13.11.2013 Aufrufe

Wichtige mittelalterliche Datierungsformen - Institut für Geschichte ...

Wichtige mittelalterliche Datierungsformen - Institut für Geschichte ...

Wichtige mittelalterliche Datierungsformen - Institut für Geschichte ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

( Pro- )Seminar Mittelalter/Landesgeschichte<br />

<strong>Wichtige</strong> <strong>mittelalterliche</strong> <strong>Datierungsformen</strong><br />

Grundlegendes Hilfsmittel zur Auflösung von Datierungen:<br />

GROTEFEND, HERMANN, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen<br />

Mittelalters und der Neuzeit, 13. Aufl. Hannover 1991.<br />

Im Internet verfügbar unter:<br />

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/gaeste/grotefend/grotefend.htm<br />

Astronomische Grundlagen der Zeitrechnung:<br />

a) Umlaufzeit der Erde um die Sonne (Sonnenjahr = 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 46 Sekunden) Der<br />

Sonnenzyklus wiederholt sich alle 28 Jahre.<br />

b) Umlaufzeit des Mondes um die Erde („synodischer“ Monat = 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten, 3 Sekunden) Der<br />

Mondzyklus wiederholt sich alle 19 Jahre.<br />

Grundlagen des christlichen Kalenders:<br />

Für den christlichen Kalender ist das Osterfest von zentraler Bedeutung.<br />

Der Termin des Osterfests wurde auf dem Konzil von Nicea (325) auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond nach<br />

Frühlingsanfang (21. März) festgelegt. Damit sind das Osterfest und alle von diesem abhängenden Feste<br />

bewegliche Feste.<br />

Um den Termin des Osterfestes eines Jahres zu bestimmen, bedurfte es demnach der Sonne (um den Wochentag zu<br />

bestimmen) und des Mondes (um den Vollmond zu bestimmen).<br />

Der früheste Ostertermin ist der 22. März (wenn der Ostervollmond genau auf den Frühlingsanfang fällt).<br />

Der späteste Ostertermin ist der 25. April (wenn der Ostervollmond auf einen Sonntag, den 18. April fällt).<br />

Da alle vom Osterfest abhängenden kirchlichen Feiertage ebenfalls bewegliche Feste sind, muss sehr oft der Termin<br />

des Osterfestes ermittelt werden, um Datierungen aufzulösen.<br />

Beispiel 1: Eine Urkunde ist datiert auf das Osterfest des Jahres 1200:<br />

GROTEFEND, S. 215-219 Taf. XV gibt <strong>für</strong> die Jahre von 550 bis 1699 die Festzahl an. Für das Jahr 1200 ist als<br />

Festzahl „19“ angegeben.<br />

Anhand der Festzahl kann mit Hilfe von GROTEFEND, S. 144-213 Taf. XII der entsprechende Festkalender<br />

ermittelt werden.<br />

Bei GROTEFEND, S. 180f. findet sich der Kalender der Jahre, die die Festzahl 19 haben.<br />

Dort ist als Ostertermin der 9. April angegeben.<br />

Beispiel 2: Eine Urkunde ist auf Montag nach Oculi im Jahre 894 datiert:<br />

GROTEFEND, S. 215-219 Taf. XV gibt als Festzahl <strong>für</strong> das Jahr 894 „10“ an.<br />

Bei GROTEFEND, S. 162f. findet sich der entsprechende Festkalender: Der Sonntag Oculi ist der 3. März, die<br />

Urkunde datiert also vom 4. März 894.<br />

Die wichtigsten Bestandteile von Datierungen:<br />

Jahresbezeichnungen:<br />

a) Üblich war seit dem 8./9. Jh. die Inkarnationsära (nach Christi Geburt).<br />

b) Daneben kommt häufig die Jahreszählung nach Regierungsjahren (bei Königen, Päpsten und Bischöfen) vor:<br />

Die Zählung begann am Tag der Krönung/Wahl (Könige) bzw. der Weihe (Päpste/Bischöfe).<br />

Die Krönungs- bzw. Weihedaten der Könige und Päpste sind zu finden bei GROTEFEND, S. 111-129.<br />

c) In Königsurkunden findet sich zudem die Jahreszählung nach Indiktionsjahren, einem von Kaiser Diokletian 297<br />

eingeführten 15-jährigen Steuerzyklus, von dem jeweils nur das Jahr der laufenden Indiktion angegeben wird.<br />

