstelle senden!<br />

(Anschrift paßt für Fensterumschlag DIN lang)<br />

⇐ Hier knicken!<br />

FORUM ELTERN UND SCHULE<br />

Austausch & Begegnung<br />

Huckarder Str. 12<br />

44147 Dortmund<br />

- 54 -


BEITRITTSERKLÄRUNG<br />

Ich erkläre meinen Beitritt/Wir erklären unseren Beitritt<br />

zur <strong>Gemeinnützige</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Gesamtschule</strong> e.V.<br />

Ich/Wir zahle(n) als einen Jahresbeitrag von<br />

Einzelmitglied (normaler Beitrag)<br />

Einzelmitglied (reduzierter Beitrag)<br />

Einzelmitglied (für Auszubildende, Schülerinnen und Schüler,<br />

Studentinnen und Studenten)<br />

Einzelmitglied (für Arbeitslose)<br />

korporatives Mitglied<br />

120.00 DM<br />

40.00 DM<br />

12.00 DM<br />

12.00 DM<br />

200.00 DM<br />

Vor- und Zuname:<br />

Anschrift:<br />

Telefon:<br />

Beruf:<br />

Ort, Datum:<br />

Geburtsdatum:<br />

<strong>Gesamtschule</strong>:<br />

(falls dort tätig)<br />

Unterschrift:<br />

Einzugsermächtigung<br />

Hiermit ermächtige ich Sie widerruflich, die von mir zu entrichtenden Beiträge<br />

von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto die erforderliche<br />

Deckung nicht aufweist, besteht seitens der kontoführenden Bank keine<br />

Verpflichtung zur Einlösung. Aufgrund eines Austritts zuviel gezahlte Beiträge<br />

sind mir auf Anforderung zurückzuzahlen.<br />

Name des Kontoinhabers:<br />

Wohnort:<br />

Kontonummer:<br />

Bankleitzahl:<br />

Bank:<br />

Ort, Datum:<br />

Unterschrift:<br />

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<strong>Gesamtschule</strong><br />

in Nordrhein-Westfalen I/<strong>99</strong><br />

Beitrittserklärung<br />

Bitte ausgefüllt an die Geschäftsstelle senden!<br />

(Anschrift paßt für Fensterumschlag DIN lang)<br />

⇐ Hier knicken!<br />

Landesverband NRW<br />

Huckarder Str. 12<br />

44147 Dortmund<br />

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