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-5- Zur Effizienz der Gesamtschuloberstufen

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GGG NRW vor <strong>der</strong> Landespressekonferenz<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Effizienz</strong> <strong>der</strong> <strong>Gesamtschuloberstufen</strong><br />

GGG NRW vor <strong>der</strong> Landespressekonferenz<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Effizienz</strong> <strong>der</strong> <strong>Gesamtschuloberstufen</strong><br />

Die Gesamtschulen in NRW sehen sich immer wie<strong>der</strong> Angriffen gegen<br />

ihre gymnasialen Oberstufen ausgesetzt. Nach einer Verlautbarung <strong>der</strong><br />

Ministerin Sommer im April dieses Jahres über die angebliche Scheiterquote<br />

in den <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> wurden diese Zahlen von <strong>der</strong> FDP<br />

aufgegriffen und dazu genutzt, die Existenz <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe<br />

an Gesamtschulen insgesamt in Frage zu stellen.<br />

Durch Initiative <strong>der</strong> GGG NRW wurde am 29.08.2008 das Thema „<strong>Effizienz</strong><br />

<strong>der</strong> Oberstufen an Gesamtschulen“ vor <strong>der</strong> Landespressekonferenz<br />

in Düsseldorf behandelt.<br />

Die GGG NRW informierte auf <strong>der</strong> Grundlage einer neuen Umfrage über<br />

Erfolg und Scheitern in den Oberstufen <strong>der</strong> Gesamtschulen. Gemeinsam<br />

mit dem Landesvorsitzenden des DGB GUNTRAM SCHNEIDER und <strong>der</strong><br />

Schulforscherin Prof. Dr. GABRIELE BELLENBERG wurde <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong><br />

Gesamtschulen zu einer Erhöhung <strong>der</strong> Bildungsbeteiligung und zu größerer<br />

Chancengleichheit - auch im Zugang zum Abitur und zum Studium -<br />

erläutert.<br />

Guntram Schnei<strong>der</strong>, Gabriele Bellenberg und Werner Kerski<br />

Die vielfältigen – überwiegend positiven – Zeitungsberichte findet man<br />

unter<br />

www.ggg-nrw.de/Aktuell.<br />

Auf den folgenden Seiten sind – auszugsweise – die wichtigsten Statements<br />

wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

ThJ<br />

- 5 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Guntram Schnei<strong>der</strong>, DGB NRW<br />

Statement in <strong>der</strong> Landespressekonferenz am 29.08.2008<br />

Der Kampf gegen die Gesamtschule<br />

ist so alt wie die Gesamtschule<br />

selbst<br />

For<strong>der</strong>ungen, alle Kin<strong>der</strong> des Volkes<br />

in einer einheitlichen Schulform<br />

(Gesamtschule) zu unterrichten,<br />

lassen sich in Deutschland bis ins<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t zurückverfolgen.<br />

Die erste ausführliche Konzeption<br />

für eine Gesamtschule legte 1809<br />

<strong>der</strong> damalige preußische Kultusminister<br />

Wilhelm von Humboldt in<br />

Form <strong>der</strong> Königsberger und <strong>der</strong> Litauischen Schulpläne vor. Diese Konzeption<br />

blieb jedoch noch 110 Jahre unrealisiert. Erst zu Beginn <strong>der</strong><br />

Weimarer Republik wurde als Kompromiss die Gesamtschule für die<br />

Sechs- bis Zehnjährigen in Gestalt <strong>der</strong> Grundschule geschaffen. Vorher<br />

hatten Gymnasien eigene Vorbereitungsschulen.<br />

1947 verordnete <strong>der</strong> Alliierte Kontrollrat in seinem Dekret 54 ein Gesamtschulsystem,<br />

aber es sollte noch weitere 20 Jahre dauern, bis 1968<br />

die ersten Gesamtschulen in <strong>der</strong> Bundesrepublik gegründet wurden.<br />

In Nordrhein-Westfalen begann 1969 die Gesamtschulentwicklung mit<br />

zunächst 7 Versuchsschulen. 1982 endete <strong>der</strong> Schulversuch „Gesamtschule“<br />

– es waren zuletzt 32 Versuchsschulen – mit <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong><br />

Gesamtschule in das Schulverwaltungsgesetz als eine <strong>der</strong> vier gleichberechtigten<br />

Regelschulen <strong>der</strong> Sekundarstufe I.<br />

Die Konzeption <strong>der</strong> Gesamtschule war den Konservativen schon immer<br />

suspekt. Der Kampfbegriff Einheitsschule dient dem Ziel diese Schulform<br />

als Gleichmacherei zu diskreditieren. Im Lexikon <strong>der</strong> christlichen<br />

Demokratie heißt es unter dem Stichwort: Leitbild für die Schulpolitik:<br />

„Die SPD-Konzeption <strong>der</strong> Einheitsschule bzw. <strong>der</strong> integrierten Gesamtschule<br />

(seit 1968; in den CDU/CSU-geführten Län<strong>der</strong>n weithin nur auf<br />

Modellversuche beschränkt) wird abgelehnt; dort wo die Gesamtschulen<br />

- 6 -


Guntram Schnei<strong>der</strong>, DGB NRW<br />

Statement in <strong>der</strong> Landespressekonferenz am 29.08.2008<br />

existieren, sollen sie sich in ihrem Anspruch auf beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />

und »soziale Erziehung« echter Konkurrenz stellen.“ 1<br />

In dieser Tradition sieht sich auch die nordrhein-westfälische Landesregierung.<br />