Da die Indiktionsrechnung (zurückgerechnet) im Jahr 3 v. Chr. beginnt, ergibt sich folgende Berechnung <strong>für</strong> die<br />

Indiktion:<br />

Indiktion = Rest aus: (Inkarnationsjahr + 3):15<br />

GROTEFEND, S. 140 Taf. VIII erleichtert die Berechnung und Kontrolle der Indiktionsangaben.<br />

Das Indiktionsjahr wechselte in der kaiserlichen Kanzlei seit etwa 850 sowie in deutschen Bischofskanzleien bis<br />

ca. 1350 am 24. September (Bedanische Indiktion).<br />

Jahresanfänge:<br />

Für den Jahresanfang gab es verschiedene „Stile“ (genannt sind nur die wichtigsten):<br />

Weihnachtsstil: 25. Dezember [von der kaiserlichen Kanzlei seit der Karolingerzeit und von den meisten<br />

Chronisten benutzt]<br />

Circumcisionsstil: 1. Januar [zeitweise in der Papstkanzlei]<br />

Altrömischer Stil: 1. März [Germanenreiche; Merowingerreich]<br />

© PD Dr. Stefan Petersen, Universität Würzburg, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong>, Lehrstuhl <strong>für</strong> Fränkische Landesgeschichte


2<br />

Annunziationsstil: 25. März (entweder vor oder nach unserer Zählung!!) [Kanzlei Kaiser Friedrichs II.;<br />

Zisterzienserorden; England]<br />

Osterstil: jeweils zu Ostern Jahresbeginn [Frankreich]<br />

Tageszählung:<br />

a) Römischer Kalender nach Kalenden (1. eines Monats), Nonen (5. bzw. 7. eines Monats) und Iden (13. bzw. 15.<br />

eines Monats)<br />

In den Monaten März, Mai, Juli, Oktober fallen die Nonen auf den 7., die Iden auf den 15. des Monats. Bei allen<br />

anderen Monaten auf den 5. bzw. 13.<br />

Die Besonderheit des römischen Kalenders ist, dass von den drei Fixdaten (Kalenden, Nonen, Iden) rückwärts<br />

gezählt wurde, wobei der jeweilige Anfangstag mitgezählt wurde.<br />

Beispiele: XVII. Kalenden des Aprils = 16. März; II. Nonen des März = 6. März; V. Iden des März = 11.<br />

März.<br />

Die Tagesdaten nach römischem Kalender können mit GROTEFEND, S.222 Taf. XVIII aufgelöst werden.<br />

b) Christlicher Festkalender: Die häufigste Tagesbezeichnung im Mittelalter war die nach Fest- oder<br />

Heiligentagen, wobei mittels des Wochentages vor oder nach einem Fest datiert wurde.<br />

Bei der Auflösung solcher Datierungen ist das alphabetische Verzeichnis bei GROTEFEND, S. 30-110<br />

heranzuziehen.<br />

Bei Datierungen nach Fest- oder Heiligentagen sind folgende Tagesbezeichnungen häufig anzutreffen:<br />

festum, festivitas, hochzeit = Tag des Festes selbst<br />

vigilia, pridie, profesto, precedente die, abend = Tag vor einem Fest<br />

vigilia vigilie, previgilia, abendsabend = 2. Tag vor einem Fest<br />

crastino, cras festi, sequenti die, altera die, feria proxima post, des negesten tages = Tag unmittelbar nach einem Fest<br />

octava, achter tag, andag = 8. Tag nach einem Fest [Die Tage innerhalb der Oktav werden mit infra, intra,<br />

inter, in, ante bezeichnet, während post octavam die Tage nach der Oktav bedeuten.]<br />

quindena, die quinta decima octava octavarum, verteinnacht = 14tägiger Zeitraum vor einem Fest<br />

mensis = kann <strong>für</strong> einen Termin von 4 Wochen nach einem Fest gebraucht werden (z.B. dominica mensis<br />

