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Satztypen und Konstruktionen - Johannes Gutenberg-Universität ...

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<strong>Satztypen</strong> <strong>und</strong> <strong>Konstruktionen</strong> im Deutschen<br />

Tagung an der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-<strong>Universität</strong> Mainz<br />

26.-28. September 2013<br />

Organisation:<br />

Dr. Rita Finkbeiner (finkbein@uni-mainz.de)<br />

Prof. Dr. Jörg Meibauer (meibauer@uni-mainz.de)<br />

Gefördert von der<br />

In den letzten Jahren hat der Begriff der Konstruktion eine deutliche Aufwertung<br />

in der linguistischen Theoriebildung erfahren, <strong>und</strong> zwar sowohl in der<br />

theoretischen als auch in der angewandten Linguistik (Fillmore et al. 1988;<br />

Günthner/Imo, Hgg., 2006; Tomasello 2008; Fischer/Stefanowitsch, Hgg., 2 2008;<br />

Jacobs 2008). In Termini der Konstruktionsgrammatik, die sich explizit von<br />

derivationellen („Ableitungs-“) bzw. projektionistischen Grammatiktheorien<br />

abgrenzt, sind <strong>Konstruktionen</strong> konventionelle <strong>und</strong> arbiträre Form-Bedeutungs-<br />

Paare (z.B. Fillmore et al. 1988).<br />

Der Begriff des Satztyps dagegen, der hauptsächlich in derivationellen<br />

Ansätzen verwendet wird, wird gewöhnlich als das Ergebnis einer modularen<br />

Interaktion morphologischer <strong>und</strong> syntaktischer Merkmale betrachtet (Brandt/Reis/<br />

Rosengren/Zimmermann 1992; Reis 1999, 2003). Im Gegensatz dazu definiert der<br />

sog. „Korrespondenzansatz“ (Altmann 1987, 1993) <strong>Satztypen</strong> als Bündel von<br />

formalen Merkmalen, die arbiträr mit bestimmten Bedeutungen verb<strong>und</strong>en sind<br />

(„Satzmodus“). Diese Definition ähnelt stark literaturgängigen Definitionen von<br />

<strong>Konstruktionen</strong>.<br />

Dies wirft die Frage auf, ob die anscheinend konträren Ansätze<br />

(Konstruktionsgrammatik versus „<strong>Satztypen</strong>grammatik“) vielleicht doch nicht so<br />

weit voneinander entfernt sind, ob <strong>und</strong> in welcher Weise sie voneinander<br />

profitieren können, aber auch, in welcher Weise es nötig ist, sie strikt voneinander<br />

zu trennen.<br />

Unsere Tagung zielt darauf ab, Forschungsansätze zur Konstruktion <strong>und</strong><br />

zum Satztyp in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Wir wollen die Kluft zwischen<br />

der Forschung zu <strong>Konstruktionen</strong> <strong>und</strong> <strong>Satztypen</strong> verringern <strong>und</strong> streben eine<br />

Vermittlung zwischen den verschiedenen Forschungstraditionen <strong>und</strong> -ansätzen an.<br />

Diskutiert werden sollen theoretische, empirische <strong>und</strong> methodologische Fragen, die<br />

die folgenden einschließen, aber nicht darauf beschränkt sind:<br />

1


• Theoretische Fragen<br />

- Ist es fruchtbar, <strong>Satztypen</strong> als <strong>Konstruktionen</strong> zu beschreiben <strong>und</strong><br />

umgekehrt? Oder: Sind <strong>Satztypen</strong> (im Gr<strong>und</strong>e) <strong>Konstruktionen</strong>?<br />

- Wie können konstruktionsgrammatische Ansätze von <strong>Satztypen</strong>ansätzen<br />

profitieren <strong>und</strong> umgekehrt?<br />

- Welchen spezifischen Beschränkungen unterliegen konstruktionsgrammatische<br />

versus Derivations- <strong>und</strong> Korrespondenzansätze?<br />

- Wie kann man <strong>Satztypen</strong>ansätze mit konstruktionsgrammatischen Ansätzen<br />

kombinieren (Jacobs 2008)?<br />

Ein Standardargument für konstruktionsgrammatische Ansätze ist ihre stärkere<br />

empirische Adäquatheit, da sie Phänomene beschreiben können, die einer<br />

regelbasierten Analyse nicht unbedingt zugänglich sind, z.B. Phänomene der<br />

gesprochenen Sprache (Deppermann 2006). Ein Standardargument für<br />

Ableitungsansätze ist ihre stärkere Erklärungskraft, da sie über die adäquate<br />