Bereits 2001 wurde mit dem Petersberger Modell ein konkreter<br />

Vorschlag gemacht, <strong>der</strong> faktisch die Abschaffung <strong>der</strong> Gesamtschulen in<br />

<strong>der</strong> bisherigen Form vorsah. Die Abschaffung <strong>der</strong> Oberstufe <strong>der</strong> Gesamtschulen<br />

war dabei das zentrale Element.<br />

„An die Grundschule, die von allen Kin<strong>der</strong>n vier Jahre besucht wird,<br />

schließen die Aufbauschule, die aus <strong>der</strong> bisherigen Haupt- und <strong>der</strong> bisherigen<br />

Gesamtschule neu gebildet wird, die Realschule und das Gymnasium<br />

an.<br />

Am Gymnasium soll nach acht Jahren das Abitur erworben werden, an<br />

<strong>der</strong> Realschule nach sechs Jahren die Fachoberschulreife, an <strong>der</strong> Aufbauschule<br />

nach fünf Jahren die Berufsbildungsreife o<strong>der</strong> nach sechs<br />

Jahren die Fachoberschulreife.“ 2<br />

Auch 2003 wird das Projekt „Aufbauschule“ von <strong>der</strong> CDU-Fraktion<br />

erneut bestätigt:<br />

„Im Zusammenschluss von Haupt- und Gesamtschule werden die ‚Profis<br />

für die Praxis’ ausgebildet. Bis zu ihrer Umsetzung muss eine spezielle<br />

praxisbezogene Ausbildung an den Hauptschulen verstärkt werden.“ 3<br />

Diese Positionen sind in den Wahlkampf 2005 eingeflossen:<br />

Am Mittwoch, 06.04.2005, fand in <strong>der</strong> Integrierten Gesamtschule Bonn-<br />

Beuel eine Podiumsdiskussion zur Landtagswahl 2005 statt. Teilnehmende<br />

Gäste auf dem Podium waren Katja Döring (Grüne), Thorsten Knott<br />

(FDP), Renate Hendricks (SPD) und Helmut Stahl (CDU).<br />

Herr Knott und Herr Stahl ließen keinen Zweifel daran, dass ihre Parteien<br />

nach <strong>der</strong> Wahl die Oberstufen <strong>der</strong> Gesamtschulen in Nordrhein-<br />

Westfalen abschaffen werden.<br />

Stahl verwies auf die Position <strong>der</strong> CDU, nach <strong>der</strong> Wahl Gesamtschulen<br />

und Hauptschulen in sog. „Aufbauschulen“ zusammenzufassen, die mit<br />

Klasse 10 enden. Neben <strong>der</strong> Aufbauschule wird es nach diesen Plänen<br />

noch Realschulen und Gymnasien geben, aber keine Gesamtschulen in<br />

jetziger Form.<br />

1<br />

Aus: Auszug aus: Lexikon <strong>der</strong> Christlichen Demokratie in Deutschland<br />

Hg.: von Winfried Becker, Günter Buchstab u. a. Pa<strong>der</strong>born 2002 S. 434 – 438<br />

2<br />

CDU Landtagsfraktion, Petersberg, Beschluss 29.8.2001<br />

3<br />

Aus: „Zukunft einfach besser“ Hrsg.: CDU Landtagsfraktion 2003 S. 10<br />

- 7 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Herr Stahl erklärte auf Nachfrage, für ihn sei die Gesamtschule eine<br />

„Einheitsschule“.<br />

Der DGB hat damals bereits vor einer Kampagne gegen die Gesamtschulen<br />

gewarnt.<br />

Vordemokratischer Begabungsglaube als Ursache für die Kampfansage<br />

an die Gesamtschulen<br />

CDU und FDP haben eine tiefe Abneigung gegen alles, was auch nur<br />

ansatzweise nach einem längeren gemeinsamen Lernen „riecht“. Dahinter<br />

steht ein grundsätzliches Problem.<br />

Die Positionen von CDU und FDP sind ideologisch geprägt. Der Kern<br />

des Problems ist ein biologistischer Begabungsbegriff, <strong>der</strong> von keinem<br />

ernstzunehmenden Wissenschaftler heute noch geteilt wird. Er ist vordemokratisch<br />

und auch unter christlichen Gesichtspunkten menschenverachtend:<br />

„Es ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, Kin<strong>der</strong> in<br />

einem Alter von 9 Jahren auf einen Bildungsgang festzulegen. Gar mit<br />

Blick auf unser Schulsystem von begabungsgerechten Schulformen zu<br />

sprechen, halte ich für unseriös. Es wird dem jungen Menschen als<br />

eigenständiger Person mit dem zu ihm gehörenden Entwicklungspotenzial<br />

nicht gerecht.“ 4<br />

Der biologistische Begabungsbegriff zementiert eine Klassengesellschaft,<br />

die zunehmend eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland<br />

darstellt. Die OECD wird nicht müde immer wie<strong>der</strong> darauf hinzuweisen.<br />