pasche = 4. Sonntag nach Ostern [Cantate])<br />

Wochentagsbezeichnungen:<br />

Sonntag = dominica bzw. dies dominicus, sonnentag<br />

Montag = dies Lunae bzw. feria secunda, mentag<br />

Dienstag = dies Martis bzw. feria tertia, Eritag<br />

Mittwoch = dies Mercurii bzw. feria quarta, mittichen<br />

Donnerstag = dies Iovis bzw. feria quinta, durnstag<br />

Freitag = dies Veneris bzw. feria sexta, fridach<br />

Samstag = dies Saturni bzw. sabbatum, sambestag<br />

Beispiele <strong>für</strong> häufige <strong>Datierungsformen</strong> des Mittelalters<br />

a) Datum Laterani XIII. kal. Februarii, pontificatus nostri anno XIIII. (Aussteller ist Papst Innozenz III.).<br />

Lösungsweg:<br />

1. Das Tagesdatum ist der 20. Januar (vgl. GROTEFEND, S. 222)<br />

2. Das 14. Pontifikatsjahr Papst Innozenz’ III. reichte vom 22. Februar 1212 bis zum 21. Februar<br />

1213, da er und am 22. Februar 1198 geweiht worden war (vgl. GROTEFEND, S. 126).<br />

Das Datum ist der 20. Januar 1213.<br />

b) Data XIIII. kal. Maii anno incarnationis DCCCCXLVII, indictione V, regnante pio rege Ottone anno XI.<br />

Lösungsweg:<br />

1. Das Jahr ist 947<br />

2. Der Tag ist der 18. April (vgl. GROTEFEND, S. 222)<br />

3. Die Indiktion des Jahres 947 ist „V“ (vgl. GROTEFEND, S. 140 Taf. VIII)<br />

4. Das 11. Regierungsjahr Ottos als König reichte vom 8. August 946 bis zum 7. August 947, da er<br />

am 8. August 936 gekrönt worden war (vgl. GROTEFEND, S. 113)<br />

Das Datum ist der 18. April 947.<br />

c) Datum die dominico, in vigilia sancti Petri et Pauli anno XXVIIII regnante inclito caesare Ottone augusto, anno domini<br />

DCCCCLXXIIII.<br />

Lösungsweg:<br />

1. Das Jahr ist 974.<br />

2. Bei dem dies dominicus handelt es sich um einen Sonntag (vgl. GROTEFEND, S. 45 s.v. dies dominicus)<br />

3. Das Fest Petri und Pauli ist der 29. Juni eines jeden Jahres (vgl. GROTEFEND, S. 88 s.v. Petri et<br />

Pauli ap.)<br />

4. Die Vigil ist der Tag vor dem Fest, also der 28. Juni.<br />

Das Datum ist Sonntag, der 28. Juni 974.<br />

© PD Dr. Stefan Petersen, Universität Würzburg, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong>, Lehrstuhl <strong>für</strong> Fränkische Landesgeschichte


Um die Richtigkeit des Datums zu überprüfen, muss man folgendermaßen vorgehen:<br />

1. Die Festzahl <strong>für</strong> das Jahr 974 ist die „22“ (vgl. GROTEFEND, S. 216 Taf. XV)<br />

2. Der Kalender <strong>für</strong> die Jahre mit dieser Festzahl findet sich bei GROTEFEND, S. 186f.<br />

Der 28. Juni 974 war der 3. Sonntag nach Trinitatis.<br />

3<br />

d) Gegeben in der jarczal M°CCC° in dem XLIX iare an dem abende der offart unsers herren.<br />

Lösungsweg:<br />

1. Das Jahr ist 1349.<br />

2. Die Festzahl <strong>für</strong> 1349 ist „22“ (vgl. GROTEFEND, S. 216 Taf. XV).<br />

3. Der Kalender <strong>für</strong> die Jahre mit dieser Festzahl findet sich bei GROTEFEND, S. 186f.).<br />

4. Das Tagesdatum ist der Tag vor Himmelfahrt (vgl. GROTEFEND, S. 84).<br />

Die Urkunde wurde am 20. Mai 1349 ausgestellt.<br />

© PD Dr. Stefan Petersen, Universität Würzburg, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong>, Lehrstuhl <strong>für</strong> Fränkische Landesgeschichte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!