Gedenkstätten-Rundschau - Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb
Gedenkstätten-Rundschau - Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb
Gedenkstätten-Rundschau - Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Wir sind gezeichnet fürs Leben, an Leib und Seele“<br />
Buchvorstellung<br />
In der Reihe „Materialien“ der<br />
Landeszentrale für politische Bildung<br />
Baden-Württemberg ist vor wenigen<br />
Wochen ein neues Lese- und Arbeitsheft<br />
erschienen, das sich mit dem<br />
Unternehmen „Wüste“ beschäftigt:<br />
„Wir sind gezeichnet fürs Leben, an<br />
Leib und Seele“.<br />
Das Unternehmen „Wüste“ war der<br />
Deckname der Nationalsozialisten für<br />
den Versuch, im Vorland der Schwäbischen<br />
<strong>Alb</strong> aus Ölschiefer Treibstoff<br />
für die Kriegsführung zu gewinnen.<br />
Dafür wurden kurz vor Ende des<br />
Krieges sieben Konzentrationslager in<br />
Schömberg, Schörzingen, Frommern,<br />
Erzingen, Bisingen, Dautmergen und<br />
Dormettingen errichtet.<br />
Der Grund für die Verschleppung<br />
von über 12.000 Häftlingen in diese<br />
Lager war die dringend benötigte<br />
Arbeitskraft der Häftlinge. Das Unternehmen<br />
„Wüste“ war von Adolf Hitler<br />
persönlich mit der höchsten Dringlichkeitsstufe<br />
ausgestattet worden. Man<br />
benötigte das Schieferöl, um den Krieg<br />
fortsetzen zu können.<br />
Das Arbeitsheft ist in 14 Kapitel<br />
gegliedert. Die ersten drei Kapitel<br />
geben einen Einblick in die Entstehung<br />
des Unternehmens „Wüste“ und<br />
seine sieben Konzentrationslager.<br />
Die fünf folgenden Kapitel beschreiben,<br />
unter welchen Umständen die<br />
Häftlinge in die Lager kamen, wie ihre<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen dort<br />
waren, die Auflösung der Lager und<br />
die Todesmärsche. Dann wird dokumentiert,<br />
wie die Überlebenden<br />
versuchten, mit ihren Erinnerungen<br />
weiterzuleben. Im Mittelpunkt dieser<br />
Kapitel, die meist eine kleine Einführung<br />
in die Unterthemen haben,<br />
stehen die Berichte der Überlebenden<br />
oder die Niederschriften von Interviews<br />
mit ihnen. Nicht alle Zeitzeugenberichte<br />
wurden übersetzt. Einige<br />
sind auch in Englisch abgedruckt, in<br />
der Sprache, in der sie vom einem<br />
Überlebenden gesprochen wurden.<br />
Dies macht es möglich, das Materialienheft<br />
im fächerübergreifenden<br />
Unterricht auch im Englischunterricht<br />
einzusetzen.<br />
Die Vielfalt der Eindrücke der<br />
Zeitzeugen gibt eine sehr diffenziertes<br />
20<br />
Bild der Situation in den Lagern.<br />
Es folgen vier Kapitel, die sich mit der<br />
Rolle der Lagerkommandanten und<br />
der Lagerältesten beschäftigen. Auch<br />
in diesen Kapiteln kommen vor allem<br />
Zeitzeugen zu Wort. Das Materialienheft<br />
belegt, dass auch in den<br />
Lagern für die Verantwortlichen ein<br />
Handlungsspielraum vorhanden war.<br />
Die Unterkapitel werden mit Fragen<br />
und Aufgabenstellungen an Schülerinnen<br />
und Schüler abgeschlossen, die<br />
ihnen helfen sollen, sich den Texten<br />
zu nähern. Diese Fragen sind auch<br />
Anregungen für Pädagogen bei der<br />
Unterrichtsvorbereitung. Lehrerinnen<br />
und Lehrer werden jedoch auch<br />
aufgefordert, selber bzw. mit ihren<br />
Schülern Fragen zu den Texten zu<br />
entwickeln, wie die Autoren in den<br />
didaktischen Hinweisen am Ende des<br />
Heftes ausführen.<br />
Die drei letzten Kapitel beschäftigen<br />
sich mit der Geschichte des Erinnerns<br />
an das Unternehmen „Wüste“, an die<br />
Lager am <strong>Alb</strong>trauf und an die Menschen,<br />
die dort leben und sterben<br />
mussten. Sie sind besonders spannend.<br />
Sie zeigen, dass es auch in einer<br />
demokratischen Gesellschaft nicht<br />
selbstverständlich ist, sich mit den<br />
dunklen Seiten der Geschichte zu<br />
beschäftigen, dass darum gerungen<br />
werden muss, nichts unter den<br />
Teppich zu kehren, nichts zu verschweigen,<br />
nichts zu vertuschen.<br />
Wie wichtig die Erinnerungsarbeit<br />
sein kann, wird mit der Dokumentation<br />
einer e-Mail-Korrespondenz<br />
gezeigt, in der eine Familie aus Polen<br />
bei der Initiative Eckerwald anfragt,<br />
was mit ihrem Onkel im Lager Schörzingen<br />
geschehen ist – ein ergreifendes<br />
Dokument der Freundschaft und<br />
ein Dokument einer demokratischen<br />
europäischen Gesellschaft.<br />
Das Materialienheft wurde von<br />
Hanne Grunert, Uta Hentsch, Gerhard<br />
Lempp und Brigitta Marquardt-Schad<br />
verfasst. Sie sind in den <strong>Gedenkstätten</strong><br />
in Bisingen bzw. Eckerwald tätig<br />
und haben ihre langjährige Erfahrung<br />
auch als Pädagogen in dieses Heft<br />
eingebracht.<br />
Am Ende des Heftes sind weitere<br />
wichtige Literatur- und Medienhinweise<br />
gegeben, die es ermöglichen,<br />
sich umfassend mit dem Thema<br />
Unternehmen „Wüste“ zu beschäftigen.<br />
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen,<br />
dass zum neuerschienenen<br />
Materialienheft am 19. September<br />
2012 im Heimatmuseum Bisingen eine<br />
ganztägige Fortbildung für Lehrerinnen<br />
und Lehrer stattfindet. Diese<br />
Fortbildung auf der Grundlage des<br />
Materialienheftes soll mit der NS-<br />
Geschichte Südwürttemberg vertraut<br />
machen. Sie wird Anregungen zu<br />
einer Unterrichtskonzeption mit<br />
regionalen, historischen sowie aktuellen<br />
Bezügen geben und führt in<br />
einer Exkursion an authentische Orte.<br />
Wer sich für diese Fortbildung<br />
interessiert, kann weiter Informationen<br />
erhalten bei der<br />
Landeszentrale für politische Bildung,<br />
Tel.: 0711.16 40 99-30.<br />
email: irene.rueber@lpb.bwl.de<br />
www.lpb-bw.de<br />
Seminar-Nr. 31/38/12.<br />
Das neue Materialienheft kann<br />
kostenlos bestellt werden bei der<br />
Landeszentrale für politische Bildung<br />
Stafflenbergstr. 38<br />
70184 Stuttgart<br />
Fax: 0711.164099-77<br />
marketing@lpb.bwl.de<br />
Webshop: www.lpb-bw.de/publikationen.html