Der Kampf gegen die Gesamtschulen scheitert am Elternwillen<br />

Anmeldezahlen bei den Gesamtschulen weiterhin hoch 5<br />

Der Trend ist unverän<strong>der</strong>t: Auch in diesem Jahr sind die Anmeldungen an<br />

den Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Zahl <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> in Klasse 4 <strong>der</strong> Grundschulen auf dem gleichen hohen Niveau<br />

geblieben.<br />

In vielen Städten und Kreisen müssen mehr Kin<strong>der</strong> abgewiesen werden<br />

als aufgenommen werden können, z.B. in Bonn, im Rhein-Sieg-Kreis und<br />

in den Kreisen Kleve, Neuss, Siegen-Wittgenstein, Soest und Viersen.<br />

Auch in Mönchengladbach, Solingen, Wuppertal, im Erftkreis, im Rhei-<br />

4<br />

5<br />

Dr. Barbara Balbach, Katholische Elternschaft Deutschlands,<br />

auf dem DGB-Kongress „Auf dem Weg zur einen Schule für alle“ am 29.05.2007 in Düsseldorf<br />

Vgl. Heft I/2008 dieser Zeitschrift, S. 2ff.<br />

- 8 -


Guntram Schnei<strong>der</strong>, DGB NRW<br />

Statement in <strong>der</strong> Landespressekonferenz am 29.08.2008<br />

nisch- Bergischen Kreis und in den Kreisen Coesfeld, Heinsberg, Steinfurt<br />

und – erstmalig – Warendorf wurden so viele Kin<strong>der</strong> an Gesamtschulen<br />

angemeldet, dass nur wenig mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Anträge berücksichtigt<br />

werden konnte.<br />

Anstatt die Gesamtschulen massiv zu unterstützen reagieren CDU und<br />

FDP auf diese Entwicklung in zweierlei Hinsicht:<br />

Die Rahmenbedingungen für die Gesamtschulen werden schlechter.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Neugründung von Gesamtschulen wird behin<strong>der</strong>t,<br />

selbst wenn die Antragsteller zur Einrichtung von Gesamtschulen<br />

(immer häufiger) CDU Kommunen sind. Insbeson<strong>der</strong>e die Einrichtung<br />

in Ganztagsform wird abgelehnt. Der Hinweis auf eine mangelnde<br />

Heterogenität <strong>der</strong> potentiellen Schülerschaft ist bemerkenswert.<br />

Die verbindliche Grundschulempfehlung ist auch in diesem<br />

Zusammenhang zu sehen. In den Grundschulgutachten sollte zunächst<br />

nach dem Willen <strong>der</strong> Landesregierung die Gesamtschule gar<br />

nicht mehr erwähnt werden.<br />

Offensiv wird die Oberstufe <strong>der</strong> Gesamtschule diskriminiert.<br />

Dabei werden Zahlen bewusst so interpretiert und verdreht dargestellt,<br />

dass die Abschaffung <strong>der</strong> Oberstufe die logische Konsequenz<br />

wäre. Die FDP for<strong>der</strong>t dies offensiv, während sich die CDU in dieser<br />

Frage (noch) bedeckt hält.<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> bildungspolitischen Katastrophen ist so groß, dass<br />

man sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Baustellen<br />

erlauben kann. Die CDU befindet sich deshalb in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> ideologischen<br />

Vorfeldarbeit. Dies ist bei <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Besserverdienenden<br />

an<strong>der</strong>s. Ihre Wählerschaft wäre wahrscheinlich weniger betroffen<br />

als die CDU Klientel. Hier setzt man offensiv auf Elitebildung.<br />

[…]<br />

Selektion ist ein Wesensmerkmal des Gymnasiums, nicht <strong>der</strong> Gesamtschule<br />

Von den ungefähr 70.000 „ausgelesenen“ Schülerinnen und Schülern, die<br />

1999 in die Klasse 5 eines Gymnasiums angemeldet wurden, erreichten<br />

nur ungefähr 55.000 die Klasse 11. Das heißt, dass 21,4 % <strong>der</strong> Schülerschaft<br />

trotz <strong>der</strong> guten Voraussetzungen (im Gegensatz zur Gesamtschule<br />

finden wir hier den höchsten Anteil <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler mit<br />

Gymnasialempfehlung) und entgegen <strong>der</strong> Erwartung sich mit dem „Mittleren<br />

Abschluss“ o<strong>der</strong> sogar weniger begnügen mussten.<br />

- 9 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

In <strong>der</strong> Sekundarstufe II <strong>der</strong> Gymnasien scheitern noch einmal 19,3 %,<br />

d.h. von den Schülerinnen und Schülern, die in ein Gymnasium aufgenommen<br />

wurden erlangen nur etwa 63 % dessen Ziel. Ist das eine erfolgreiche<br />

Schule?<br />

Verhältnis Gesamtschule/Gemeinschaftsschule – Eine Schule für alle!<br />

Fazit: Gesamtschulen sind notwendig, solange es ein vollständig integratives<br />

Schulwesen nicht gibt. Erst wenn das Ziel des längeren gemeinsamen<br />

Lernens für alle Realität geworden ist, brauchen wir die Gesamtschulen<br />

nicht mehr.<br />

Ziel bleibt das gemeinsame Lernen aller Kin<strong>der</strong> bis zu Ende <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

I. Es wird höchste Zeit, dass auch konservative Landesregierungen<br />

endlich erkennen, welch innovatives pädagogisches Potenzial in<br />

integrativen Schulen steckt.<br />

Gesamtschulen integrieren Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen und aus<br />

