"der flugleiter" im *.pdf Format - GdF
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sollte sich auch so langsam in <strong>der</strong> Chefetage <strong>der</strong> DFS<br />
herumgesprochen haben, dass es sich bei <strong>der</strong> <strong>GdF</strong><br />
nicht um einen „Amateurverein“ handelt, son<strong>der</strong>n<br />
um eine schlagkräftige und ernst zu nehmende Gewerkschaft,<br />
die zumindest bei den operativen Diensten<br />
über einen Organisationsgrad verfügt, <strong>der</strong> die<br />
Herren Bsirske, Peters und Co. vor Neid erblassen<br />
läßt. Und Joe hofft, dass sich <strong>im</strong> Management <strong>der</strong><br />
DFS endlich (wie<strong>der</strong>) die Erkenntnis breit macht,<br />
dass es ihre Mitarbeiter vor Ort sind, die das Produkt<br />
Flugsicherung erbringen, dass sie es sind, die trotz<br />
gleich bleibendem Personalstand ein <strong>im</strong>mer höheres<br />
Verkehrsaufkommen mit einem hohen Sicherheitsstandard<br />
bewältigen und dass es eigentlich selbstverständlich<br />
sein sollte, sie entsprechend dieser Leistung<br />
zu bezahlen. Und dass eben diese Entlohnung nicht<br />
einem herbeigewünschten Wettbewerb unter europäischen<br />
Flugsicherungsdienstleistern geopfert<br />
werden darf.<br />
Doch <strong>der</strong> Arbeitskampf ist nicht die einzige Sorge,<br />
die Joe beschäftigt. So musste er mit Erstaunen feststellen,<br />
dass das Veto des Bundespräsidenten bei den<br />
Verantwortlichen sowohl <strong>im</strong> Ministerium als auch<br />
bei den Politikern zu keinem grundsätzlichen Nachdenken<br />
über die Natur <strong>der</strong> Flugsicherung geführt<br />
hat, son<strong>der</strong>n dass am Ziel <strong>der</strong> Kapitalprivatisierung<br />
weiter festgehalten wird. Wie dies geschehen soll,<br />
entzieht sich Joes Kenntnis, aber er kann sich gut<br />
vorstellen, dass nun Versuche unternommen werden,<br />
das Grundgesetz zu än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> es auf irgendeine<br />
Weise zu umgehen. Was ein eigenartiges Verhältnis<br />
unserer Staatsdiener und best<strong>im</strong>mter Politiker<br />
zu unserer Verfassung offenbaren würde. Man<br />
muss <strong>im</strong> Ministerium, um einen ehemaligen CSU-<br />
Politiker und Minister zu zitieren, ja nicht jeden Tag<br />
mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.<br />
Aber reinschauen könnte man hin und wie<strong>der</strong><br />
schon einmal. Und dann könnte man dort auch<br />
nachlesen, dass Flugsicherung eine hoheitliche Aufgabe<br />
ist. Und die sollte man, so meint Joe, nicht unbedingt<br />
Kapitalinteressen aussetzen.<br />
Doch dies scheint man <strong>im</strong> Ministerium und vor allem<br />
in <strong>der</strong> Chefetage <strong>der</strong> DFS vergessen zu haben.<br />
Dort sieht man in <strong>der</strong> Flugsicherung in erster Linie<br />
eine Dienstleistung und so hat Joe das <strong>im</strong> letzten<br />
„Transmission“ abgedruckte Interview mit dem juristischen<br />
Berater des Bundespräsidenten mit einem<br />
Gefühl gelesen, das irgendwo zwischen Schmunzeln<br />
und Ärgern angesiedet war. Hat doch <strong>der</strong> Interviewer<br />
<strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> versucht, dem Präsidentenberater<br />
die Aussage zu entlocken, Flugsicherung wäre nichts<br />
an<strong>der</strong>es als eine ganz normale Dienstleistung. Man<br />
merkt die Absicht und ist verst<strong>im</strong>mt!<br />
Joe hat auch mit Erstaunen gehört, dass <strong>der</strong> <strong>im</strong><br />
Ministerium zuständige Abteilungsleiter trotz des<br />
präsidialen Vetos, das man auch als präsidiale Ohrfeige<br />
bezeichnen könnte, ganz guter Laune ist. Nun<br />
weiß Joe natürlich nicht, worin diese gute Laune begründet<br />
ist. Vielleicht mag sich <strong>der</strong> Ministerialbeamte<br />
sagen, dass er sich ohnehin keine Sorgen um seinen<br />
Job zu machen habe. Schließlich wird <strong>der</strong> ja<br />
nicht kapitalprivatisiert. Und darüber hinaus hat die<br />
Ministerialbürokratie schon alles überlebt. Das Kaiserreich,<br />
die We<strong>im</strong>arer Republik, die Nazidiktatur<br />
und auch die westdeutsche Bundesrepublik. Letzlich<br />
ist es den Ministerialdirektoren und -dirigenten<br />
gleichgültig, wer unter ihnen Minister ist. O<strong>der</strong> er ist<br />
guter Laune, weil er schon einen Plan hat, wie das<br />
Grundgesetz umgangen werden kann. Dabei ist Joe<br />
<strong>der</strong> Meinung, dass unsere Verfassung ein hohes Gut<br />
ist, das nicht einfach geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> umgangen werden<br />
sollte.<br />
Überhaupt hat Joe den Eindruck, dass in Berlin<br />
die Verfassung eher als lästig angesehen wird, wenn<br />
es darum geht, politische Wunschvorstellungen<br />
durchzusetzen. Hatte da das Verfassungsgericht nicht<br />
den Abschuss eines entführten Passagierflugzeuges<br />
untersagt, weil Menschenleben nicht mit Menschenleben<br />
aufgerechnet werden dürfen? Doch dieses Urteil<br />
aus Karlsruhe liess den Innenminister offenbar<br />
nicht ruhen und so kam er auf die glorreiche Idee,<br />
dass man Passagierflugzeuge durchaus abschießen<br />
dürfe, wenn man dadurch die Grundlagen des Gemeinwesens<br />
schützen könne. Nun weiß Joe nicht so<br />
genau, was unter den Grundlagen des Gemeinwesens<br />
zu verstehen ist. Unter an<strong>der</strong>em würde er darunter<br />
die Achtung <strong>der</strong> Menschenwürde und - wie<br />
oft soll man dies eigentlich noch betonen - auch den<br />
Respekt vor unserer Verfassung verstehen. Dass<br />
Menschen nach Meinung des Innenministers nun<br />
weniger wert sein sollen als <strong>der</strong> ziemlich schwammige<br />
Begriff <strong>der</strong> Grundlagen des Gemeinwesens, hält<br />
Joe für einen Irrweg, ja sogar für einen Skandal.<br />
So hat das Neue Jahr für Joe an<strong>der</strong>s begonnen als<br />
die vielen Jahre zuvor. Pathetisch veranlagte Menschen<br />
würden behaupten, dass es ein Jahr <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen sein wird. Joe ist nicht<br />
beson<strong>der</strong>s pathetisch angelegt, aber dieses Mal dürfte<br />
es die Lage ziemlich genau beschreiben. Meint<br />
Joe<br />
Joe’s Corner<br />
25 <strong>der</strong> flugleiter 2007/01