Beschreibung hinaus die möglichst universale Generalisierung in Regeln <strong>und</strong><br />

Gesetzmäßigkeiten anstreben (Müller 2011).<br />

• Empirische Fragen (Daten)<br />

- Was sind die relevanten Daten in den jeweiligen Gebieten? Welche Daten<br />

aus anderen germanischen Sprachen oder aus deutschen Dialekten verdienen<br />

mehr Beachtung?<br />

- Gibt es irgendwelche neuen Daten, die ausschließlich konstruktionsgrammatische<br />

oder (derivationelle) <strong>Satztypen</strong>ansätze stützen?<br />

Idiome beispielsweise stehen einerseits im Zentrum der Konstruktionsgrammatik<br />

in der Tradition von Fillmore et al. (1988), andererseits gibt es eine Reihe von<br />

Phraseologismen, z.B. Sprichwörter, Satzidiome, aber auch Tautologien <strong>und</strong><br />

weitere satzwertige Ausdrücke, die in konstruktionsgrammatischen Ansätzen bisher<br />

nicht viel Aufmerksamkeit gef<strong>und</strong>en haben (Finkbeiner 2008). Auch kontrastive<br />

Daten könnten stärker als bisher dazu genutzt werden, unser Wissen über<br />

<strong>Satztypen</strong>/<strong>Konstruktionen</strong> zu systematisieren (Auer/Lindström 2011, Finkbeiner<br />

2012). Weder konstruktionistische noch <strong>Satztypen</strong>ansätze scheinen es sich leisten<br />

zu können, bestimmte Daten oder bestimmte Konstruktionstypen zu<br />

marginalisieren.<br />

• Methodologische Fragen<br />

- Worin bestehen die wesentlichen methodologischen Probleme<br />

konstruktionsgrammatischer Ansätze im Vergleich zu <strong>Satztypen</strong>ansätzen<br />

(<strong>und</strong> umgekehrt) <strong>und</strong> wie können wir diese beheben?<br />

Während konstruktionsgrammatische Ansätze oft auf Korpora gegründet sind,<br />

arbeiten viele <strong>Satztypen</strong>ansätze mit introspektiven Daten, was in jüngerer Zeit<br />

vielfach kritisch gesehen wird. Zugleich kritisieren Konversationsanalytiker<br />

konstruktionsgrammatische Ansätze wegen der Vernachlässigung der gesprochenen<br />

2


Sprache (Günthner 2009). Dies wirft die Frage auf, welche Art von Evidenz man<br />

benötigt, um „<strong>Konstruktionen</strong>“ angemessen zu untersuchen. Für beide Ansätze gilt<br />

übrigens, dass sie bisher noch nicht mit experimentell-linguistischen Methoden<br />

überprüft worden sind.<br />

Unsere Tagung richtet sich an ausgewiesene Experten der verschiedenen<br />

Analyseansätze, die wir in einen Dialog über die skizzierten Fragestellungen bringen<br />

möchten. Dabei sollen immer bestimmte <strong>Satztypen</strong> oder <strong>Konstruktionen</strong> im Fokus<br />

stehen <strong>und</strong> es soll zwischen den verschiedenen möglichen Zugängen abgewogen<br />

werden. Nach Möglichkeit sollen auch mehrere methodologische Zugänge<br />

ausprobiert werden. Ziel ist es, neue theoretische <strong>und</strong> empirische Anstöße in einem<br />

wichtigen Feld der germanistischen Linguistik vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Erreichten<br />

(siehe Meibauer/Steinbach/Altmann, erscheint) zu geben.<br />

Ausgewählte Literatur<br />

Altmann, Hans (1987): Zur Problematik der Konstitution von Satzmodi als<br />

Formtypen. In: Meibauer, Jörg (Hg.): Satzmodus zwischen Grammatik <strong>und</strong><br />

Pragmatik. Referate anläßlich der 8. Jahrestagung der Deutschen<br />

Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Heidelberg 1986. Tübingen: Niemeyer,<br />