Migrationsfamilien.<br />

Sie son<strong>der</strong>n nicht aus und bieten wie die Gymnasien den direkten Weg<br />

zum Abitur. Deshalb sind sie für viele Kommunen eine attraktive Möglichkeit,<br />

bei rückläufigen Schülerzahlen ein vollständiges Schulangebot<br />

aufrecht zu erhalten. Es sei Zeit, ‚Schulfrieden’ zu schließen und den<br />

großen Erfahrungsschatz <strong>der</strong> integrierten Gesamtschulen im Umgang mit<br />

Vielfalt anzuerkennen. Dieser Schatz muss jetzt gehoben und auch von<br />

an<strong>der</strong>en Schulen genutzt werden.<br />

__________________<br />

Gabriele Bellenberg<br />

Argumente zur Landespressekonferenz am 29.08.2007<br />

Eine umfassende Betrachtung <strong>der</strong> Gesamtschule berücksichtigt die Gesamtleistungen<br />

einer Schulform zu einem mo<strong>der</strong>nen Schulsystem. Hierfür<br />

ist für die Gesamtschule insbeson<strong>der</strong>e Folgendes hervorzuheben:<br />

Die <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> werden von zahlreichen Real- und<br />

Hauptschülern besucht<br />

66 % <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler in <strong>der</strong> Jahrgangsstufe 11 (2004)<br />

haben vorher eine Gesamtschule besucht, 22 % kommen von einer<br />

Realschule und 7 % von <strong>der</strong> Hauptschule.<br />

Neben den eigenen Schülern nehmen die Gesamtschulen auch zahlreiche<br />

Absolventen aus dem geglie<strong>der</strong>ten Schulsystem auf und geben<br />

Ihnen eine Chance, einen höherwertigen Abschluss zu erreichen.<br />

- 10 -


Gabriele Bellenberg<br />

Argumente zur Landespressekonferenz am 29.08.2007<br />

<br />

<br />

Die Gesamtschulen nehmen in Klasse 11 im Vergleich zum Gymnasium<br />

deutlich mehr Schülerinnen und Schüler aus den Hauptschulen<br />

auf (etwa zwei Drittel). Sie bieten damit für die Bildungsaufsteiger<br />

des geglie<strong>der</strong>ten Systems eine wichtige Möglichkeit, Abschlüsse <strong>der</strong><br />

Sekundarstufe II zu erwerben.<br />

Damit sind in Klasse 11 die Bildungsvoraussetzungen <strong>der</strong> Schüler an<br />

Gesamtschulen auch deutlich unterschiedlicher als am Gymnasium.<br />

Für ein vollständiges Bild muss auch die Sekundarstufe I (S1) betrachtet<br />

werden<br />

Die alleinige Betrachtung <strong>der</strong> SII ergibt ein unvollständiges Bild von<br />

<strong>der</strong> Leistungsfähigkeit und dem Erfolg einer Schulform.<br />

Der gesamte Bildungsweg in <strong>der</strong> SI und in <strong>der</strong> SII muss untersucht<br />

werden.<br />

Die Gesamtschule nimmt in den Jahrgang 5 eine heterogene Schülerschaft<br />

auf. Die von den Grundschullehrerinnen ausgesprochenen<br />

Empfehlungen umfassen alle Schulformen <strong>der</strong> S1.<br />

Von den aufgenommenen Schülerinnen und Schülern erreichen deutlich<br />

mehr einen Mittleren Abschluss mit Qualifikationsvermerk, <strong>der</strong><br />

zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe berechtigt, als es nach<br />

den Prognosen in den Zeugnissen des 4. Schuljahrs zu erwarten war.<br />

Die Gesamtschule erschließt also zusätzliche Potenziale.<br />

Dagegen erreichen rund ein Fünftel <strong>der</strong> „ausgelesenen“ Schülerinnen<br />

und Schüler, die in die Klasse 5 eines Gymnasiums aufgenommen<br />

wurden, nicht die Klasse 11.<br />

Das heißt, dass rund 20 % <strong>der</strong> Schülerschaft trotz <strong>der</strong> guten Voraussetzungen<br />

und entgegen <strong>der</strong> Erwartung sich mit dem Mittleren Abschluss<br />

o<strong>der</strong> sogar weniger begnügen müssen.<br />

Migranten werden an den <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> geför<strong>der</strong>t<br />

Gesamtschulen leisten einen erheblichen Beitrag für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

und gleichzeitig für die Erhöhung <strong>der</strong> Abiturientenquote.<br />

In den Sekundarstufen haben nur 11% Gesamtschulen in NRW einen<br />

Migrantenanteil unter 20%, das Gros <strong>der</strong> Schulen, nämlich 55%,<br />

haben einen Anteil zwischen 20 und 40% und 34% haben sogar eine<br />

Migrantenquote oberhalb von 40%. (Daten <strong>der</strong> letzten Lernstandser-<br />

- 11 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

<br />

<br />

- 12 -<br />

hebung). Im Vergleich: 78% <strong>der</strong> Gymnasien haben eine Migrantenquote<br />

unterhalb von 15%.<br />

Für die Oberstufen haben wir solche Daten lei<strong>der</strong> nicht, so dass auf<br />

die Schüler mit ausländischer Staatsgehörigkeit zurück gegriffen<br />

werden muss.<br />

Mit 14 % ist <strong>der</strong> Anteil ausländischer Schüler an Gesamtschulen fast<br />

dreimal so groß wie an Gymnasien (5 %).<br />

Die <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> leisten einen wichtigen Beitrag<br />

zur Individualisierung von Bildungslaufbahnen<br />

Ein mo<strong>der</strong>nes nordrhein-westfälisches Schulsystem muss für möglichst<br />

viele Schülerinnen und Schüler – auch für solche, die in <strong>der</strong><br />

Sekundarstufe I nicht an einem Gymnasium gelernt haben – die<br />

Möglichkeit auf ein Abitur o<strong>der</strong> Fachabitur öffnen.<br />

Dazu leisten die Oberstufen <strong>der</strong> nordrhein-westfälischen Gesamtschulen<br />

einen wichtigen Beitrag (vgl. Migranten).<br />

Der Preis für diese Individualisierung von Bildungslaufbahnen ist<br />

aber, dass ein Teil <strong>der</strong> Oberstufenschüler an Gesamtschulen parallel<br />

zum Schulbesuch den Arbeitsmarkt im Auge behält und sich im Falle<br />

eines attraktiven Lehrstellenangebots gelegentlich gegen die Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Schullaufbahn entscheidet.<br />

Genau dies ist <strong>der</strong> Sinn eines durchlässigen Schulsystems, möglichst<br />

lange unterschiedliche Optionen offen zu halten.<br />

__________________<br />

SLVGE NRW<br />

Schulleitungsvereinigung <strong>der</strong><br />

Gesamtschulen in NRW<br />

Gymnasiale Oberstufen an Gesamtschulen<br />

Zusatzinformationen für die Landespressekonferenz<br />

Erfolgsquote in den <strong>Gesamtschuloberstufen</strong><br />

Die Erfolgsquote an den <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> beträgt 90 %<br />

Eine repräsentative Auswertung <strong>der</strong> GGG NRW und <strong>der</strong> Schulleitungsvereinigung<br />

an Gesamtschulen im Mai 2008 ging <strong>der</strong> Frage nach, welche<br />

Abschlüsse die Schülerinnen und Schüler in den Oberstufen erreicht<br />

haben. Im Mai wurde an 29 Gesamtschulen die Schullaufbahn <strong>der</strong> Schü-


Gymnasiale Oberstufen an Gesamtschulen<br />

Zusatzinformationen für die Landespressekonferenz<br />

lerinnen und Schüler ausgewertet, die 2004 im Eingangsjahr <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

II (S2) waren. Die Schullaufbahn jedes Einzelnen wurde über<br />

drei Jahre bzw. vier Jahre (im Falle einer Klassenwie<strong>der</strong>holung) verfolgt.<br />

Mit den Daten, die dem Ministerium vorliegen – <strong>der</strong> Amtlichen Schulstatistik<br />

– ist eine solche Auswertung nicht möglich, da in diesen Statistiken<br />

zusammen mit den Jahrgangstärken nur globale Zahlen erhoben werden<br />

(Kohortenvergleich).<br />

Das Ergebnis unserer Untersuchung:<br />

71 % <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler haben an diesen Gesamtschulen<br />

das (Voll-)Abitur erreicht:<br />

- 63,5 % <strong>der</strong> Schüler erreichen es im ersten Anlauf, d.h. ohne<br />

Wie<strong>der</strong>holung.<br />

- 7,3 % erreichen das Abitur mit einer Wie<strong>der</strong>holung in <strong>der</strong> S2.<br />

19 % erreichen die Fachhochschulreife.<br />

Nur 10 % <strong>der</strong> Schüler erreichen keinen höherwertigen Abschluss<br />

durch den Besuch <strong>der</strong> Sekundarstufe II. Unter diesen sind viele, die<br />

erst nach mehrmonatigem Suchen und Warten die gewünschte Lehrstelle<br />

gefunden haben.<br />

Die <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> werden von zahlreichen Real- und Hauptschülern<br />

besucht<br />

66 % <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler in <strong>der</strong> Jahrgangsstufe 11 (2004)<br />

haben vorher eine Gesamtschule besucht, 22 % kommen von einer Realschule<br />

und 7 % von <strong>der</strong> Hauptschule. Daraus folgt, dass neben den eigenen<br />

Schülern auch Absolventen aus dem geglie<strong>der</strong>ten Schulsystem in <strong>der</strong><br />

Gesamtschule eine Chance erhalten, einen höherwertigen Abschluss zu<br />

erreichen. Die Gesamtschulen nehmen in Klasse 11 im Vergleich zum<br />

Gymnasium deutlich mehr Schülerinnen und Schüler aus den Hauptschulen<br />

auf. Sie bieten damit für die Bildungsaufsteiger des geglie<strong>der</strong>ten<br />

Systems eine wichtige Möglichkeit, Abschlüsse <strong>der</strong> Sekundarstufe II zu<br />

erwerben.<br />

Für ein vollständiges Bild muss auch die Sekundarstufe I (S1) betrachtet<br />

werden<br />

Die alleinige Betrachtung <strong>der</strong> S2 ergibt ein unvollständiges Bild von <strong>der</strong><br />

Leistungsfähigkeit und dem Erfolg einer Schulform. Der gesamte Bildungsweg<br />

in <strong>der</strong> S1 und in <strong>der</strong> S2 muss untersucht werden. Die Gesamtschule<br />

nimmt in den Jahrgang 5 eine heterogene Schülerschaft auf. Die<br />

von den Grundschullehrerinnen ausgesprochenen Empfehlungen umfas-<br />

- 13 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

sen alle Schulformen <strong>der</strong> S1. Von den aufgenommenen Schülerinnen und<br />