22–56.<br />

Altmann, Hans (1993): Satzmodus. In: Jacobs, Joachim/Stechow, Arnim<br />

von/Sternefeld, Wolfgang u. a. (Hgg.): Syntax. Ein internationales Handbuch<br />

zeitgenössischer Forschung. Vol. 1. Berlin, New York: Walter de Gruyter,<br />

1006–1029.<br />

Auer, Peter/Lindström, Jan (2011): Verb-first conditionals in German and Swedish:<br />

convergence in writing, divergence in speaking. In: Auer, Peter/Pfänder,<br />

Stefan (Hgg.): Constructions: Emerging and Emergent. Berlin, New York: de<br />

Gruyter, 218–262.<br />

Brandt, Margareta/Reis, Marga/Rosengren, Inger/Zimmermann, Ilse (1992):<br />

Satztyp, Satzmodus <strong>und</strong> Illokution. In: Rosengren, Inger (Hg.): Satz <strong>und</strong><br />

Illokution. Vol 1. Tübingen: Niemeyer, 1–90.<br />

Deppermann, Arnulf (2006): Construction Grammar – Eine Grammatik für die<br />

Interaktion? In: Deppermann, Arnulf/Fiehler, Reinhard/Spranz-Fogasy,<br />

Thomas (Hgg.): Grammatik <strong>und</strong> Interaktion. Radolfszell: Verlag für<br />

Gesprächsforschung, 43–65.<br />

Fillmore, Charles J./Kay, Paul/O'Connor, Mary C. (1988): Regularity and<br />

Idiomaticity in Grammatical Constructions. The Case of Let Alone. In:<br />

Language 64, 501–538.<br />

Finkbeiner, Rita (2008): Idiomatische Sätze im Deutschen. Syntaktische,<br />

semantische <strong>und</strong> pragmatische Studien <strong>und</strong> Untersuchung ihrer<br />

Produktivität. Stockholm: Acta Universitatis Stockholmiensis (Stockholmer<br />

Germanistische Forschungen 72).<br />

3


Finkbeiner, Rita (2012): Naja, normal <strong>und</strong> normal. Zur Syntax, Semantik <strong>und</strong><br />

Pragmatik der "x <strong>und</strong> x"-Konstruktion im Deutschen. In: Zeitschrift für<br />

Sprachwissenschaft 31.1, 1–42.<br />

Fischer, Kerstin/Stefanowitsch, Anatol (Hgg.) ( 2 2008): Konstruktionsgrammatik I.<br />

Von der Anwendung zur Theorie. Tübingen: Stauffenburg.<br />

Günthner, Susanne/Imo, Wolfgang (Hgg.) (2006): <strong>Konstruktionen</strong> in der<br />

Interaktion. Berlin, New York: de Gruyter.<br />

Günthner, Susanne (2009): <strong>Konstruktionen</strong> in der kommunikativen Praxis – Zur<br />

Notwendigkeit einer interaktionalen Anreicherung konstruktions<br />

grammatischer Ansätze. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 37: 3,<br />

402–426.<br />

Jacobs, Joachim (2008): Wozu <strong>Konstruktionen</strong>? In: Linguistische Berichte 213, 3–<br />

44.<br />

Meibauer, Jörg/Steinbach, Markus/Altmann, Hans (Hgg.) (erscheint): <strong>Satztypen</strong><br />

des Deutschen. Berlin, New York: de Gruyter.<br />

Müller, Gereon (2011): Regeln oder <strong>Konstruktionen</strong>? Von verblosen Direktiven<br />

zur sequentiellen Nominalreduplikation. In: Engelberg, Stefan et al. (Hgg.):<br />

Sprachliches Wissen zwischen Lexikon <strong>und</strong> Grammatik. Berlin, New York:<br />

de Gruyter, 211–249.<br />

Reis, Marga (1999): On Sentence Types in German. An Inquiry into the<br />

Relationship between Grammar and Pragmatics. In: Interdisciplinary Journal<br />

for Germanic Linguistics and Semiotic Analysis 4, 195–236.<br />

Reis, Marga (2003): On the form and interpretation of German wh-infinitives. In:<br />

Journal of Germanic Linguistics 15, 155–201.<br />

Tomasello, Michael (2008): Konstruktionsgrammatik <strong>und</strong> früher Erstspracherwerb.<br />

In: Fischer, Kerstin/Stefanowitsch, Anatol (Hgg.): Konstruktionsgrammatik<br />

I. Von der Anwendung zur Theorie. Tübingen: Stauffenburg, 19–38.<br />

4

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