Schülern erreichen deutlich mehr einen Mittleren Abschluss mit Qualifikationsvermerk,<br />

<strong>der</strong> zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe berechtigt,<br />

als es nach den Prognosen in den Zeugnissen des 4. Schuljahrs zu<br />

erwarten war. Die Gesamtschule erschließt also zusätzliche Potenziale.<br />

Dagegen erreichen rund ein Fünftel <strong>der</strong> „ausgelesenen“ Schülerinnen und<br />

Schüler, die in die Klasse 5 eines Gymnasiums aufgenommen wurden,<br />

nicht die Klasse 11. Das heißt, dass rund 20 % <strong>der</strong> Schülerschaft trotz <strong>der</strong><br />

guten Voraussetzungen und entgegen <strong>der</strong> Erwartung sich mit dem Mittleren<br />

Abschluss o<strong>der</strong> sogar weniger begnügen müssen.<br />

Nach Aussage <strong>der</strong> Ministerin Sommer scheitern in <strong>der</strong> Sekundarstufe II<br />

<strong>der</strong> Gymnasien noch einmal 19,3 % (Kohortenvergleich).<br />

Migranten werden an den <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> geför<strong>der</strong>t<br />

Gesamtschulen leisten einen erheblichen Beitrag für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

und gleichzeitig für die Erhöhung <strong>der</strong> Abiturientenquote. Das<br />

wird beson<strong>der</strong>s deutlich bei einem Vergleich <strong>der</strong> Migrantenquoten. Mit<br />

14 % ist <strong>der</strong> Anteil an Gesamtschulen fast dreimal so groß wie an Gymnasien<br />

(5 %). (Bei diesen Zahlen handelt es sich um Jugendliche mit<br />

ausländischer Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2004 wurde <strong>der</strong> Migrationshintergrund<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler lei<strong>der</strong> nicht erfragt.)<br />

Die <strong>Gesamtschuloberstufen</strong> leisten einen wichtigen Beitrag<br />

zur Individualisierung von Bildungslaufbahnen<br />

Prof. Gabriele Bellenberg (Erziehungswissenschaftlerin an <strong>der</strong> Ruhr-<br />

Universität Bochum) betont, dass ein Teil <strong>der</strong> Oberstufenschüler an<br />

Gesamtschulen parallel zum Schulbesuch den Arbeitsmarkt im Auge<br />

behält und sich im Falle eines attraktiven Lehrstellenangebots gelegentlich<br />

gegen die Fortsetzung <strong>der</strong> Schullaufbahn entscheidet. Genau dies, so<br />

betont die Professorin, ist <strong>der</strong> Sinn eines durchlässigen Schulsystems, das<br />

so oft wie möglich verschiedene Optionen anbietet.<br />

Ein mo<strong>der</strong>nes nordrhein-westfälisches Schulsystem muss für möglichst<br />

viele Schülerinnen und Schüler – auch für solche, die in <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

I nicht an einem Gymnasium gelernt haben – die Möglichkeit auf ein<br />

Abitur o<strong>der</strong> Fachabitur öffnen. Dazu leisten die Oberstufen <strong>der</strong> nordrhein-westfälischen<br />

Gesamtschulen einen wichtigen Beitrag.<br />

- 14 -


Gymnasiale Oberstufen an Gesamtschulen<br />

Zusatzinformationen für die Landespressekonferenz<br />

Schülerlaufbahnen an Gesamtschulen<br />

Carina<br />

Carina wechselt nach <strong>der</strong> Grundschule zur Gesamtschule. Die Grundschullehrerin<br />

hat sich für ein „geeignet für die Realschule, bedingt geeignet<br />

für das Gymnasium“ entschieden. Carina fühlt sich an <strong>der</strong> Gesamtschule<br />

wohl, sie lernt zumeist gerne. Nach 6 Jahren wechselt Carina ohne<br />

eine Klasse zu wie<strong>der</strong>holen in die gymnasiale Oberstufe. Sie erreicht ein<br />

gutes (Zentral-)abitur.<br />

Azra<br />

Azra ist in Deutschland geboren. Die Eltern sprechen türkisch. Auch <strong>der</strong><br />

Stadtteil, in dem sie wohnt, ist türkisch geprägt. Nach <strong>der</strong> Grundschulzeit<br />

besucht Azra eine Hauptschule. Sie ist ehrgeizig und leistungsfähig. Mit<br />

viel Arbeitseinsatz erreicht sie den Qualifikationsvermerk zur gymnasialen<br />

Oberstufe. Der Klassenlehrer an <strong>der</strong> Hauptschule überredet die Eltern,<br />

dass Azra in die Oberstufe <strong>der</strong> Gesamtschule wechselt. Dort hat Azra<br />

große Probleme und muss ein Jahr wie<strong>der</strong>holen. Nach 4 Jahren erreicht<br />

sie ein eher schwaches Abitur. Für Azra ist dies ein großer Erfolg.<br />

Sebastian<br />

Sebastian ist in Kasachstan geboren. Seit seinem dritten Lebensjahr lebt<br />

die Familie in Deutschland. Zu Hause wird Deutsch gesprochen. Mit <strong>der</strong><br />

Empfehlung „geeignet für die Hauptschule“ wechselt Sebastian am Ende<br />

<strong>der</strong> Grundschulzeit auf eine Gesamtschule. Im Laufe <strong>der</strong> Jahre verbessert<br />

sich Sebastian. Am Ende <strong>der</strong> 10. Klasse erhält Sebastian entgegen <strong>der</strong><br />

Prognose <strong>der</strong> Grundschule den Qualifikationsvermerk. Sebastian besucht<br />

die gymnasiale Oberstufe und erreicht nach 9 Jahren das Abitur.<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Zentralen Abiturprüfung 2008<br />

Wenn man die Durchschnittsnoten <strong>der</strong> zentralen Prüfungen an den Gesamtschulen<br />

und den Gymnasien miteinan<strong>der</strong> vergleicht, so ergibt sich<br />

folgendes Bild:<br />

Die Leistungen <strong>der</strong> Gymnasiasten liegen in <strong>der</strong> Regel ein bis zwei<br />

Punkte – also nicht einmal eine ganze Note – über denen <strong>der</strong> Gesamtschüler.<br />

Die Tabelle auf dieser Seite macht dies – umgerechnet<br />

in klassische Schulnoten – deutlich (die erste Nachkommastelle<br />

wurde gerundet).<br />

- 15 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

<br />

Die größten Unterschiede zwischen den Schulformen gibt es in Mathematik<br />

und Physik. Es ist zu analysieren, warum dies <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Voreilige, nicht begründete Erklärungen führen nicht zum Ziel.<br />

Die Durchschnittsergebnisse werden in <strong>der</strong> folgenden Tabelle gegenübergestellt.<br />

Dabei wird deutlich, wie gering die Abweichungen sind. Es fällt<br />

zudem auf, dass bei beiden Schulformen in den Fächern Mathematik und<br />

Physik die schwächsten Ergebnisse zu verzeichnen sind.<br />

Fach<br />

Leistungskurse<br />

Grundkurse<br />

Gesamtschule Gymnasium Gesamtschule Gymnasium<br />

Biologie befriedigend – befriedigend + befriedigend – befriedigend +<br />

Chemie befriedigend befriedigend + ausreichend + befriedigend +<br />

Deutsch befriedigend – befriedigend + ausreichend + befriedigend<br />

Erdkunde befriedigend – befriedigend + befriedigend befriedigend +<br />

Englisch befriedigend – befriedigend + ausreichend + befriedigend<br />

Erziehungswissenschaft befriedigend – befriedigend ausreichend + befriedigend<br />

Französisch fortgeführt (kein LK) gut – gut gut<br />

Geschichte befriedigend – befriedigend + ausreichend + befriedigend<br />

Kunst befriedigend + gut – gut – gut –<br />

Mathematik ausreichend befriedigend ausreichend befriedigend<br />

Physik ausreichend befriedigend ausreichend befriedigend –<br />

Spanisch neu befriedigend befriedigend + befriedigend befriedigend +<br />

Sport befriedigend befriedigend + (kein GK) (kein GK)<br />

Sozialwissenschaften befriedigend – befriedigend ausreichend + befriedigend<br />

Kritik <strong>der</strong> Ministerin Sommer an den Gesamtschulen<br />

Die Gesamtschulen in NRW sehen sich immer wie<strong>der</strong> Angriffen gegen<br />

den Bestand ihrer gymnasialen Oberstufen ausgesetzt. Mit Stellungnahmen<br />

im April und im August dieses Jahres kritisierte Ministerin Sommer<br />

die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Gesamtschuloberstufen</strong>.<br />

Die Pressenachricht in den RuhrNachrichten am 02.04.2008 lautete:<br />

„NRW-Schulministerin Barbara Sommer stellt das Gesamtschul-<br />

Abitur in Frage.“<br />

Sie begründet dies mit einer Scheiterquote von 40,4 % für die Schülerinnen<br />

und Schüler, die im Jahr 2004 in die gymnasiale Oberstufe<br />

- 16 -


Gymnasiale Oberstufen an Gesamtschulen<br />

Zusatzinformationen für die Landespressekonferenz<br />

<br />

einer Gesamtschule eintraten. Diese Zahlen wurden von <strong>der</strong> FDP<br />

aufgegriffen und dazu genutzt, die Existenz <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe<br />

an Gesamtschulen insgesamt in Frage zu stellen. Ralf Witzel<br />

schlägt sogar vor, die Oberstufen an Gesamtschulen ab 2010 abzuschaffen.<br />

In <strong>der</strong> Presseerklärung vom 19.08.2008 stellt die Schulministerin<br />

fest:<br />

„Die Fakten belegen jetzt: Anstatt den Schülerinnen und Schülern<br />

neue Chancen zu eröffnen, schaffen es die Gesamtschulen bislang<br />

nicht, ihre Schülerinnen und Schüler auf ein vergleichbares Leistungsniveau<br />

zu bringen wie die Gymnasien.<br />

Ich kann das häufig vorgebrachte Argument einer schwierigeren Sozialstruktur<br />

<strong>der</strong> Schüler an den Gesamtschulen nicht mehr hören.<br />

Was ist das für eine Einstellung, wenn man die Schuld für Probleme<br />

auf die Herkunft <strong>der</strong> eigenen Schüler abwälzt? Ich bin <strong>der</strong> Ansicht,<br />

dass die Schülerinnen und Schüler ein Abitur in <strong>der</strong> Tasche haben<br />

müssen, das sich nicht in Light-Version und Normal-Maßstab aufglie<strong>der</strong>t.“<br />

Bei zentralen Prüfungen gibt es kein Abitur in Light-Version<br />

Abiturientinnen und Abiturienten an Gesamtschulen können stolz sein ihr<br />

Abitur geschafft zu haben, das wegen <strong>der</strong> zentral gestellten Aufgaben<br />

gleichwertig zu dem an allen an<strong>der</strong>en Schulformen ist, die das Abitur<br />

vergeben. Diesen Erfolg kann auch die Schulministerin nicht schmälern,<br />

wenn sie von einem „Abitur in Light-Version“ an Gesamtschulen in ihrer<br />

Pressekonferenz spricht. Sie disqualifiziert sich mit dieser Aussage selbst,<br />

denn gerade das Zentrale Abitur garantiert einen gleichen Bewertungsmaßstab<br />

für die Abiturleistungen aller Abiturientinnen und Abiturienten<br />

in Nordrhein-Westfalen, es gibt in Nordrhein Westfalen kein Abitur in<br />

Light-Version, son<strong>der</strong>n nur ein für alle Schülerinnen und Schüler von <strong>der</strong><br />

Landesregierung bestimmtes Abitur im Normal-Maßstab.<br />

Die Schulministerin ignoriert die soziale Realität des Landes NRW<br />

Gesamtschulen sind die Schulen, die Chancengleichheit herstellen, denn<br />

sie nehmen Schülerinnen und Schüler aus <strong>der</strong> Grundschule mit allen<br />

Eignungsstufen auf. Sie sortieren nicht nach Leistung, wie es die Gymnasien<br />

tun, die in Klasse 5 nur für das Gymnasium geeignete Kin<strong>der</strong> aufnehmen.<br />

Und viel zu viele Kin<strong>der</strong> werden an Gymnasien beschämt, wenn<br />

sie das Klassenziel nicht erreichen o<strong>der</strong> gar die Schule verlassen müssen,<br />

- 17 -


Gesamtschule<br />

in Nordrhein-Westfalen III/2008<br />

Aktuelle Bildungspolitik<br />

Hiervon spricht unsere Schulministerin nicht, vielmehr kann sie „das<br />

häufig vorgebrachte Argument einer schwierigen Sozialstruktur <strong>der</strong><br />

Schüler an Gesamtschulen nicht mehr hören.“ Doch, gerade das muss<br />

eine Schulministerin sehr aufmerksam hören, und dann kann sie den<br />

Gesamtschulen für ihre großartige Leistung danken: Schülerinnen und<br />

Schüler zum Abitur geführt zu haben, die den Königsweg Gymnasium<br />

erst gar nicht gehen durften.<br />

Der Unterschied im Notendurchschnitt rechtfertigt nicht die Bewertung<br />

<strong>der</strong> Ministerin<br />

Warum sucht die Ministerin die Schuld für die Differenz von 0,28 Notenstufen<br />

im Abitur bei Gesamtschulen, in denen Jugendliche das Abitur<br />

bestehen, die zu einem großen Teil nicht aus Haushalten <strong>der</strong> gehobenen<br />

Mittelschicht und <strong>der</strong> Oberschicht kommen, d.h. bei Schulen, die bis zu<br />

50 % Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben, die ab<br />

Jahrgang 11 mit einem hohen Anteil an Seiteneinsteigern aus Haupt- und<br />

Realschulen arbeiten?<br />

Angesichts dieser Ausgangslage ist es überraschend und ein großer<br />

Erfolg, dass Gesamtschulen im Durchschnitt nur um 0,28 Notenstufen,<br />

d.h. um eine Drittelnote o<strong>der</strong> eine Notentendenz, schlechter abschneiden<br />

als Gymnasien mit ihrer ausgewählten Schülerschaft.<br />

Gesamtschulen ohne Oberstufe droht das gleiche Elend wie den Hauptschulen<br />

Eltern schätzen an Gesamtschulen, dass die Schullaufbahn bis zum Abschluss<br />

offen bleibt und dass alle Bildungsabschlüsse erreichbar sind. Der<br />

Vorstoß <strong>der</strong> Ministerin hat offensichtlich zum Ziel, die Gesamtschulen<br />

unattraktiv zu machen. Anmeldeboom und Elternwillen sind den Gesamtschulgegnern<br />

ein Dorn im Auge.<br />

In Berlin, wo es Gesamtschulen mit und ohne Oberstufen gibt, werden<br />

die Gesamtschulen ohne Oberstufe von Schülern gemieden, die von ihren<br />

Grundschullehrern eine Realschul- o<strong>der</strong> Gymnasialempfehlung bekommen<br />

haben, so Prof. Bellenberg. Für diese Schüler spiele bereits bei <strong>der</strong><br />

Wahl <strong>der</strong> Schulform in <strong>der</strong> Sekundarstufe I die Abituroption eine zentrale<br />

und schulwahlentscheidende Rolle. Dies habe die jüngst in Berlin vorgelegte<br />

ELEMENT-Studie gezeigt. Für leistungsstarke Schülerinnen und<br />

Schüler seien nur Gesamtschulen mit Oberstufe attraktiv, so wie wir sie<br />

in Nordrhein-Westfalen bereits haben und erhalten sollten.<br />

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